Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 03.11.2011


BVerwG 03.11.2011 - 2 B 1/11

Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
03.11.2011
Aktenzeichen:
2 B 1/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 22. September 2010, Az: 16b D 09.2133, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Die auf Divergenz und Verfahrensmängel gestützte Beschwerde (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO) hat keinen Erfolg.

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1. Der Beklagte, ein Zollhauptsekretär (BesGr A 8), ist vom Verwaltungsgerichtshof nach § 9 BDG in das Amt eines Zollobersekretärs (BesGr A 7) zurückgestuft worden. Dabei ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, der Beklagte habe im Zeitraum von Februar bis Dezember 2004 seinen Dienst an 173 Tagen unter Verletzung der Vorschriften über die Kernzeit verspätet angetreten. Ferner sei der Beklagte in der Zeit vom 14. bis 30. März 2005 an insgesamt elf Tagen dem Dienst unerlaubt ferngeblieben. Für sieben Arbeitstage sei dem Beklagten lediglich Fahrlässigkeit anzulasten; dagegen habe der Beklagte in den vier Tagen ab dem 23. März 2005 vorsätzlich gehandelt. Den Vorwurf, am 18. April 2005 einen Urlaubstag ohne vorherige Genehmigung in Anspruch genommen zu haben, hat der Verwaltungsgerichtshof nach § 56 Satz 1 BDG ausgeschieden.

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2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

4

Die Auffassung des Senats in seinem zurückverweisenden Beschluss vom 29. Juli 2009 (- BVerwG 2 B 15.09 - Rn. 12), der Verwaltungsgerichtshof müsse den vom Beklagten erhobenen Mobbingvorwürfen nachgehen und gegebenenfalls aufklären, ob das dem Beklagten vorgeworfene Dienstvergehen mit schikanösen Verhaltensweisen seiner Mitarbeiter und Vorgesetzten in Zusammenhang gestanden habe, stellt keinen abstrakten Rechtssatz dar, von dem der Verwaltungsgerichtshof im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abgewichen sein könnte. Der vom Beklagten gerügte Verstoß gegen die Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO ist unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu würdigen (Beschluss vom 29. Juni 1977 - BVerwG 5 B 88.76 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 154 S. 30 f.).

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3. Die Revision ist auch nicht wegen Verfahrensmängeln (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

6

a) Die vom Beklagten ausdrücklich erhobene Verfahrensrüge, der Verwaltungsgerichtshof habe bei seiner neuerlichen Berufungsentscheidung die Bindungswirkung des zurückweisenden Senatsbeschlusses vom 29. Juli 2009 nicht beachtet, ist unbegründet.

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Nach § 144 Abs. 6 VwGO, der auch für Zurückverweisungen nach § 133 Abs. 6 VwGO gilt, hat das Tatsachengericht seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen. Die Bindungswirkung bezieht sich auf alle Punkte der rechtlichen Würdigung, die für die Aufhebung des ersten Urteils ursächlich (tragend) gewesen sind, wobei auch die - möglicherweise nicht ausdrücklich ausgesprochenen - logischen Voraussetzungen für die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts einzubeziehen sind (Beschlüsse vom 17. März 1994 - BVerwG 3 B 24.93 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 57 S. 1 f. und vom 21. August 1997 - BVerwG 8 B 151.97 - Buchholz 310 § 144 VwGO Nr. 65).

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Diese Bindungswirkung hat der Verwaltungsgerichtshof nicht missachtet. Wie in der Beschwerdebegründung unter Hinweis auf Rn. 12 des Senatsbeschlusses vom 29. Juli 2009 dargelegt, ist das Berufungsgericht verpflichtet, den vom Beklagten erhobenen Mobbingvorwürfen nachzugehen und gegebenenfalls aufzuklären, ob das dem Beklagten vorgeworfene Dienstvergehen mit schikanösen Verhaltensweisen seiner Mitarbeiter und Vorgesetzten in Zusammenhang stand. Dem Beschluss ist aber nicht im Einzelnen zu entnehmen, welche konkreten Verhaltensweisen der Mitarbeiter und Vorgesetzten des Beklagten aufzuklären sind oder welcher Zeitraum insoweit relevant ist. Da das Verhältnis von Mobbing und Dienstvergehen als bedeutsam angesehen wird, sind aufgrund der Zurückverweisung solche Verhaltensweisen aufzuklären, die zeitlich vor dem 30. März 2005 liegen. Das gegebenenfalls als Mobbing zu wertende Verhalten kommt als Motiv oder Beweggrund für das dem Beklagten angelastete Fehlverhalten nur in Betracht, wenn es dem Dienstvergehen zeitlich vorangegangen ist. Danach entspricht die vom Beklagten beanstandete Vorgehensweise des Verwaltungsgerichtshofs, sich auf Geschehnisse in der Zeit vor dem 30. März 2005 zu beschränken, der rechtlichen Beurteilung des zurückverweisenden Senatsbeschlusses im Sinne von § 144 Abs. 6 VwGO.

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Danach kommt es für den geltend gemachten Verfahrensmangel der Missachtung der Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO auf das Vorbringen des Beklagten zu nach dem 30. März 2005 liegenden Umständen und Verhaltensweisen nicht an. Da der Senat auf die Prüfung der fristgerecht geltend gemachten Beschwerdegründe beschränkt ist, ist es nicht seine Aufgabe zu erwägen, welchem sonstigen Verfahrensmangel dieser Vortrag mit Aussicht auf Erfolg zuzuordnen sein könnte. Sofern der Beklagte meint, auch Mobbingvorwürfe nach dem letzten Dienstvergehen seien im Rahmen der Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG von Bedeutung, ist hiermit kein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO bezeichnet oder sinngemäß dargelegt (§ 69 BDG und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

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b) Auch die Ablehnung der vom Beklagten in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisanträge begründet keinen Verfahrensmangel.

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Die Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt der Tatsacheninstanz aus zu beurteilen, selbst wenn dieser verfehlt sein sollte (Urteil vom 14. Januar 1998 - BVerwG 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119> und Beschluss vom 25. Januar 2005 - BVerwG 9 B 38.04 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 22, stRspr).

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Danach kommt es auf die in den Beweisanträgen unter Beweis gestellten Tatsachen nicht an. Teilweise beziehen sich die Anträge auf Umstände, die zeitlich nach den dem Beklagten vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen liegen (Beweisanträge Nr. 1 bis 5). Andere unter Beweis gestellte Tatsachen sind ausgehend von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts unerheblich, weil zwischen ihnen und den festgestellten Dienstpflichtverletzungen nicht der vom Verwaltungsgerichtshof geforderte Zusammenhang besteht (Beweisanträge Nr. 6, 7, 8, 10 und 11). Die im Antrag Nr. 9 unter Beweis gestellte Tatsache, die Klägerin habe den über Monate anhaltenden Verstoß eines anderen Beamten gegen die Vorschriften über die Gleitzeit wesentlich milder als im Fall des Beklagten geahndet, ist ebenfalls unerheblich. Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Sachverhalte wegen des zusätzlichen Dienstvergehens des Beklagten des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst für die Dauer von elf Tagen als nicht vergleichbar angesehen.

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c) Unbegründet ist auch die Verfahrensrüge, der Verwaltungsgerichtshof habe dadurch den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, dass er zu dessen Ungunsten einige seiner, in den Akten enthaltenen, Schreiben verwertet habe, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien.

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Nach § 3 BDG und § 108 Abs. 2 VwGO darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Diese Vorschrift ist hier nicht verletzt. Denn die den Beklagten betreffende Personalhauptakte, die Ermittlungsakte und auch die Disziplinarakten hatten dem Vertreter des Beklagten bereits im Oktober 2006 vorgelegen. Damit hatte der Beklagte Gelegenheit, sich zum Akteninhalt zu äußern. Zudem konnte der Beklagte sowohl dem Urteil des Verwaltungsgerichts als auch dem ersten Berufungsurteil vom 28. Oktober 2008 entnehmen, dass die Akten von den Instanzgerichten herangezogen werden.

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Selbst wenn angenommen wird, der Verwaltungsgerichtshof wäre verpflichtet gewesen, den Beklagten in der Berufungsverhandlung darauf hinzuweisen, dass er im Hinblick auf den von ihm erhobenen Vorwurf, seine Versetzung habe dazu gedient, seinen täglichen Anfahrtsweg zur Dienststelle zu erschweren und damit seine gesundheitlichen Beschwerden zu verstärken, dessen schriftliche Angaben zu seinem Wohnsitz verwerten will, hat der Beklagte einen Verfahrensmangel nicht dargelegt. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsansicht des Berufungsgerichts kommt es für die Beurteilung der für eine Versetzung relevanten Frage des Wohnsitzes eines Beamten auf die der zuständigen Behörde vorliegenden Akten an. Diese hat das Berufungsgericht ausgewertet. Es hat sich auch mit dem Vorbringen des Beklagten zu seinem tatsächlichen Wohnsitz auseinander gesetzt. Darauf kommt es jedoch nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht an.

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4. Soweit in der Beschwerdebegründung die Richtigkeit der Bemessungsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, etwa wegen der Nichtberücksichtigung der Dauer des Verfahrens, angegriffen wird, ist der Beschwerde nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, auf welchen Revisionszulassungsgrund sie sich stützt. Insoweit wird lediglich nach Art einer Berufung oder Revision die eigene Rechtsansicht der des Berufungsgerichts entgegen gestellt.