Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 30.07.2013


BVerwG 30.07.2013 - 2 B 23/13

Erlöschen der Versorgungsbezüge wegen Verurteilung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
30.07.2013
Aktenzeichen:
2 B 23/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 30. Oktober 2012, Az: 4 S 546/11, Urteilvorgehend VG Sigmaringen, 19. Januar 2010, Az: 3 K 1723/08, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Das Ruhestandsbeamtenverhältnis eines früheren Beamten auf Zeit endet auch dann nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG mit der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen der Begehung einer vorsätzlichen Straftat während der Amtszeit, wenn während dieser Zeit bereits ein Ruhestandsbeamtenverhältnis bestanden hat. Die günstigere Verlustregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BeamtVG für die Begehung vorsätzlicher Straftaten im Ruhestand ist dann nicht anwendbar.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und des Verfahrensmangels nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegen.

2

Der Kläger war von 1970 bis 2006 ununterbrochen hauptamtlicher Bürgermeister der Beklagten; er wurde viermal, zuletzt im Jahr 2000, wiedergewählt. Mit Wirkung vom 14. Oktober 2006 versetzte ihn die Aufsichtsbehörde auf seinen Antrag während der fünften Amtszeit in den Ruhestand. Das Landgericht Hechingen verurteilte den Kläger durch Urteil vom 16. November 2006 wegen insgesamt 19 Straftaten (Betrug, Untreue und Vorteilsannahme), die er zwischen 1993 und 2004 begangen hatte, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Das Strafurteil ist seit dem 24. November 2006 rechtskräftig.

3

Durch Bescheid vom 7. Dezember 2006 setzte der kommunale Versorgungsverband das Ruhegehalt des Klägers auf monatlich 4 832,99 € fest. Der Bescheid enthielt die Hinweise, dass der Versorgungsanspruch gegebenenfalls ab Rechtskraft des Strafurteils erlösche und das Ruhegehalt unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlt werde. Der Kläger erhielt von Dezember 2006 bis zum Erlass eines ersten Rücknahme- und Rückforderungsbescheids im Mai 2007 Versorgungsleistungen von insgesamt rund 29 000 €.

4

Nach rechtskräftiger Aufhebung dieses Bescheids durch das Verwaltungsgericht nahm der Versorgungsverband durch Bescheid vom 6. Mai 2008 die Festsetzung des Ruhegehalts mit Wirkung vom 24. November 2006 zurück und forderte die Rückzahlung der ausgezahlten Gelder.

5

Die Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid hat erstinstanzlich in Bezug auf einen Teil des Rückforderungsbetrags Erfolg gehabt; der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 und 2 LVwVfG BW für eine Rücknahme des Versorgungsfestsetzungsbescheids ab Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils lägen vor. Durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr für die als Bürgermeister begangenen Straftaten habe der Kläger seinen Ruhegehaltsanspruch unmittelbar kraft Gesetzes (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG) verloren. Keine Anwendung finde die Verlustregelung für im Ruhestand begangene Straftaten, die eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren voraussetze (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG). Zwar sei der Kläger seit Ablauf seiner zweiten Amtszeit im Jahr 1984 nicht nur Bürgermeister, sondern zugleich Ruhestandsbeamter der Beklagten gewesen. Jedoch seien die Ruhestandsbeamtenverhältnisse, die in den Jahren 1984, 1992 und 2000 durch den Ablauf der Amtszeit kraft Gesetzes entstanden seien, bis Oktober 2006 von den Beamtenverhältnissen auf Zeit überlagert worden. Aufgrund des strikten Gesetzesvorbehalts für die Beamtenversorgung habe der Kläger auf den Bestand des Versorgungsfestsetzungsbescheids auch insoweit nicht vertrauen können. Dies gelte auch, soweit die "straffreien" Amtszeiten bis 1992 in die Berechnung des Ruhegehalts einbezogen worden seien. Der Kläger habe hierfür keine gesonderten Ruhegehaltsansprüche erworben. Die Rückforderung des zu Unrecht gezahlten Ruhegehalts sei auch dann geboten, wenn der Kläger die Gelder für seine Lebensführung verbraucht habe.

6

1. In Bezug auf den vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen Verlust des Ruhegehaltsanspruchs wirft der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Fragen auf,

"ob im Hinblick auf Ansprüche aus dem Grunde nach bestehenden Versorgungsverhältnissen aufgrund früherer Amtszeiten als Wahlbeamter von einer begangenen Tat im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG vor Beendigung des Beamtenverhältnisses oder im Sinne von Nr. 2 derselben Vorschrift nach Beendigung des Beamtenverhältnisses auszugehen ist;

ob für die Regelung des vollständigen Verlustes der Versorgungsbezüge bei einem Beamten auf Zeit eine ausdrückliche Regelung im Sinne von § 59 Abs. 1 BeamtVG auch verfassungsrechtlich geboten ist oder insoweit die Fortgeltungsfiktion gemäß § 66 Abs. 4 BeamtVG ausreicht und die Verweisung dies umfasst."

7

Die nach § 133 Abs. 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine Rechtsfrage von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft und darlegt, dass diese Rechtsfrage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4).

8

Bei der Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen am Maßstab des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat der Senat die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zugrunde zu legen, dass nach baden-württembergischen Landesbeamtenrecht ein Beamter auf Zeit, der bei Ablauf seiner Amtszeit eine gesetzlich bestimmte Mindestdienstzeit erreicht hat, auch dann kraft Gesetzes in den Ruhestand tritt, wenn sich ohne zeitliche Unterbrechung eine weitere Amtszeit bei demselben Dienstherrn anschließt. Danach steht ein solcher Beamter auf Zeit während der Amtszeit zugleich in einem oder mehreren Ruhestandsbeamtenverhältnissen mit demselben Dienstherrn. Der Kläger hat diese Rechtsauffassung - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht in Frage gestellt.

9

Davon ausgehend kommt der ersten Rechtsfrage keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu. Sie kann aufgrund der Rechtsprechung des Senats zum Normzweck der Verlustregelungen des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a BeamtVG und zum gesetzlichen Grundsatz der Einheit der Versorgung eindeutig beantwortet werden. Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass der Verwaltungsgerichtshof zu Recht angenommen hat, der Kläger habe seinen Ruhegehaltsanspruch nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG verloren. Da sich Grund und Höhe eines Ruhegehaltsanspruchs nach demjenigen Recht bemisst, das bei Eintritt in den Ruhestand gilt, kommt hier § 59 Abs. 1 BeamtVG in der am 14. Oktober 2006 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322, 847, 2033) zur Anwendung. Diese Vorschrift galt im maßgeblichen Zeitpunkt nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG fort, weil der Landesgesetzgeber von der seit dem 1. September 2006 bestehenden Gesetzgebungskompetenz für das Versorgungsrecht der Landes- und Kommunalbeamten noch keinen Gebrauch gemacht hatte.

10

Die Verlustregelungen des § 59 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG unterscheiden danach, ob der Ruhestandsbeamte die vorsätzliche Straftat, deretwegen er rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, vor oder nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, d.h. vor oder nach dem Eintritt in den Ruhestand, begangen hat. Hat er die Tat im aktiven Dienst begangen, ordnet § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. den Verlust der Rechte als Ruhestandsbeamter an, wenn die Tat bei einem aktiven Beamten nach § 48 BBG a.F. oder entsprechendem Landesbeamtenrecht, hier nach § 66 Abs. 1 LBG BW a.F., zum Verlust der Beamtenrechte geführt hätte. Dies ist bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr der Fall. Dagegen tritt der Verlust wegen einer im Ruhestand begangenen Straftat nach § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BeamtVG a.F. erst bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren ein.

11

Die Verlustregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. knüpft nach ihrem Wortlaut an die gesetzlichen Regelungen an, die den Verlust der Beamtenrechte wegen einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr anordnen. Diese Regelungen beruhen auf der gesetzlichen Wertung, dass ein Beamter nach einer Verurteilung in dieser Höhe im aktiven Dienst nicht mehr tragbar ist, weil feststeht, dass er einen schwerwiegenden Rechtsverstoß und damit ein besonders schweres Dienstvergehen begangen hat. Daher verliert er die Beamtenrechte ohne Durchführung eines Disziplinarverfahrens unmittelbar kraft Gesetzes. § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG stellt klar, dass sich an dieser gesetzlichen Wertung nichts ändert, wenn der Beamte nach der Begehung der Straftat in den Ruhestand tritt und daher erst als Ruhestandsbeamter rechtskräftig verurteilt wird (Urteil vom 28. Mai 1998 - BVerwG 2 C 3.98 - BVerwGE 107, 34 <36 f.> = Buchholz 239.1 § 59 BeamtVG Nr. 3 S. 2 f.).

12

In der Verlustregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG kommt der Rechtsgrundsatz zum Ausdruck, dass sich ein Beamter der Sanktionierung eines besonders schweren Dienstvergehens, das er während seiner Dienstzeit begangen hat, nicht durch den Eintritt in den Ruhestand entziehen kann. Der Eintritt in den Ruhestand lässt das Dienstvergehen nicht in einem milderen Licht erscheinen. Damit entspricht diese Verlustregelung den Regelungen der Disziplinargesetze, die die Aberkennung des Ruhegehalts als Disziplinarmaßnahme für ein schweres Dienstvergehen vorschreiben, wenn der Ruhestandsbeamte als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen (vgl. § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG, § 33 Abs. 1 Satz 2 LDG BW).

13

Diese Regelungen, die eine gleichmäßige Sanktionierung für im aktiven Dienst begangene schwere Dienstvergehen sicherstellen, sind dazu bestimmt, die Integrität des Berufsbeamtentums und das Ansehen des öffentlichen Dienstes zu wahren. Diese Schutzgüter würden beeinträchtigt, wenn der gesetzlich angeordnete oder disziplinarrechtlich gebotene Verlust der Beamtenrechte wegen eines besonders schweren Dienstvergehens davon abhinge, ob sich der Beamte bei rechtskräftigem Abschluss des Straf- oder Disziplinarverfahrens noch im aktiven Dienst befindet. Daneben dienen die Regelungen der Gleichbehandlung. Beamte sollen bei gleich bleibendem Sanktionsbedürfnis nicht milder behandelt werden, weil sie in den Ruhestand getreten sind (stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18 und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 62.11 - Rn. 68 ).

14

Demgegenüber beruht die mildere Verlustregelung des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a BeamtVG auf der Erwägung, dass Ruhestandsbeamte nicht mehr im Dienst als Repräsentanten des Staates oder einer Gemeinde auftreten können. Sie können keine beamtenrechtlichen Pflichten verletzen, die die Dienstausübung betreffen. Daher hält der Gesetzgeber den Verlust der Rechte als Ruhestandsbeamter wegen einer im Ruhestand begangenen Straftat zur Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes nur noch für geboten, wenn die Freiheitsstrafe eine Höhe erreicht, die auf eine gravierende Verletzung der in der Strafrechtsordnung verankerten elementaren Regeln schließen lässt (Urteil vom 28. Mai 1998 a.a.O.). Dem entspricht, dass Ruhestandsbeamte nur noch wegen ganz schwerwiegender Verstöße gegen die Rechtsordnung oder gegen im Ruhestand fortwirkende Beamtenpflichten disziplinarisch belangt werden können (vgl. § 77 Abs. 2 BBG).

15

Aus diesem Normzweck der § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a BeamtVG folgt zwingend, dass die Verlustregelung für eine während der Dienstzeit begangene Straftat auch anwendbar ist, wenn während des Tatzeitraums zugleich ein Ruhestandsbeamtenverhältnis besteht. Das Sanktionsbedürfnis für ein während der Dienstzeit begangenes Dienstvergehen wird dadurch nicht gemildert. Die Beeinträchtigung der Integrität des Berufsbeamtentums und der Ansehensschaden für den öffentlichen Dienst haben nicht deshalb ein geringeres Gewicht, weil der Beamte zusätzlich in einem Ruhestandsbeamtenverhältnis steht.

16

Solange sich ein Beamter im Dienst befindet, d.h. bei einem Beamten auf Zeit während der Amtszeit, nimmt er dienstliche Aufgaben wahr und tritt als Repräsentant des Staates oder der Gemeinde auf. Seine Rechts- und Pflichtenstellung wird ausschließlich durch das aktive Beamtenverhältnis bestimmt. Aus dem Ruhestandsbeamtenverhältnis ergeben sich während der Dienst- bzw. Amtszeit keine Rechtsfolgen. Es dient lediglich der versorgungsrechtlichen Absicherung. Dies wird besonders deutlich, wenn der Beamte - wie hier der Kläger - Straftaten unter Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung begangen hat.

17

Der Verlust des Ruhegehaltsanspruchs umfasst auch die Ruhestandsbeamtenverhältnisse des Klägers, die nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs durch den Ablauf der "straffreien" Amtszeiten in den Jahren 1984 und 1992 begründet wurden. Nach dem gesetzlichen Grundsatz der Einheit der Versorgung standen dem Kläger für diese Amtszeiten keine gesonderten Ruhegehaltsansprüche zu. Aus § 4 Abs. 2 und 3, § 6 Abs. 1 bis 3 BeamtVG, die nach § 66 Abs. 1 BeamtVG a.F. auch für Beamte auf Zeit gelten, ergibt sich, dass die Altersversorgung aus demjenigen Beamtenverhältnis gewährt wird, in dem der Beamte zuletzt in den Ruhestand tritt. Der Beamte erwirbt einen einheitlichen Ruhegehaltsanspruch gegen den Dienstherrn, mit dem das letzte Beamtenverhältnis bestanden hat. Dienstzeiten, die von bereits bestehenden Ruhestandsbeamtenverhältnissen erfasst werden, sind als ruhegehaltfähige Dienstzeiten im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bei der Berechnung des neuen einheitlichen Ruhegehaltsanspruchs zu berücksichtigen (stRspr; vgl. Urteil vom 28. Februar 2007 - BVerwG 2 C 18.06 - Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 16).

18

Nach alledem hat die zweite Rechtsfrage nach Inhalt und Reichweite des § 66 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG a.F. schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil es darauf für die Auslegung des § 59 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. nicht ankommt. Wie dargelegt ist diese Verlustregelung nach Wortlaut und Normzweck auch bei Straftaten aktiver Beamter anwendbar, die sich während der Taten zugleich in einem Ruhestandsbeamtenverhältnis befinden.

19

2. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage,

"in welchem Umfang § 3 Abs. 2 BeamtVG Vertrauensschutzgesichtspunkte in der Weise ausschließt, dass die Rücknahmevoraussetzungen von § 48 Abs. 2 VwVfG nicht zur Anwendung kommen und keinerlei Vertrauen in den Bestand einer Leistung entstehen kann",

kann nicht zur Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen, weil sie keine entscheidungserhebliche Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits hat. Zwar begegnet die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, ein rechtswidriger Versorgungsfestsetzungsbescheid könne wegen des Gesetzesvorbehalts des § 3 Abs. 1 bis 3 BeamtVG stets ohne Rücksicht auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, angesichts der Regelung des § 48 Abs. 2 LVwVfG BW erheblichen Bedenken (vgl. Urteile vom 24. April 1959 - BVerwG 6 C 91.57 - BVerwGE 8, 261 <269>, vom 28. Oktober 1959 - BVerwG 6 C 88.57 - BVerwGE 9, 251 <254> und vom 7. Oktober 1964 - BVerwG 6 C 59 und 64.63 - BVerwGE 19, 284 <291). Die Klage bleibt aber auch dann erfolglos, wenn der Rücknahme eines Versorgungsfestsetzungsbescheids durch § 48 Abs. 2 LVwVfG BW Grenzen gesetzt sind. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, die den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO binden, ist ein etwaiges Vertrauen des Klägers, der Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 7. Dezember 2006 könne Bestand haben, soweit er die "straffreien" Amtszeiten von 1970 bis 1992 umfasse, nicht schutzwürdig.

20

Dies folgt schon daraus, dass der Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 7. Dezember 2006 keinen Anlass für ein derartiges Vertrauen bietet. Der Versorgungsverband hat diese Zeiten entsprechend dem gesetzlichen Grundsatz der Einheit der Versorgung als ruhegehaltfähige Zeiten im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F. in die Berechnung des einheitlichen Ruhegehaltsanspruchs einbezogen, der am 14. Oktober 2006 entstanden ist. Er hat zutreffend keine selbständigen Ansprüche für die verschiedenen Ruhestandsbeamtenverhältnisse errechnet. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof die Hinweise in dem Bescheid, die Zahlungen stünden unter Rückforderungsvorbehalt, weil der Versorgungsanspruch gegebenenfalls ab Rechtskraft des Strafurteils erlösche, so verstanden, dass der Kläger nicht darauf vertrauen konnte, er könne die bis Mai 2007 gezahlten Gelder für seine Lebensführung verbrauchen.

21

Ein Vertrauen des Klägers in den Bestand gesonderter Ruhegehaltsansprüche für die "straffreien" Amtszeiten wäre auch deshalb nicht schutzwürdig, weil das Landgericht den vollständigen Verlust des Ruhegehaltsanspruchs ausdrücklich als strafmildernden Umstand von erheblichem Gewicht berücksichtigt hat. Diesem Umstand hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht entscheidende Bedeutung beigemessen. Ob das Vertrauen in den Bestand eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes schutzwürdig ist und damit dessen Rücknahme jedenfalls für die Vergangenheit ausschließen kann, beurteilt sich aufgrund einer Würdigung aller tatsächlichen Umstände des jeweiligen Falles. Daher erschließt sich dem Senat nicht, aus welchem Grund die Strafzumessungserwägung des Landgerichts im Rahmen des § 48 Abs. 2 LVwVfG nicht berücksichtigt werden darf, wie der Kläger in der Beschwerdebegründung meint.

22

3. Das Vorbringen des Klägers zu der Verfahrensrüge ist nicht geeignet, einen Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO darzulegen. Das Beschwerdevorbringen enthält keine greifbaren Anhaltspunkte für die Behauptung, die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils seien aktenwidrig und beruhten auf einer unzulänglichen Aufklärung des Sachverhalts. Die Ausführungen zu den vermeintlichen Versäumnissen des Versorgungsverbands bei der gebotenen Nachversicherung des Klägers sind ersichtlich ohne Bedeutung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rücknahme- und Rückforderungsbescheids vom 6. Mai 2008.