Entscheidungsdatum: 14.11.2011
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die 1954 geborene Klägerin stand bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im Oktober 2005 als Lehrerin im Dienst des Beklagten. Sie begehrt die Verpflichtung des Beklagten, eine Reihe von Verletzungen als weitere Folge eines Dienstunfalls anzuerkennen sowie in diesem Zusammenhang näher bezeichnete Heilbehandlungskosten zu erstatten und von der Rückforderung bereits erstatteter Heilbehandlungskosten abzusehen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beklagten verpflichtet, als weitere Folge des Dienstunfalls eine psychoreaktive Störung in Form einer Anpassungsstörung anzuerkennen. Im Übrigen hat er die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - von der Beschwerde zu bezeichnende - bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen Fortentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>; stRspr). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
Die Beteiligten streiten darüber, ob als Folge des Dienstunfalls eine psychoreaktive Störung in Form einer Anpassungsstörung anzuerkennen ist. Hier ist die Kausalität des Dienstunfalls vom Februar 2003 für die festgestellte Krankheit zweifelhaft, weil als Ursache neben dem anerkannten Dienstunfall vom Februar 2003 noch die seit 2005 bestehende eheliche Konfliktsituation, die im Jahr 2009 schließlich zur Scheidung der Klägerin geführt hat, in Betracht kommt. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht die Beschwerde in der Frage, ob allein die Aufrechterhaltung eines zunächst dienstunfallbedingten Körperschadens durch eine neu hinzutretende, dienstunabhängige Ursache einen haftungsbegründenden Kausalzusammenhang im Sinne von § 31 BeamtVG vermitteln kann, unabhängig davon, ob die auslösende dienstunfallbedingte Ursache ohne die neue Ursache ihre Wirkung verloren hätte.
Die so bezeichnete Frage würde in einem Revisionsverfahren nicht zu beantworten sein, weil die Beschwerde von einem Sachverhalt ausgeht, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage setzt in tatsächlicher Hinsicht voraus, dass ein dienstunfallbedingter Körperschaden ausschließlich durch eine neue, dienstunfallunabhängige Ursache aufrechterhalten wurde. Demgegenüber war nach dem Gutachten von Prof. Dr. O. die eheliche Konfliktsituation der Klägerin nicht der einzige Umstand, der zur Aufrechterhaltung der psychoreaktiven Störung beigetragen hat. Der Gutachter hat sich lediglich außerstande gesehen zu quantifizieren, wie hoch der Anteil der ehelichen Konfliktsituation an der Aufrechterhaltung der Anpassungsstörung zu bemessen ist. Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist der Verwaltungsgerichtshof zu der Überzeugung gelangt, dass die eheliche Konfliktsituation zu der bereits chronischen Anpassungsstörung der Klägerin als wesentliche Mitursache hinzugetreten ist, ohne damit die wesentliche Mitursächlichkeit des Dienstunfalls für diese Störung zu verdrängen.
Soweit die von der Beschwerde aufgeworfene Frage dahin zu verstehen sein sollte, ob das Hinzutreten einer dienstunfallunabhängigen Mitursache zu einer fortbestehenden dienstunfallbedingten Mitursache den Kausalzusammenhang zwischen dem Dienstunfall und dem dadurch ausgelösten Körperschaden ausschließt, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sich die Frage anhand der vorliegenden Rechtsprechung beantworten lässt. In derartigen Fällen ist der Dienstunfall dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) hingewirkt hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt (vgl. Urteile vom 20. April 1967 - BVerwG 2 C 118.64 - BVerwGE 26, 332 <333>, vom 10. Juli 1968 - BVerwG 6 C 65.65 - Buchholz 232 § 186 BBG Nr. 6, vom 30. Juni 1988 - BVerwG 2 C 77.86 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 6 und vom 1. März 2007 - BVerwG 2 A 9.04 - Schütz BeamtR ES/C II 3.5 Nr. 16).
Weiterführende rechtsgrundsätzliche Erkenntnisse wären in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren nicht zu erwarten. Die Frage, ob der Verwaltungsgerichtshof die genannten Grundsätze zur wesentlich mitwirkenden Teilursache auf den konkreten Fall zutreffend angewendet hat, ist keine von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung.
3. Die Revision ist auch nicht wegen der in der Beschwerde geltend gemachten Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Zwar liegt eine Abweichung auch dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in seinen Obersätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Wiedergabe der maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen hat, die fallbezogenen Rechtsausführungen aber erkennen lassen, dass es der Sache nach einen anderen rechtlichen Standpunkt eingenommen und von dort aus abweichende Rechtssätze zugrunde gelegt hat (Beschluss vom 15. September 2005 - BVerwG 1 B 12.05 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 316 und BFH, Beschluss vom 23. April 1992 - VIII B 49/90 - BFHE 167, 488). Eine solche Abweichung liegt hier aber nicht vor.
Die Beschwerde bezieht sich insoweit auf die ergänzenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs in Rn. 67 seines Urteils. Aus diesen kann aber nicht im Sinne der Beschwerde geschlossen werden, der Verwaltungsgerichtshof sei entgegen der wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen, für die Annahme des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Dienstunfall und der Erkrankung reiche die äquivalente Kausalität aus. Die Prüfung der Kausalität erfolgt in zwei Schritten. Ausgangsbasis ist die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie (conditio sine qua non). Wegen der Weite dieser Theorie muss auf der zweiten Stufe eine wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache getroffen werden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, Rn. 13 ff.). Der Verwaltungsgerichtshof ist aber bei seinen von der Beschwerde angegriffenen Darlegungen ersichtlich nicht auf der ersten Stufe, den Überlegungen zur schlichten Kausalität im Sinne der Bedingungstheorie, stehen geblieben. Das Berufungsgericht hat vielmehr, wie den Worten "zumindest mit maßgeblich" zu entnehmen ist, anknüpfend an die zuvor dargestellte Theorie der wesentlich mitwirkenden Teilursache eine Bewertung der Wesentlichkeit des Dienstunfalls für die Aufrechterhaltung der diagnostizierten Erkrankung vorgenommen.