Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 22.12.2017


BVerwG 22.12.2017 - 2 B 24/17

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
22.12.2017
Aktenzeichen:
2 B 24/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:221217B2B24.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 7. Dezember 2016, Az: 3d A 1610/12.O, Urteilvorgehend VG Münster, 22. Mai 2012, Az: 20 K 1166/11.O

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde der Beklagten (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 VwGO) ist unbegründet.

2

1. Die ... geborene Beklagte steht als Stadtoberinspektorin im Dienst der Klägerin. Bis zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte im September 2008 war die Beklagte im Fachbereich Soziales der Klägerin tätig. Im Zeitraum von Juli 2005 bis Anfang Oktober 2006 wurde die Beklagte als Sachbearbeiterin in der Arbeitsgemeinschaft für die Grundsicherung Arbeitssuchender eingesetzt. Im August 2008 verurteilte das Amtsgericht die Beklagte wegen gemeinschaftlichen Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten. Gegenstand der Verurteilung war, dass die Beklagte zumindest bis Ende des Jahres 2007 mit dem P. in der gemeinsam bewohnten Mietwohnung in einer Einstandsgemeinschaft und nicht nur in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft lebte. Bis Ende des Jahres 2004 erhielt der P. Arbeitslosenhilfe. Aufgrund einer Schulung im Oktober 2004 wurde der Beklagten bewusst, dass der P. nach Ablauf der Arbeitslosenhilfe auch angesichts ihres monatlichen Nettoeinkommens von mehr als 2 000 € auch ohne Berücksichtigung ihres Vermögens keine staatliche Unterstützungen mehr erhielte, würde ihr Zusammenleben bekannt. Die Beklagte und der P. einigten sich darauf, ihre Beziehung zu verheimlichen. Hierzu sollte der P. zum Schein aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen. Hierdurch habe erreicht werden sollen, dass der P. Leistungen nach dem SGB II beantragen konnte, ohne Gefahr zu laufen, abgewiesen oder falscher Angaben überführt zu werden. Hierdurch konnte der P. Einnahmen erzielen, auf die er keinen Anspruch hatte; die Beklagte wurde durch die Sozialleistungen finanziell entlastet. Auf ihre Berufung verurteilte das Landgericht die Beklagte unter Aufrechterhaltung des Schuldspruchs zu einer Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen. Die von der Beklagten eingelegte Revision blieb erfolglos; das Bundesverfassungsgericht nahm die von der Beklagten eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

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Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

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Der für die disziplinarrechtliche Ahndung relevante Sachverhalt ergebe sich aus dem rechtskräftigen Strafurteil des Landgerichts. Anlass, sich von den Feststellungen dieses Urteils zu lösen, bestehe für das Disziplinarverfahren nicht. Durch das festgestellte Verhalten habe die Beklagte einen gemeinschaftlichen Betrug begangen. Das Landgericht habe auch den Willen der Beklagten und ihres Freundes festgestellt, füreinander einzustehen. Durch die Straftat habe die Beklagte zugleich ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen. Denn das außerdienstliche Verhalten der Beklagten sei disziplinarwürdig. Bei Würdigung sämtlicher zu berücksichtigender Gesichtspunkte sei die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Ausgehend vom Strafrahmen des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB von bis zu fünf Jahren sei auf der ersten Prüfungsstufe die Ahndung des außerdienstlich begangenen Dienstvergehens bis hin zur disziplinarischen Höchstmaßnahme eröffnet. Selbst auf der Basis der Angaben der Beklagten zur Höhe des Gesamtschadens sei die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme angezeigt. Die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis sei auch angesichts des Umstandes gerechtfertigt, dass das Strafgericht lediglich auf eine Geldstrafe erkannt habe. Denn die Beklagte habe dienstlich erworbenes Wissen zum Bezug von Leistungen nach Maßgabe des SGB II zur Begehung der Tat und damit zur Verschaffung eines persönlichen Vorteils missbraucht.

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2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

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Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

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a) Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zunächst in folgender Frage:

"Besteht im Rahmen der Amtsermittlung der Disziplinargerichte eine Verpflichtung, die Gerichtsakten eines vorangegangenen Strafverfahrens vollständig beizuziehen?".

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Diese Frage vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen, weil sie auf der Grundlage der maßgeblichen Rechtsnormen - verneinend - zu beantworten ist, ohne dass es hierfür eines Revisionsverfahrens bedarf.

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Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW sowie § 3 Abs. 1 LDG NRW und § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegt den Tatsachengerichten im Rahmen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens die Pflicht, den Sachverhalt in Bezug auf die für die Bemessungsentscheidung nach § 13 Abs. 2 LDG NRW relevanten Umstände aufzuklären. Auf welche Weise sich das Disziplinargericht die erforderlichen Kenntnisse zu den bemessungsrelevanten Umständen verschafft, ist im maßgeblichen Disziplinargesetz für das Land Nordrhein-Westfalen geregelt. Diesem ist weder unmittelbar noch mittelbar die Verpflichtung der Disziplinargerichte zu entnehmen, in jedem Fall die Gerichtsakten eines vorangegangenen Strafverfahrens vollständig beizuziehen. Zudem ist in § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW als Grundsatz geregelt, dass, sofern dem gerichtlichen Disziplinarverfahren ein Strafverfahren vorausgegangen ist, die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Gericht bindend sind. In diesen Fällen besteht für das Tatsachengericht im Disziplinarverfahren hinsichtlich der bindenden Feststellungen kein Anlass für die Beiziehung der Strafakten.

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b) Auch die weitere Frage

"Sind Amtspflichtverletzungen des Dienstherrn gegenüber dem betroffenen Beamten als weiterer Milderungsgrund zu berücksichtigen?"

führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Frage, ob ein Fehlverhalten des Dienstherrn gegenüber dem betroffenen Beamten im Rahmen der Bemessungsentscheidung nach § 13 Abs. 2 LDG NRW mildernd zu berücksichtigen ist, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab und ist deshalb einer rechtsgrundsätzlichen Klärung im Rahmen eines Revisionsverfahrens nicht zugänglich.

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3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

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Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den ein divergenzfähiges Gericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die ein divergenzfähiges Gericht aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht. Die Entscheidungen müssen dasselbe Gesetz und dieselbe Fassung des Gesetzes zum Gegenstand haben (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 3 ff. m.w.N.).

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Diese Rüge ist bereits nicht in einer den Darlegungsanforderungen genügenden Weise erhoben (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Denn es fehlt bereits an der erforderlichen Darlegung, dass das Oberverwaltungsgericht von den in der Beschwerdebegründung benannten Rechtsgrundsätzen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschlüsse vom 13. Februar 1958 - 1 BvR 56/57 - BVerfGE 7, 275 und vom 18. Januar 2000 - 1 BvR 321/96 - BVerfGE 101, 397) rechtssatzmäßig abgewichen ist. In der Beschwerde wird lediglich geltend gemacht, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts "schweige" - zu dem vermeintlichen Pflichtenverstoß der Klägerin - hierzu vollständig.

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4. Die in der Beschwerdebegründung geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

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a) Zu Beginn der Ausführungen zu den - angeblichen - Verfahrensmängeln des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht wird der Sache nach die nach Auffassung der Beklagten unzureichende Aufklärung des disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalts in Gestalt der unterbliebenen Beiziehung von Akten verschiedener Gerichtsverfahren gerügt. Aufgrund des Darlegungserfordernisses gemäß § 67 Satz 1 LDG NRW und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist der Senat darauf beschränkt, über die Rüge der unzureichenden Amtsaufklärung ausschließlich auf der Grundlage der Beschwerdebegründung der Beklagten zu entscheiden. Dem Senat ist es verwehrt, den Beschwerdevortrag der Beklagten anhand der Gerichts- und Verwaltungsakten inhaltlich näher zu konkretisieren.

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Insoweit genügt die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 67 Satz 1 LDG NRW und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Wird ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz geltend gemacht, muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Ferner muss in der Beschwerde dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Berufungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken des Beschwerdeführers von sich aus hätten aufdrängen müssen (BVerwG, Beschlüsse vom 6. März 1995 - 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 9 und vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f.). Auch muss angegeben werden, inwiefern das angegriffene Urteil im Einzelnen auf der unterbliebenen Beweiserhebung beruht oder beruhen kann (BVerwG, Beschluss vom 17. November 1998 - 2 B 22.98 - juris Rn. 4). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

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Ausweislich des Protokolls der Berufungsverhandlung hat das Oberverwaltungsgericht auf die ihm vorliegenden Akten hingewiesen. Einen Antrag auf Beiziehung weiterer Akten hat die gemäß § 67 VwGO vertretene Beklagte in der Berufungsverhandlung nicht gestellt. In der Beschwerdebegründung wird nicht dargelegt, weshalb sich dem Berufungsgericht die Beiziehung der nunmehr genannten Akten auf Basis seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen. Auch wird nicht dargetan, welche tatsächlichen Feststellungen bei Beiziehung dieser Akten voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern die Beweiserhebung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, zu einer anderen Sachentscheidung des Berufungsgerichts geführt hätte.

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b) Die Darlegungen in der Beschwerdebegründung unter 3.4 befassen sich unter der Bezeichnung "innere Widersprüchlichkeit" der Sache nach mit der vom Oberverwaltungsgericht angenommenen Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts nach § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW. Geltend gemacht werden insoweit - angebliche - Unzulänglichkeiten des Strafurteils des Landgerichts, die zu einer erneuten Prüfung der Feststellungen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW führen, und zum anderen - angebliche - Fehler des Oberverwaltungsgerichts. Auch diese Rüge ist unbegründet.

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Ungeachtet des Umstands, dass es die Beklagte unterlassen hat, in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht einen förmlichen Antrag zur Lösung von den tatsächlichen Feststellungen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW zu stellen, obwohl der Senat dort die Frage der Lösung eingehend erörtert und den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, ist die Verfahrensrüge unbegründet, weil die Verfahrensweise des Berufungsgerichts nicht gegen das Gesetz verstößt.

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Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, für das Gericht bindend. Nach Satz 2 hat das Gericht jedoch die erneute Prüfung solcher Feststellungen zu beschließen, die offenkundig unrichtig sind. Diese gesetzliche Bindungswirkung dient der Rechtssicherheit. Sie soll verhindern, dass zu ein- und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Der Gesetzgeber hat die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts sowie die Sachverhalts- und Beweiswürdigung den Strafgerichten übertragen.

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Daher sind die Verwaltungsgerichte nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn sie ansonsten "sehenden Auges" auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Hierunter fällt auch, dass das Strafurteil auf einer Urteilsabsprache beruht, die den rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Darüber hinaus entfällt die Bindungswirkung, wenn Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen zumindest auf erhebliche Zweifel stoßen (BVerwG, Beschlüsse vom 26. August 2010 - 2 B 43.10 - Buchholz 235.1 § 57 BDG Nr. 3 Rn. 6 und vom 1. März 2013 - 2 B 78.12 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 20 Rn. 6 f. jeweils m.w.N.).

22

Aus der Beschwerdebegründung der Beklagten ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen hier gegeben sind. Die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts beruhen auf widerspruchsfreien, in sich schlüssigen und mit den Denkgesetzen nicht unvereinbaren Erwägungen:

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Die Ausführungen des Landgerichts zu den Angaben des P. zum Bestand einer Partnerschaft mit der Beklagten im Antrag vom 6. Dezember 2004 (Berufungsurteil, UA S. 7 Mitte) sind weder unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen noch in sonstiger Hinsicht offenkundig unrichtig. Das Landgericht hat insoweit darauf abgehoben, dass der P. bei den Fragen im Leistungsantrag nach Partnern "in Ehe ähnlicher Lebensgemeinschaft" und "Nichtdauernd getrenntlebenden Lebenspartnern" keine Eintragungen vornahm und damit die Partnerschaft mit der Beklagten verheimlichte.

24

Die Darlegungen des Landgerichts zur Internet-Adresse des P. - Freenet - (Berufungsurteil, UA S. 8 Mitte) knüpfen entgegen der Darlegung in der Beschwerdebegründung daran an, dass der P. diese Internetadresse bei mehreren Bewerbungen genannt und er beim Abschluss des Vertrages mit der Firma Freenet über einen DSL-Anschluss als Anschrift die Wohnadresse der Beklagten (in der J-straße) angegeben hatte.

25

Bei den Angaben des Landgerichts zu den Ergebnissen der Besichtigungen der Wohnung der Mutter des P. (Berufungsurteil, UA S. 12) geht es, wie ohne Weiteres ersichtlich ist, nicht um die konkrete Möblierung des Zimmers, das der P. genutzt haben will, sondern um die Feststellung, dass im gesamten Haus der Mutter des P. nur wenige Kleidungsstücke gefunden wurden, die ihm zugeordnet werden konnten, nicht aber persönliche Papiere oder Herrenhygiene-Artikel.

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Das Landgericht hat sich auch mit der Einlassung der Beklagten im Strafverfahren befasst (Berufungsurteil, UA S. 22), der P. habe ihr die 10 000 €, die sie für ihn an ein Autohaus zum Kauf eines gebrauchten Kfz überwiesen habe, in bar erstattet. Auch die Würdigung dieses Vortrags der Beklagten durch das Landgericht ist in sich schlüssig und verstößt nicht gegen Denkgesetze.

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Bei dem Kfz-Steuerbescheid und dem Kfz-Zulassungsschein, die jeweils auf die - angebliche - Wohnadresse des P. bei seiner Mutter bezogen sind, handelt es sich nicht um neue Beweismittel, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen. Denn nach dem Vortrag der Beklagten in der Beschwerdebegründung hatte der P. diese Unterlagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vorgelegt und zur Akte gereicht.

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Zwar konnte das Landgericht in seinem Strafurteil vom 26. Oktober 2009 noch nicht berücksichtigen, dass das - nunmehr zuständige - Jobcenter Herne in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen am 14. März 2014 den gegen den P. erlassenen Rücknahme- und Erstattungsbescheid teilweise - über den Betrag von 11 122,53 € hinausgehend - aufgehoben hat. Auch dieser Umstand gibt keinen Anlass für eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil, weil das Sozialgericht ausweislich des von der Beklagten in der Berufungsverhandlung vorgelegten Protokolls der mündlichen Verhandlung die Frage, ob die Beklagte mit dem P. in eheähnlicher Lebensgemeinschaft gewohnt habe, gerade offengelassen hat.

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Bei den Darlegungen zur Aussage des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 33) zu § 7 Abs. 3a SGB II übersieht die Beschwerde, dass das Berufungsgericht mit dem Verweis auf diese Vermutungsregelung, die erst durch das Gesetz vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) eingefügt worden ist, lediglich zum Ausdruck gebracht hat, dass es sich bei der Frage des Bestehens einer Einstandsgemeinschaft um eine tatsächliche Feststellung im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW handelt. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Rechtsnorm entgegen der Darstellung der Beschwerde nicht auf den gesamten Tatzeitraum (ab Antrag vom 6. Dezember 2004) erstreckt. Bereits das Landgericht hat die verschiedenen Fassungen des § 7 SGB II berücksichtigt (Berufungsurteil, UA S. 21 Mitte und UA S. 35 Mitte).

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c) Mit den Ausführungen unter 3.5 der Beschwerdebegründung werden verschiedene - angebliche - Verfahrensmängel des Oberverwaltungsgerichts geltend gemacht. Konkret sind allerdings nur die Darlegungen zu der vermeintlich unzureichenden Erfassung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten durch das Oberverwaltungsgericht.

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Insoweit ist aber weder ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO noch gegen die dem Berufungsgericht obliegende Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen festzustellen. Ausweislich der Niederschrift über die Berufungsverhandlung hat sich die Beklagte eingehend zur Sache eingelassen und hat auch abschließend zu den ihr drohenden wirtschaftlichen Folgen Stellung genommen, sollte sie tatsächlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Damit konnte sie auch umfassend zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Stellung nehmen. Schließlich genügt das Berufungsurteil, wie sich aus den Ausführungen ab S. 32 ergibt, auch der aus § 65 Abs. 1 Satz 1 und § 59 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW folgenden Vorgabe, dass das Oberverwaltungsgericht eine eigenständige und umfassende Würdigung der bemessungsrelevanten Umstände vorzunehmen hat und nicht lediglich auf die Würdigung des Verwaltungsgerichts verweisen darf (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 24).

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d) Es bestehen bereits Zweifel, ob die Ausführungen in der Beschwerdebegründung unter 3.6 den Darlegungsanforderungen aus § 67 Satz 1 LDG NRW und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügen. Denn in der Beschwerdebegründung wird ein Beweisverwertungsverbot lediglich als "nicht ausgeschlossen" bezeichnet.

33

Darüber hinaus legt die Beklagte in der Begründung nicht dar, woraus sich in der hier gegebenen Konstellation das geltend gemachte Beweisverwertungsverbot ergeben soll. Das Disziplinargesetz für das Land Nordrhein-Westfalen kennt ein ausdrückliches Verwertungsverbot (§ 20 Abs. 3), sieht ein solches aber für die hier vorliegende Konstellation nicht vor. Die Grundsätze des in Bezug genommenen Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juni 2013 (- 2 AZR 546/12 - BAGE 145, 278) können hier nicht angewendet werden, weil es nicht um die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen geht. Zudem erfordert die Klärung, ob im Hinblick auf den Bezug von Sozialleistungen ein Betrug (§ 263 StGB) gegeben ist, auch die Erforschung der Umstände des Zusammenlebens des Antragstellers mit einer weiteren Person, das nach Maßgabe des § 7 Abs. 3 SGB II die Leistungsbewilligung ausschließt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte weder vor dem Verwaltungsgericht noch vor dem Oberverwaltungsgericht der Verwertung der im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse zu den Umständen des Zusammenlebens mit dem P. widersprochen hat (BVerwG, Beschlüsse vom 6. August 2009 - 2 B 45.09 - Buchholz 235 § 26 BDO Nr. 3 Rn. 11 ff. und vom 10. Juli 2014 - 2 B 54.13 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 26 Rn. 13 unter Übertragung der Rechtsprechung des BGH zu § 257 StPO auf das Disziplinarrecht).

34

e) Soweit die Beschwerde geltend macht, die Rechtsmittelbelehrung des Berufungsurteils sei fehlerhaft, legt sie bereits keinen Fehler dar.

35

Worüber in einer Rechtsbehelfsbelehrung zu belehren ist, ergibt sich aus § 58 Abs. 1 VwGO. Zum notwendigen Inhalt gehört demnach der Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, der Sitz und die einzuhaltende Frist. Belehrungen über die Form oder über die im Einzelnen an eine ordnungsgemäße Begründung zu stellenden Anforderungen (vgl. BVerwG, Urteil 27. Februar 1976 - 4 C 74.74 - BVerwGE 50, 248 <251 ff.> m.w.N.) sind - ebenso etwa wie die Frage, ob ein Vertretungszwang besteht (BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2012 - 1 B 23.12 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 90 Rn. 5 m.w.N.) - nicht Bestandteil der von § 58 Abs. 1 VwGO angeordneten Rechtsbehelfsbelehrung. Das gilt namentlich für Angaben über gesetzliche Zulassungsgründe und die Anforderungen an deren Darlegung. Daher muss bei einem Berufungsurteil, in dem die Revision nicht zugelassen wird, nicht darüber informiert werden, dass die Zulassung der Revision nur bei Vorliegen eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO genannten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Divergenz oder Verfahrensmängel) und deren Darlegung ("Bezeichnung", § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) erreicht werden kann (BVerwG, Beschluss vom 7. November 2014 - 2 B 45.14 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 91 Rn. 10) und welches Recht maßgeblich ist.

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Im Übrigen führte selbst eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung nicht zur Revisibilität des Berufungsurteils, sondern lediglich zur Verlängerung der Frist, binnen derer die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einzulegen und zu begründen ist (§ 58 Abs. 2 Satz 1, § 133 Abs. 2 Satz 1 und § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO, siehe BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1999 - 6 B 88.99 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 52 S.12).

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f) Unter 7. der Beschwerdebegründung macht die Beklagte für sich mildernde Umstände von Gewicht geltend, die - nach ihrer Ansicht - die vom Oberverwaltungsgericht ausgesprochene Disziplinarmaßnahme hätten abmildern müssen.

38

Damit wird aber kein Fehler des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht gerügt, weil der Begriff des Verfahrensmangels im Sinne von § 67 Satz 1 LDG und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO lediglich Verstöße des Gerichts gegen verwaltungsprozessuale Vorschriften und Rechtsgrundsätze erfasst. Das Vorbringen, bei Berücksichtigung bestimmter Umstände hätte das Berufungsgericht zu einer milderen Disziplinarmaßnahme kommen müssen, betrifft keinen Fehler des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht, sondern die Richtigkeit der Bemessungsentscheidung nach Maßgabe von § 13 LDG NRW.

39

Ungeachtet dessen gilt für das Vorbringen der Beklagten unter 7. das Folgende:

40

aa) In der Rechtsprechung zum Disziplinarrecht ist anerkannt, dass die unangemessene Dauer eines Disziplinarverfahrens es nicht rechtfertigt, von der Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme disziplinarrechtlich geboten ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Januar 2013 - 2 BvR 1912/12 - NVwZ 2013, 788 und BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - DokBer 2012, 260 Rn. 85 f.).

41

bb) Auch der Umstand, dass die Beklagte mit Anwaltskosten belastet ist, ist für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach Maßgabe des § 13 LDG NRW nicht relevant. Anwaltskosten sind die regelmäßige Folge eines durch ein angenommenes Fehlverhalten eines Beamten ausgelösten Disziplinarverfahrens und beeinflussen nicht die Einschätzung der Schwere der Dienstpflichtverletzung des Beamten, seiner Persönlichkeit oder des Ausmaßes der verursachten Vertrauensbeeinträchtigung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2017 - 2 B 5.17 - juris Rn. 22 ).

42

cc) Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Bedeutung der vom Strafgericht ausgesprochenen Sanktion entsprechen der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Orientierung der disziplinarrechtlichen Ahndung einer außerdienstlich begangenen Straftat (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37 f.). Auch im Fall der Beklagten steht die strafgerichtliche Verurteilung der Ahndung ihres Verhaltens in einem nachfolgenden Disziplinarverfahren nicht entgegen.

43

Hinsichtlich des übrigen Vorbringens der Beklagten unter 7. zu - angeblichen - Umständen, die nach ihrer Auffassung Anlass für eine mildere disziplinarrechtlichen Ahndung hätten sein müssen und die nicht die Verfahrensweise des Oberverwaltungsgerichts betreffen, sieht der Senat von einer Begründung ab (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden.