Entscheidungsdatum: 25.07.2014
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis zu 65 000 € festgesetzt.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte hat nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gegeben ist.
1. Die Klägerin ist Agrarwissenschaftlerin. Nach Abschluss ihres Studiums und der Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin war sie überwiegend als Journalistin tätig. Während dieser Zeit bekam sie ihre drei Kinder. Sie wurde zum 1. März 2009 von der beklagten Hochschule als Professorin (BesGr W 2 BBesO) im Fach „Journalistik und Medienproduktion" in ein inzwischen unbefristetes privatrechtliches Dienstverhältnis berufen. Die Beteiligten haben zu diesem Zweck einen Dienstvertrag geschlossen. Den Antrag der Klägerin, sie in ein Beamtenverhältnis zu übernehmen, lehnte die Beklagte ab, weil die Klägerin die Höchstaltersgrenze von 45 Jahren überschritten und sich ihre Einstellung oder Übernahme als Beamtin nicht wegen der Geburt oder Betreuung ihrer drei Kinder verzögert habe. Im gerichtlichen Verfahren stützte die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung darauf, dass sie im Falle einer Verbeamtung der Klägerin einen Versorgungsabschlag in Höhe von rund 220 000 € an das Land zu zahlen habe.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, über den Verbeamtungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Ablehnung dürfe nicht auf die Pflicht zur Zahlung des Versorgungsabschlags gestützt werden, der sich aus § 7 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über die Wirtschaftsführung der Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen - HWFVO - vom 11. Juni 2007 (GV. NRW. S. 246) in der Fassung der Dritten Änderungsverordnung vom 12. November 2012 (GV. NRW. S. 610) ergebe. Die Berücksichtigung dieser Zahlungspflicht wirke sich bei Bewerbern, die das dort bezeichnete Alter überschritten hätten, aufgrund der Verwaltungspraxis der Beklagten tatsächlich wie eine Höchstaltersgrenze für die Übernahme in das Beamtenverhältnis aus. Mit der Berücksichtigung dieser Zahlungspflicht überschreite die Beklagte die ihrer Entscheidung durch Art. 33 Abs. 2 GG gezogenen Grenzen, weil es an der erforderlichen normativen Grundlage für diese tatsächlich praktizierte Höchstaltersgrenze fehle.
2. Die Beschwerde hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO):
a) Darf eine Hochschule bei der Ermessensentscheidung über die Verbeamtung einer lebensälteren Professorin/eines lebensälteren Professors der Frage Bedeutung beimessen, ob ein Versorgungsabschlag in nicht unerheblicher Höhe an das Land zu zahlen ist?
b) Ist Voraussetzung für die Berücksichtigung dieses haushaltsrechtlichen Belangs, dass die Entscheidung über die Verbeamtung des lebensälteren Professors/der lebensälteren Professorin nicht allein auf diesen Gesichtspunkt gestützt wird?
c) Steht eine Berücksichtigung der Zahlungspflicht als abwägungsrelevanter Ermessensbelang in Einklang mit den der Ermessensausübung durch Art. 33 Abs. 2 GG gezogenen Grenzen?
d) Kann grundsätzlich von einer ermessensbindenden Verwaltungspraxis ausgegangen werden, wenn eine Hochschule von vier Verbeamtungsanträgen von lebensälteren Professorinnen/lebensälteren Professoren zwei Anträge ausschließlich mit der Begründung von Zahlungspflichten (Versorgungsabschlag) an das Land ablehnt?
Die Fragen zu a) bis c) rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig beantworten lassen. Die Frage zu d) wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich.
Höchstaltersgrenzen für die Verbeamtung verwehren Bewerbern mit höherem Lebensalter den nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG eröffneten Zugang zum Beamtenverhältnis. Der in dieser Vorschrift verankerte hergebrachte Grundsatz des Berufsbeamtentums vermittelt Bewerbern um ein öffentliches Amt einen unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleisteten Anspruch darauf, dass über die Bewerbung ausschließlich nach Kriterien entschieden wird, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen (stRspr; vgl. Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 28 f.). Das Lebensalter kann nur dann ein leis-tungsbezogenes Kriterium darstellen, wenn daraus bei typisierender Betrachtung Schlussfolgerungen für die Erfüllung der Anforderungen des Dienstes gezogen werden können. Dies gilt z.B. für den Polizeivollzugs- und Feuerwehrdienst, nicht aber für die Tätigkeit als Professor. Daher knüpft der vom Lebensalter abhängige Zugang zu einem öffentlichen Amt an ein nicht durch Art. 33 Abs. 2 GG gedecktes Kriterium an (Urteil vom 19. Februar 2009 - BVerwG 2 C 18.07 - BVerwGE 133, 143 = Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 6
Daher kann eine Höchstaltersgrenze für die Begründung eines Beamtenverhältnisses als Einschränkung des Art. 33 Abs. 2 GG nur durch Interessen gerechtfertigt werden, die ihrerseits Verfassungsrang haben. Das Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitlichen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit der Beamten stellt ein solches Interesse dar. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Ausstattung der Altersversorgung und ihr Zusammenhang mit der auf das gesamte Berufsleben ausgerichteten Dienstleistungspflicht der Beamten verleiht dem Interesse an angemessen langen Lebensdienstzeiten vor dem Eintritt in den Ruhestand einen verfassungsrechtlichen Stellenwert. Es folgt aus dem Lebenszeit- und Alimentationsprinzip, die die lebenslange Versorgung der Ruhestandsbeamten gewährleisten (Urteile vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <153> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 S. 19, vom 19. Februar 2009 a.a.O. Rn. 10 und vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54
Davon ausgehend kann der Gesetzgeber das nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistete Zugangsrecht durch eine Höchstaltersgrenze einschränken, wobei er einen angemessenen Ausgleich zwischen beiden verfassungsrechtlichen Belangen herstellen muss. Die konkrete Festlegung muss auch solchen Beamtenbewerbern eine realistische Zugangschance eröffnen, deren beruflicher Werdegang sich aus anerkennenswerten Gründen verzögert hat (Urteil vom 23. Februar 2012 a.a.O. Rn. 20 f.).
Nach dieser Rechtsprechung liegt auf der Hand, dass die Ablehnung der Verbeamtung nicht auf die Notwendigkeit gestützt werden kann, den Versorgungsabschlag nach § 7 Abs. 4 Satz 1 HWFVO zahlen zu müssen. Dieser Ablehnungsgrund stellt ein nicht leistungsbezogenes, letztlich auf das (zu hohe) Lebensalter abstellendes Auswahlkriterium dar, dessen Berücksichtigung nicht von Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt ist. Das Lebensalter könnte der Klägerin nur entgegengehalten werden, wenn dies durch eine rechtswirksame gesetzliche oder gesetzlich vorgegebene Altersgrenze bestimmt wäre. Nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ist eine solche Altersgrenze für Professoren weder gesetzlich festgelegt noch besteht eine gesetzliche Verordnungsermächtigung. Die Beklagte hat diese rechtlichen Erwägungen nicht angegriffen, sodass es auf ihre Revisibilität nicht ankommt.
Mit der Frage zu d), ob bereits dann von einer ermessensbindenden Verwaltungspraxis ausgegangen werden kann, wenn lediglich zwei von vier Anträgen mit der hier in Rede stehenden Begründung abgelehnt wurden, geht die Beschwerde von Tatsachenfeststellungen aus, die das Berufungsgericht nicht getroffen hat. Es hat vielmehr ausgeführt, dass „nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin" davon auszugehen ist, „dass die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis alle Professorinnen und Professoren - nach Feststellung ihrer gesundheitlichen Eignung - verbeamtet, wenn keine Zahlungspflicht nach § 7 Abs. 4 HWFVO durch die Verbeamtung ausgelöst wird" (UA S. 15 unten/S. 16 oben). Daran ändere nichts, dass die Beklagte in einem Fall den anfallenden Versorgungsabschlag an das Land gezahlt habe. Von diesen, nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und daher den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen wäre auch in dem angestrebten Revisionsverfahren auszugehen (§ 137 Abs. 2 VwGO).
3. Soweit die Beschwerde im Schriftsatz vom 29. August 2013 Einzelheiten zu der in der Frage zu d) angesprochenen Verwaltungspraxis der Beklagten bei der Verbeamtung lebensälterer Professoren darstellt und dem Berufungsgericht vorwirft, es hätte „auch unter Berücksichtigung des Untersuchungsgrundsatzes nach § 86 Abs. 1 VwGO" nicht davon ausgehen dürfen, dass sich die Zahlungspflicht aus § 7 Abs. 4 HWFVO wie eine Höchstaltersgrenze auswirke, führt dies zu keiner anderen Beurteilung.
Zum einen ist die darin der Sache nach geltend gemachte Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erhoben (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) und damit bei der Entscheidung über die Zulassung der Revision nicht zu berücksichtigen. Zum anderen ist nicht dargelegt, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Berufungsgericht die von der Beschwerde vermissten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. Urteil vom 22. Januar 1969 - BVerwG 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.> = Buchholz 237.5 § 106 HessBG 62 Nr. 1 S. 5 f.; Beschlüsse vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 8 f., vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG und entspricht derjenigen des Berufungsgerichts (Beschluss vom 31. Januar 2013).