Entscheidungsdatum: 03.12.2013
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 290 € festgesetzt.
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Kläger ist Polizeiobermeister (Besoldungsgruppe A 8) im Dienst des beklagten Landes. Im Februar 2008 kam es bei einer von ihm zusammen mit einem Kollegen durchgeführten Verkehrskontrolle zu einer Auseinandersetzung mit einem Fahrzeugführer. Dabei wurde der Fahrzeugführer am Kopf verletzt. Er erstattete Strafanzeige gegen den Kläger wegen Körperverletzung im Amt. Der Kläger beauftragte einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung, der Akteneinsicht beantragte und eine Stellungnahme ankündigte. Nachdem das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts im Juli 2008 eingestellt worden war, beantragte der Kläger die Übernahme seiner Rechtsanwaltskosten. Sein Begehren blieb beim Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 99 SächsBG a.F. und § 45 BeamtStG gehöre zwar auch eine Beistandspflicht bei dienstlichen und außerdienstlichen Sonderbelastungen des Beamten. Der Beklagte habe aber in Anwendung der zur näheren Ausgestaltung dieser Beistandspflicht erlassenen Verwaltungsvorschrift die Übernahme der Kosten der Rechtsverteidigung des Klägers rechtsfehlerfrei abgelehnt. Zwar bestehe nach der Verwaltungsvorschrift bei auf Veranlassung eines Dritten geführten Verfahren gegen Polizeivollzugsbeamte ein dienstliches Interesse an einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Die Bestellung eines Verteidigers erscheine wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage aber nicht geboten. Nach der Verwaltungspraxis des Beklagten werde dies nur angenommen, wenn eine schwierige und komplexe Sachlage vorliege. Eine Sachlage sei dann schwierig, wenn eine Verteidigung ohne anwaltliche Hilfe nicht umfassend vorbereitet werden könne. Hier handele es sich jedoch um einen einfachen, überschaubaren und häufig vorkommenden Standardfall. Daran ändere auch die Ladung zu einer Beschuldigtenvernehmung nichts, denn diese gehöre in aller Regel zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und lasse nicht zwingend auf eine bevorstehende Anklageerhebung schließen. Ein Rückgriff auf die Fürsorgepflicht außerhalb der zu ihrer Konkretisierung ergangenen Verwaltungsvorschriften sei nicht geboten, weil die Versagung der Kostenübernahme nicht die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletze.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507). Daran fehlt es hier.
Die als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,
„Erfordert die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten, um nicht in ihrem Wesenskern verletzt zu werden, dass der Dienstherr unter Berücksichtigung des Alimentationsgrundsatzes bei Strafverfahren gegen Polizeivollzugsbeamte, die sich jedenfalls bei fehlendem Verschulden aus einer im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit und seiner Stellung als Beamter ergeben, sich dann aber als ungerechtfertigte Strafverfolgung herausstellen, die Übernahme der wirtschaftlichen Belastungen des Beamten, die sich aus seiner Verteidigerbestellung ergeben?"
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Das Beamtenverhältnis ist ein umfassendes gegenseitiges Treueverhältnis. Der besonderen Treuepflicht des Beamten steht die besondere Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem einzelnen Beamten als nach Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtender Grundsatz gegenüber (Beschluss vom 18. Februar 2013 - BVerwG 2 B 51.12 - NVwZ 2013, 797 Rn. 13 m.w.N.).
Der Beklagte hat mit der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über den Rechtsschutz für Bedienstete des Freistaates Sachsen in Straf- und anderen Verfahren (VwV Rechtsschutz) vom 11. Januar 2007 (SächsABl 2007, S. 171) die ihm gemäß § 45 BeamtStG und § 99 SächsBG in der damaligen Fassung obliegende Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten, gegen die wegen einer dienstlichen Tätigkeit oder eines mit einer dienstlichen Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Verhaltens staatsanwaltschaftlich ermittelt wird, hinsichtlich des zu gewährenden Rechtsschutzes konkretisiert (Beschluss vom 9. Juli 1984 - BVerwG 2 B 45.84 - Buchholz 237.7 § 85 LBG Nordrhein-Westfalen Nr. 4 S. 1).
Das Bundesverwaltungsgericht hat schon wiederholt ausgesprochen, dass der Dienstherr befugt ist, die ihm durch das Gesetz eingeräumte Gestaltungsfreiheit in der Ausübung der Fürsorgepflicht durch Verwaltungsvorschriften für bestimmte Fallgruppen nach generellen Gesichtspunkten zu binden, sofern die zugrundeliegenden Erwägungen der Zielsetzung der vom Gesetz eingeräumten Ermächtigung entsprechen. Derartige, im Interesse einer einheitlichen Ausübung der Fürsorgepflicht erlassene Verwaltungsvorschriften haben zur Folge, dass der Dienstherr alle in ihnen angesprochenen Fälle hiernach behandeln muss und nur davon abweichen darf, wenn wesentliche Besonderheiten dies rechtfertigen (Beschluss vom 9. Juli 1984 a.a.O. m.w.N.).
Die Verwaltungsvorschrift Rechtsschutz sieht die Gewährung eines Zuschusses zur Bestreitung der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung nicht in allen Fällen eines auf Veranlassung eines Dritten durchgeführten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gegen einen Beamten im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit vor, sondern macht sie u.a. davon abhängig, dass die Verteidigungsmaßnahme - wie die Bestellung eines Verteidigers oder die Einholung eines Gutachtens - wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint (Ziff. II. 2. Buchst. b VwV Rechtsschutz). Auch bei Polizeivollzugsbeamten ist mithin eine Prüfung der Erforderlichkeit der Verteidigerbestellung im Einzelfall erforderlich.
Ein über die in Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn erlassene Verwaltungsvorschrift hinausgehendes Zurückgreifen auf die allgemeine gesetzlich geregelte Fürsorgepflicht kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen sonst die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt würde (Beschluss vom 9. Juli 1984 a.a.O.
Die Fürsorgepflicht ist jedoch nicht und schon gar nicht in ihrem Wesenskern verletzt, wenn der Dienstherr die Gewährung eines Zuschusses zur Bestreitung notwendiger Kosten der Rechtsverteidigung von der Erforderlichkeit der Verteidigungsmaßnahme wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage im Einzelfall abhängig macht. Ist die Bestellung eines Verteidigers im konkreten Fall nicht erforderlich, erfordert die Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch nicht die Gewährung eines Zuschusses für die durch eine solche Bestellung entstehenden Kosten. Gerade angesichts der nicht seltenen Fälle von vornherein haltloser Beschuldigungen gegen Beamte und insbesondere gegen Polizeivollzugsbeamte kann der Dienstherr mit der Beschränkung der Zuschussgewährung auf Fälle der erforderlichen Verteidigungsmaßnahme seine Einstandspflicht sachgerecht begrenzen. Allerdings dürfen bei der Erforderlichkeitsprüfung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.
Angesichts dessen ergibt sich auch nichts anderes aus der mit der Beschwerde geltend gemachten Abweichung des Berufungsurteils von einem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. September 1996 (4 S 3322/94, juris). Auch die jenem Fall zugrunde liegende Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 12. Januar 1990 (GABl 1990, 98) sah eine Erforderlichkeitsprüfung vor (dort Ziff. I. 1.3 Buchst. b); zu ihr verhält sich die von der Beschwerde angeführte Entscheidung mit keinem Wort, weil sie den klägerischen Anspruch schon aus anderen Gründen verneint. Ihr ist daher nichts Gegenteiliges für die Auslegung der hier maßgeblichen Verwaltungsvorschrift und auch nichts für die Bestimmung des Wesensgehalts der Fürsorgepflicht zu entnehmen.
Ob im konkreten Fall die Bestellung eines Verteidigers erforderlich ist, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.