Entscheidungsdatum: 23.09.2013
Die Beschwerde des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. März 2013 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten kann keinen Erfolg haben. Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der Divergenz und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VwGO, § 69 BDG) vorliegen.
Der Beklagte ist Polizeihauptkommissar; seit dem 30. Juni 2008 befindet er sich im Ruhestand. Er wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt, weil er vor seiner Pensionierung auf seinem privaten Computer kinderpornographische Dateien gespeichert hatte.
Wegen dieser Straftat hat ihm das Verwaltungsgericht das Ruhegehalt aberkannt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. In den Gründen des Berufungsurteils heißt es, die Disziplinarklage sei von dem dafür zuständigen Präsidenten der Bundespolizeidirektion H. erhoben worden. Bei der Bezeichnung der Bundesrepublik als Klägerin in der Disziplinarklageschrift handele es sich um ein Versehen, sodass das Verwaltungsgericht zu Recht das Rubrum berichtigt habe. Die Aberkennung des Ruhegehalts sei geboten, weil der Beklagte während des Tatzeitraums als Polizeibeamter eine hervorgehobene Stellung bekleidet habe. Ihm seien keine mildernden Umstände von erheblichem Gewicht zugute zu halten. Den Strafbefehl habe er nicht in erster Linie aus Reue oder Einsicht, sondern wegen des Strafmaßes akzeptiert.
1. Mit der Verfahrensrüge macht der Beklagte geltend, die Disziplinarklage sei unzulässig, weil sie von einer unzuständigen Stelle erhoben worden sei. Aus dem Rubrum der Disziplinarklageschrift ergebe sich eindeutig, dass der Präsident der Bundespolizeidirektion H. die Disziplinarklage nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreter der hierfür nicht zuständigen Bundesrepublik erhoben habe. Jedenfalls leide die Disziplinarklageschrift aus diesem Grund an einem wesentlichen Mangel; das Oberverwaltungsgericht habe es versäumt, den Kläger zur Beseitigung des Mangels aufzufordern.
Der Begriff des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfasst Verstöße des Verwaltungsgerichts gegen verwaltungsprozessrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze. Ein davon prinzipiell zu unterscheidender wesentlicher Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift zieht einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nach sich, wenn das Verwaltungsgericht die sich aus § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die Beseitigung eines wesentlichen Mangels durch den Dienstherrn hinzuwirken. Diese Verpflichtung gilt nach § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für das Berufungsgericht. Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kann nur der gerichtliche Verstoß gegen § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG sein, nicht aber der Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift selbst (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 Rn. 18 f.; Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3).
Ein wesentlicher Mangel der Disziplinarklageschrift liegt vor, wenn diese nicht den gesetzlichen Anforderungen an die ordnungsgemäße Erhebung entspricht. Dies ist der Fall, wenn die Disziplinarklage von einer unzuständigen Behörde oder einem Beamten erhoben wird, der nicht befugt ist, für die zuständige Behörde tätig zu werden (Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - NVwZ 2013, 1087 = juris Rn. 8
Ein solcher Mangel kann dadurch geheilt werden, dass die zuständige Stelle (Behörde oder Dienstvorgesetzter) eine neue Disziplinarklageschrift im eigenen Namen einreicht. Dies setzt allerdings voraus, dass dem Vorgehen keine schutzwürdigen Interessen des Beamten entgegen stehen (Beschluss vom 18. Dezember 2007 a.a.O.).
Eine derartige Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor: Nach dem Sachverhalt, den das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, hat der für die Klageerhebung zuständige Präsident der Bundespolizeidirektion H. die Disziplinarklage im eigenen Namen erhoben. An diese tatsächliche Feststellung ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil der Beklagte hiergegen keine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben hat.
Die Bezeichnung eines Verfahrensbeteiligten (Parteibezeichnung) in einer Klageschrift ist Teil der prozessualen Erklärung, Klage zu erheben. Sie ist - wie der gesamte Vortrag in der Klageschrift - der Auslegung zugänglich. Es kommt darauf an, wie die Bezeichnung bei objektiver Würdigung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Bei einer unrichtigen oder mehrdeutigen Bezeichnung gilt diejenige Person oder Behörde als Verfahrensbeteiligte, die erkennbar durch den Klagegegenstand betroffen wird. Dies ist durch Auslegung des Rubrums unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Klageschrift zu ermitteln (Beschluss vom 22. März 2001 - BVerwG 8 B 262.00 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 20 S. 10; BGH, Urteile vom 26. Februar 1987 - VII ZR 58/86 - NJW 1987, 1946 und vom 27. November 2007 - X ZR 144/06 - NJW-RR 2008, 582).
Der durch Auslegung bestimmte Inhalt einer Parteibezeichnung stellt eine tatsächliche Feststellung im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO dar. Ebenso wie die Feststellung des Erklärungsinhalts anderer Prozesshandlungen und Willenserklärungen kann sie vom Revisionsgericht nur daraufhin nachgeprüft werden, ob sie auf einem Rechtsirrtum oder einem Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht. Nur wenn der Auslegung des Tatsachengerichts ein solcher Rechtsfehler anhaftet, kann das Revisionsgericht die Erklärung selbst auslegen (Urteile vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <162>, vom 24. September 2009 - BVerwG 2 C 63.08 - BVerwGE 135, 14 Rn. 9 und vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 C 86.08 - BVerwGE 137, 138 Rn. 14).
Das Aktivrubrum der Disziplinarklageschrift lautet: "Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister des Innern, dieser vertreten durch den Präsidenten der Bundespolizeidirektion H.". Dieser Wortlaut könnte zwar darauf schließen lassen, dass der für die Klageerhebung zuständige Präsident die Disziplinarklage als Vertreter der Bundesrepublik erhoben habe. Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der sich das Oberverwaltungsgericht angeschlossen hat, ist der durch den Wortlaut des Rubrums vermittelte Eindruck nicht ausschlaggebend. Vielmehr ergebe sich aus Briefbogen und Briefkopf der Klageschrift ("Bundespolizeidirektion H."; "Präsident"), dass der Präsident im eigenen Namen gehandelt habe. Hinzu komme, dass er die Klageschrift unterzeichnet habe.
Danach ist die Parteibezeichnung mehrdeutig, sodass die Verwaltungsgerichte ihren Inhalt zu Recht durch Auslegung der Disziplinarklageschrift nach den soeben dargestellten Grundsätzen ermittelt haben. Weder hat der Beklagte dargelegt noch ist sonst ersichtlich, dass dem Auslegungsergebnis, der Präsident sei als Kläger aufgetreten, ein Rechtsirrtum oder ein Verstoß gegen Auslegungsgrundsätze anhaftet. Vielmehr wird es durch den Grundsatz bestätigt, dass bei einer mehrdeutigen Parteibezeichnung diejenige Person oder Behörde Partei wird, die erkennbar durch den Klagegegenstand betroffen wird. Dies ist hier der Präsident der Bundespolizeidirektion H., weil er als Funktionsnachfolger des früheren Dienstvorgesetzten, des Leiters des früheren Bundespolizeiamtes H., für die Erhebung der Disziplinarklage gegen den Beklagten zuständig war.
2. Mit der Verfahrensrüge macht der Beklagte zudem eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO geltend. Der Beklagte trägt vor, er habe sich nicht zu der Feststellung des Oberverwaltungsgerichts äußern können, er habe den Strafbefehl nicht in erster Linie aus Reue oder Einsicht, sondern wegen des ausgesprochenen Strafmaßes akzeptiert.
Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Das Gericht darf bei seiner Entscheidung nur solche Teile des Prozessstoffes berücksichtigen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Dies setzt deren Kenntnis vom Prozessstoff voraus (stRspr; BVerfG, Beschlüsse vom 8. Februar 1994 - 1 BvR 765, 766/89 - BVerfGE 89, 381<392> und vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <129>).
Die Behauptung des Beklagten, er habe sich nicht zu den Motiven äußern können, aus denen er den Strafbefehl akzeptiert habe, trifft schon deshalb nicht zu, weil er hierzu bereits in der Klageerwiderung vom 25. August 2009 vorgetragen hat. Dort hat er erklärt, auf seine Initiative habe die Staatsanwaltschaft die Anklage zurückgenommen und den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Weiterhin hat er auf seine Erklärung gegenüber dem Amtsgericht verwiesen, wonach er den Strafbefehl akzeptiere, obwohl das Gericht von einer deutlich überhöhten Anzahl von Bilddateien ausgegangen sei, weil er sein Fehlverhalten grundsätzlich einräume, bereue und die vorgesehene Geldstrafe als eine Sanktion empfinde, die sich im angemessenen Rahmen bewege.
Das Gericht muss die Beteiligten nicht eigens darauf hinweisen, dass es deren eigenen Vortrag in die Entscheidungsfindung einbeziehen werde. Der Beklagte hat damit rechnen müssen, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Bewertung seines Nachtatverhaltens im Rahmen der Maßnahmebemessung auf seine Erklärungen in der Klageerwiderung zurückgreifen würde.
Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nur dann, die Beteiligten vorab darauf hinzuweisen, dass es in seiner Entscheidung auf einen bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt abstellen wird, wenn auch ein gewissenhafter Beteiligter dessen Entscheidungserheblichkeit nicht zu erkennen vermag (stRspr; BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144>).
Danach hat das Oberverwaltungsgericht den Beklagten nicht darauf hinweisen müssen, dass es dessen Motive für die Hinnahme des Strafbefehls in bestimmter Weise würdigen würde. Es hat nur tatsächliche Umstände einbezogen, die dem Beklagten bekannt waren oder bekannt sein mussten. Sie ergaben sich entweder aus seinem Vortrag oder lagen nach dem Verlauf von Straf- und Disziplinarverfahren auf der Hand. Dies gilt für die Annahmen, der Beklagte habe sein Fehlverhalten erst nach dessen Aufdeckung zugestanden und er sei bei Fortführung des Strafverfahrens Gefahr gelaufen, dass weitere Dateien mit kinderpornographischem Inhalt entdeckt würden.
Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst kann nicht mit der Gehörsrüge angegriffen werden. Es ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr; Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die Annahme, der Beklagte habe den Strafbefehl ausschließlich aus Reue und Einsicht hingenommen, auf der Grundlage des nicht angegriffenen Rechtsstandpunkts des Oberverwaltungsgerichts zur Schwere des Dienstvergehens nicht zu einer milderen Disziplinarmaßnahme, d.h. zu einer Kürzung des Ruhegehalts (§ 5 Abs. 2 Nr. 1, § 11 BDG), hätte führen können. Bekundungen von Reue und Einsicht nach Entdeckung des Fehlverhaltens kommt ohne Hinzutreten weiterer mildernder Umstände von einigem Gewicht regelmäßig keine entscheidungserhebliche Bedeutung für die Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG zu, wenn aufgrund der Schwere des Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts indiziert ist. Anders liegt es, wenn der Beklagte das Fehlverhalten freiwillig offenbart oder tätige Reue zeigt, etwa indem er zur vollständigen Aufdeckung der Taten beiträgt oder den entstandenen Schaden aus eigenem Antrieb wieder gutmacht (Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 39).
3. Schließlich liegt die vom Beklagten behauptete Divergenz des Berufungsurteils zu dem Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2007 (BVerwG 2 B 113.07) nicht vor. Nach diesem Beschluss leidet die Disziplinarklageschrift an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 55 BDG, wenn der für die Klageerhebung zuständige Dienstvorgesetzte die Disziplinarklage als Vertreter für eine andere Behörde oder den Dienstherrn erhoben hat. Eine Abweichung des Berufungsurteils scheidet von vornherein aus, weil im vorliegenden Fall - wie dargelegt - nach dem bindend festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit für die Klageerhebung gewahrt ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil die Höhe der Gerichtsgebühren betragsgenau festgelegt ist (§ 85 Abs. 12 Satz 1 und Satz 2, § 78 Satz 1 BDG, Nr. 10 und 62 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu diesem Gesetz).