Entscheidungsdatum: 28.03.2013
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten kann keinen Erfolg haben. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO, § 65 Abs. 1 des Hamburgischen Disziplinargesetzes - HmbDG - liegen nicht vor. Aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 65 Abs. 1 HmbDG ist der Senat darauf beschränkt, bei der Entscheidung über die Revisionszulassung ausschließlich diejenigen rechtlichen Gesichtspunkte zu prüfen, die die Beklagte in der Beschwerdebegründung angesprochen hat.
Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte während ihrer Tätigkeit als Kassenbeamtin eines Amtsgerichts in der Zeit vom Juni 2004 bis März 2007 in insgesamt 19 Fällen bereits verbuchte Zahlungseingänge stornierte. Dadurch entstand ein Kassenfehlbetrag von insgesamt 2 895 €. Die Beklagte entnahm das Geld überwiegend für private Zwecke; im Übrigen glich sie vorhandene Fehlbestände aus. Wegen dieses Fehlverhaltens wurde die Beklagte durch rechtskräftigen Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen verurteilt.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis entfernt; ihre Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. In den Gründen des Berufungsurteils heißt es, das behördliche Disziplinarverfahren leide nicht an einem wesentlichen Mangel. Es sei unschädlich, dass sich nicht nachweisen lasse, ob die Vizepräsidentin des Amtsgerichts als zuständige Dienstvorgesetzte die Einleitungsverfügung abgezeichnet habe. Nach den tatsächlichen Umständen könne nicht zweifelhaft sein, dass die Dienstvorgesetzte die Einleitung gebilligt habe. Das Fehlverhalten der Beklagten sei so schwerwiegend, dass eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht in Betracht komme. Der Umstand, dass sie nur zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei, könne nicht mildernd berücksichtigt werden.
1. Die Beklagte wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Frage auf,
ob die Durchführung eines Disziplinarverfahrens ohne unterzeichnete Einleitungsverfügung einen wesentlichen Verfahrensmangel des gesamten Verfahrens einschließlich des nachfolgenden Gerichtsverfahrens darstelle, der zu einem Abbruch des Disziplinarverfahrens führen müsse.
Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die von der Beschwerde aufgeworfene Frage sowohl entscheidungserhebliche Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits hat als auch allgemein klärungsbedürftig ist (vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 9 = NVwZ-RR 2011, 32 jeweils Rn. 4). Die Grundsatzrüge der Beklagten erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkte der Fragestellung sind durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
Mit der der Grundsatzrüge zugrunde liegenden Annahme, die Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens sei rechtsfehlerhaft, stellt die Beklagte auf einen Rechtsfehler des Verwaltungsverfahrens ab. Derartige Fehler können nur dann entscheidungserhebliche Bedeutung für den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits erlangen, wenn sie die Rechtswidrigkeit der abschließenden, zur Nachprüfung des Verwaltungsgerichts stehenden behördlichen Sachentscheidung nach sich ziehen. Dagegen kann die rechtsfehlerhafte Durchführung des Verwaltungsverfahrens keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen, weil diese Norm nur Rechtsfehler des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erfasst. Es muss sich um einen Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen verwaltungsprozessrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze handeln, die den äußeren Ablauf des gerichtlichen Verfahrens und die Art und Weise des Erlasses des Urteils betreffen. Nur derartige Rechtsfehler können sich auf das Urteil auswirken, weil sie die gerichtliche Entscheidungsfindung beeinflussen können (Beschlüsse vom 27. Juni 1994 - BVerwG 6 B 17.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 3 VwGO Nr. 3 = juris Rn. 1 und vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 = juris Rn. 5).
Endet das behördliche Disziplinarverfahren mit der Entscheidung, Disziplinarklage zu erheben (vgl. § 34 HmbDG), ist das Verwaltungsgericht im Disziplinarklageverfahren verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der klagende Dienstherr einen Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens nachträglich beseitigt, wenn der Mangel wesentlich ist und ihn das Gericht nicht unberücksichtigt lassen darf (§ 52 Abs. 1 bis Abs. 3 HmbDG). Dies gilt auch für das Oberverwaltungsgericht im Berufungsverfahren (§ 59 Abs. 1 Satz 1 HmbDG). Gelingt es dem Dienstherrn nicht, einen wesentlichen Mangel innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist zu beseitigen, hat das Gericht das Disziplinarklageverfahren einzustellen (§ 52 Abs. 3 Satz 3 HmbDG).
Die Pflicht des Verwaltungsgerichts, den Dienstherrn zur nachträglichen Beseitigung von Mängeln des behördlichen Disziplinarverfahrens anzuhalten, betrifft den Ablauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Daher stellt die Verletzung dieser Pflicht einen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar (Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 6 jeweils Rn. 18; Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3).
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens wesentlich ist, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis dieses Verfahrens, d.h. auf die Entscheidung für die Erhebung der Disziplinarklage, ausgewirkt haben kann. Maßgebend ist nicht der Zweck der verletzten Bestimmung des Disziplinarverfahrensrechts, sondern die Bedeutung des konkreten Verstoßes für den Fortgang des behördlichen Disziplinarverfahrens (vgl. Urteil vom 24. Juni 2010 a.a.O. Rn. 19).
Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann weiterhin als geklärt gelten, dass das behördliche Disziplinarverfahren an einem Mangel leidet, wenn die nach § 23 Abs. 1 Satz 1 HmbDG erforderliche schriftliche Verfügung über die Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens von dem hierfür zuständigen Dienstvorgesetzten nicht unterschrieben oder zumindest abgezeichnet wird. Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, ob dieser Mangel wesentlich im Sinne von § 52 Abs. 1 HmbDG ist und deshalb eine Pflicht des Verwaltungsgerichts begründet, auf seine Beseitigung hinzuwirken.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 HmbDG veranlasst der Dienstvorgesetzte durch schriftliche Verfügung (Einleitungsverfügung) die zur Sachaufklärung erforderlichen Ermittlungen, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 HmbDG ist der Beamte über die Einleitung unverzüglich zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Nach Satz 2 ist ihm hierbei zu eröffnen, welches Dienstvergehen ihm zur Last gelegt wird.
Einleitungs- und Unterrichtungspflicht dienen auch dem Schutz des Beamten. Sie sollen sicherstellen, dass disziplinarische Ermittlungen so früh wie möglich im Rahmen des gesetzlich geordneten Disziplinarverfahrens mit seinen rechtsstaatlichen Sicherungen, insbesondere dem Recht des Beamten auf Beweisteilhabe (vgl. § 26 Abs. 4 und 5 HmbDG), geführt werden. Sobald sich Vermutungen zu dem Verdacht konkretisiert haben, ein bestimmter Beamter habe eine bestimmte disziplinarrechtlich bedeutsame Dienstpflichtverletzung begangen, darf der Sachverhalt nicht mehr außerhalb des gesetzlich geordneten Disziplinarverfahrens ermittelt werden (Beschluss vom 18. November 2008 - BVerwG 2 B 63.08 - NVwZ 2009, 399 = Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 jeweils Rn. 11).
Genügt für die Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens ein formloser Aktenvermerk des Dienstvorgesetzten, wie dies in § 17 Abs. 1 Satz 3 BDG vorgesehen ist, muss sich aus dem Vermerk inhaltlich unmissverständlich ergeben, dass der Dienstvorgesetzte die Verantwortung für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens übernommen hat. Dies setzt voraus, dass er sich den Inhalt des Aktenvermerks durch seine Unterschrift oder jedenfalls durch eine auf den Vermerk bezogene Paraphe zu Eigen gemacht hat (Beschluss vom 18. November 2008 a.a.O. Rn. 7).
An die schriftliche Einleitungsverfügung des Dienstvorgesetzten, die nach § 23 Abs. 1 Satz 1 HmbDG an die Stelle eines Aktenvermerks tritt, sind keine geringeren Anforderungen zu stellen. Das Erfordernis der Schriftlichkeit legt nahe, auf die Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 1 HmbVwVfG an einen schriftlichen Verwaltungsakt abzustellen. Diese Bestimmung kann nach § 22 HmbDG herangezogen werden. Danach erfordert die formgerechte Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens, dass die schriftliche Einleitungsverfügung die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Dienstvorgesetzten oder seines Vertreters enthält. Dadurch soll gewährleistet werden, dass keine Zweifel entstehen, ob der behördeninterne Entscheidungsprozess abgeschlossen ist und der zuständige Dienstvorgesetzte die Verantwortung für die ihm obliegende Entscheidung übernommen hat (vgl. Beschluss vom 18. Juli 2000 - BVerwG 2 B 19.00 - Buchholz 316 § 37 VwVfG Nr. 12).
Da die Namenswiedergabe der Unterschrift gleichsteht, kann die Einleitungsverfügung durch eine Paraphe oder in sonstiger Form gezeichnet werden, wenn dies innerorganisatorischen Gepflogenheiten entspricht (Beschluss vom 18. Juli 2000 a.a.O.). Jedoch muss der Dienstvorgesetzte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben, dass er die Verantwortung für die Entscheidung übernommen hat. Der Gesetzgeber hat durch das Schriftformerfordernis deutlich gemacht, dass dies nur durch eine eigenhändige schriftliche Dokumentation nachgewiesen werden kann.
2. Auch die Verfahrensrüge der Beklagten kann keinen Erfolg haben. Ihr Vortrag lässt nicht erkennen, dass das Berufungsurteil auf einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 65 Abs. 1 HmbDG beruht.
Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, es reiche für eine ordnungsgemäße Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens aus, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass die Dienstvorgesetzte bei dieser Entscheidung übergangen worden sei. Diese Auffassung lässt sich nicht mit dem Schriftformerfordernis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 HmbDG, § 37 Abs. 3 Satz 1 HmbVwVfG vereinbaren, weil sie darauf verzichtet, dass der Dienstvorgesetzte die Übernahme der Verantwortung für die Einleitung eigenhändig schriftlich dokumentiert.
In tatsächlicher Hinsicht hat es das Oberverwaltungsgericht nicht für erwiesen gehalten, dass die zuständige Dienstvorgesetzte die schriftliche Verfügung über die Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens gegen die Beklagte abgezeichnet hat. Da dieser Nachweis der Klägerin obliegt, ist zwar davon auszugehen, dass das Verfahren rechtsfehlerhaft, nämlich unter Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 23 Abs. 1 Satz 1 HmbDG eingeleitet wurde.
Daraus ergab sich aber keine Pflicht des Oberverwaltungsgerichts, im Berufungsverfahren auf die Beseitigung des Einleitungsmangels durch die Klägerin hinzuwirken. Die tatsächlichen Feststellungen lassen den Schluss zu, dass dieser Mangel nach den Umständen des Einzelfalles keine derartige Pflicht begründet hat, weil er nicht wesentlich im Sinne von § 52 Abs. 1 HmbDG war. Nach dem festgestellten Sachverhalt kann mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich der Verstoß gegen das Schriftformerfordernis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 HmbDG, § 37 Abs. 3 Satz 1 HmbVwVfG auf den Gang des behördlichen Disziplinarverfahrens und die abschließende Entscheidung, Disziplinarklage zu erheben, ausgewirkt hat.
Wie das Verwaltungsgericht in dem erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt hat, blieb die rechtsfehlerhafte Einleitung folgenlos, weil das Verfahren zunächst nicht betrieben, sondern sogleich nach § 14 Abs. 2 HmbDG im Hinblick auf das sachgleiche Strafverfahren ausgesetzt wurde. Diese Aussetzung dauerte bis zu dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens an. Das behördliche Disziplinarverfahren kam erst in Gang, nachdem die Dienstvorgesetzte die Aussetzung aufgehoben und verfügt hatte, das Verfahren fortzuführen. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass sie diese weitere Verfügung unterschrieben hat. Aufgrund dieser fallbezogenen Umstände kann ausgeschlossen werden, dass durch die rechtsfehlerhafte Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens schutzwürdige Belange der Beklagten beeinträchtigt wurden.
3. Die behauptete Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 65 Abs. 1 HmbDG liegt offensichtlich nicht vor. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einem Rechtssatz, der von einem tragenden Rechtssatz abweicht, den das Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil vom 8. März 2005 - BVerwG 1 D 15.04 - (Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 24) zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme aufgestellt hat. In diesem Urteil hat der Disziplinarsenat ausgeführt, aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung von Straf- und Disziplinarrecht sei die Disziplinarmaßnahme gegen einen Beamten, der sich durch schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen zugleich strafbar gemacht habe, unabhängig von der verhängten Kriminalstrafe zu bestimmen. Von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis könne nicht deshalb abgesehen werden, weil die Kriminalstrafe milde ausgefallen sei. Da sich das Oberverwaltungsgericht dieser Rechtsauffassung in dem Berufungsurteil ausdrücklich angeschlossen hat, ist die Divergenzrüge nicht nachvollziehbar.