Entscheidungsdatum: 31.08.2011
Die Klägerin begehrt die Anerkennung weitergehender ruhegehaltfähiger Dienstzeiten. Mit Bescheid vom 22. Januar 2007 setzte das seinerzeitige Landesbesoldungsamt Schleswig-Holstein ihre ruhegehaltfähige Dienstzeit fest. Dabei erkannte es die Zeit vom 6. Februar 1977 bis zum 31. Juli 1982, in der die Klägerin ohne Dienstbezüge beurlaubt war, sowie Zeiten der Kindererziehung und der Teilzeitbeschäftigung aus Gründen der Kindererziehung nicht an und setzte einen Versorgungsabschlag fest. Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klage sei hinsichtlich der Nichtanerkennung der Zeiten der Kindererziehung und der Teilzeitbeschäftigung aus Gründen der Kindererziehung sowie der Festsetzung des Versorgungsabschlags bereits unzulässig, weil die Klägerin insoweit keinen Widerspruch erhoben habe. Ihre hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Die entsprechenden Rügen der Beschwerde müssen erfolglos bleiben, weil die Beschwerde den Zulassungsgrund nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise bezeichnet hat. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann ordnungsgemäß bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angegriffene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung u.a. des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz ausdrücklich oder zumindest konkludent widersprochen hat (stRspr, vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Die Beschwerde behauptet zwar, das angegriffene Urteil weiche von dem Rechtssatz ab, es sei "im Allgemeinen davon auszugehen, dass der Widerspruchsführer mit seinem Widerspruch den gesamten Inhalt des ihn belastenden Verwaltungsakts anfechten" wolle (Urteil vom 22. Oktober 1986 - BVerwG 4 C 79.82 - NVwZ 1988, 147
Entsprechendes gilt für die behauptete Abweichung von dem Urteil vom 27. April 1990 - BVerwG 8 C 70.88 - (Buchholz 310 § 74 VwGO Nr. 9). Nach dem Beschwerdevorbringen hat das Bundesverwaltungsgericht in der Divergenzentscheidung den Rechtssatz aufgestellt, wenn die "Rechtsbehelfsschrift eines Nichtjuristen zumindest auch in der Weise ausgelegt werden kann, dass der vorbehalt- und bedingungslose Wille des Verfassers zur Einlegung des Rechtsbehelfs anzunehmen ist, gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, der einen substantiellen Anspruch des Bürgers auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle begründet, diese dem Rechtsbehelfsführer günstigere Auslegung". Einen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz des Berufungsgerichts bezeichnet die Beschwerde nicht. Sie begnügt sich auch in diesem Zusammenhang mit Angriffen gegen die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts, der sie ihre eigene Auffassung zur Mehrdeutigkeit des Widerspruchs entgegensetzt. Davon abgesehen übersieht die Beschwerde, dass die vom dem Berufungsgericht angenommene Widerspruchsbeschränkung mit dem in der anwaltlich erhobenen Untätigkeitsklage vom 7. Juni 2007 angekündigten Klageantrag übereinstimmt.
2. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen,
"ob bei Widerspruchsschreiben von juristischen Laien Widerspruchsbehörde oder Gericht eine Beschränkung des Anfechtungsgegenstandes vornehmen dürfen, ohne hierzu eine eindeutige Erklärung des Widerspruchsführers abzufordern", und
"ob bei Zweifeln
rechtfertigen die Zulassung der Grundsatzrevision nicht, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würden. In Ermangelung einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge gegen die von dem Berufungsgericht durch Auslegung gewonnene Überzeugung wäre in einem Revisionsverfahren davon auszugehen, dass der Widerspruch der Klägerin zweifelsfrei auf einen Teil des angefochtenen Verwaltungsakts beschränkt war. Dass sich ein Gericht, wenn es durch Auslegung zu der Überzeugung gelangt ist, der Widerspruch sei eindeutig beschränkt erhoben worden, nicht bei dem Widerspruchsführer vergewissern muss, ob die gerichtliche Überzeugung mit der Auffassung des Widerspruchsführers übereinstimmt, folgt aus der allgemeinen Auslegungsregel der §§ 133, 157 BGB, der zufolge grundsätzlich nicht auf den inneren Willen des Erklärenden, sondern auf das Verständnis des objektiven Erklärungsinhalts nach dem Empfängerhorizont abzustellen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 14. April 1994 - BVerwG 2 B 46.94 - und vom 3. Dezember 1998 - BVerwG 1 B 110.98 - Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 6 sowie Urteil vom 3. März 2005 - BVerwG 2 C 13.04 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 32 S. 10; BGH, Urteil vom 10. März 1994 - IX ZR 152/93 - NJW 1994, 1537 <1538>).
3. Die Revision ist auch nicht wegen der von der Beschwerde behaupteten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Es begründet weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch einen Aufklärungsmangel, dass das Berufungsgericht die Klägerin nicht persönlich zu dem Inhalt und Umfang ihres Widerspruchs befragt hat, da es nach seiner insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblich auf ihren Erklärungswillen ankam. Das angefochtene Urteil ist auch nicht als "Überraschungsentscheidung" zu werten, da sich schon der Widerspruchsbescheid ausschließlich mit der Frage einer Anerkennung der Zeit der Beurlaubung der Klägerin als ruhegehaltfähig befasste, so dass das Berufungsgericht dem Verfahren mit seiner Auffassung zur Bestandskraft der übrigen Regelungsteile des Ausgangsbescheides keine für die Klägerin nicht zu erwartende Wende gegeben hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.>; stRspr). Angesichts dessen liegt in der Teilabweisung der Klage als unzulässig kein Verfahrensfehler. Die Behauptung, das Berufungsgericht habe den Widerspruch "falsch verstanden", zeigt einen Verfahrensfehler schon deswegen nicht auf, weil die Beschwerde nicht darlegt, das Berufungsgericht habe seine Überzeugung verfahrensfehlerhaft, insbesondere denkfehlerhaft gewonnen. Ebenso wenig hat das Berufungsgericht durch seine Überzeugung zur Beschränkung des Widerspruchs den Zugang zur Rechtsmittelinstanz unzumutbar erschwert. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerde beruht auch insoweit auf ihrer eigenen Beurteilung, die sie der von dem Berufungsgericht vertretenen abweichenden Auffassung entgegensetzt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.