Entscheidungsdatum: 08.02.2017
Der Kläger, der zuletzt als Polizeihauptmeister im Dienst des beklagten Landes stand, begehrt ein erhöhtes Unfallruhegehalt und eine einmalige Unfallentschädigung.
Am 30. Dezember 2003 war der Kläger zusammen mit einem Kollegen an einem nächtlichen Einsatz zum Schutz einer Frau beteiligt, die von ihrem stark alkoholisierten und aggressiven Ehemann bedroht wurde. Im Verlauf des Einsatzes griff der Ehemann zu einer vor dem Haus liegenden Axt und drohte die Wohnungseinrichtung zu zerstören. Aufforderungen, die Axt niederzulegen, ignorierte er; auch der Einsatz von Pfefferspray führte nicht zum Erfolg. Der Versuch des Mannes, die Treppe zur Wohnung zu erreichen, konnte nur mit massivem körperlichem Einsatz der beiden Polizisten unterbunden werden. Dabei verletzte sich der Kläger am rechten Zeigefinger. 2004 wurde der Ehemann durch amtsgerichtliches Urteil wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Der Kläger war knapp sieben Jahre später wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer daraus resultierenden Depression krankgeschrieben und musste sich einer Rehabilitation unterziehen. Im Juni 2011 erkannte der Beklagte den Vorfall vom 30. Dezember 2003 als Dienstunfall an. Mit Ablauf des 31. Dezember 2011 wurde der Kläger wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
Im Januar 2012 machte der Kläger einen Anspruch auf erhöhtes Unfallruhegehalt und auf eine einmalige Unfallentschädigung geltend. Im Widerspruchsbescheid wurde ihm Unfallruhegehalt gewährt, ein erhöhtes Unfallruhegehalt und eine Unfallentschädigung aber versagt. Auf seine Klage hin hat ihm das Verwaltungsgericht beides zugesprochen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage insgesamt abgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt:
Es liege zwar ein Dienstunfall vor, es fehle aber für einen Anspruch auf erhöhtes Unfallruhegehalt nach § 37 BeamtVG an der Voraussetzung, dass der Dienstunfall bei Ausübung einer Diensthandlung eingetreten ist, mit der für den Beamten eine besondere Lebensgefahr verbunden war. Erforderlich sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass mit der Diensthandlung für den Beamten typischerweise eine besondere, über das übliche Maß der Lebens- oder Gesundheitsgefährdung hinausgehende Lebensgefahr verbunden sei. Außerdem müsse sich der Beamte der Gefährdung seines Lebens bewusst sein, was in aller Regel bereits aus der Kenntnis der die Gefahr begründenden objektiven Umstände folge. Im vorliegenden Fall fehle es an einer besonderen Lebensgefahr.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Der Sache nach hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob
das Tatbestandsmerkmal des Sich-Aussetzens einer mit der Ausübung einer Diensthandlung verbundenen "besonderen Lebensgefahr" in § 37 Abs. 1 BeamtVG voraussetzt, dass sich der Beamte der Lebensgefahr bewusst ist und dass die Lebensgefahr konkret und nicht lediglich abstrakt besteht.
Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, das Beschwerdevorbringen zeigt keinen neuen Klärungsbedarf auf.
Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 9).
Die maßstäblichen Voraussetzungen eines sog. qualifizierten Dienstunfalls i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 C 51.11 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 4 Rn. 10 ff. m.w.N. und Beschluss vom 7. Oktober 2014 - 2 B 12.14 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 5 Rn. 10). Hiernach erfordert § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG zunächst in objektiver Hinsicht eine Diensthandlung, mit der für den Beamten typischerweise eine besondere, über das übliche Maß der Lebens- oder nur Gesundheitsgefährdung hinausgehende Lebensgefahr verbunden ist. Die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts setzt damit eine Dienstverrichtung voraus, die bei typischem Verlauf das Risiko entsprechender Verletzungen in sich birgt, sodass deren Eintritt als Realisierung der gesteigerten Gefährdungslage und nicht als Verwirklichung eines allgemeinen Berufsrisikos erscheint (BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998 - 2 C 17.98 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 2 S. 2 und Beschluss vom 7. Oktober 2014 - 2 B 12.14 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 5 Rn. 10). Ob die Diensthandlung für das Leben des Beamten eine solche Gefahr begründet hat, erfordert eine wertende Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls (BVerwG, Urteil vom 12. April 1978 - 6 C 59.76 - Buchholz 232 § 141a BBG Nr. 4 S. 4; Beschluss vom 30. August 1993 - 2 B 67.93 - juris Rn. 6 und vom 7. Oktober 2014 - 2 B 12.14 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 5 Rn. 10). Weiter ist für die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls erforderlich, dass der Beamte sich der Gefährdung seines Lebens bewusst ist; dieses Bewusstsein folgt in aller Regel bereits aus der Kenntnis der die Gefahr begründenden objektiven Umstände (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 C 51.11 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 4 Rn. 10 ff. m.w.N. und Beschluss vom 7. Oktober 2014 - 2 B 12.14 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 5 Rn. 10). Diese Rechtsgrundsätze werden im Berufungsurteil unter ausdrücklicher Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt.
Die Beschwerde zeigt keinen weitergehenden Klärungsbedarf auf, der eine Überprüfung der Senatsrechtsprechung in einem Revisionsverfahren erfordern würde. Es wird weder im Einzelnen dargelegt noch ist sonst erkennbar, warum die Erfordernisse zum einen einer besonderen Lebensgefahr im Sinne des Risikos lebensgefährdender Verletzungen bei typischem Verlauf und zum anderen des Bewusstseins des Beamten von den objektiven Umständen der besonderen Lebensgefahr unvereinbar mit der aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn sein sollten. Das System des Dienstunfallrechts in den §§ 30 ff. BeamtVG enthält eine Reihe von der jeweiligen Schutzbedürftigkeit des Beamten angepassten Maßnahmen der Unfallfürsorge (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG), die den Erfordernissen der Fürsorgepflicht Rechnung tragen. Die von der Beschwerde angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des Begriffs der Waffe im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Diebstahl mit Waffen) und § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB (Schwerer Raub) sind in einem völlig anderen rechtlichen Zusammenhang ergangen. Sie sind angesichts der unterschiedlichen Zielrichtungen der Strafrechtsnormen einerseits und des Beamtenversorgungsrechts andererseits ohne Belang für die Auslegung des § 37 BeamtVG. Schließlich ergäbe sich aus der von der Beschwerde angenommenen besonderen Verankerung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union schon deshalb nichts für die Auslegung des § 37 BeamtVG, weil das BeamtVG nicht bei der Durchführung des Unionsrechts ergangen ist (vgl. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC).
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 127 Nr. 1 BRRG zuzulassen.
Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 127 Nr. 1 BRRG setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesverfassungsgericht oder bei Klagen aus dem Beamtenverhältnis ein anderes Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
§ 127 Nr. 1 BRRG sieht die Zulassung der Revision wegen einer entscheidungstragenden Abweichung von der Entscheidung eines anderen Oberverwaltungsgerichts ausdrücklich nur solange vor, wie eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist. Im vorliegenden Fall ist nach dem von der Beschwerde angeführten Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2010 (5 LA 280/09 - DÖD 2011, 21) die unter 1. dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - wonach sich der Beamte der Gefährdung seines Lebens bewusst sein muss, dieses Bewusstsein aber in aller Regel bereits aus der Kenntnis der die Gefahr begründenden objektiven Umstände folgt - ergangen und hat das Berufungsgericht diese Rechtsprechung herangezogen. Damit ist sowohl eine Zulassung der Revision wegen Divergenz als auch wegen grundsätzlicher Bedeutung der höchstrichterlich geklärten Rechtsfrage ausgeschlossen.
3. Schließlich ist die Revision auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) im Hinblick auf die von der Beschwerde gerügte Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also beispielsweise entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 2 B 110.15 - juris Rn. 8 m.w.N.). Die Einhaltung der verfahrensmäßigen Verpflichtungen des Tatsachengerichts ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter ein aus seiner Sicht fehlerhaftes Ergebnis der gerichtlichen Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. Die Beweiswürdigung des Tatsachengerichts darf vom Revisionsgericht nicht daraufhin überprüft werden, ob sie überzeugend ist, ob festgestellte Einzelumstände mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die abschließende Würdigung des Sachverhalts eingegangen sind und ob solche Einzelumstände ausreichen, die Würdigung zu tragen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Januar 1995 - 4 B 197.94 - Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 4, vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f., vom 8. April 2008 - 9 B 13.08 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 44 Rn. 10 und vom 28. Oktober 2010 - 8 B 23.10 - juris Rn. 6). Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz hat jedoch dann den Charakter eines Verfahrensfehlers, wenn das Tatsachengericht allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt.
Ein solcher, einen Verfahrensmangel begründenden Verstoß des Berufungsgerichts gegen allgemeine Auslegungs-, Beweiswürdigungs- oder Erfahrungsgrundsätze wird in der Beschwerdebegründung nicht i.S.v. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt. Der Hinweis darauf, dass eine andere (welche?) tatsächliche Würdigung der hier verfahrensrelevanten Tatsachen und Indizien (welche?) denk- und erfahrungsgesetzlich zwingend geboten gewesen wäre, genügt ersichtlich nicht. Auch lässt die Beweiswürdigung im Berufungsurteil, die sich auf frühere Äußerungen des Klägers und von Zeugen stützt und ihnen den Vorrang vor anderslautenden späteren Äußerungen des Klägers gibt, einen Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht vor seiner Beweiswürdigung erst medizinischen Sachverstand zur Bewertung der späteren Äußerungen des Klägers hätte heranziehen müssen, zumal das Berufungsgericht maßgeblich darauf abgestellt hat, dass die späteren Äußerungen des Klägers keine Bestätigung durch die damals anwesenden anderen Personen erfahren hätten.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.