Entscheidungsdatum: 12.02.2018
1. Der ... geborene Kläger trat 1981 in den Dienst des beklagten Landes. Er wurde 1997 zum Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) ernannt. Vom 25. März bis zum 30. September 2008 war er dienstunfähig erkrankt. Ab dem 17. Juni 2009 verrichtete der Kläger keinen Dienst mehr. Ärztliche Atteste legte er für die Zeit bis zum 8. September 2009 vor, für die Folgezeit nicht. Vier mit dem Kläger vereinbarte Untersuchungstermine im Juni und Juli 2009 zur Feststellung seiner Dienstfähigkeit sagte der Kläger ab oder nahm sie nicht wahr. Auf drei Aufforderungen zur Stellungnahme bzw. zur Vereinbarung eines Termins beim polizeiärztlichen Dienst in den Monaten Juli, August und September 2009 reagierte der Kläger nicht.
Mit vier Bescheiden vom November 2009 sowie Februar, Mai und November 2010 stellte das Polizeipräsidium den Verlust der Dienstbezüge des Klägers wegen schuldhaften Fernbleibens vom Dienst für den Zeitraum von September 2009 bis Juli 2010 fest. Die beiden ersten Bescheide hat der Kläger nicht angefochten. Die gegen die beiden letzten Bescheide - welche den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 20. Juli 2010 betrafen - erhobenen Klagen sind vom Verwaltungsgericht durch rechtskräftig gewordene Urteile abgewiesen worden.
Mit Disziplinarverfügung vom 16. November 2012 entfernte das Polizeipräsidium ... den Kläger aus dem Beamtenverhältnis. Die hiergegen gerichtete Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Klägers mit Urteil vom 21. April 2016 - 2 C 13.15 - (BVerwGE 155, 35) die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil im - ersten - Berufungsurteil eine Bindungswirkung der Feststellungen in den beiden bestandskräftigen Verlustfeststellungsbescheiden für das Disziplinarverfahren angenommen worden war, obwohl der Kläger im Verwaltungsverfahren zur Verlustfeststellung über diese Bindungswirkung nicht belehrt worden war; die Bindungswirkung der Feststellungen in den beiden zu Verlustfeststellungsbescheiden ergangenen verwaltungsgerichtlichen Urteilen hat das Bundesverwaltungsgericht hingegen nicht beanstandet.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil erneut zurückgewiesen. Es hat zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass eine auf mehrere Dienstpflichtverletzungen gestützte und die Höchstmaßnahme aussprechende Disziplinarmaßnahme trotz des Wegfalls eines der disziplinarrechtlichen Vorwürfe rechtmäßig bleibe, wenn der verbleibende Vorwurf die Höchstmaßnahme begründe und die Nichtberücksichtigung weiterer Dienstpflichtverletzungen Verteidigungsrechte des Beamten im Verfahren nicht verletze. So verhalte es sich hier für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 20. Juli 2010 mit dem in den beiden verwaltungsgerichtlichen Urteilen bindend festgestellten Fernbleiben vom Dienst trotz Dienstfähigkeit und fehlender Genehmigung. Die gesetzlich angeordnete Bindungswirkung sei auch nicht entfallen, weil die Feststellungen offensichtlich unrichtig wären. Insbesondere lägen keine neuen Beweismittel vor, aus denen sich die offenbare Unrichtigkeit der Feststellungen oder zumindest erhebliche Zweifel ergäben. Der Kläger habe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Verlustfeststellung keine Beweisanträge gestellt und die dort ergangenen Urteile auch nicht - mit dem Ziel einer weiteren Überprüfung der Tatsachenfeststellungen - mit Rechtsmitteln angegriffen. Einer Beweiserhebung über die Frage seiner Dienstfähigkeit im Zeitraum vom 1. Februar bis 20. Juli 2010 bedürfe es mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen für seinen damaligen Gesundheitszustand nicht. Außerdem erscheine ausgeschlossen, dass ein Sachverständigengutachten nunmehr noch zur weiteren Aufklärung beitragen könne. Im Übrigen stehe für den Senat unabhängig von der Bindungswirkung der verwaltungsgerichtlichen Urteile fest, dass der Kläger dem Dienst unentschuldigt ferngeblieben sei.
2. Die Beschwerde hat keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Dies gilt zunächst für die Rüge, das Berufungsgericht hätte den in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gestellten Hilfsbeweisantrag nicht erst im Berufungsurteil ablehnen dürfen, sondern durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung bescheiden müssen.
Nach § 86 Abs. 2 VwGO kann ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag nur durch einen Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden. Allerdings muss nicht jeder in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag in der Form des § 86 Abs. 2 VwGO beschieden werden. Ein Antrag, der lediglich hilfsweise gestellt wird, ein Antrag, der nur für den Fall gestellt wird, dass es auf das Beweisthema ankommen sollte, oder ein nur vorsorglich gestellter Beweisantrag löst die Bescheidungspflicht nach § 86 Abs. 2 VwGO nicht aus (stRspr, BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1968 - 5 C 111.67 - BVerwGE 30, 57 <58 m.w.N.>).
Das entscheidende Kriterium für die Anwendung des § 86 Abs. 2 VwGO ist nicht die Tatsache, dass eine Partei in der mündlichen Verhandlung überhaupt einen Beweisantrag stellt. § 86 Abs. 2 VwGO gibt der Partei weder ein Recht auf eine erweiterte Beweisaufnahme, noch verpflichtet er das Gericht, die Beweisaufnahme über den ohnedies gebotenen Umfang hinaus auszudehnen. § 86 Abs. 2 VwGO soll vielmehr der Partei allein ein Recht darauf einräumen, schon vor Erlass des Urteils die Auffassung des Gerichts über die Erheblichkeit eines Beweisthemas kennenzulernen, um sich darauf einstellen zu können. Mithin kann es bei der Beurteilung eines Antrages am Maßstab des § 86 Abs. 2 VwGO nur darauf ankommen, ob nach den Umständen eine alsbaldige Bescheidung des Antrages erbeten wird. Bei einem vorsorglich oder sonst hilfsweise gestellten Antrag ist dies nicht der Fall. Hier gibt der Antragsteller zu erkennen, dass sein Beweisantrag nicht vorweg, sondern erst dann bewertet werden soll, wenn die Sache selbst zur Entscheidung kommt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1968 - 5 C 111.67 - BVerwGE 30, 57 < 58>).
Die Kenntnis dieser Rechtsprechung kann von einem Rechtsanwalt ohne weiteres erwartet werden. Eines gesonderten Hinweises durch das Gericht bedurfte es entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht im Hinblick darauf, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinem Schriftsatz vom 3. Januar 2017 einen (unbedingten) Beweisantrag angekündigt und formuliert hat. Es ist gerade der Sinn eines Hilfsbeweisantrages, einen Beschluss nach § 86 Abs. 2 VwGO entbehrlich zu machen. Sache des Beweisantragstellers ist es, ob er sich auf eine entsprechende richterliche Anregung einlässt oder - durch die Stellung eines unbedingten Beweisantrages - auf der Bescheidung durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung besteht. Entgegen der Ansicht der Beschwerde verstieß es deshalb weder gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör noch gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens, dass das Gericht seine Entscheidung, den Beweis nicht zu erheben, erst in den Urteilsgründen kundgetan hat.
b) Das Berufungsgericht hat auch nicht seine Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) dadurch verletzt, dass es dem Hilfsbeweisantrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung seiner gesundheitlichen Situation im Zeitraum vom 1. Februar bis 20. Juli 2010 nicht nachgekommen ist.
In dem Zurückverweisungsurteil vom 21. April 2016, a.a.O., hat der Senat die Bindungswirkung der Feststellungen in den beiden im Verlustfeststellungsverfahren ergangenen verwaltungsgerichtlichen Urteilen nicht beanstandet. Das Berufungsgericht konnte und musste damit bei seiner erneuten Berufungsentscheidung von der Bindungswirkung der Feststellungen für die Disziplinarverfügung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Landesdisziplinargesetz Baden-Württemberg (LDG BW) vom 14. Oktober 2008 (GBl. S. 343) ausgehen. Diese Bindungswirkung wäre nur dann entfallen, wenn die Feststellungen offenkundig unrichtig wären, § 14 Abs. 1 Satz 2 LDG BW. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Angesichts dessen, dass der Kläger in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Verlustfeststellung seiner Bezüge keine Beweisanträge gestellt hat und auch im behördlichen Disziplinarverfahren und im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren keinen Beleg vorgelegt hat, der es medizinisch nachvollziehbar gemacht hätte, dass er krankheitsbedingt an einer Krankmeldung für den fraglichen Zeitraum gehindert gewesen wäre, war kein Raum für eine Lösung von den bindenden Feststellungen. Vor allem können - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - selbst den Angaben der behandelnden Ärzte des Klägers keine Anhaltspunkte für eine Unfähigkeit des Klägers, im fraglichen Zeitraum Dienst zu leisten oder zumindest eine Dienstunfähigkeit zu melden oder zu belegen, entnommen werden.
3. Auch die geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.
Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesverfassungsgericht oder bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis ein anderes Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Das Beschwerdevorbringen genügt diesen Anforderungen nicht. Es hat keinen Rechtssatz des Berufungsurteils aufgezeigt, der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- oder des Bundesverfassungsgerichts oder eines anderen Oberverwaltungsgerichts abweicht. Mit dem Vorbringen, das Berufungsgericht habe den Rechtssatz aufgestellt, dass bei der Beurteilung, ob bei längerfristigem Fernbleiben vom Dienst die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses möglich ist, persönlichkeitsfremde, durch bestimmte äußere Ereignisse oder Einwirkungen verursachte Umstände unberücksichtigt bleiben, die Ursache für den Dienstausfall sind, verkehrt sie die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsurteils in ihr Gegenteil: Im Berufungsurteil (UA S. 38 = juris Rn. 75) wird bei der Prüfung von Gründen, die trotz eines längeren unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst der Annahme eines endgültigen Vertrauensverlustes entgegenstehen könnten, unter ausdrücklicher Heranziehung des entsprechenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts auch der Fall persönlichkeitsfremder, durch bestimmte äußere Ereignisse oder Einwirkungen verursachter Umstände in den Blick genommen. Das Berufungsgericht hat sich diesen Rechtssatz also zu Eigen gemacht. Dass es dessen Voraussetzungen im vorliegenden Fall verneint hat, begründet - selbstverständlich - keine Abweichung von diesem Rechtssatz.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren streitwertunabhängig Gebühren aus den analog anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen des Landesrechts erhoben werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2016 - 2 C 13.15 - BVerwGE 155, Rn. 36).