Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 10.05.2017


BVerwG 10.05.2017 - 2 B 44/16

Zum Zusammenhang von Ausgangsverfahren und Widerspruchsverfahren


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
10.05.2017
Aktenzeichen:
2 B 44/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:100517B2B44.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 3. Mai 2016, Az: 3 B 13.1069, Urteilvorgehend VG Würzburg, 6. November 2012, Az: W 1 K 12.246, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Die allein auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Der 1963 geborene Kläger steht als Polizeibeamter (seit 2007 Besoldungsgruppe A 11) im Dienst des beklagten Landes. Zum 1. August 2011 verfügte das zuständige Polizeipräsidium seine Umsetzung von der Kriminalpolizeiinspektion S. zur Verkehrspolizeiinspektion (VPI) S. Auf den Widerspruch des Klägers gab das Polizeipräsidium dem Widerspruch "hinsichtlich der rechtlichen Form der angegriffenen Verfügung" statt und half ihm dahingehend ab, dass sie ihn zum 1. August 2012 zur VPI versetzte.

3

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, das Polizeipräsidium als Widerspruchsbehörde sei nicht befugt gewesen, die Umsetzung durch eine Versetzung zu ersetzen. Der vom Beklagten angerufene Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, die Versetzung des Klägers sei rechtmäßig. Das Polizeipräsidium sei insbesondere auch im Widerspruchsverfahren zur Sachentscheidung befugt gewesen, weil Ausgangs- und Widerspruchsbehörde identisch seien. Daher sei das Polizeipräsidium nicht erst infolge des Devolutiveffekts zuständig gewesen, sondern habe die volle Sachentscheidungskompetenz als Ausgangsbehörde nutzen können.

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2. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat den allein in Anspruch genommenen Zulassungsgrund einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtssache nicht dargelegt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann. Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9).

6

Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage,

"ob eine Behörde sich an die Stelle der Ausgangsbehörde für den Fall setzen kann, dass sie nach Landesrecht als Widerspruchsbehörde fungiert und die ursprüngliche Ausgangsbehörde eine Verfügung erlassen hat, der kein Verwaltungsaktcharakter zukommt",

lässt sich auf der Grundlage der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des Berufungsurteils beantworten.

7

Die Widerspruchsbehörde hat - selbst wenn sie mit der Ausgangsbehörde nicht identisch ist - gemäß § 68 Abs. 1 VwGO die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde. Diese Entscheidungsbefugnis ist - anders als die der Gerichte - nicht auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Die Widerspruchsbehörde ist vielmehr zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt (stRspr, BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1999 - 2 C 28.98 - BVerwGE 108, 274 <280> unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteile vom 9. Mai 1985 - 2 C 5.83 - Buchholz 310 § 79 VwGO Nr. 22 S. 7 und vom 17. Mai 1979 - 2 C 4.78 - Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 14 S. 4). Als Änderung der Gestalt im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist es auch zu verstehen, wenn - wie hier mit der Umsetzung - zunächst kein Verwaltungsakt vorlag und der Widerspruchsbescheid den Realakt durch einen Verwaltungsakt ersetzt. Wörtlich führt das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 23. August 2011 - 9 C 2.11 - (BVerwGE 140, 245 Rn. 20 unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung) aus:

"Das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit und wird erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen [...]. Auch im gerichtlichen Verfahren setzt sich die Einheit fort, wie § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zeigt. Der Widerspruchsbehörde kommt im Überprüfungsverfahren eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie besitzt grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde. Sie ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt (vgl. Urteile vom 1. Dezember 1978 - BVerwG 7 C 68.77 - BVerwGE 57, 130 <145> und vom 11. Februar 1999 - BVerwG 2 C 28.98 - BVerwGE 108, 274 <280>). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Gestaltänderung im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch dann vor, wenn ursprünglich kein Verwaltungsakt existierte und der Widerspruchsbescheid aus einer (schlichten) Willenserklärung einen Verwaltungsakt macht (Urteile vom 12. Januar 1973 - BVerwG 7 C 3.71 - BVerwGE 41, 305 <307 f.>, vom 6. Dezember 1978 - BVerwG 8 C 24.78 - BVerwGE 57, 158 <161>, vom 21. November 1980 - BVerwG 7 C 18.79 - BVerwGE 61, 164 <168> und vom 26. Juni 1987 - BVerwG 8 C 21.86 - BVerwGE 78, 3 <5>; ...)."

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Damit ist die vom Kläger aufgeworfene Frage nach der Zulässigkeit der inhaltlichen Änderung einer behördlichen Maßnahme während des Vorverfahrens nach den §§ 68 ff. VwGO, mit der Folge, dass die Maßnahme die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts erhält, in der Rechtsprechung geklärt.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG.