Entscheidungsdatum: 16.03.2010
Die Beschwerde des Beklagten kann keinen Erfolg haben. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO, § 69 BDG liegen nicht vor.
Das Oberverwaltungsgericht hat die erstinstanzlich ausgesprochene Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten wegen vorsätzlicher Verstöße gegen das Vorteilsannahmeverbot gemäß § 70 BBG a.F. bestätigt. Nach den bindenden Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils stehe fest, dass der Beklagte für seine dienstliche Mitarbeit beim Verkauf von Marinebooten nach Saudi-Arabien von den beteiligten Unternehmen insgesamt mehr als eine Million DM erhalten habe. Die klagende Bundesrepublik habe die Disziplinarklage rechtswirksam erhoben und werde im gerichtlichen Verfahren ordnungsgemäß vertreten.
1. Der Beklagte hält für rechtsgrundsätzlich bedeutsam,
ob die Klägerin in dem Rubrum des Berufungsurteils den gesetzlichen Anforderungen der § 62 Abs. 3 und § 117 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entsprechend benannt sei, obwohl dort lediglich die "Bundesrepublik Deutschland" und das "Bundesministerium des Innern" als Bundesbehörde mit dessen Anschrift, nicht aber der gesetzliche Vertreter und dessen dienstliche Funktion als "Bundesminister des Innern" aufgeführt seien.
Diese Frage kann nicht zu der Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 69 BDG führen. Sie ist nicht klärungsbedürftig, weil sie aufgrund der gesetzlichen Vorschriften eindeutig beantwortet werden kann. Darüber hinaus kommt ihr keine entscheidungserhebliche Bedeutung für den Ausgang des Disziplinarklageverfahrens gegen den Beklagten zu (vgl. zur grundsätzlichen Bedeutung Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.).
Gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 3 BDG enthält das Urteil die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren. Nach § 62 Abs. 3 VwGO, § 3 BDG handeln für Vereinigungen sowie für Behörden ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände. Der Begriff der Vereinigung umfasst auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie die Bundesrepublik. Deren gesetzliche Vertretung in Disziplinarklageverfahren gegen Ruhestandsbeamte des Bundes ergibt sich aus § 34 Abs. 2 Satz 1, § 84 Satz 1 BDG. Danach wird der Dienstherr durch die oberste Dienstbehörde vertreten, die zum Zeitpunkt des Eintritts des Beamten in den Ruhestand zuständig war. Oberste Dienstbehörde ist gemäß § 3 Abs. 1 BBG die oberste Behörde eines Dienstherrn, in deren Geschäftsbereich der Beamte ein Amt wahrnimmt.
In Anwendung dieser Vorschriften hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend angenommen, die für die Vertretung zuständige oberste Dienstbehörde sei hier das im Rubrum des Berufungsurteils benannte Bundesministerium des Innern. Die namentliche Erwähnung der Person des jeweiligen Bundesministers des Innern im Rubrum kommt nicht in Betracht, weil dieser das Ministerium in seiner Eigenschaft als Amtsinhaber leitet. Im Übrigen verkennt der Beklagte, dass die von ihm vertretene Auffassung, das Rubrum der Klägerin müsse "Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister des Innern" lauten, im Falle ihrer Richtigkeit keinesfalls die Unwirksamkeit des Berufungsurteils nach sich zöge. Vielmehr litte das Rubrum dann an einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne von § 118 Abs. 1 VwGO, § 3 BDG, die das Oberverwaltungsgericht jederzeit nach § 118 Abs. 1 und 2 VwGO, § 3 BDG berichtigen könnte.
Der Beklagte wirft zudem die Frage als rechtsgrundsätzlich bedeutsam auf,
bis zu welcher hierarchischen Unterzeichnungsebene die Delegation der Befugnis zur Unterzeichnung einer Disziplinarklage in einem Bundesministerium als einer obersten Dienstbehörde auf der Grundlage einer internen Geschäfts- oder Hausanordnung zulässig sei.
Dieser Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 69 BDG zu, weil kein Klärungsbedarf besteht. Es ist durch die Rechtsprechung des Senats geklärt, unter welchen Voraussetzungen Mitarbeiter einer Behörde für diese auftreten können:
Die oberste Dienstbehörde wird, wie Behörden allgemein, nicht allein durch ihren Leiter persönlich tätig, sondern auch durch dessen Vertreter und weitere hierzu berechtigte und zeichnungsbefugte Mitarbeiter, d.h. solche, die nach den internen Regelungen über die behördliche Organisation und Geschäftsverteilung mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der betreffenden Aufgabe betraut sind. Daher kann jeder Mitarbeiter der Behörde gegenüber Dritten für die Behörde tätig werden, wenn dies von seinem Aufgabenbereich umfasst ist. Einer fallbezogenen zusätzlichen Bevollmächtigung durch den Leiter der Behörde bedarf es dann nicht (Beschlüsse vom 21. August 1995 - BVerwG 2 B 83.95 - Buchholz 237.95 § 4 S-HLBG Nr. 1; vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 17 und vom 8. Mai 2008 - BVerwG 2 C 135.07 - Buchholz 232 § 69a BBG Nr. 1 Rn. 4).
Daraus folgt, dass im Falle der Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern für die Erhebung einer Disziplinarklage jeder Mitarbeiter dieser Behörde die Disziplinarklageschrift unterzeichnen und für das Bundesministerium beim Verwaltungsgericht einreichen darf, der nach den internen Regelungen über die Organisation und Geschäftsverteilung eigenverantwortlich mit der Aufgabe der Erhebung von Disziplinarklagen betraut ist und über die entsprechende Zeichnungsbefugnis verfügt.
2. Der Beklagte macht geltend, das Oberverwaltungsgericht weiche mit seiner Rechtsauffassung,
die an das Bundesministerium des Innern abgeordnete Richterin am Landgericht B. habe die Disziplinarklageschrift unterzeichnen und beim Verwaltungsgericht einreichen dürfen, weil sie für die Zeit der Abordnung einem beamteten Referenten im Referat Z 4 (bzw. Z 4 b) des Bundesministeriums des Innern gleichgestellt gewesen sei,
von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2006 - BVerwG 2 C 11.05 - sowie von dessen Beschlüssen vom 22. August 2007 - BVerwG 2 PKH 2.07 - und vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - ab.
Die vom Beklagten behauptete Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 69 BDG liegt offensichtlich nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat keinen abstrakten Rechtssatz zur Vertretungsbefugnis von Behördenmitarbeitern aufgestellt, der in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats steht. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht diese Rechtsprechung auf den zu entscheidenden Fall angewandt (vgl. zur Divergenz Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26).
In dem Beschluss des Senats vom 22. August 2007 - BVerwG 2 PKH 2.07 - (Buchholz 303 § 81 ZPO Nr. 1) hat der Senat entschieden, Prozesshandlungen des Bevollmächtigten einer Gemeinde könnten als von deren Willen gedeckt angesehen werden, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für ein eigenmächtiges Vorgehen des Bevollmächtigten vorlägen. Daher kommt diesem Beschluss keine Bedeutung für den vorliegenden Fall zu.
In dem Urteil vom 22. Juni 2006 - BVerwG 2 C 11.05 - (ZBR 2006, 385, Rn. 13, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 235.1 § 34 BDG Nr. 2) hat der Senat die wirksame Erhebung der Disziplinarklage durch den nach § 34 Abs. 2 Satz 1 BDG, § 1 Abs. 2 und 7 PostPersRG zuständigen Vorstand der Deutschen Post AG bejaht, obwohl die Disziplinarklageschrift von einem bei der Organisationseinheit "Service Niederlassung Personalrecht" der Deutschen Post AG tätigen Postdirektor unterzeichnet worden war. Der Vorstand habe seine Zuständigkeit wahrgenommen, weil das Personalvorstandsmitglied den Entschluss zur Klageerhebung gefasst, den Postdirektor mit der Erstellung der Disziplinarklageschrift beauftragt und ihm Zeichnungsvollmacht erteilt habe.
Die tragenden Erwägungen des hier einschlägigen Beschlusses vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - (Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2) zu der Befugnis von Mitarbeitern einer Behörde, für diese aufzutreten, sind unter 1. dargestellt worden. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, nach der bei Klageerhebung geltenden Hausanordnung des Bundesministeriums des Innern sei dessen Justiziariat das für Rechtsstreitigkeiten des Bundesministeriums zuständige Referat gewesen. Die Richterin am Landgericht B. sei an das Bundesministerium des Innern abgeordnet und dort dem Justiziariat als Referentin zugewiesen gewesen. Aufgrund ihrer Abordnung sei sie einem beamteten Referenten gleichgestellt gewesen. Daher habe sie im Rahmen der ihr als Referentin übertragenen Befugnisse gehandelt, als sie die Disziplinarklageschrift gefertigt, unterzeichnet und beim Verwaltungsgericht eingereicht habe.
Die Ausführungen des Beklagten, die Richterin am Landgericht B. habe sich als nicht im Dienst der Klägerin stehende "Nichtbeamtin" zur Unterzeichnung der Disziplinarklageschrift bereit gefunden, liegen neben der Sache. Sie verkennen die rechtliche Bedeutung der Abordnung einer Richterin an eine Behörde. Die Abordnung lässt den Richterstatus unberührt, hat aber zur Folge, dass die Richterin für die Dauer der Abordnung funktionell, d.h. bei der Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben der Behörde, den für Beamte geltenden Regeln unterliegt.
3. Der Beklagte rügt als Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO und des Gebots der umfassenden Sachaufklärung gemäß § 58 Abs. 1 BDG, § 86 Abs. 1 VwGO, dass das Oberverwaltungsgericht die erstinstanzlich gestellten Beweisanträge des Beklagten zur Frage der Befugnis der Richterin am Landgericht B., die Disziplinarklageschrift zu unterzeichnen und einzureichen, übergangen habe. Zum einen habe das Oberverwaltungsgericht den damals geltenden Organisations- und Stellenplan für das Prozessführungsreferat des Bundesministeriums des Innern nicht herangezogen, obwohl nur dieser Plan Auskunft über die Dienstpostenbesetzungen und Zuständigkeiten der Mitarbeiter Auskunft geben könne. Zum anderen sei es nicht der Frage nachgegangen, ob der Richterin am Landgericht B. Vollmacht für ihr Vorgehen erteilt worden sei. Mit diesem Vorbringen hat der Beklagte keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 69 BDG dargelegt:
Ob das Tatsachengericht Beweisangeboten nachgehen muss, ist auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung zu beurteilen. Das Unterlassen von Tatsachenermittlungen, die aus der Sicht des Tatsachengerichts überflüssig sind, weil es darauf nach seinem Rechtsstandpunkt nicht ankommt, kann weder einen Gehörsverstoß noch einen Aufklärungsmangel begründen (Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> = Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 5; Beschluss vom 14. Juni 2005 - BVerwG 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1; stRspr).
Nach der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zur Vertretungsbefugnis von Mitarbeitern einer Behörde stellen sich die vom Beklagten aufgeworfenen Beweisfragen nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat der bei Klageerhebung maßgebenden Hausanordnung des Bundesministeriums des Innern entnommen, dass die Referenten des Justiziariats zur Vertretung des Bundesministeriums in den von ihnen bearbeiteten Rechtsstreitigkeiten des Ministeriums vor den Verwaltungsgerichten befugt gewesen seien. Diese Feststellung reicht aus, um die Berechtigung der als Referentin im Justiziariat tätigen Richterin am Landgericht B. für die Unterzeichnung und Einreichung der Disziplinarklageschrift zu bejahen. Weder bedurfte es innerhalb des Referats einer abstrakt-generellen Festlegung und Abgrenzung der Aufgaben der dort tätigen Referenten nach Art eines gerichtlichen Geschäftsverteilungsplans noch musste B. zu ihrem Vorgehen entsprechend §§ 164 ff. BGB bevollmächtigt werden.
4. Die vom Beklagten behaupteten Mängel der Disziplinarklageschrift hätten entgegen seiner Auffassung nicht zur Abweisung der Disziplinarklage geführt, wenn sie vorgelegen hätten, sondern im laufenden Verfahren durch die Einreichung einer neuen formgerechten Disziplinarklageschrift geheilt werden können (vgl. Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 2 B 113.07 - juris Rn. 7, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 3 und vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - NvWZ 2009, 399 Rn. 3, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1).