Entscheidungsdatum: 25.07.2014
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 29 000 € festgesetzt.
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Der 1979 geborene Kläger ist seit Jahresanfang 1999 Soldat auf Zeit. Seine Dienstzeit endet Mitte 2019. Für das Studium der Humanmedizin war der Kläger von Oktober 1999 bis Dezember 2005 beurlaubt. Er ist Sanitätsoffizier und wurde im Dezember 2005 zum Stabsarzt befördert. Seit 2005 leidet der Kläger unter Ekzemen an den Händen. Medizinische Tests in Krankenhäusern der Bundeswehr ergaben eine erhebliche Sensibilisierung gegenüber Inhaltsstoffen von Gummi. Unter Berufung auf diese Allergie, die auch dazu führe, dass er keine ABC-Schutzausrüstung mehr tragen könne und seine Einsatzfähigkeit im Ausland auf Dauer verneint worden sei, beantragte der Kläger seine Entlassung aus der Bundeswehr. Der nach dem erfolglosen Beschwerdeverfahren erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Im erneuten Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entlassung aus der Bundeswehr, weil er nicht dienstunfähig sei. Unerheblich sei, dass der Kläger Soldaten nicht medizinisch behandeln könne. In Friedenszeiten gebe es bei der Bundeswehr eine Vielzahl von Stellen für Stabsärzte mit rein administrativen Aufgaben, auf welchen sie in zumutbarer Weise verwendet werden könnten. Die Beklagte habe konkret auf mehrere freie und für eine Besetzung mit dem Kläger geeignete Stellen für Stabsärzte verwiesen. Wegen des Verteidigungsauftrags der Bundeswehr müsse ein Soldat aber auch unter den spezifischen Bedingungen des Verteidigungsfalles verwendbar sein. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, weil der Kläger nach den Festlegungen der Beklagten bei einer auch im Verteidigungsfall möglichen rein administrativen Verwendung keine ABC-Schutzausrüstung tragen und infolgedessen die Handhabung dieser Ausrüstung in Friedenszeiten auch nicht üben müsse. Damit setze sich die Beklagte nicht über die in Dienstvorschriften und Weisungen niedergelegten dienstlichen Anforderungen an den Kläger hinweg. Dementsprechend sei die Frage, welche gesundheitlichen Folgen für den Kläger mit dem Tragen einer ABC-Schutzmaske verbunden seien, nicht klärungsbedürftig.
2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht erfüllt.
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr.; u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier in Bezug auf die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht der Fall.
a) Die Frage,
„welche militärischen Anforderungen, denen ein Soldat im Verteidigungsfall unterliegen muss, unverzichtbar sind",
könnte im angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Zunächst ist die Frage auf tatsächliche Umstände und nicht auf die Klärung einer Rechtsfrage gerichtet. Ferner ist Gegenstand des Verfahrens die Frage einer Verpflichtung zum Tragen einer ABC-Schutzausrüstung, so dass die generelle Frage nach den von einem Soldaten im Verteidigungsfall zu erfüllenden militärischen Anforderungen nicht beantwortet werden könnte. Zudem hat der Senat bereits entschieden, dass es Sache des Dienstherrn ist, die sich aus den spezifischen Bedingungen des Verteidigungsfalles ergebenden militärischen Anforderungen zu bestimmen, die für jeden Soldaten unverzichtbar sind (Urteil vom 27. Juni 2013 - BVerwG 2 C 67.11 - NVwZ-RR 2013, 1007 Rn. 17).
b) Die weiter aufgeworfene Frage,
„ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen Soldaten vom Erfordernis des Beherrschens einer Individuellen Grundfertigkeit gem. der Weisung zur Ausbildung und zum Erhalt der Individuellen Grundfertigkeiten (Weisung IGF) befreit werden können",
betrifft die „Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung zur Ausbildung und zum Erhalt der Individuellen Grundfertigkeiten - Weisung IGF" vom 9. Juni 2009. Die Verwaltungsvorschriften der Beklagten zur Festlegung der Anforderungen an Soldaten stellen jedoch kein revisibles Recht dar. Verwaltungsvorschriften sind keine Rechtsnormen, sondern Willenserklärungen, die Rückschlüsse auf eine entsprechende Verwaltungspraxis zulassen. Ihre Auslegung unterliegt der revisionsgerichtlichen Prüfung nur insoweit, als es um die Einhaltung der für Willenserklärungen geltenden allgemeinen Auslegungsgrundsätze geht (stRspr; vgl. Urteile vom 2. Februar 1995 - BVerwG 2 C 19.94 - Buchholz 237.6 § 75 NdsLBG Nr. 3 S. 2 f., vom 17. Januar 1996 - BVerwG 11 C 5.95 -NJW 1996, 1766 und vom 10. April 1997 - BVerwG 2 C 38.95 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 16 S. 34).
In der Beschwerdebegründung trägt der Kläger vor, die Vorgaben der genannten Verwaltungsvorschrift der Beklagten ließen es tatsächlich nicht zu, einen im administrativen Bereich tätigen Soldaten von der sog. Individuellen Grundfertigkeit „Beherrschen elementarer ABC-Schutzmaßnahmen" zu befreien. Damit wirft der Kläger aber keine rechtsgrundsätzliche Frage auf, sondern setzt der rechtlichen Würdigung des Oberverwaltungsgerichts zur Auslegung der Verwaltungsvorschrift lediglich seine eigene abweichende rechtliche Bewertung entgegen.
c) Die schließlich als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage,
„unter welchen Voraussetzungen ein Soldat im Verteidigungsfall den unverzichtbaren militärischen Anforderungen nicht genügt und damit dienstunfähig im Sinne von § 55 Abs. 2 und § 44 Abs. 3 Satz 1 SG ist",
erfüllt ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie betrifft, wie die erste von der Beschwerde aufgeworfene Frage, tatsächliche Umstände. Eine rechtsgrundsätzliche Klärung in einem Revisionsverfahren wäre nicht möglich. Zudem hat der Senat bereits entschieden, dass die Bestimmung der Anforderungen, denen die Soldaten genügen müssen, Sache des Dienstherrn ist.
3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen inhaltlich bestimmten, das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem Rechtssatz widersprochen hat, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Das ist der Fall, wenn das Berufungsgericht einen im zu entscheidenden Fall erheblichen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts nicht anwendet, weil es ihn für unrichtig hält. Eine Divergenz liegt demgegenüber nicht vor, wenn das Berufungsgericht einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Denn die Beschwerde macht nicht einmal geltend, das Oberverwaltungsgericht sei von dem vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 27. Juni 2013 (- BVerwG 2 C 67.11 -) aufgestellten Rechtssatz abgewichen, ein Soldat sei dienstfähig, wenn es sowohl in Friedenszeiten als auch im Verteidigungsfall eine Stelle gibt, auf der er zumutbar verwendet und mit ihm besetzt werden kann. Dabei ist es Sache des Dienstherrn, die sich daraus jeweils ergebenden militärischen Anforderungen zu bestimmen, die für den Soldaten unverzichtbar sind. Denn die Beschwerde trägt in Bezug auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO lediglich vor, das Oberverwaltungsgericht habe seine Auffassung, der Kläger könne auch in einem möglichen Verteidigungsfall wegen der Befreiung von der Verpflichtung zum Tragen einer ABC-Schutzausrüstung zumutbar verwendet werden, unzureichend „in einem Satz" begründet.
4. Auch die von der Beschwerde gerügten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
a) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht dadurch gegen die ihm nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegende Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verstoßen, dass es nicht der Frage nachgegangen ist, welche körperlichen Auswirkungen das Tragen der ABC-Schutzausrüstung für den Kläger hat.
Für die dem Gericht obliegende Verpflichtung zur Klärung des Sachverhalts ist die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts maßgeblich. Umstände, auf die es nach seiner Rechtsansicht nicht ankommt, sind auch nicht aufzuklären. Das Oberverwaltungsgericht hat die Verneinung des Anspruchs des Klägers auf Entlassung aus dem Wehrdienstverhältnis darauf gestützt, dass dieser nicht im Sinne von § 55 Abs. 2 Satz 1 SG dienstunfähig ist. Dies hat das Berufungsgericht damit begründet, dass es sowohl in Friedenszeiten als auch im Verteidigungsfall eine Stelle im administrativen Bereich der Bundeswehr gibt, die für den Kläger gerade wegen der fehlenden Verpflichtung zum Tragen einer ABC-Schutzausrüstung und zum Üben der Handhabung dieser Ausrüstung zumutbar ist. Dementsprechend kommt es für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Entlassung aus dem Wehrdienstverhältnis nicht darauf an, welche gesundheitlichen Folgen beim Kläger beim Tragen einer ABC-Schutzausrüstung eintreten.
b) Der Sache nach erhebt die Beschwerde den weiteren Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe auch dadurch gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, dass es nicht der Frage nachgegangen sei, ob der Kläger auch für den Verteidigungsfall von der Verpflichtung zum Tragen einer ABC-Schutzausrüstung-Schutzausrüstung im administrativen Bereich befreit werden kann. Dieser Vorwurf ist unbegründet. Denn das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger auch bei einer administrativen Verwendung im Verteidigungsfall keine ABC-Schutzausrüstung tragen und infolgedessen in Friedenszeiten die Handhabung dieser Ausrüstung auch nicht üben muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 40, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG n.F.