Entscheidungsdatum: 31.01.2018
1. Der ... geborene Beklagte stand zuletzt als Studienrat im Dienst des klagenden Landes und war an einem Gymnasium als Lehrer tätig.
Mit rechtskräftigem Strafurteil des Landgerichts aus dem Jahr 2014 wurde der Beklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegenstand der Verurteilung war eine von April 2009 bis Juli 2012 geführte sexuelle Beziehung des Beklagten mit einer im Mai 1994 geborenen, zu Beginn der Beziehung mithin kurz vor Vollendung ihres 15. Lebensjahres stehenden Schülerin.
In dem sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte habe gemäß seiner geständigen Einlassung und dem im strafgerichtlichen Urteil bindend festgestellten Sachverhalt durch die über einen Zeitraum von drei Jahren geführte sexuelle Beziehung zu einer Schülerin seine Pflicht als Lehrkraft zur gegenseitigen Rücksichtnahme und Achtung gegenüber Schülerinnen und Schülern und seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten verletzt. Es liege ein innerdienstliches Dienstvergehen vor, weil das Näheverhältnis zu der Schülerin gerade auf seiner Position als ihr Klassen- und Vertrauenslehrer beruht habe. Der Beklagte sei aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch dieses Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe.
2. Die allein auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 41 Abs. 1 LDG SH i.V.m. § 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.
Die geltend gemachten Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 41 Abs. 1 LDG SH i.V.m. § 69 BDG und § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und den Aufklärungsgrundsatz (§ 41 Abs. 1 LDG SH i.V.m. § 69 BDG und § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor. Die Beschwerde führt in ihrer Begründung drei Passagen des Berufungsurteils an, aus denen sie den Schluss zieht, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung aktenwidrige Tatsachen zugrunde gelegt habe oder von nicht festgestellten Tatsachen ausgegangen sei und dadurch gegen die genannten Verfahrensgrundsätze verstoßen habe. Diese Vorwürfe sind unberechtigt; im Einzelnen:
a) Die Beschwerde rügt zum einen, das Oberverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung aktenwidrige Tatsachen zugrunde gelegt, und entnimmt dies folgender Passage des Berufungsurteils:
"Sexueller Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen schädigt ferner regelmäßig das Ansehen des Täters schwerwiegend. Verstöße gegen die einschlägigen strafrechtlichen Schutzbestimmungen gelten nach wie vor als verabscheuungswürdig und setzen den Täter kritischer Resonanz und Missachtung aus." (UA S. 11)
Der Beklagte sei aber nicht wegen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes (§ 176 StGB) oder Jugendlichen (§ 182 StGB) strafbar, sondern wegen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Das "Verabscheuungswürdige" und die "kritische Resonanz und Missachtung", auf die das Berufungsgericht Bezug nehme, beruhe bei den beiden erstgenannten Straftatbeständen darauf, dass der Täter die sexuelle Handlung gegen den Willen des Kindes oder Jugendlichen vornehme. Beim Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) habe der Gesetzgeber die Strafbarkeit unabhängig von einer tatsächlichen Ausnutzung aus sexuellen Motiven ausgestaltet; vielmehr werde hier die sexuelle Selbstbestimmung und Entwicklung der Betroffenen innerhalb bestimmter Abhängigkeitsverhältnisse geschützt, die in typischer Weise die Gefahr der Ausnutzung aus sexuellen Motiven durch Autoritätspersonen begründeten. Das Berufungsgericht hätte daher seinen Bemessungserwägungen zugrunde legen müssen, dass sich der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen bei weitem nicht so schwer auf das Ansehen des Täters auswirke wie bei den von ihm angeführten Delikten. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht dann auf eine geringere Disziplinarmaßnahme erkannt hätte.
Der Einwand geht fehl. Es kann dahinstehen, ob die von der Beschwerde angestellte Differenzierung zwischen den von ihr angeführten Straftatbeständen in jeder Hinsicht zutreffend ist; so vernachlässigt sie insbesondere, dass auch bei § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB der subjektive Tatbestand nur erfüllt ist, wenn Vorsatz hinsichtlich aller Merkmale des objektiven Tatbestandes, mithin auch hinsichtlich der Vornahme sexueller Handlungen vorliegt (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 174 Rn. 16).
Unabhängig davon folgt aus den Überlegungen der Beschwerde jedenfalls nicht, dass das Berufungsgericht von aktenwidrigen Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist. Vielmehr handelt es sich um eine Kritik an einer richterlichen Wertung. Das Kriterium der Ansehensschädigung ist eine Kategorie des Disziplinarrechts, nämlich der disziplinaren Bemessungsentscheidung. Diese wird nicht durch strafrechtliche Kategorien gesteuert, wie sie die Beschwerdebegründung anstellt, sondern verfolgt eigene, vom Strafrecht abweichende Ziele, nämlich das Vertrauen und die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und der dort Beschäftigten zu wahren. Über den endgültigen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit infolge des Dienstvergehens i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG SH entscheiden die Verwaltungsgerichte, ohne dass sie an Wertungen des Dienstherrn oder Vorgaben des materiellen Strafrechts gebunden sind.
Die von der Beschwerde beanstandete Passage ist Teil der abstrakt formulierten maßstäblichen Erwägungen des Berufungsgerichts zu den Bemessungskriterien (UA ab S. 10). Sie schließt an Ausführungen des Berufungsgerichts zur hohen Eingriffsintensität des Fehlverhaltens des Beklagten an (UA S. 10 letzter Absatz). Dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang vom "sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen" spricht, lässt sich unschwer als typisierende Aussage zu der gesamten Deliktsgruppe der im dreizehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs (§§ 174 bis 184j StGB) enthaltenen "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" (gesetzliche Überschrift) begreifen. Dafür spricht insbesondere, dass das Berufungsgericht in dem der beanstandeten Passage unmittelbar vorausgehenden Absatz der Entscheidungsgründe deutlich zu erkennen gibt, dass ihm die Schutzrichtung der vom Beklagten verwirklichten Straftaten bewusst ist. Daran, dass diesen Delikten - insgesamt und ungeachtet der aus den unterschiedlichen abstrakten Strafrahmen ersichtlichen graduellen Abstufungen - die von der Beschwerde zugeschriebene sozial-ethische Missbilligung ("verabscheuungswürdig", "Missachtung") zukommt, steht außer Zweifel. Die gegenteilige Annahme der Beschwerde, der Missbrauch von Schutzbefohlenen wiege im Hinblick auf die Ansehensschädigung weniger schwer als Taten nach § 176 oder § 182 StGB, ist zudem eine eigene Wertung und zielt letztlich allein darauf, die Zumessungserwägungen des Berufungsgerichts im Gewand einer Verfahrensrüge durch eine eigene, dem Beklagten günstigere Einschätzung zu seinem Ansehensverlust zu ersetzen. Dies ist nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge.
Dass das Berufungsgericht sich sowohl des besonderen Unrechtsgehalts als auch des disziplinarwürdigen Fehlverhaltens gerade des Missbrauchs von Schutzbefohlenen bewusst war, ergibt sich auch aus seinen weiteren Bemessungserwägungen, in denen das Berufungsgericht hervorhebt, dass bei der vom Beklagten verwirklichten Vorsatztat des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB "nicht jede sexuelle Handlung zwischen einem Erwachsenen und einem minderjährigen Jugendlichen" unter Strafe gestellt sei, sondern "gerade die Lehrerstellung das strafbare Verhalten ausmacht" (UA S. 11 unten/S. 12 oben). Ebenso hat es in seine Zumessungserwägungen einbezogen, dass die Schülerin "die Beziehung mit dem Beklagten freiwillig einging bzw. forciert hat", aufgrund ihrer Minderjährigkeit jedoch keine wirksame Einwilligung erteilen konnte (UA S. 13 Mitte), und dass der Beklagte um das Wohlergehen der psychisch instabilen Schülerin bemüht war, der er "Halt und Vertrauen geben wollte" und auch gegeben hat, und dass sie selbst die Nähe zum Beklagten suchte (UA S. 14 unten). All dies ändere indes nichts an dem durch sein Fehlverhalten verursachten, allein nach objektiven Maßstäben zu beurteilenden endgültigen Ansehens- und Vertrauensverlust.
b) Auch der weiter gerügte Verstoß gegen die dem Berufungsgericht obliegende Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts liegt nicht vor.
Die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht habe seiner Entscheidung ohne entsprechende Tatsachenfeststellungen zugrunde gelegt, der Schülerin seien erhebliche körperliche und seelische Schäden zugefügt worden. Die Beschwerde schließt dies aus einer Passage des Berufungsurteils, die lautet:
"Dem Opfer werden - typischerweise - erhebliche körperliche und seelische Schäden zugefügt, deren Folgen ein ganzes Leben lang andauern können." (UA S. 10)
Damit ist ein Aufklärungsmangel nicht aufgezeigt. Dies folgt bereits daraus, dass das Berufungsgericht ausdrücklich lediglich von "typischerweise" (als nicht im konkreten Fall) und "dem Opfer" (allgemein) zugefügten körperlichen und seelischen Schäden spricht. Bei der zitierten Passage handelt es sich um abstrakte Ausführungen des Berufungsgerichts zur Bedeutung des von ihm für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme herangezogenen Kriteriums des Eingriffs in die "ungestörte geschlechtliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen" und nicht um Aussagen zu den bei der betroffenen Schülerin tatsächlich eingetretenen Folgen.
Das Berufungsgericht beginnt seine Ausführungen zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme mit einem Einleitungssatz, in dem es drei Kriterien benennt, die im Falle des Klägers die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens geboten erscheinen lassen, nämlich - erstens - die lange Dauer seines Fehlverhaltens, - zweitens - die hohe Anzahl von 15 Taten und - drittens - die hohe Intensität des Eingriffs in das Schutzgut der "ungestörten geschlechtlichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen" (UA S. 10, dritter Absatz). In den daran anschließenden Sätzen begründet das Berufungsgericht in abstrakt-generellen Ausführungen, dass und warum es diesem Rechtsgut großes Gewicht beimisst; die Abstraktheit dieser Ausführungen wird an den hier verwandten Formulierungen wie "in der Regel", "typischerweise" und "regelmäßig" (Letzteres bezogen auf den Ansehensverlust und das sozial-ethische Missbilligungsurteil, s.o.). Diese von einer abstrakten Ebene aus getätigte Betrachtung schließt es aus, diese Passage dahin zu verstehen, das Berufungsgericht habe seiner Bemessungsentscheidung die tatsächliche Feststellung zugrunde gelegt, der hier betroffenen Schülerin seien "erhebliche körperliche und seelische Schäden zugefügt" worden, wie dies die Beschwerde annimmt. Dagegen spricht auch, dass das Berufungsgericht zwei Seiten zuvor ausführlich eine Passage aus den Strafzumessungserwägungen des Strafurteils zitiert (UA S. 8), die damit schließt, dass "die Gefahr einer seelischen Schädigung" der Schülerin - lediglich - "nicht auszuschließen" sei. Die Annahme der Beschwerde, dass das Berufungsgericht - dem zuwider - in seinen eigenen disziplinaren Bemessungserwägungen vom Gegenteil (nämlich dass eine solche Schädigung festgestellt sei) ausgegangen wäre, entbehrt hiernach jeder Grundlage.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 Abs. 1 LDG SH i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühren aus dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 Satz 1 BDG ergibt.