Entscheidungsdatum: 16.04.2013
Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der 1979 geborene Kläger bewarb sich im Jahre 2006 um einen Ausbildungsplatz im mittleren Zolldienst. Diese Ausbildungsplätze waren u.a. mit der Maßgabe ausgeschrieben, dass die Bewerber zum Einstellungstermin jünger als 26 Jahre alt sein mussten. Bereits in seiner Bewerbung wies der Kläger darauf hin, dass diese Altersbegrenzung gegen Art. 3 GG verstoße und eine unzulässige Diskriminierung darstelle. Die Beklagte lehnt seine Bewerbung mit am 13. Oktober 2006 zur Post gegebenem Schreiben ab und begründete dies mit der Überschreitung der Höchstaltersgrenze. In seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass die Altersbeschränkung gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoße. Mit am 22. Januar 2007 eingegangenem Schreiben vom 19. Januar 2007 machte der Kläger ihm aus § 15 AGG zustehende Ansprüche geltend. Die auf eine angemessene Entschädigung in Geld nach § 15 Abs. 2 AGG gerichtete und in der Berufungsinstanz auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG für die außergerichtlichen Kosten seines Prozessbevollmächtigten erweiterte Klage ist dort ohne Erfolg geblieben.
Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger zustehende Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz seien mangels rechtzeitiger Geltendmachung untergegangen. Zwar habe der Kläger zunächst einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG gehabt. Seine Ansprüche scheiterten aber an der Nichteinhaltung der materiellen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG.
Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507; stRspr). Daran fehlt es hier. Der Kläger hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
(1.) ob die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG im Einklang mit europäischem Gemeinschaftsrecht steht oder gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 17. November 2000 verstößt,
(2.) wann die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG zu laufen beginnt, soweit nach § 68 VwGO bzw. § 126 BBG und damit nach innerstaatlichem Recht vor Klageeinreichung ein Vorverfahren notwendig ist und diese Sachurteilsvoraussetzung deshalb obsolet wird, weil die Anspruchsgegnerin einen Klageabweisungsantrag stellt und sich zum Sachverhalt einlässt, sodass die Berufung auf das fehlende Vorverfahren reine Förmelei wäre,
(3.) welche Anforderungen an die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 4 AGG gestellt werden, obwohl das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 15. Februar 2005 eine Bezifferung von Entschädigungsansprüchen nicht für notwendig gehalten hat.
1. Bei der Frage zur Vereinbarkeit der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG mit Unionsrecht ist zwischen dem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG und dem Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG zu unterscheiden:
a) Bezogen auf den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG besteht kein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf. Eine Revisionszulassung zu dem Zweck, im Revisionsverfahren gemäß § 267 Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) einzuholen, kommt nicht in Betracht, weil die aufgeworfene Frage insoweit bereits geklärt ist. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage in der Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts bereits hinreichend geklärt ist und das angerufene oberste Bundesgericht dem folgt (Beschlüsse vom 6. März 2006 - BVerwG 10 B 80.05 - Buchholz 424.01 § 29 FlurbG Nr. 1 Rn. 5 und vom 24. Oktober 2011 - BVerwG 9 B 12.11 - Rn. 8). Dies ist hier der Fall.
Mit Urteil vom 8. Juli 2010 - Rs. C-246/09, Bulicke - (Slg. 1010 I-7003 Rn. 25 ff. m.w.N.) hat der EuGH auf eine Vorlage zur Vereinbarkeit des § 15 Abs. 4 AGG mit Unionsrecht entschieden, dass das Primärrecht der Union und die Richtlinie 2000/78/EG einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegenstehen, nach der bei der Einstellung wegen seines Alters Diskriminierte seine Ansprüche auf Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens innerhalb von zwei Monaten geltend machen muss. Es sei Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, die Ausgestaltung des Verfahrens zum Schutz der dem Bürger aus Unionsrecht erwachsenen Rechte zu bestimmen; allerdings dürften diese Verfahren nicht weniger günstig ausgestaltet sein als bei vergleichbaren Klagen mit ähnlichem Gegenstand und Rechtsgrund, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürften die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).
Auf der Grundlage dieser EuGH-Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht die Vereinbarkeit der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG mit Unionsrecht bezüglich des Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG bejaht (Urteile vom 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - NZA 2010, 387 Rn. 40 ff., vom 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - NZA 2012, 901 Rn. 29 ff. mit fortentwickelter Begründung und vom 21. Juni 2012 - AZR 188/11 - NJW 2013, 555 Rn. 20 ff.). Es hat eine Reihe von arbeitsrechtlichen und zivilrechtlichen Klagen und Ansprüchen geprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es keinen Anspruch auf Entschädigung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens wegen des sog. Inklusionsinteresses gibt; insoweit handele es sich bei dem Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG um einen neuartigen, im nationalen Recht bislang nicht ausgestalteten Anspruch.
Die Beschwerde zeigt keinen Grund auf, die Rechtsprechung in Frage zu stellen. Der beschließende Senat tritt ihr bei. Sie ist mit Blick auf den Streitfall lediglich dahin zu ergänzen, dass es auch im Bereich des Beamtenrechts keinen vergleichbaren Anspruch gibt, der auf Entschädigung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens wegen des sog. Inklusionsinteresses gerichtet ist. Namentlich der insoweit in Betracht zu ziehende Schadenersatzanspruch wegen Verletzung des aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden beamtenrechtlichen Bewerbungsverfahrensanspruchs ist in Zielrichtung und Anspruchsvoraussetzungen anders strukturiert als der Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG und deshalb mit diesem nicht vergleichbar. Während ersterer eine schuldhafte Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs fordert, die für die Nichteinstellung bzw. Nichtbeförderung kausal gewesen sein muss und die ausgeschlossen ist, wenn der Beamte es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (vgl. Urteil vom 26. Januar 2012 - BVerwG 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 Rn. 15 m.w.N.), kommt es beim Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG auf keine dieser Voraussetzungen an.
b) Bezüglich des Schadensersatzanspruchs aus § 15 Abs. 1 AGG genügt die Beschwerde bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerdebegründung enthält keine gesonderten Ausführungen zur Verneinung dieses Schadensersatzanspruchs durch das Oberverwaltungsgericht. Sie knüpft ausschließlich an die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG an. Es fehlt an jeder Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wieweit für den Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG Abweichendes gilt und ob und inwieweit die für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG auf den Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG übertragbar ist. Mangels näherer Darlegungen der Beschwerde beschränkt sich der Senat insoweit auf den Hinweis, dass in der Sache bei der gebotenen Äquivalenzprüfung zu berücksichtigen wäre, dass auch der Beamte oder Beamtenbewerber schnell handeln muss, wenn er sich die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches wegen Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs oder vergleichbarer Schadensersatzansprüche offenhalten will (vgl. Urteile vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 C 22.09 - BVerwGE 136, 140 <142 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45 und vom 26. Januar 2012 - BVerwG 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 <363 ff.>). Er muss nämlich - in der Regel vorläufigen - Rechtsschutz in Anspruch nehmen, um seiner Schadensabwendungspflicht aus § 839 Abs. 3 BGB zu genügen und dies regelmäßig in noch kürzerer Frist als in zwei Monaten.
2. Die außerdem als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, wann die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG zu laufen beginnt, soweit nach § 68 VwGO bzw. § 126 BBG und damit nach innerstaatlichem Recht vor Klageeinreichung ein Vorverfahren notwendig ist und diese Sachurteilsvoraussetzung deshalb obsolet wird, weil die Anspruchsgegnerin einen Klageabweisungsantrag stellt und sich zum Sachverhalt einlässt, sodass die Berufung auf das fehlende Vorverfahren reine Förmelei wäre, lässt sich unmittelbar aus dem Gesetz beantworten: Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG beginnt die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG im Falle einer Bewerbung mit dem Zugang der Ablehnung bzw. mit dem - sofern er später liegt - Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der behaupteten Diskriminierung (vgl. zu Letzterem EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 a.a.O. Rn. 41; BAG, Urteil vom 15. März 2012 a.a.O. Rn. 56). Es kommt also für den Fristbeginn nicht darauf an, ob ein Widerspruchsverfahren gegen die versagte Berücksichtigung der Bewerbung durchzuführen ist oder nicht. Das Gesetz knüpft unabhängig hiervon allein an den Zugang der Ablehnung bzw. die Kenntnis der Diskriminierung an.
3. Die schließlich als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, welche Anforderungen an die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 4 AGG gestellt werden, obwohl das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 15. Februar 2005 - 9 AZR 635/03 - (BAGE 113, 361) eine Bezifferung von Entschädigungsansprüchen nicht für notwendig gehalten habe, ist nicht entscheidungserheblich.
§ 15 Abs. 4 Satz 1 AGG verlangt die schriftliche Geltendmachung der Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG innerhalb der Zweimonatsfrist. Das Oberverwaltungsgericht hat im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - NJW 2011, 2070 ff. Rn. 23) gefordert, dass der Entschädigungsanspruch nach dem Lebenssachverhalt individualisiert und der ungefähren Höhe nach angegeben werden muss. Die Beschwerdebegründung stellt darauf ab, dass das klägerische Schreiben vom 23. November 2006 die Geltendmachung aller Ansprüche nach dem AGG enthalte. Das Oberverwaltungsgericht hat aber in der Vertiefung der Widerspruchsbegründung im Schreiben des Klägers vom 23. November 2006 lediglich eine Verfolgung des Primäranspruchs auf Einstellung gesehen und angenommen, dass der Beklagte diesem Schreiben nicht habe entnehmen können, dass der Kläger (auch) Sekundäransprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG verfolge. Diese Feststellung ist bindend, weil sie nicht mit begründeten Verfahrensrügen angegriffen ist. Dass aber die Geltendmachung eines Sekundäranspruchs nicht konkludent in der Verfolgung des Primäranspruchs enthalten ist, wird durch die genannte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Entbehrlichkeit der Bezifferung des Anspruchs nicht in Frage gestellt, sondern bestätigt und bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.