Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 25.01.2011


BVerwG 25.01.2011 - 2 B 73/10

Bleibevereinbarung; Wegfall der Geschäftsgrundlage; besoldungsrechtlicher Gesetzesvorbehalt


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
25.01.2011
Aktenzeichen:
2 B 73/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 9. Juni 2010, Az: 2 KO 60/09, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 2 BesG TH

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. Der behauptete Verfahrensmangel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor.

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Der Kläger, der beamteter Universitätsprofessor im Dienst des Beklagten ist, lehnte im Jahr 1998 einen Ruf der Universität Zürich ab, nachdem sich der Beklagte in einer Bleibevereinbarung auf der Grundlage der damaligen Vorbemerkung Nr. 2 zur Bundesbesoldungsordnung C zur Zahlung eines nicht ruhegehaltfähigen, an den gesetzlichen Besoldungserhöhungen teilnehmenden Zuschusses von 1 500 DM monatlich verpflichtet hatte. Der Zuschuss glich ca. 74 % der damaligen Differenz zwischen dem jährlichen Bruttoeinkommen des Klägers im Dienst des Beklagten und dem höheren jährlichen Bruttoeinkommen aus, das der Kläger bei Annahme des Rufs voraussichtlich erzielt hätte. Der Vereinbarung lag eine Vergleichsberechnung des Beklagten zugrunde, in die er die dem Kläger für das Jahr 1998 zustehenden Sonderzuwendungen in der damaligen gesetzlichen Höhe eingestellt hatte.

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Der Kläger hält die Erhöhung des Zuschusses nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage für geboten, um die gesetzlichen Kürzungen der jährlichen Sonderzuwendungen seit dem Jahr 2004 auszugleichen. Die Beteiligten seien bei Abschluss der Bleibevereinbarung übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Kläger im Dienst des Beklagten künftig annähernd gleichviel verdienen sollte wie bei Annahme des Auslandsrufs. Zweck der Vereinbarung sei die Herstellung einer dauerhaften Einkommensparität gewesen. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn Kürzungen ab 2004 nicht ausgeglichen würden. Diese seien 1998 nicht vorhersehbar gewesen.

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Die auf Nachzahlung der Ausgleichsbeträge seit 2004 gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, die in § 60 Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG geregelten Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage lägen nicht vor. Die Beteiligten hätten weder die dauerhafte Einkommensparität noch eine Besitzstandswahrung unabhängig von der besoldungsrechtlichen Entwicklung zur gemeinsamen Grundlage der Bleibevereinbarung gemacht. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Entwicklung der Einkommen von Universitätsprofessoren in Deutschland und in der Schweiz dauerhaft habe beobachten und die Höhe des zugesagten Zuschusses entsprechend habe anpassen sollen. Auch habe der Beklagte aufgrund der Geltung des besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts keine Gewähr für den ungeschmälerten Fortbestand der Besoldungsansprüche des Klägers übernehmen können. Die Höhe der jährlichen Sonderzuwendungen im Jahr 1998 sei lediglich als Rechengröße in die Vergleichsberechnungen eingeflossen.

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Der Kläger wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sinngemäß die Fragen auf,

- welche Umstände und Entwicklungen gemeinsame Grundlage einer zur Abwendung eines Rufs geschlossenen Bleibevereinbarung zwischen Hochschullehrer und Dienstherrn sein können;

- ob einseitige Eingriffe des Dienstherrn in das der Bleibevereinbarung zugrunde gelegte Verhandlungsergebnis grundsätzlich zulässig sind;

- ob die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze zur Änderungskündigung auf Änderungen des Verhandlungsergebnisses entsprechende Anwendung finden;

- ob nachträgliche Besoldungsabsenkungen unabhängig von ihrem Umfang die Erhöhung der in einer Bleibevereinbarung zugesagten Leistungen gebieten, wenn ansonsten das Verhandlungsergebnis entwertet würde.

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Diese Fragen können schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen, weil es bei Anwendung der allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Ausgang des Rechtsstreits nicht darauf ankommt, wie sie beantwortet werden (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.; stRspr).

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Das Oberverwaltungsgericht hat die Frage, ob dem Kläger aufgrund der Bleibevereinbarung ein Anspruch der 2004 einsetzenden Kürzungen der jährlichen Sonderzuwendungen zusteht, nach § 60 Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG beurteilt. In dieser Vorschrift, die wörtlich mit § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG übereinstimmt, sind die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen kodifiziert. Danach kann eine Vertragspartei die Anpassung des Vertragsinhalts verlangen, wenn sich die für die Festsetzung des Vertrags maßgebenden Verhältnisse seit dessen Abschluss wesentlich zu ihrem Nachteil geändert haben und ihr aus diesem Grund ein Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist.

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Der Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die ihrerseits an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Wegfall der Geschäftsgrundlage anschließt, geklärt, soweit es für den vorliegenden Fall von Bedeutung ist. Danach setzt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG voraus, dass nach Vertragsschluss tatsächliche Umstände oder rechtliche Bedingungen weggefallen sind, die die Vertragspartner zwar nicht zum Vertragsinhalt gemacht haben, deren Bestand sie jedoch als gemeinsame Grundlage des Vertrags angenommen und als beständig vorausgesetzt haben. Allerdings reicht es für die Annahme einer wesentlichen Änderung nicht aus, dass eine Vertragspartei nach ihrer gegenwärtigen Interessenlage in den Verschlagsschluss vernünftigerweise nicht mehr einwilligen würde. Vielmehr muss die Änderung zu schwerwiegenden, bei Vertragsschluss nicht absehbaren Nachteilen für eine Vertragspartei führen, denen die Vertragspartner billigerweise Rechnung getragen hätten, wenn sie die Entwicklung vorhergesehen hätten. Die Folgen der nachträglichen Änderung müssen den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat. Dies ist insbesondere der Fall, wenn - bei Annahme der Gleichwertigkeit der gegenseitigen Leistungen bei Vertragsschluss - durch die nachträgliche tatsächliche Entwicklung oder eine nachträgliche Rechtsänderung ein eklatantes Missverhältnis zwischen ihnen entstanden ist. Die rechtliche Würdigung, ob ein Umstand eine gemeinsame Grundlage des Vertrags darstellt und ob sich aus seiner Änderung unzumutbare Folgewirkungen für einen Vertragspartner ergeben, ist auf der Grundlage aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteile vom 25. November 1966 - BVerwG 7 C 35.65 - BVerwGE 25, 299 <302 f.>; vom 9. November 1990 - BVerwG 8 C 36.89 - BVerwGE 87, 77 <80 f.> und vom 24. September 1997 - BVerwGE 11 C 10.96 - Buchholz 407.2 § 19 EKrG Nr. 1 = NVwZ 1998, 1075).

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Diese Rechtsgrundsätze hat das Oberverwaltungsgericht dem Berufungsurteil zugrunde gelegt (vgl. S. 13 des Urteilsumdrucks). Davon ausgehend hat es den von ihm gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellten Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass weder der dauerhafte Schutz des Klägers gegen nachteilige Entwicklungen der Beamtenbesoldung noch die Herstellung einer dauerhaften Parität seines Einkommens mit den Verdienstmöglichkeiten als Professor an der Universität Zürich gemeinsame Geschäftsgrundlage, d.h. übereinstimmendes Verhandlungsergebnis, der Bleibevereinbarung war.

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Daher würden sich die vom Kläger aufgeworfenen Fragen in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Die Fragen betreffen die Voraussetzungen und die Zumutbarkeit wesentlicher Änderungen einer gemeinsamen Geschäftsgrundlage der Vertragspartner. Eine derartige Grundlage existiert nach der Sachverhaltswürdigung des Oberverwaltungsgerichts gerade nicht. Diese Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles ist nicht verallgemeinerungsfähig. Soweit ihr der Kläger seine eigene, ihm naturgemäß günstigere fallbezogene Würdigung entgegensetzt, kann er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründen. Denn er wendet sich gegen die Anwendung der hinreichend geklärten allgemeinen Rechtsgrundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage auf den festgestellten Sachverhalt.

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Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass der besoldungsrechtliche Gesetzesvorbehalt entscheidend gegen die Annahme spricht, der Beklagte habe einen dauerhaften Schutz des Klägers gegen Besoldungseinschnitte zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage der Bleibevereinbarung machen wollen. Besoldungsleistungen dürfen gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BBesG (nunmehr § 2 Abs.1 und Abs. 2 Satz 1 ThürBesG) nur auf gesetzlicher Grundlage und in der gesetzlich vorgesehenen Höhe gewährt werden. Dies gilt auch für die Besoldung beamteter Universitätsprofessoren. Der Beklagte hat den monatlichen Zuschuss nicht außerhalb oder entgegen gesetzlicher Regelungen zugesagt, sondern die Vorbemerkung 2 der Bundesbesoldungsordnung C in der 1998 geltenden Fassung angewandt. Dabei hat er einen gesetzlich eröffneten Spielraum wahrgenommen (vgl. Urteil vom 12. November 2009 - BVerwG 2 C 24.08 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 15 Rn. 19). Der Beklagte hätte sich rechtswidrig verhalten, wenn er einem Verhandlungsergebnis zugestimmt hätte, das den Kläger dauerhaft von einer ihm nachteiligen Geltung der Besoldungsgesetze ausgenommen hätte.

12

Dass auch die Garantie einer dauerhaften Einkommensparität nicht übereinstimmendes Verhandlungsergebnis - weil vom Beklagten nicht gewollt - war, ergibt sich aus dem festgestellten Umstand, dass die Entwicklung der Professoreneinkommen in der Schweiz nach 1998 nicht in den Blick genommen werden sollte. Dies wäre aber zur Gewährleistung einer dauerhaften Parität erforderlich gewesen. Zudem ließe sich auch diese Garantie schwerlich mit dem besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt vereinbaren.

13

Es stellt keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar, dass das Oberverwaltungsgericht die Universität nicht zu dem Verfahren beigeladen hat. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gemäß § 65 Abs. 2 VwGO sind nicht erfüllt, weil Rechte der Universität durch das Verfahren nicht berührt werden. Das Beamtenverhältnis des Klägers besteht mit dem Beklagten als Dienstherrn, so dass dieser den Kläger zu besolden hat. Auch Ansprüche aus der Bleibevereinbarung richten sich ausschließlich gegen den Beklagten als Vertragspartner des Klägers.