Entscheidungsdatum: 12.02.2018
1. Die ... geborene Beklagte ist Polizeimeisterin (Besoldungsgruppe A 7). Im Jahre 2011 hat die Staatsanwaltschaft gegen sie ein Strafverfahren wegen Unterschlagung von Verwarngeldern und Urkundenfälschung geführt und nach Zahlung einer Auflage in Höhe von 450 € eingestellt. Außerdem ist die Beklagte durch rechtskräftigen Strafbefehl aus dem Jahre 2013 wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt worden.
Im sachgleichen Disziplinarverfahren wurde der Beklagten vorgeworfen, im Jahre 2011 in dem ihr dienstlich zur Verfügung stehenden Verwarngeldblock eine Abrechnung vorgetäuscht und dadurch Verwarngeld in Höhe von 100 € unterschlagen zu haben sowie von Ende 2011 bis September 2012 unter Vortäuschung ihrer Zahlungswilligkeit und -fähigkeit psychotherapeutische Leistungen in Anspruch genommen zu haben, ohne die Rechnungsbeträge in Höhe von rund 2 000 € beglichen zu haben.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte aus dem Dienst entfernt, die Berufung der Beklagten beim Oberverwaltungsgericht ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung insbesondere ausgeführt: Die Beklagte habe mit den beiden Dienstpflichtverletzungen ein Dienstvergehen begangen, das ihre Entfernung aus dem Dienst erfordere. Sie sei im Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen nicht vermindert schuldfähig gewesen. Auch sonstige Milderungsgründe seien nicht gegeben.
2. Die geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 127 Nr. 1 BRRG, § 66 Abs. 1 Thüringer Disziplinargesetz - ThürDG) liegt nicht vor.
Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 127 Nr. 1 BRRG setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesverfassungsgericht oder bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis ein anderes Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Das Beschwerdevorbringen genügt diesen Anforderungen nicht. Es hat keinen Rechtssatz des Berufungsurteils aufgezeigt, der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesverfassungsgerichts oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts abweicht. Die Beschwerde bringt vor, im Berufungsurteil werde zwar die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zitiert - wonach bei der disziplinarrechtlichen Gesamtwürdigung mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines anerkannten Milderungsgrundes nicht ausreichen -, in den weiteren Entscheidungsgründen folge dann jedoch keinerlei Würdigung der psychischen Erkrankung der Beklagten. Damit wird lediglich die einzelfallbezogene Würdigung und Rechtsanwendung des Berufungsgerichts gerügt, die einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich ist. Dieses Vorbringen ist im Übrigen auch in der Sache unzutreffend: Das Berufungsgericht hat sich ausführlich sowohl mit der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit der Beklagten (UA S. 26 - 34) als auch mit anerkannten Milderungsgründen (UA S. 34 - 35) und mit sonstigen entlastenden Umständen (UA S. 36) auseinandergesetzt; dass es den von ihm hierbei im einzelnen benannten entlastenden Umständen kein Gewicht beigemessen hat, das zu einer anderen Maßnahme als der Dienstentfernung geführt hätte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
3. Die Beschwerde hat auch keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 133 Abs. 3 Satz 3, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 66 Abs. 1 ThürDG).
Die Beschwerde rügt als - nicht näher benannten - Verfahrensfehler, dass das Berufungsgericht in dem dritten Verhandlungstermin in Abwesenheit der Beklagten verhandelt und entschieden hat, obwohl zuvor deren persönliches Erscheinen angeordnet worden war; bei Anwesenheit der Beklagten hätten möglicherweise weitere der Sachaufklärung dienende Fragen an die Zeugen gerichtet werden können, wodurch der Sachverhalt insgesamt anders zu bewerten gewesen wäre.
Damit wird ein Verfahrensfehler nicht aufgezeigt. Die Verhandlung und Entscheidung trotz des Nichterscheinens der Beklagten nach vorangegangener Anordnung des persönlichen Erscheinens verletzt weder das rechtliche Gehör der Beklagten noch die Sachaufklärungspflicht des Gerichts.
Nach § 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens erfolgt nicht im Interesse des betroffenen Beteiligten, sondern im Interesse des Gerichts, das auf diese Weise sicherstellen will, dass das von ihm für erforderlich gehaltene Beweismittel auch tatsächlich zum Termin erscheint (BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1986 - 6 CB 91.84 - Buchholz 310 § 102 VwGO Nr. 11 S. 12).
a) Die Beschwerde hat eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, § 66 Abs. 1 ThürDG) der Beklagten nicht dargetan.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör auch des Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen vom Gericht angeordnet worden ist, ist dadurch gewährleistet, dass sein Prozessbevollmächtigter an der mündlichen Verhandlung teilnimmt; da - wie dargelegt - die Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht im Interesse des betroffenen Beteiligten erfolgt, bedarf es dessen persönlicher Teilnahme an der mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht. Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Verfahren die Anwesenheit der Beklagten im dritten Termin zur mündlichen Verhandlung trotz der vorangegangenen Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht mehr für erforderlich gehalten und dies in der mündlichen Verhandlung durch deren Durchführung nach der Feststellung des unentschuldigten Nichterscheinens der Beklagten dokumentiert. Darin lag die Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens. Dies ist hier umso weniger zu beanstanden, als das Fernbleiben der Beklagten unentschuldigt war (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 - 13 RJ 37/93 - juris Rn. 18). Die Beklagte war durch ihren Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten; dieser hatte Gelegenheit, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten des Rechtsstreits für die Beklagte zu äußern. Wenn er wegen deren Ausbleibens dazu nicht in der Lage gewesen wäre, hätte er dies durch einen Vertagungsantrag geltend machen müssen; die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nicht mit Erfolg rügen, wer es unterlässt, von den prozessualen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerwG, Urteil vom 11. November 1980 - 1 C 23.75 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 75 S. 136; Beschluss vom 9. Dezember 1986 - 6 CB 91.84 - Buchholz 310 § 102 VwGO Nr. 11 S. 12 f.).
b) Die Beschwerde hat auch eine Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 66 Abs. 1 ThürDG) nicht dargetan.
Die gerichtliche Sachaufklärungspflicht verpflichtet die Tatsachengerichte, jede mögliche Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bis zur Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41> und vom 6. Oktober 1987 - 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31 S. 1 sowie Beschluss vom 27. April 2016 - 2 B 23.15 - DokBer 2016, 315 Rn. 11). Die Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dient aber nicht dazu, Versäumnisse in der Tatsacheninstanz wettzumachen oder nachzuholen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 24. Juli 2014 - 2 B 85.13 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 382 Rn. 7 m.w.N.).
Der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zu entnehmen, welches weitere Vorbringen in der mündlichen Verhandlung gerade die persönliche Anwesenheit der Beklagten nunmehr noch erforderlich machte (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Mai 2014 - B 12 KR 67/13 B - juris Rn. 17). Dass bei Anwesenheit der Beklagten möglicherweise weitere der Sachaufklärung dienende Fragen an die Zeugen hätten gerichtet werden können, wie die Beschwerde vorträgt, genügt insoweit nicht. Zur Substanziierung der Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht hätte es einer konkreten Benennung der vermissten Beweiserhebungen oder Nachfragen bei den Zeugen bedurft.
Im Übrigen wäre der Verfahrensrüge auch insoweit entgegenzuhalten, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten es unterlassen hat, einen Vertagungsantrag und ggf. nachfolgend einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen; auch die Verletzung der Sachaufklärungspflicht kann nicht mit Erfolg rügen, wer es unterlässt, von prozessualen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um eine für erforderlich gehaltene Sachaufklärung bereits in der Tatsacheninstanz zu erreichen. Dass sich dem Berufungsgericht von Amts wegen bestimmte Nachfragen oder Beweiserhebungen hätten aufdrängen müssen, ist weder von der Beschwerde vorgetragen noch sonst ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 73 Satz 1 ThürDG. Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 77 Abs. 5 ThürDG), sodass es einer Streitwertfestsetzung nicht bedarf.