Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 19.03.2013


BVerwG 19.03.2013 - 2 B 130/11

Altersteilzeit; dringende dienstliche Belange; Beweislast


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
19.03.2013
Aktenzeichen:
2 B 130/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OVG Lüneburg, 26. August 2011, Az: 5 LB 12/11, Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 93 Abs 1 Nr 4aF BBG
§ 72b Abs 1 S 1 Nr 4aF BBG

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der Divergenz und der grundsätzlichen Bedeutung liegen nicht vor.

2

Der im Jahre 1952 geborene Kläger ist als Technischer Regierungsamtmann beim Bundesamt ... beschäftigt. Er beantragte im Jahr 2007 die Gewährung von Altersteilzeit im Blockmodell nach § 72b BBG a.F. ab dem 1. Juli 2007, später nach § 93 BBG a.F. ab dem 1. Juli 2009. Antrag und Widerspruch blieben erfolglos, die auf Neubescheidung gerichtete Klage ist vom Oberverwaltungsgericht abgewiesen worden.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage sei maßgeblich auf den Beginn der begehrten Altersteilzeit abzustellen. Der Rechtsstreit habe sich nicht dadurch erledigt, dass nach § 93 Abs. 1 BBG a.F. die Altersteilzeit vor dem 1. Januar 2010 begonnen werden müsse, denn eine Bewilligung der Gewährung könne auch zurückwirken. Diese Bestimmung setze voraus, dass dringende dienstliche Belange der Gewährung von Altersteilzeit nicht entgegenstünden. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2004 (- BVerwG 2 C 21.03 - BVerwGE 120, 382 = Buchholz 237.95 § 88a SHLBG Nr. 1) könne das kumulierte fiskalische Interesse daran, die Kosten für das im öffentlichen Dienst beschäftigte Personal niedrig zu halten, einen dringenden dienstlichen Belang darstellen. Die Beklagte habe mit einem Auszug aus dem Organisations- und Dienstpostenplan (ODP) 2010 dargetan, dass die Weiterführung der Aufgaben des Klägers auch im hier maßgebenden Zeitpunkt des 1. Juli 2009 erforderlich gewesen sei. Der vom Kläger besetzte Dienstposten sei struktursicher, sodass im Falle einer Bewilligung von Altersteilzeit eine Neueinstellung erforderlich werde, wodurch der nachhaltig angespannte Haushalt der Beklagten doppelt belastet werde.

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2. Der Kläger macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe in Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2004 a.a.O., wonach es für die Sach- und Rechtslage maßgeblich auf den Zeitpunkt des Beginns der Altersteilzeit ankomme, zu Unrecht als Beleg für die Struktursicherheit des vom Kläger wahrgenommenen Dienstpostens einen erst nach dem beantragten Beginn der Altersteilzeit beschlossenen Organisations- und Dienstplan (ODP) der Beklagten genügen lassen.

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Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes bestehen. Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn das Berufungsgericht den Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts, ohne ihm inhaltlich zu widersprechen, in dem zu entscheidenden Fall rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die Folgerungen gezogen hat, die für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. nur Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. Mai 2012 - BVerwG 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5).

6

Das Oberverwaltungsgericht hat keinen von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Es hat vielmehr im angenommenen Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - das vom Oberverwaltungsgericht zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 2004 a.a.O. verhält sich hierzu nicht - auf den Beginn der beantragten Altersteilzeit als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung des zwischen den Beteiligten allein streitigen Tatbestandsmerkmals der dringenden dienstlichen Belange im Sinne des § 93 Abs. 1 Nr. 4 BBG a.F. bzw. des § 72b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BBG a.F. abgestellt. Der Umstand, dass es Erkenntnisse für diesen Zeitpunkt aus dem erst später erlassenen Organisations- und Dienstplan (ODP) gewonnen hat, steht dem nicht entgegen. Dies betrifft die dem Oberverwaltungsgericht obliegende Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung und hätte ggf. mit Verfahrensrügen angegriffen werden müssen.

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3. Auch der hilfsweise geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

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Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 173 = NVwZ 2011, 507; stRspr).

9

Die als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage, inwieweit nachträgliche organisatorische Entscheidungen des Dienstherrn zurückwirken oder dazu führen können, dass dem Beamten die Darlegungs- und Beweislast dafür aufgebürdet wird, dass es zum Beginn der beantragten Altersteilzeit als dem maßgeblichen Stichtag eine abweichende Stellenstruktur gegeben habe, sind nicht entscheidungserheblich.

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Soweit sie das Zurückwirken einer organisatorischen Entscheidung des Dienstherrn betreffen ist das Oberverwaltungsgericht nicht von einer Rückwirkung des Organisations- und Dienstplans (ODP) ausgegangen, sondern hat vielmehr Rückschlüsse aus diesem Plan - der auch Angaben zu früheren Zeitpunkten enthielt - auf den Zeitpunkt des Beginns der beantragten Altersteilzeit gezogen. Zudem hat das Oberverwaltungsgericht dem Kläger weder eine Darlegungslast aufgebürdet noch eine Beweislastentscheidung getroffen. Es hat vielmehr einen anderen Sachverhalt festgestellt als vom Kläger für richtig gehalten und diesen auch anders rechtlich gewürdigt als der Kläger. Im Übrigen trifft den Dienstherrn nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungslast für die in seiner Sphäre liegenden Tatsachen, aus denen er für sich günstige Rechtsfolgen herleitet - hier der Gewährung der Altersteilzeit im Einzelfall entgegenstehender dringender dienstlicher Belange -, und die materielle Beweislast, wenn nicht geklärt werden kann, ob diese Tatsachen vorliegen oder nicht (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 C 68.08 - Buchholz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1, vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25 und vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <108 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 33).