Entscheidungsdatum: 15.07.2010
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger begehrt die erneute Wiederholung der unterrichtspraktischen Prüfung im Rahmen der Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen, hilfsweise die Neubewertung seiner Prüfungsleistung. Er erhielt auch in der Wiederholung der Prüfung im Fach Deutsch die Note 5,0 (mangelhaft). Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zur erneuten Wiederholung verpflichtet und dabei auf die Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder der Prüfungskommission abgestellt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger sieht im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG sinngemäß als klärungsbedürftig an,
ob in der Begründung der Bewertung der Lehrprobe mitgeteilt werden müsse, welche Bewertungsaspekte von vorrangiger und welche von weniger entscheidender Bedeutung gewesen seien, wie diese im einzelnen bewertet worden seien und auf welche Art und Weise hieraus die Gesamtnote gebildet worden sei und
ob die Prüfungskommission der Bewertung der Lehrprobe einen vorher feststehenden (abschließenden) Kriterienkatalog zugrunde legen und diesen abhandeln müsse, der dem Prüfling offen zu legen sei.
Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18). Das ist hier nicht der Fall.
Die vom Kläger zum Begründungsumfang aufgeworfenen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach erfordern es das Grundrecht auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG), dass die Prüfungskommission die Bewertung einer berufsrelevanten Prüfungsleistung begründet und die tragenden Erwägungen darlegt, die zu ihrer Bewertung der Prüfungsleistung geführt haben (Urteile vom 9. Dezember 1992 - BVerwG 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 307 und vom 6. September 1995 - BVerwG 6 C 18.93 - BVerwGE 99, 185 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 356, stRspr, jeweils m.w.N.). Der Grundrechtsschutz umfasst daher einen Informationsanspruch des Prüflings, der sich auf eine angemessene Begründung der Prüfungsentscheidung richtet, das heißt auf die Bekanntgabe der wesentlichen Gründe, mit denen der Prüfer zu einer bestimmten Bewertung der Prüfungsleistungen gelangt ist. Die maßgeblichen Gründe müssen zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein (Urteile vom 9. Dezember 1992 a.a.O. und vom 6. September 1995 a.a.O., jeweils m.w.N.).
Bei der Bewertung einer mündlichen Prüfungsleistung ist den besonderen Bedingungen, die eine solche Prüfung wesentlich von schriftlichen Prüfungen unterscheiden, angemessen Rechnung zu tragen. Deshalb hängt der konkrete Inhalt des Anspruchs auf eine Begründung und damit korrespondierend die Pflicht der Prüfer, ihre Bewertungen der Prüfungsleistungen zu begründen, davon ab, ob der Prüfling eine solche Begründung verlangt, wann er dies tut, mit welchem konkreten Begehren und mit welcher Begründung. Daraus folgt, dass die Begründung der Bewertung mündlicher und berufspraktischer Prüfungsleistungen - soweit eine spezielle normative Regelung fehlt - nach Form, Zeitpunkt, Umfang und Inhalt auf unterschiedliche Weise geschehen kann (stRspr, vgl. Urteile vom 6. September 1995 a.a.O., vom 16. April 1997 - BVerwG 6 C 9.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 382, vom 24. Februar 2003 - BVerwG 6 C 22.02 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 403 m.w.N.; Beschluss vom 20. Mai 1998 - BVerwG 6 B 50.97 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 389).
Nach diesen Rechtsgrundsätzen hängt die Beantwortung der ersten Teilfrage zum Begründungsumfang bei der Bewertung der Lehramtsprobe von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich deshalb einer revisionsgerichtlichen Klärung in Gestalt weiterer verallgemeinerungsfähiger und fester Regeln.
Die zweite Teilfrage ist dahingehend zu beantworten, dass es, solange normative Regelungen nicht bestehen, keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf im Voraus feststehende Bewertungsregeln in Gestalt eines abschließenden Kriterienkatalogs gibt. Der Kläger hat zwar - als unselbständigen verfahrensrechtlichen Bestandteil seines materiellrechtlichen Anspruchs auf eine rechtmäßige Bewertung seiner Prüfungsleistungen - einen Anspruch auf Bekanntgabe der Gründe, die die einzelnen Prüfer und sodann den Prüfungsausschuss als Kollegium dazu bewogen haben, seine Prüfungsleistung insgesamt mit dem Ergebnis "nicht bestanden" zu bewerten. Denn der Prüfling muss diejenigen Informationen erhalten, die er benötigt, um feststellen zu können, ob die rechtlichen Vorgaben und Grenzen der Prüfung, insbesondere der Beurteilung seiner Leistungen, eingehalten worden sind (vgl. zum Ganzen: Urteile vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 313, vom 6. September 1995 - BVerwG 6 C 18.93 - BVerwGE 99, 185 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 356, vom 16. April 1997 a.a.O. und vom 4. Februar 2003 a.a.O., je m.w.N.). In welcher Form dies geschieht, insbesondere, ob es einen vorher feststehenden Bewertungskatalog geben muss oder kann, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben; ein Anspruch auf eine normative Regelung im vom Kläger gewünschten Sinne besteht nicht.
3. Weiter hält der Kläger die Frage für grundsätzlich bedeutsam, welche Grenzen bei Prüfungsentscheidungen für das Nachschieben von wesentlich neuen Begründungsteilen im Widerspruchsverfahren bestehen, die in ihrem Negativgewicht deutlich von den bisherigen nach unten abweichen.
Auch diese Rechtsfrage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie bereits geklärt ist und zudem einen so vom Berufungsgericht nicht festgestellten Sachverhalt unterstellt. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 u.a. BVerfGE 84, 34; BVerwG, Urteile vom 9. Dezember 1992 a.a.O. und vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132) ausgeführt, dass die Prüfer sich im Rahmen des Überdenkensprozesses mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit die Einwände berechtigt sind, ihre Bewertung korrigieren müssen. Kommen sie dabei zu dem Ergebnis, dass ihre erste Bewertung weiterhin zutreffend ist, haben sie die dafür maßgeblichen Gründe mitzuteilen, wobei die Gründe erkennbar aus dem Bewertungsvorgang und der Kritik des Prüflings an ihm hergeleitet sein und aus Gründen der Chancengleichheit weiterhin den bisherigen Bewertungskriterien entsprechen müssen (vgl. Urteile vom 9. Dezember 1992 a.a.O., vom 24. Februar 1993 - BVerwG 6 C 38.92 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 314 und vom 14. Juli 1999 - BVerwG 6 C 20.98 - BVerwGE 109, 211 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 396; Beschluss vom 11. Juni 1996 - BVerwG 6 B 88.95 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 368 S. 141, 142).
Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht tragend darauf abgestellt, dass die Stellungnahme der Prüfungskommission über eine Konkretisierung der ursprünglichen Begründung in diesem Sinne nicht hinausgeht. Zu dieser Würdigung ist es durch Auslegung der in der Stellungnahme angeführten Gründe gelangt. An diese Auslegung ist das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Die Beschwerde legt nicht dar, dass die Würdigung des Berufungsgerichts auf einer unzutreffenden oder unzureichenden Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen oder auf einem Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht. Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt nur vor, wenn eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechthin nicht gezogen werden kann. Es reicht nicht aus, dass das Gericht andere Schlüsse gezogen hat, als sie nach Auffassung eines der Verfahrensbeteiligten hätten gezogen werden müssen. Dies gilt selbst dann, wenn die von diesem favorisierte Schlussfolgerung näher liegen sollte als diejenige des Gerichts (Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 122.07 - ZBR 2008, 257 <260> insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2).
4. Schließlich sieht es der Kläger sinngemäß als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob das Prüfungsamt neben der für das Überdenken der Prüfungsentscheidung ausschließlich zuständigen Prüfungskommission eine eigenständige fachbezogene Entscheidungskompetenz habe, mit der es die Einwände des Prüflings daraufhin überprüfe, ob diese substantiiert seien. Daraus ergebe sich die weitere Frage, ob die Prüfungsbehörde im Überdenkensverfahren im Wesentlichen auf eine rein organisatorische Tätigkeit beschränkt sei und ob Hinweise an die Prüfungskommission, mit denen dieser in fachlichen Fragen Schwerpunkte im Überdenkensverfahren vorgegeben werden, daher die Besorgnis der Befangenheit auslösten.
Auch diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Sie sind klärungsfähig, weil sie - im Gewand der Grundsatzrüge - in Wahrheit gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung gerichtet sind und einen Sachverhalt voraussetzen, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Einen Rechtssatz, das Prüfungsamt habe neben der für das Überdenken der Prüfungsentscheidung ausschließlich zuständigen Prüfungskommission eine eigenständige fachbezogene Entscheidungskompetenz, hat das Berufungsgericht nicht einmal sinngemäß aufgestellt. Das Berufungsgericht hat vielmehr im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeführt, dass das Prüfungsamt eine verfahrensrechtliche bzw. organisatorische Stellung im Verfahren des Überdenkens habe. Es obliege ihm u.a. zu gewährleisten, dass die substantiierten Einwände den Prüfern zugeleitet werden und sich diese mit ihnen auseinandersetzen (vgl. Urteil vom 24. Februar 1993 a.a.O. m.w.N.). Diese Aufgabe ermächtige das Prüfungsamt auch, die Einwendungen des Prüflings daraufhin zu überprüfen, ob sie völlig substanzlos seien oder nicht, da nur substantiierte Einwendungen das Überdenkensverfahren auslösten (vgl. Urteile vom 24. Februar 1993 a.a.O., vom 30. Juni 1994 - BVerwG 6 C 4.93 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 334 und vom 4. Februar 2003 a.a.O., jeweils m.w.N.). Allerdings sei das Prüfungsamt nicht befugt, in größerem Umfang vorgebrachte Einwendungen, die nur in Teilen substantiiert seien, in dem Sinne "vorzustrukturieren", dass es die substantiierten Einwände herausfiltere und diese isoliert der Prüfungskommission vorlege. Es habe in einem solchen Fall vielmehr die gesamten Einwendungen der Kommmission zuzuleiten.
Weiter hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass das Prüfungsamt bei einer solchen Zuleitung die ihm wichtig erscheinenden Punkte markieren könne, wenn dies in neutraler Form und mit dem Hinweis darauf geschehe, dass sich das Überdenken nicht auf die markierten Punkte zu beschränken habe. Denn diese fachliche Kompetenz komme ihr nicht zu. Es sei allein Aufgabe der Prüfer aufgrund der Einwendungen des Prüflings die Prüfungsentscheidung zu überdenken. Damit hat es keinen Rechtssatz aufgestellt, der die Zulassung der Revision wegen der letzten (weiteren) als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Frage rechtfertigt. Mit dieser Frage wendet sich die Beschwerde abermals, ohne zulässige Verfahrensrügen geltend zu machen, gegen die tatsächlichen Feststellungen und die Würdigung der Umstände im Einzelfall durch das Berufungsgericht, da sie entgegen dessen tatsächlicher Würdigung unterstellt, die Hinweise des Prüfungsamts seien als Vorgabe fachlicher Schwerpunkte an die Prüfungskommission zu verstehen gewesen. Die Würdigung im Einzelfall kann aber nicht mit der Grundsatzrüge beanstandet werden.