Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 16.03.2017


BVerwG 16.03.2017 - 2 B 4/16

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
16.03.2017
Aktenzeichen:
2 B 4/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:160317B2B4.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 27. Oktober 2015, Az: 3 A 348/13, Beschlussvorgehend VG Düsseldorf, 7. Januar 2013, Az: 23 K 5322/12, Urteil

Gründe

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Die allein auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

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1. Die 1948 geborene Klägerin, deren Beamtenverhältnis 1973 begründet und die wegen Dienstunfähigkeit zum 1. Dezember 2006 vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde, begehrt, ihr für die Zeit von Dezember 2006 bis Juni 2009 den vorübergehenden Kindererziehungszuschlag (KEZ) für ihre drei 1980, 1983 und 1986 geborenen Söhne zu gewähren.

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Das beklagte Land berücksichtigte im Versorgungsfestsetzungsbescheid Kindererziehungszeiten und Erziehungsurlaub in den Jahren 1981 (124 Tage), 1983/84 (182 Tage) und 1986/87 (182 Tage). Im September 2007 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, für sie bestehe wegen Pflegetätigkeit voraussichtlich ein Rentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV); parallel bat sie, den Ruhegehaltssatz zu erhöhen oder einen Pflegezuschlag "gem. § 50 BeamtVG" zu gewähren. Im Mai 2010 begehrte sie beim Beklagten u.a. nochmals, ihr einen "vorübergehenden Pflegezuschlag" zukommen zu lassen. Der Beklagte wies die Klägerin sodann im Mai 2011 darauf hin, dass ihr ein vorübergehender KEZ gezahlt werden könne, wenn sie aufgrund Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sei. Nach Beantragung bewilligte der Beklagte der Klägerin auf der Grundlage der Inhalte des Feststellungsbescheids der DRV und des Versicherungsverlaufs über die in der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigenden Zeiten vorübergehend einen KEZ für ihre drei Kinder rückwirkend ab Juli 2009.

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Der gegen die Ablehnung der Zulagengewährung bereits ab Beginn des Ruhestands gerichtete Widerspruch blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, der Klägerin den vorübergehenden KEZ für ihre drei Kinder weiter rückwirkend auch für den Zeitraum von Dezember 2006 bis Juni 2009 zu gewähren. Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob die Klägerin die Voraussetzungen des § 50e Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erfülle. Denn es fehle für den streitbefangenen Zeitraum schon an einem Antrag für entsprechende Leistungen; beantragt habe die Klägerin solche Leistungen erstmals im Mai 2011. Vorangegangene Anträge hätten sich ausdrücklich auf andere Leistungen bezogen. Unabhängig davon stünden der Klägerin auch keine Leistungen nach § 50a BeamtVG zu. Denn die Kinder der Klägerin seien vor dem 1. Januar 1992, aber nach Begründung des Beamtenverhältnisses geboren.

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2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 5 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

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Die Beschwerdebegründung zeigt eine grundsätzliche Bedeutung nicht auf.

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a) Die von der Beschwerde zunächst aufgeworfene Frage,

ob von einem Antrag gem. § 50e BeamtVG sämtliche in Betracht kommenden Zuschläge erfasst werden, die vorübergehend gewährt werden können, oder es notwendig ist, in dem Antrag jeden in Betracht kommenden Zuschlag wie vorliegend insbesondere auch den Zuschlag nach § 50a BeamtVG gesondert zu erwähnen,

ist auf der Grundlage der tragenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Sie wäre deshalb in einem Revisionsverfahren nicht zu klären. Im angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht entscheidungstragend u.a. festgestellt, dass es überhaupt an einem Antrag nach § 14a BeamtVG i.V.m. § 50a bis § 50e BeamtVG gefehlt hat, ohne dass dies von der Beschwerde mit Verfahrensrügen angegriffen worden ist. Ein nicht gestellter Antrag, gleich nach welcher Variante der bei vorzeitigem Ruhestand möglichen vorübergehenden Zuschläge nach § 14a BeamtVG i.V.m. § 50a bis § 50e BeamtVG, versperrt auch eine sonst ggf. mögliche sachdienliche erweiternde Antragsauslegung. Denn das Gesetz unterscheidet bei der kinderbezogenen versorgungsrechtlichen Zuschlagsgewährung grundlegend zwischen dauerhaften Zuschlägen (§ 50a bis 50d BeamtVG), die von Amts wegen gezahlt werden, und vorübergehenden Zuschlägen (§ 50e BeamtVG), die gemäß § 50e Abs. 3 Satz 1 BeamtVG nur auf Antrag gewährt werden.

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b) Der weiter aufgeworfenen Frage zur Bedeutung der Antragsfrist nach § 50e Abs. 3 BeamtVG, die wörtlich lautet,

"Führt eine rügelose Einlassung[en] der zuständigen Behörde, wie hier dem LBV, im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren und die Tatsache, dass sich die zuständige Behörde nicht darauf beruft, dass die Antragsfrist nach § 50e Abs. 3 BeamtVG nicht eingehalten wurde dazu, dass das Antragserfordernis als eingehalten gilt?",

kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie sich auf der Grundlage des Gesetzestextes klar und eindeutig beantworten lässt. Die vorübergehende Leistung wird gemäß § 50e Abs. 3 Satz 1 BeamtVG auf Antrag gewährt. Der Antrag ist zwar an keine besondere Form gebunden. Auf das vom Gesetzgeber in § 50e Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ausnahmslos postulierte Antragserfordernis kann eine Behörde aber nicht verzichten. Ein Tätigwerden von Amts wegen ist damit ausgeschlossen (vgl. auch Reich, BeamtVG, 2013, § 50e Rn. 19). Dafür spricht auch die weitere Ausdifferenzierung der Antragsmöglichkeiten in § 50e Abs. 3 Sätze 2 und 3 BeamtVG. Danach gelten Anträge, die innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand gestellt werden, als zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts gestellt (Satz 2), während für Anträge, die zu einem späteren Zeitpunkt gestellt werden, die Leistung erst vom Beginn des Antragsmonats an gewährt wird (Satz 3). Käme es auf einen Antrag nicht an, wäre die ausdifferenzierte gesetzliche Antragssystematik überflüssig und unverständlich.

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c) Auch die ferner gestellte Frage,

ob die Tatsache, dass die Klägerin durch ihren Dienstherrn bzw. das LBV nicht darauf aufmerksam gemacht wurde, dazu führt, dass sie einen solchen Anspruch auf eine vorübergehende Gewährung eines Kindererziehungszuschlags gem. §§ 50e und 50a BeamtVG hat und dass ihr das Antragserfordernis nach § 50e Abs. 3 BeamtVG nicht mehr entgegengehalten werden kann und der später von ihr gestellte Antrag als zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand gestellt gelten muss,

ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Wörtlich betrachtet erschöpft sie sich in der Prüfung einer Einzelfallwürdigung. Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich auf Angriffe gegen die Richtigkeit der Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht. An der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung fehlt es, weil die von der Beschwerde sinngemäß aufgeworfene Frage durch die besonderen Umstände des Einzelfalls - hier des konkreten Verhaltens der Versorgungsbehörde gegenüber der Klägerin zunächst infolge vermeintlich pflichtwidriger Nichtbelehrung über das Antragserfordernis nach § 50e BeamtVG und später durch rügelose Einlassung - geprägt und nicht von fallübergreifender, allgemeiner Bedeutung ist.

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Aber auch wenn das Beschwerdevorbringen zugunsten der Klägerin der Sache nach dahin versteht, dass es ihr grundsätzlich und abstrakt um die Klärung der Frage der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Hinblick auf eventuelle Vorabbelehrungen über Antragsmöglichkeiten und Antragsfristen nach § 50e Abs. 3 BeamtVG geht, ändert dies im Ergebnis nichts. Auch in diesem Fall bedürfte es keines Revisionsverfahrens, weil sich die Antwort auf die Frage klar und eindeutig aus dem Gesetzestext ergibt. Die maßgebliche Vorschrift, § 50e BeamtVG, regelt allein ein Antragserfordernis, nicht aber eine behördliche Hinweis- oder Belehrungspflicht im Hinblick auf dieses Erfordernis. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten und Ruhestandsbeamten (§ 78 BBG, § 45 BeamtStG) gebietet eine solche Hinweis- oder Belehrungspflicht nicht (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - 6 C 105.74 - BVerwGE 52, 70 <79> und Beschluss vom 29. Juni 2016 - 2 B 118.15 - Buchholz 237.9 § 83 SaarLBG Nr. 1 Rn. 11). Die generelle Fürsorgepflicht geht nicht über das hinaus, was dem Beamten oder früheren Beamten abschließend durch gesetzliche Regelungen eingeräumt ist. Die durch Spezialvorschriften im Einzelnen nach Art und Umfang begrenzten Ansprüche des Beamten können deshalb nicht durch Rückgriff auf die Fürsorgegeneralklausel erweitert werden (BVerwG, Urteile vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <309 f.> und vom 2. Februar 2017 - 2 C 22.16 - Rn. 22 ff.).

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d) Auch die von der Beschwerde schließlich aufgeworfenen Fragen,

ob es sich bei § 50e BeamtVG um eine Rechtsgrundverweisung handelt, bei der sämtliche Anspruchsvoraussetzungen der in Bezug genommenen Zulagen wie vorliegend § 50a BeamtVG vorliegen müssen, um einen Anspruch auf vorübergehende Gewährung dieser Zulagen zu haben oder ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung dieser Zulagen auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 50a Abs. 1 bzw. Abs. 8 BeamtVG hat und,

ob ein Anspruch auf einen Kindererziehungszuschlag gem. §§ 50e und 50a BeamtVG erst ab der Änderung des § 56 Abs. 4 SGB VI im Juli 2009 oder bereits für den vorhergehenden Zeitraum besteht,

bedürfen keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Ihnen mangelt es von vornherein an der Entscheidungserheblichkeit, weil diese Rechtsfragen nicht eine allein tragende Begründung des angefochtenen Beschlusses betreffen. Klärungsbedürftig sind nur solche Rechtsfragen, die das Berufungsgericht entschieden hat, nicht aber solche, die sich erst stellen würden, wenn es anders entschieden hätte (BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juni 1992 - 3 B 102.91 - Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 17 S. 5 f. und vom 11. Oktober 2005 - 10 B 8.05 - juris Rn. 4). Da das Berufungsgericht für die Klageabweisung tragend auf den bis Mai 2011 fehlenden Antrag der Klägerin nach § 50e BeamtVG abgestellt hat, haben sich für das Gericht die Fragen nach den inhaltlichen Anspruchsvoraussetzungen gemäß den § 50a und § 50e BeamtVG von vornherein nicht stellen können. Sie würden sich - wie dargelegt - mangels durchgreifender Rügen gegen diese Feststellungen auch in einem Revisionsverfahren nicht stellen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG.