Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 25.01.2018


BVerwG 25.01.2018 - 2 B 32/17

Fehlerhafte Zurruhesetzungsverfügung; kein Anspruch auf Nachzahlung von Dienstbezügen und finanzielle Abgeltung nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
25.01.2018
Aktenzeichen:
2 B 32/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:250118B2B32.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OVG Lüneburg, 8. März 2017, Az: 5 LB 215/15, Urteilvorgehend VG Stade, 15. Dezember 2014, Az: 3 A 3611/13
Zitierte Gesetze
§ 55 Abs 3 BG ND 2006
§ 43 Abs 4 S 2 BG ND 2009
§ 43 Abs 4 S 1 BG ND 2009
§ 55 Abs 2 S 4 BG ND 2006
Art 7 Abs 2 EGRL 88/2003
Art 7 Abs 1 EGRL 88/2003
§ 8 Abs 1 S 2 UrlV ND

Gründe

1

Die zulässige, auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Der Kläger ist Erbe der am 8. März 2017 verstorbenen früheren Klägerin, der Lehrerin a.D. G. L. Die 1947 geborene Frau L. war im Dienste der Beklagten tätig. Ab September 2006 war sie dienstunfähig erkrankt. Mit Ablauf des 31. Mai 2007 wurde sie wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Ab Juni 2007 erhielt sie Versorgungsbezüge. Zur Dienstleistung wurde sie nach Ablauf der letzten Krankschreibung (Ende Juni 2007) nicht mehr herangezogen. Frau L. erhob gegen ihre Zurruhesetzung Klage. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Während des Berufungsverfahrens erreichte Frau L. mit Ablauf des 31. Juli 2012 die reguläre Altersgrenze. Das Oberverwaltungsgericht hob mit rechtskräftigem Beschluss vom 1. März 2013 die Zurruhesetzungsverfügung auf. Die Dienstunfähigkeit von Frau L. könne nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, was zu Lasten der Beklagten gehe.

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Daraufhin beantragte Frau L. die Nachzahlung der Differenz zwischen den gezahlten Versorgungsbezügen und den Vollzeitdienstbezügen für den Zeitraum von Juni 2007 bis Juli 2012, die Verzinsung dieses Betrags sowie die Abgeltung nicht genommenen Erholungsurlaubs in diesem Zeitraum. Die Beklagte zahlte die Differenz zwischen den Versorgungsbezügen und den Vollzeitdienstbezügen für den Zeitraum von Januar 2010 bis Juli 2012 nach. Im Übrigen lehnte sie den Antrag ab. Bezüglich der Dienstbezüge für Zeiträume vor dem Jahr 2010 berief sie sich auf Verjährung. Die hiergegen gerichtete, auf den Nachzahlungsanspruch ab August 2008 zeitlich begrenzte Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Das Oberverwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung mit im Wesentlichen der folgenden Begründung zurückgewiesen: Die Klage gegen die Zurruhesetzungsverfügung habe nach dem seinerzeit geltenden niedersächsischen Beamtenrecht aufschiebende Wirkung gehabt. Deswegen habe Frau L. von Anfang an der Besoldungs- und nicht der Versorgungsanspruch zugestanden. Im Zeitpunkt der Geltendmachung dieses Anspruchs im Jahre 2013 seien die Ansprüche für Zeiträume vor dem Jahr 2010 aber bereits verjährt gewesen. Ein Zinsanspruch bestehe nicht, weil hierfür eine gesetzliche Grundlage fehle. Ein Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Erholungsurlaubs bestehe nicht, weil Frau L. im streitgegenständlichen Zeitraum nicht durch Krankheit gehindert gewesen sei, Erholungsurlaub zu nehmen. Eine längerfristige Erkrankung ab Juni 2007 sei nicht ersichtlich.

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2. Grundsätzliche Bedeutung hat die Beschwerde nicht dargelegt. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 5 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Entscheidungserheblich sind solche Rechtsfragen, die für die Entscheidung des Berufungsgerichts tragend gewesen sind und die im Rahmen des Revisionsverfahrens vom Bundesverwaltungsgericht zu beantworten wären.

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a) Rechtsgrundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne hat zunächst nicht die Frage,

"ob sich ein Abwarten des Beamten auf das Ergebnis des Statusprozesses und die beim Dienstherrn vorhandene Unklarheit darüber, ob er die vollen Dienstbezüge auszahlen müsse, als Stundung im Sinne des § 271 BGB bewerten lässt und ob diese Vorschrift in dieser Auslegungsweise auch im Beamtenrecht Anwendung zu finden hat."

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Diese Frage war weder für das Berufungsgericht noch wäre sie für das Bundesverwaltungsgericht entscheidungserheblich, weil entsprechende tatsächliche Feststellungen fehlen. Ungeachtet der Fragen, ob § 271 BGB in der vom Kläger angeregten Auslegung auch im Beamtenrecht Anwendung zu finden hat und ob die das Bundesverwaltungsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ein "Abwarten" von Frau L. auf das Ergebnis des Statusprozesses und eine "Unklarheit" des Dienstherrn, ob er die vollen Dienstbezüge auszuzahlen habe, hergeben, gilt Folgendes: Eine Stundung, also das Hinausschieben des hier durch Gesetz bestimmten Fälligkeitszeitpunktes, kann seinerseits durch Gesetz, durch Parteivereinbarung oder durch privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt vorgenommen werden (BGH, Urteil vom 12. März 2013 - XI ZR 227/12 - BGHZ 197, 21 Rn. 18). Eine gesetzliche Regelung dieses Inhalts besteht hier nicht. Für eine Parteivereinbarung wie auch für einen Verwaltungsakt müsste aber eine entsprechende, ggf. konkludente Willenserklärung auf Seiten von Frau L. bzw. auf Seiten der Beklagten gegeben sein. Diese Willenserklärung müsste sich auf das Hinausschieben der Fälligkeit der Vollzeitdienstbezüge von Frau L. beziehen, um einen späteren Verjährungsbeginn auszulösen. Solche Feststellungen hat das Oberverwaltungsgericht aber nicht getroffen. Entsprechendes kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass Frau L. es unterlassen hat, ihren Besoldungsanspruch gegenüber der Beklagten früher geltend zu machen. Darin ist nicht der Wille zu erkennen, die Fälligkeit etwaiger Besoldungsansprüche hinauszuschieben.

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b) Der Frage,

"ob für die Hemmung der Verjährung der materiell ungewissen Zahlungsansprüche die Rechtshängigkeit der Statusklage ausreicht,"

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie sich auf ausgelaufenes Recht bezieht, für das regelmäßig kein Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung anzuerkennen ist. Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung herbeizuführen, rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsfragen zu ausgelaufenem oder auslaufendem Recht sowie zu Übergangsrecht regelmäßig - und so auch hier - nicht die Zulassung einer Grundsatzrevision (BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 2004 - 1 B 176.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 S. 11 und vom 7. Oktober 2004 - 1 B 139.04 - Buchholz 402.240 § 7 AuslG Nr. 12 S. 6 und vom 23. September 2015 - 2 B 74.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 423 Rn. 9 ). Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Fragen sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (BVerwG, Beschluss vom 23. September 2015 - 2 B 74.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 423 Rn. 9). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.

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Das Problem der rechtzeitigen Geltendmachung und damit der Verjährung von Besoldungsansprüchen stellte sich hier aufgrund der Regelung des § 55 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 des bis zum 31. März 2009 geltenden Niedersächsischen Beamtengesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 13. Oktober 2005 (Nds. GVBl. S. 296 - NBG a.F.), wie das Berufungsgericht zutreffend auf S. 16 ff. des Urteilsabdrucks ausgeführt hat. Für alle Zurruhesetzungsverfügungen, welche seit dem 1. April 2009 zugestellt wurden, gilt hingegen § 43 Abs. 4 des Niedersächsischen Beamtengesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 25. März 2009 (Nds. GVBl. S. 72 - NBG). Nach dieser Vorschrift werden die Dienstbezüge ab dem auf die Zustellung der Verfügung der Versetzung in den Ruhestand folgenden Monat einbehalten (Satz 1). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind die einbehaltenen Bezüge nachzuzahlen, wenn die Versetzung in den Ruhestand aufgehoben wird. Bei Anwendung dieser nunmehr geltenden Vorschrift kann sich das vom Kläger beschriebene Verjährungsproblem mithin nicht mehr stellen, weil die Nachzahlung der Dienstbezüge erst mit der Aufhebung der Zurruhesetzungsverfügung fällig wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Beantwortung der aufgeworfenen Frage für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung sein wird, bestehen nicht.

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c) Aus demselben Grunde sind auch die weiteren neun von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen, welche die Themenbereiche Verjährung und Verzinsung im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit um die Zurruhesetzung betreffen und welche in den Gliederungspunkten A. 3., 4. und 5. sowie B. 1. und 2. der Beschwerdeschrift vom 22. Mai 2017 aufgeführt sind, nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Auch diese Fragen stellen sich bei Anwendung des seit dem 1. April 2009 geltenden Rechts (s.o., b) nicht.

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d) Auch im Hinblick auf den von Frau L. geltend gemachten Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs vermag die Beschwerde keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darzulegen. Die zunächst aufgeworfene Frage,

"ob der zwangsweise pensionierte Beamte, dessen zwangsweise Pensionierung nachträglich aufgehoben worden ist, darlegen und beweisen muss, dass er während der allgemeinen Urlaubszeit (Lehrer: während der Schulferien) krank gewesen sei,"

ist schon nicht entscheidungserheblich. Für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts käme es auf diese Frage nicht an. Das Bundesverwaltungsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Diese lauten aber dahingehend, dass Frau L. nicht infolge einer Krankheit gehindert gewesen ist, in dem streitgegenständlichen Zeitraum Erholungsurlaub zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 3. Mai 2012 - C-337/10 - Neidel, NVwZ 2012, 688 Rn. 30 ff.) setzt der aus Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG abgeleitete Anspruch auf finanzielle Abgeltung des unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub aber voraus, dass der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben bzw. im Krankheitsurlaub war und deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

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Die weiteren beiden aufgeworfenen Fragen,

"ob der der Fall des Beamten, der am Nehmen von Urlaub dadurch gehindert war, dass er zwangsweise pensioniert worden ist, dem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entschiedenen Fall gleichzusetzen ist, dass der Beamte wegen Krankheit gehindert war, Erholungsurlaub zu nehmen,

und

ob ein 'Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruches' auch dann eintritt, wenn die zwangsweise Pensionierung mittels des Statusprozesses angefochten worden ist und dieser Statusprozess schließlich erfolgreich war mit der Folge, dass eine Rückabwicklung des rechtswidrigen Ruhestandsverhältnisses zu erfolgen hat und rückwirkend der Fortbestand des Beamtenverhältnisses so zu fingieren ist, dass gegenüber dem Beamten eine Wiedergutmachung des ihm angetanen Unrechts zu erfolgen hat,"

stehen in inhaltlichem Zusammenhang. Sie rechtfertigen schon deswegen nicht die Zulassung der Revision, weil sich ihre Beantwortung bereits aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt.

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Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass der Zweck des Urlaubsabgeltungsanspruchs darin besteht zu verhindern, dass dem Arbeitnehmer wegen der Unmöglichkeit, nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, jeder Genuss dieses Anspruchs, selbst in finanzieller Form, verwehrt wird (EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - NVwZ 2012, 688 Rn. 29). Von bezahltem Jahresurlaub in diesem Sinne ist nur auszugehen, wenn das gewöhnliche Arbeitsentgelt für die Dauer des Jahresurlaubs weitergewährt wird (EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06, Schultz-Hoff - NJW 2009, 495 Rn. 58).

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Bezogen auf den Fall des Klägers bedeutet dies, dass für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2010 bis zum 31. Juli 2012 kein Urlaubsabgeltungsanspruch bestand, weil Frau L. nicht gehindert war, diesen in der genannten Zeit zu nehmen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war Frau L. nicht infolge Krankheit gehindert, Erholungsurlaub in dieser Zeit zu nehmen. Der materielle Genuss des Erholungsurlaubsanspruchs, der darin besteht, freie Zeit nach eigenem Ermessen zu nutzen, stand ihr also ungeschmälert zu. Insbesondere stand ihr in diesem Zeitraum auch die volle Bezahlung zu, was durch die Nachzahlung der vollen Besoldung durch den Beklagten mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 gesichert wurde.

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Auch die weitere, auf den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs gerichtete Frage ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen. Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10 -, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10 -, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 40 ff.). Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10 -, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 41 f.).). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 - Buchholz 232.3 § 1 EUrlV Nr. 1 Rn. 20 ff.).

15

Diese Rechtsprechung ist ohne Weiteres auch auf die Situation von Frau L. übertragbar, sodass sie keiner weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärung bedarf. Für Zeiträume vor dem 1. Januar 2010 stand Frau L. kein Urlaubsabgeltungsanspruch zu, weil dieser bereits verfallen war. Denn wie aufgezeigt, liegt der Grund für den Verfall darin, dass Urlaub seinen Erholungszweck nach einer gewissen Zeit typischerweise nicht mehr erreichen kann. Das gilt aber ungeachtet der Frage, ob dieser wegen Krankheit oder wegen einer (vermeintlichen) Befreiung von der Dienstleistungsverpflichtung wegen einer Zurruhesetzungsverfügung nicht genommen wird. Konkret ist das Berufungsgericht zu Recht von einer 18-monatigen Verfallszeit ausgegangen, die für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2009 deutlich vor der Geltendmachung des Anspruchs am 22. April 2013 abgelaufen war.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstands folgt aus § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 1 und 3 GKG.