Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 01.06.2012


BVerwG 01.06.2012 - 2 B 123/11

Zur Bedeutung einer unangemessen langen Dauer des Disziplinarverfahrens


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
01.06.2012
Aktenzeichen:
2 B 123/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 6. November 2008, Az: 8 DO 584/07, Urteilnachgehend BVerfG, 28. Januar 2013, Az: 2 BvR 1912/12, Nichtannahmebeschluss
Zitierte Gesetze
§ 11 DG TH
§ 12 DG TH
§ 21 DG TH
Art 6 Abs 1 S 1 MRK
Art 41 MRK
§§ 198ff GVG

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf einen Verfahrensmangel gestützte Beschwerde (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO und § 66 Abs. 1 ThürDG) hat keinen Erfolg.

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1. Der Beklagte stand bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Ende April 2006 als Professor an einer Kunsthochschule im Dienst des Klägers. Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat festgestellt, dass der Beklagte im Wintersemester 2002/2003 sowie im Mai 2002 bei seiner dienstlichen Tätigkeit zwei Studentinnen seiner Hauptfachunterrichtsklasse sowie eine Verwaltungsangestellte sexuell belästigt hat. Wäre der Beklagte noch im aktiven Dienst, wäre er wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens seines Dienstherrn oder der Allgemeinheit aus dem Dienst zu entfernen gewesen.

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2. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und § 66 Abs. 1 ThürDG, wenn sie eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche, noch ungeklärte Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO und § 66 Abs. 1 ThürDG obliegt es dem Beschwerdeführer, diese Voraussetzungen darzulegen (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der vom Beklagten aufgeworfenen Rechtsfragen zur Bedeutung der unangemessen langen Dauer des Disziplinarverfahrens nicht erfüllt.

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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK geklärt, dass es die unangemessene Dauer des Disziplinarverfahrens nicht rechtfertigt, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen, wenn diese Maßnahme disziplinarrechtlich geboten ist (stRspr; zuletzt Urteil vom 29. März 2012 - BVerwG 2 A 11.10 - und Beschluss vom 16. Mai 2012 - BVerwG 2 B 3.12 - jeweils zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen).

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Die Maßnahmebemessung nach § 11 ThürDG hat sich an dem Zweck der Disziplinarbefugnis zu orientieren, die Integrität des Berufsbeamtentums und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten. Daher ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, ob ein Beamter nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist und falls dies zu bejahen ist, ob durch eine Disziplinarmaßnahme auf ihn eingewirkt werden muss, um zu verhindern, dass der Beamte das für die Dienstausübung unabdingbare Vertrauen dauerhaft verliert. Allerdings sind bei der Ausübung der Disziplinarbefugnis das Schuldprinzip und das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Daraus folgt, dass die Disziplinarmaßnahme nach einer Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Umstände unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten zu bestimmen ist, wobei der Schwere des Dienstvergehens richtungweisende Bedeutung zukommt. Die Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis ist geboten, wenn der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Dies ist der Fall, wenn die Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergibt, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei Fortführung des Beamtenverhältnisses irreparabel (stRspr; vgl. nur Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 16 ff.).

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Ist der Beamte nach diesen Bewertungsmaßstäben wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens im öffentlichen Dienst untragbar geworden, so kann er nicht deshalb Beamter bleiben, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. In diesem Fall lässt sich die Anerkennung eines Milderungsgrundes der überlangen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis vereinbaren. Die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes wäre nicht mehr gewährleistet, wenn Beamte, deren berufliche Integrität dauerhaft beschädigt ist, weiterhin Dienst leisten würden. Das verlorene Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden. Ergibt die Gesamtwürdigung dagegen, dass eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme notwendig, aber auch ausreichend ist, steht fest, dass der Beamte im öffentlichen Dienst noch tragbar ist. Nur unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden (BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <28 f.>; Kammerbeschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372 <1373>; BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2005 - BVerwG 1 D 30.03 - juris Rn. 80, vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris Rn. 27 und vom 7. Februar 2008 - BVerwG 1 D 4.07 - Buchholz 235 § 77 BDO Nr. 13; Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 8 und vom 26. August 2009 - BVerwG 2 B 66.09 - Rn. 11).

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Diesen Unterschied hat der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 12 ThürDG die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Gegensatz zu allen anderen Disziplinarmaßnahmen vom Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs ausgenommen hat.

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Diese Ausführungen gelten gleichermaßen für die Aberkennung des Ruhegehalts. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 ThürDG kommt bei einem Ruhestandsbeamten die hier ausgesprochene Aberkennung des Ruhegehalts nur in Betracht, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit aus dem Dienst entfernt werden müsste.

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Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK. Danach hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem Gericht innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht davon aus, dass Art. 6 EMRK in seiner zivilrechtlichen Bedeutung auf ein Disziplinarverfahren, in dem der Beamte wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienst entfernt worden ist, anwendbar ist (EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - Rn. 39 m.w.N. = NVwZ 2010, 1015 ff.). Danach liegt ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK vor, wenn das Disziplinarverfahren von seiner Einleitung durch den Dienstherrn bis zum rechtskräftigen Abschluss unangemessen lang gedauert hat. Die Angemessenheit ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens des Beamten, der Vorgehensweise der Behörden und Gerichte sowie der Bedeutung des Verfahrens für den Beamten zu beantworten (EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 a.a.O.).

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Eine unangemessen lange Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jedoch nicht zur Folge, dass dem Betroffenen aus diesem Grund eine Rechtsstellung eingeräumt werden muss, die im Widerspruch zu dem entscheidungserheblichen innerstaatlichen materiellen Recht steht. Vielmehr kann die unangemessene Verfahrensdauer für den Ausgang des zu lange dauernden Rechtsstreits nur dann zugunsten des Betroffenen berücksichtigt werden, wenn das innerstaatliche Recht dies vorsieht oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der einschlägigen materiellrechtlichen Bestimmungen zu ermitteln.

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Dies wird durch die zur Europäischen Menschenrechtskonvention ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt. Sein Urteil hat, wie sich aus Art. 41 EMRK ergibt, lediglich Feststellungswirkung. Auch Art. 46 Abs. 1 EMRK, wonach der Vertragsstaat verpflichtet ist, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen, führt nicht dazu, dass der Vertragsstaat dem Betroffenen allein wegen der überlangen Dauer des Verfahrens eine Rechtsstellung einräumen muss, die diesem nach dem maßgeblichen innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht; der Gerichtshof spricht vielmehr eine gerechte Entschädigung als Ersatz für materielle wie immaterielle Schäden zu (Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 41, Rn. 21).

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Im Übrigen hat der Bundesgesetzgeber die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK wegen unangemessen langer Verfahrensdauer inzwischen durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl I S. 2302) eigenständig geregelt. Diese Bestimmungen gelten nach § 173 Satz 2 VwGO und § 21 ThürDG auch für das gerichtliche Disziplinarverfahren. Der Gesetzgeber hat dem betroffenen Verfahrensbeteiligten für den Fall der gerügten unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens für dadurch verursachte Vermögensnachteile und immaterielle Folgen grundsätzlich einen Anspruch auf angemessene Entschädigung eingeräumt. Nach § 198 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 GVG geht die Wiedergutmachung des Verstoßes gegen das Gebot des gerichtlichen Rechtsschutzes in angemessener Zeit auf andere Weise dem Entschädigungsanspruch vor, der die durch die verzögerte gerichtliche Entscheidung bestimmte Rechtslage unberührt lässt.

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Der Gesetzgeber hat aber davon abgesehen, in §§ 198 ff. GVG die Formen einer solchen Wiedergutmachung abschließend festzulegen (BTDrucks 17/3802, S. 16 und 19). Er hat aber auch nicht vorgesehen, dass die Wiedergutmachung in der Weise zu erfolgen hat, dass dem Betroffenen als Ausgleich für die Verzögerung des gerichtlichen Verfahrens die den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Rechtsposition einzuräumen ist, deren materiell-rechtliche Voraussetzungen der Betroffene nicht erfüllt. Für andere als strafgerichtliche Verfahren (§ 199 Abs. 3 GVG) hat der Gesetzgeber in den §§ 198 ff. GVG als Form der Wiedergutmachung auf andere Weise lediglich die Möglichkeit einer Feststellung der überlangen Verfahrensdauer durch das Entschädigungsgericht bei gleichzeitiger Freistellung des Klägers von den Kosten des Entschädigungsrechtsstreits geregelt (BTDrucks 17/3802, S. 16). Ob im Übrigen eine dem Entschädigungsanspruch vorgehende Wiedergutmachung auf andere Weise möglich ist, richtet sich nach den jeweiligen formellen und materiell-rechtlichen Bestimmungen. Die für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme maßgeblichen Vorschriften schließen aber, wie dargelegt, die Wiederherstellung des verlorenen Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit allein durch eine unangemessene Dauer des Disziplinarverfahrens aus.

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3. Die Zulassung der Revision kommt auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels in Betracht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 66 Abs. 1 ThürDG).

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Die Beschwerde rügt die unangemessen lange Verfahrensdauer in Verbindung mit der deshalb fehlenden Unmittelbarkeit und Verwertbarkeit der Beweiserhebung. Auf dem Verfahrensmangel der unangemessen langen Verfahrensdauer könne die Berufungsentscheidung auch beruhen. Sie stütze sich allein auf die Aussagen der Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 14. Mai 2007. Bei deren Vernehmung im behördlichen Verfahren seien die Rechte des Beklagten auf Beweisteilhabe verletzt worden, weil weder er selbst noch sein Bevollmächtigter anwesend gewesen seien. Dieser Verfahrensfehler habe im gerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden können. Der zeitliche Abstand zwischen den zu bezeugenden Ereignissen und der gerichtlichen Vernehmung der Zeuginnen von ca. 4 1/2 Jahren habe bei diesen zu Erinnerungslücken und Erinnerungsschwierigkeiten geführt. Zwangsläufig habe sich die Verfahrensverzögerung auf das Erinnerungsvermögen der Zeuginnen und den Inhalt ihrer Aussagen ausgewirkt. Deshalb könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine ordnungsgemäße Zeugenvernehmung zu einem früheren Zeitpunkt ein anderes Ergebnis und damit eine andere gerichtliche Entscheidung zur Folge gehabt hätte.

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Diese Rüge ist nicht begründet. Der Revisionszulassungsgrund des Verfahrensmangels gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfasst nur Mängel des gerichtlichen Verfahrens, d.h. Verstöße des Gerichts gegen verwaltungsprozessrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze. Ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens zieht einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nach sich, wenn das Verwaltungsgericht die sich aus § 51 ThürDG ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die Beseitigung eines solchen Mangels durch den Dienstherrn hinzuwirken (Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3).

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Verstöße gegen das Recht auf Beweisteilhabe im behördlichen Verfahren können jedoch durch die Verwaltungsgerichte selbst geheilt werden. Sie ziehen keine prozessualen Konsequenzen nach sich, wenn die Beweiserhebung vom Gericht im gerichtlichen Disziplinarverfahren fehlerfrei durchgeführt worden ist. Dies ergibt sich aus der Pflicht der Gerichte zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung, die unabhängig von der Tätigkeit der Behörden besteht. Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 ThürDG erhebt das Gericht die erforderlichen Beweise. Es hat selbst diejenigen Tatsachen festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind (Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 26; Beschlüsse vom 14. Juni 2005 - BVerwG 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2, vom 4. September 2008 - BVerwG 2 B 61.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 4 Rn. 7 und vom 11. Januar 2012 - BVerwG 2 B 78.11 - juris Rn. 4). Das Gericht hat die erhobenen Beweise nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens folgenden Überzeugung zu würdigen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies umfasst die Beurteilung des Erinnerungsvermögens von Zeugen und folglich der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zeugen bereits im behördlichen Verfahren vernommen worden sind (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16). Daraus folgt, dass Zeugenaussagen nicht deshalb von vornherein unverwertbar sind, weil das Geschehen, zu dem die Zeugen vernommen werden, lange zurückliegt. Ein derartiges Verwertungsverbot besteht nicht.

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Soweit die Beschwerde die Verwertbarkeit der Aussagen der Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in Frage stellt, legt sie keinen Verfahrensmangel dar, sondern greift die für den Beklagten nachteilige Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an. Denn der Sache nach beanstandet der Beklagte, dass das Berufungsgericht im Anschluss an die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, das die Zeuginnen in der mündlichen Verhandlung vernommen hatte, seiner Urteilsfindung den für den Beklagten nachteiligen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, wonach dieser im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit in den Jahren 2002 und 2003 drei Frauen sexuell belästigt hat. Ein Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung - wenn er denn vorläge - ist aber revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen (Beschlüsse vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266; vom 24. Mai 1996 - BVerwG 8 B 98.96 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 270 und vom 18. April 2012 - BVerwG 8 B 94.11 - juris Rn. 2 f.).

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Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist aufgrund des § 137 Abs. 2 VwGO revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob Beweiswürdigungsgrundsätze wie etwa Auslegungsregeln, Denkgesetze und allgemein Erfahrungssätze verletzt sind (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - ZBR 2008, 257 <260>, insoweit nicht in Buchholz abgedruckt, und vom 29. März 2012 - BVerwG 9 B 88.11 - juris Rn. 3).

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Die Beschwerde legt nicht dar, dass das angefochtene Urteil derartige Mängel aufweist. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nur vor, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann. Die Annahme eines Gerichts, der Aussage einer Zeugin vor Gericht sei auch nach 4 1/2 Jahren seit dem zu bekundenden Ereignis Glauben zu schenken, widerspricht nicht der Logik. Auch besteht gerade kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Aussagen von Zeugen über sie besonders berührende Ereignisse unglaubhaft und deshalb einer gerichtlichen Entscheidungsfindung nicht zugrunde zu legen sind, wenn das betreffende Ereignis mehr als vier Jahre zurückliegt.