Entscheidungsdatum: 17.06.2016
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die der Sache nach ausschließlich auf - vermeintliche - Verfahrensfehler (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. Der 1962 geborene Beklagte steht als Polizeikommissar (Besoldungsgruppe A 9 des gehobenen Dienstes) im Dienst des Klägers. Der Beklagte ist verheiratet und hat drei Kinder. Im März 2009 verurteilte das Amtsgericht den Beklagten wegen Beleidigung in zehn Fällen, Sachbeschädigung sowie Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hintergrund dieser Verurteilung war zum einen, dass der Beklagte nach der Beendigung einer Liebesbeziehung im April 2005 im Zeitraum bis Mitte 2005 seine frühere Freundin in zehn Fällen beleidigt und zudem im September 2009 sämtliche Reifen ihres Kraftfahrzeugs zerstochen hatte. Zum anderen hatte es der Beklagte in den Jahren 2002 bis 2005 unterlassen, seine Einkünfte aus einer Nebentätigkeit als Hausmeister in den jeweiligen Steuererklärungen anzugeben, wodurch die Einkommensteuerschuld um insgesamt 2 576 € verkürzt wurde. Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind zum einen diese strafgerichtlich abgeurteilten Taten. Zum anderen betrifft das Disziplinarverfahren den Vorwurf, in einer polizeilichen Datenbank einen falschen Eintrag angelegt zu haben, um die zuvor begangene Sachbeschädigung zu verdecken, sich Ende Februar 2006 für ca. 70 Minuten unerlaubt vom Dienst entfernt zu haben, hierbei ein Dienstfahrzeug für eine private Fahrt missbraucht und seinen Vorgesetzten über die von ihm transportierte Person belogen zu haben. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten entsprechend dem Antrag des Klägers aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Beklagte sei in vier Fällen vom Vorwurf der Beleidigung seiner früheren Freundin freizustellen. Soweit es sich im Übrigen um außerdienstliches Verhalten handele, sei dieses disziplinarwürdig, weil es in besonderem Maße geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in einer für das Amt des Beklagten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Durch das von ihm begangene Dienstvergehen habe der Beklagte das Vertrauen der Allgemeinheit endgültig verloren, so dass er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen sei. Der Beklagte habe über einen erheblichen Zeitraum hinweg in einer Vielzahl von Fällen eine ganze Reihe seiner Dienstpflichten in unterschiedlichen Rechtsbereichen vorsätzlich verletzt. Sein Verhalten zeige, dass er in unterschiedlichen Rechts- und Pflichtenbereichen sowohl inner- wie außerdienstlich nicht mehr bereit gewesen sei, die Rechtsgüter anderer zu respektieren und Belange seines Dienstherrn und seiner Kollegen zu beachten, wenn diese der Verwirklichung seiner eigenen Interessen im Wege gestanden hätten. "Klassische" Milderungsgründe seien nicht gegeben. Die Berücksichtigung des übrigen Persönlichkeitsbildes des Beklagten bedinge ebenfalls nicht, von der Höchstmaßnahme abzusehen. Auch bei der gebotenen Abwägung aller für und gegen den Beklagten sprechenden Gesichtspunkte sei eine andere Disziplinarmaßnahme als die durch die Schwere seines Dienstvergehens indizierte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht geboten.
2. Die vom Beklagten in der Beschwerdebegründung der Sache nach geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
a) Die Verkündung des Urteils durch das Oberverwaltungsgericht in Abwesenheit auch des Beklagten begründet keinen Verfahrensmangel i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Insbesondere hat das Berufungsgericht dadurch nicht das Recht des Beklagten auf ein faires Verfahren verletzt.
Das Recht auf ein faires Verfahren hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs. 1 GG und gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Es enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten. Diese Konkretisierung ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers und sodann, in den vom Gesetz gezogenen Grenzen, Pflicht der zuständigen Gerichte bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 2055/14 - NStZ 2015, 172 Rn. 14 m.w.N.).
§ 58 Satz 1 LDG NW schreibt vor, dass Urteile in Disziplinarsachen in nicht- öffentlicher Sitzung zu verkünden sind. Das Oberverwaltungsgericht hat auch § 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO beachtet, wonach das Urteil, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin verkündet wird, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird. Die Beteiligten sind zur Teilnahme an der Verkündung des Urteils berechtigt; ihre Anwesenheit ist aber gesetzlich nicht vorgeschrieben. Nach § 312 Abs. 1 ZPO, der nach § 3 Abs. 1 LDG NW und § 173 VwGO im Verfahren vor den Disziplinargerichten anwendbar ist, ist die Wirksamkeit der Verkündung eines Urteils von der Anwesenheit der Parteien nicht abhängig; die Verkündung gilt auch derjenigen Partei gegenüber als bewirkt, die den Termin versäumt hat.
Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht vom 8. Juli 2015 lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, das Berufungsgericht habe den Vertretern der Beteiligten vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zugesichert, das Urteil zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in jedem Falle in ihrer Anwesenheit zu verkünden.
b) Mit dem Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Würdigung von Aussagen des Beklagten und der Zeugen lediglich zu Lasten des Beklagten agiert, das Berufungsgericht hätte nicht von einem Wissen des Beklagten hinsichtlich der Steuerpflichtigkeit seiner Nebeneinkünfte als Hausmeister ausgehen dürfen und seine Annahme widersprüchlichen Beklagtenvortrags sei unzutreffend, zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensmangel i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf.
Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur das verfahrensrechtliche Vorgehen auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2012 - 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7). Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie Beschluss vom 23. April 2015 - 2 B 63.14 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 67 Rn. 7 m.w.N.).
Einen derartigen Verfahrensmangel legt die Beschwerde nicht dar. Sie begnügt sich vielmehr damit, ihre Sichtweise an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts zu setzen.
c) Schließlich greift die Beschwerde die Wertung des Oberverwaltungsgerichts an, das von ihm festgestellte Dienstvergehen des Beklagten führe bei Abwägung aller bemessungsrelevanten Gesichtspunkte dazu, dass der Beklagte das Vertrauen der Allgemeinheit i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW endgültig verloren habe und deshalb aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen sei. Damit wird aber kein Grund für die Zulassung der Revision i.S.v. § 132 Abs. 2 und § 133 Abs. 3 VwGO dargelegt, sondern lediglich die inhaltliche Richtigkeit des Urteils des Oberverwaltungsgerichts im Sinne der Begründung einer Revision angegriffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NW und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NW erhoben werden.