Entscheidungsdatum: 22.12.2014
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. April 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 18 767,52 € festgesetzt.
Die allein auf Verfahrensfehler gestützte Beschwerde der Klägerin (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist unbegründet.
1. Die 1963 geborene Klägerin, die als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis im niedersächsischen Schuldienst beschäftigt ist, beansprucht ihre Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe. Nach dem Erwerb der Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung "Staatlich anerkannte Erzieherin" im Jahr 1984 war die Klägerin in verschiedenen Einrichtungen tätig. Von Oktober 1995 bis 12. Juli 1996 arbeitete sie als Erzieherin in einem Kindergarten. Die drei ersten Kinder der Klägerin wurden im September 1996, im April 1998 und am 17. Oktober 2000 geboren. Im Anschluss an die Geburt des ersten Kindes nahm die Klägerin bis zum 16. Oktober 2003 Elternzeit in Anspruch. Anschließend war sie bis zum Beginn einer erneuten Mutterschutzfrist am 2. Juli 2004 wiederum in Vollzeit als Erzieherin tätig. Nach der Geburt ihres vierten Kindes im August 2004 nahm die Klägerin erneut Elternzeit in Anspruch. Von Oktober 2006 bis Juli 2009 absolvierte sie ein Lehramtsstudium. Im Anschluss an den Vorbereitungsdienst bestand die Klägerin die Zweite Staatsprüfung im Februar 2011. Mit Wirkung vom 14. Februar 2011 wurde sie als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis in den niedersächsischen Schuldienst eingestellt.
Den Antrag der Klägerin auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Klägerin habe die in Niedersachsen geltende Höchstaltersgrenze überschritten. Die auf Neubescheidung gerichtete Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Auf die Erhöhung der Höchstaltersgrenze bis zur Vollendung des 49. Lebensjahres könne sich die Klägerin nicht berufen. Sie habe nicht wegen der tatsächlichen Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren von einer Bewerbung um Einstellung in einen Vorbereitungsdienst vor Vollendung des 40. Lebensjahres abgesehen. Die Kinderbetreuungszeiten könnten zwar auch vor dem Entschluss eines Bewerbers liegen, die Lehrerlaufbahn einzuschlagen. Bei der Klägerin habe aber nicht der Umstand der Betreuung ihrer Kinder, sondern der späte Entschluss, den Lehrerberuf zu ergreifen, zur Überschreitung der Höchstaltersgrenze geführt. Einen bereits vor der Geburt ihres ersten Kindes bestehenden ernstlichen Entschluss zum Studium habe die Klägerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Klägerin sei nach der Kinderbetreuungszeit im Oktober 2003 in ihrem erlernten Beruf als Erzieherin in Vollzeit zurückgekehrt, der mit dem Lehrerberuf nicht in Zusammenhang stehe. Dies belege, dass sich die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht von ihrem erlernten Beruf ab- und sich dem Lehrerberuf zugewendet hatte. Dementsprechend sei die behauptete ernstliche Hinwendung zum Lehrerberuf bereits Ende des Jahres 1995 nicht glaubhaft.
2. Zu Unrecht macht die Beschwerde geltend, das Oberverwaltungsgericht habe gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen und durch den Verzicht auf eine weitere Aufklärung zugleich die Pflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO verletzt.
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist verpflichtet, seiner Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (Urteil vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 145 S. 36 f.; Beschluss vom 20. Dezember 2013 - BVerwG 2 B 35.13 - NVwZ-RR 2014, 314 Rn. 19 m.w.N.). Verzichtet das Gericht auf die fallbezogene Aufklärung ist zugleich ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO gegeben (Beschluss vom 1. Dezember 1995 - BVerwG 8 B 150.95 - NWVBl 1996, 125 f.). Dies kann dem Oberverwaltungsgericht nicht vorgehalten werden.
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht in Bezug auf die von ihm als entscheidungserheblich angesehene Frage, ob die Klägerin bereits vor der Geburt ihres ersten Kindes den Entschluss zum Studium gefasst hatte, keine typisierende Beweiswürdigung vorgenommen, die die Umstände des Einzelfalls und den konkreten Lebenssachverhalt entgegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO unberücksichtigt lässt.
Zunächst hat das Oberverwaltungsgericht zu Gunsten der Klägerin die Rechtsauffassung der Beklagten zurückgewiesen, ein Laufbahnbewerber könne seiner Darlegungs- und Beweisobliegenheit im Hinblick auf die erforderliche Kausalität im Falle einer vor Studienbeginn erfolgten Kinderbetreuung generell nur dann genügen, wenn sich der vom Bewerber behauptete Entschluss zum Studium etwa durch Kündigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses oder Bewerbung an Universitäten nach außen hin erkennbar manifestiert habe. Entsprechend der Rechtsauffassung der Klägerin hat das Berufungsgericht vielmehr angenommen, dass grundsätzlich auch ein intern gebliebener Entschluss oder auch eine familieninterne Absprache für die Annahme eines ernstlichen Entschlusses zum Studium ausreichen kann.
Auf dieser Grundlage hat das Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf die ernstliche Hinwendung der Klägerin zum Lehrerberuf bereits Ende 1995 und damit vor der Geburt ihres ersten Kindes den konkreten Umstand bewertet, dass die Klägerin im Zeitraum vom Ende der Elternzeit nach der Geburt ihres dritten Kindes bis zum Beginn der Mutterschutzfrist vor der Geburt ihres vierten Kindes (17. Oktober 2003 bis zum 1. Juli 2004) in ihren erlernten Beruf zurückgekehrt und in Vollzeit als Erzieherin tätig war. Dabei hat es zum einen die beiden vor der Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung erlittenen Fehlgeburten berücksichtigt. Zum anderen hat es die Aussage der in der Berufungsverhandlung als Partei vernommenen Klägerin gewürdigt. Aus diesen Ausführungen der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht den Schluss gezogen, die Klägerin habe sich Mitte Oktober 2003 noch nicht hinreichend von ihrem erlernten und nicht mit der Tätigkeit eines Lehrers im Zusammenhang stehenden Beruf als Erzieherin abgewendet. Mangels einer Abwendung vom erlernten Beruf noch in den Jahren 2003 und 2004 kann, so die Folgerung des Oberverwaltungsgerichts aus der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls, nicht von einer tatsächlichen Hinwendung zum Beruf des Lehrers bereits Ende des Jahres 1995 ausgegangen werden.
Ausgehend von der Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts ist auch der Umstand unerheblich, dass die Klägerin unmittelbar nach Aufnahme ihrer Tätigkeit als Erzieherin wieder schwanger geworden ist und deshalb, so der Vortrag in der Beschwerdebegründung, nicht mit dem Studium beginnen konnte. Denn entscheidend ist bereits der Entschluss zur erneuten Aufnahme einer Tätigkeit im erlernten Beruf der Erzieherin und dessen Umsetzung Mitte Oktober 2003, die die Annahme ausschließen, die Klägerin habe sich bereits Ende 1995 ernstlich dem Lehrerberuf zugewendet.
Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO dadurch verletzt, dass es nicht den Ehemann der Klägerin zu den Umständen der Aufnahme der Vollzeittätigkeit der Klägerin im Oktober 2003 als Zeugen vernommen hat.
Die Beschwerde genügt insoweit bereits nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Sie legt weder dar, dass die Klägerin die nunmehr vermisste Sachverhaltsaufklärung im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht beantragt hat noch dass sich dem Oberverwaltungsgericht weitere Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. zum Darlegungserfordernis: Urteil vom 5. Juni 2014 - BVerwG 2 C 22.13 - NVwZ 2014, 1319 Rn. 32 m.w.N.). Die Verfahrensrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (stRspr; vgl. Beschluss vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 7 B 43.11 - Buchholz 445.4 § 58 WHG Nr. 1 Rn. 26).
Unabhängig davon ist auch in der Sache nicht zu erkennen, dass der von der Beschwerde behauptete Aufklärungsmangel vorliegt. Aus dem Vortrag der Klägerin vor dem Oberverwaltungsgericht ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, die die Einvernahme des Ehemannes der Klägerin als Zeugen hätten erforderlich erscheinen lassen. Denn zu den Motiven für die Aufnahme ihrer Vollzeittätigkeit hatte bereits die Klägerin in der Berufungsverhandlung eingehend ausgesagt. Sie hatte mitgeteilt, vor der Entscheidung gestanden zu haben, die berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen oder den Arbeitsvertrag zu kündigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 47 und § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG n.F.