Entscheidungsdatum: 25.11.2010
Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen hat und nicht absehbar ist, ob und ggf. wann er vorzeitig aus der Haft entlassen wird, liegt im Regelfall - unbeschadet einer abschließenden Interessenabwägung - ein personenbedingter Grund zur Kündigung vor.
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Oktober 2008 - 21 Sa 28/08 - aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2008 - 19 Ca 6145/07 - wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der 1968 geborene, ledige Kläger war seit Januar 1989 bei der Beklagten als Lagerarbeiter im Ersatzteileversand tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 3.346,65 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.
Am 9. Februar 2006 wurde der Kläger an seinem Arbeitsplatz durch Polizeibeamte vorläufig festgenommen, wobei auch sein Spind und sein Fahrzeug durchsucht wurden. Ab dem Folgetag erschien er wieder regelmäßig zur Arbeit.
Am 24. Mai 2007 - einen Tag vor Beginn eines ihm bereits bewilligten Erholungsurlaubs - teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe am 18. Juni 2007 eine Haftstrafe anzutreten. Kurz darauf legte er seine Ladung zum Strafantritt vor. Daraus ergab sich, dass gegen ihn am 15. Dezember 2006 unter Einbeziehung einer vorhergehenden Verurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verhängt worden war. Er gab an, die Ladung erst in der laufenden Woche erhalten zu haben und wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt worden zu sein. Der Aufforderung der Beklagten, das strafgerichtliche Urteil vorzulegen, kam er nicht nach.
Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats wegen „hoher und anhaltender Abwesenheitszeiten durch Freiheitsentzug“ ordentlich zum 31. Dezember 2007.
Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Mit haftbedingten Störungen des Betriebsablaufs sei bei einem Großbetrieb wie dem der Beklagten nicht zu rechnen gewesen. Dieser sei die Überbrückung seiner Abwesenheitszeit zumutbar gewesen. Zumindest die Interessenabwägung falle zu seinen Gunsten aus. Das Arbeitsverhältnis sei - unstreitig - beanstandungsfrei verlaufen. Seine Mitteilungspflichten habe er erfüllt. Erst Mitte April habe er von der Verwerfung seiner Revision gegen die Verurteilung erfahren. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht absehbar gewesen, wann er mit dem Strafantritt habe rechnen müssen. Zur Vorlage des Strafurteils sei er nicht verpflichtet gewesen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2007 nicht aufgelöst worden ist. |
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei gerechtfertigt. Sie habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen müssen, dass der Kläger für die Dauer der verhängten Haftstrafe nicht in der Lage sein würde, seine Arbeitspflicht zu erfüllen. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege bereits im Fehlen der Möglichkeit, den Kläger bei der Personaleinsatzplanung zu berücksichtigen. Im Übrigen seien Betriebsablaufstörungen - wie im Fall der Krankheit - indiziert. Dass bei der Strafhaft anders als bei Krankheit der Zeitpunkt der Rückkehr in den Betrieb annähernd fest stehe, sei unbeachtlich. Auch im Fall eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers sei eine Genesung nicht auszuschließen. Die Interessenabwägung führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe die Leistungsunmöglichkeit selbst verschuldet. Außerdem habe er sich vor Antritt der Haft nicht kooperativ verhalten. Mangels Kenntnis von den Gründen der Verurteilung sei es ihr nicht möglich gewesen zu prüfen, ob die Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis gehabt hätten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2007 mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst worden.
I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
1. Als personenbedingter Grund zur Kündigung kommen solche Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB aF - auch eine Arbeitsverhinderung, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Diese Betrachtung lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (Senat 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - aaO).
Eine Würdigung des Geschehens unter verhaltensbedingten Gründen ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (vgl. Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen solchen, im Verhalten des Klägers begründeten Kündigungssachverhalt beruft sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung ausschließlich auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers. Die geltend gemachten Versäumnisse bei der Unterrichtung über seine Freiheitsstrafe sollen ersichtlich nur unterstützend Berücksichtigung finden.
2. Voraussetzung einer - ordentlichen wie außerordentlichen - Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BAGE 17, 186). Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich außerdem nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Satz 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie von Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrückung regelmäßig nicht die gleichen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - aaO).
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die haftbedingt zu erwartende Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.
a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zur Bestätigung oder Korrektur einer zuvor getroffenen Prognose herangezogen werden (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, NZA 2010, 1227; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).
b) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte aufgrund der gegen den Kläger rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe damit rechnen, dass dieser für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert wäre. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Vollzugslockerung durch die Gewährung von Freigang (§ 11 StVollzG in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Dass ihm dies konkret, etwa im Rahmen eines Vollzugsplans (§ 7 StVollzG) in Aussicht gestellt worden wäre, hat der Kläger nicht behauptet. Die nach § 57 Abs. 1 StGB grundsätzlich bestehende Möglichkeit, eine mehr als zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn der Arbeitnehmer zwei Drittel der verhängten Strafe verbüßt hat, war bei der anzustellenden Prognose nicht zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Nach § 57 Abs. 1 StGB ist wesentlicher Entscheidungsgesichtspunkt für die vorzeitige Haftentlassung ua. das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug und nicht zuletzt ihre Einwilligung. Dies konnte von der Beklagten nicht vorausschauend für den Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem die Strafvollstreckungsbehörde voraussichtlich über die vorzeitige Haftentlassung entscheiden würde. Statistische Werte sagen über die Entwicklung im konkreten Einzelfall nichts aus.
c) Mit der Frage, welche Anforderungen nach § 1 Abs. 2 KSchG an die betrieblichen Auswirkungen der Strafhaft zu stellen sind, wenn im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Nichterfüllung der Arbeitspflicht zu rechnen war, hat sich der Senat noch nicht eingehend befassen müssen. Gegenstand einer früheren Entscheidung war eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung. Seine Auffassung, (auch) die ordentliche Kündigung sei unwirksam, hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass die einzuhaltende Kündigungsfrist länger war als die Dauer der zu verbüßenden Freiheitsstrafe und der Arbeitgeber daher bereits vor Ablauf der Frist wieder auf den Arbeitnehmer hätte zurückgreifen können (15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 b bb, c und 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Im Hinblick auf eine dreimonatige Untersuchungshaft hat der Senat eine ordentliche Kündigung mit der Begründung für unwirksam erachtet, es fehle an - negativen oder positiven - Erkenntnissen über die voraussichtliche Haftdauer und erhebliche betriebliche Auswirkungen seien nicht festgestellt (20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154). In dem Fall einer bei Kündigungsausspruch bereits sieben Monate andauernden Untersuchungshaft hat er die Kündigung für wirksam erachtet und ausgeführt, der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen habe es nicht bedurft, da im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen sei, ob der Arbeitnehmer je auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren und wann dies der Fall sein würde. Dabei hat er auf die zur Kündigung wegen langanhaltender Krankheit entwickelten Rechtsgrundsätze abgestellt und ausgeführt, Umstände, die geeignet seien, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, rechtfertigen allemal eine Kündigung wegen Inhaftierung (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11).
d) Der Senat geht generell von dem Grundsatz aus, der weiteren Darlegung von Betriebsablaufstörungen bedürfe es nicht, wenn der Arbeitnehmer auf Dauer an der Arbeitsleistung gehindert ist (3. Dezember 1998 - 2 AZR 773/97 - zu II 1 und 2 d der Gründe mwN, BAGE 90, 230). Dem steht es im Fall langanhaltender Erkrankung gleich, wenn im Kündigungszeitpunkt die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss ist und mit ihr jedenfalls in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann. Als absehbare Zeit ist dabei mit Blick auf die Regelungen zur sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG; § 1 Abs. 1 BeschFG aF) ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen. Eine solche Zeitspanne kann durch Einstellung einer Ersatzkraft in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei geringen rechtlichen Risiken überbrückt werden (Senat 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271; seither st. Rspr., bspw. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234).
e) Eine unmittelbare Übertragung dieser Grundsätze auf die Fälle rechtskräftig verhängter zeitiger Freiheitsstrafe kommt nicht in Betracht. Bei diesen ist der Wegfall des Leistungshindernisses im Kündigungszeitpunkt nicht ungewiss. Vielmehr steht grundsätzlich fest, für welchen Zeitraum der Arbeitnehmer längstens an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert sein wird. Tatsachen, aus denen sich im Streitfall etwas anderes ergeben könnte, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Soweit sie meint, bei einer Verurteilung wegen Drogenhandels - wie hier - sei regelmäßig mit der Aufdeckung weiterer Taten und dementsprechend einer Haftzeitverlängerung (Überhaft) zu rechnen, bewegt sie sich im spekulativen Bereich.
f) Gleichwohl war der Beklagten wegen der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe und der damit zusammenhängenden Störung des Austauschverhältnisses ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesichts der vom Kläger noch zu verbüßenden, 24 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe nicht.
aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.
bb) Der Beklagten war es nicht zumutbar, zur Beseitigung dieser langfristigen Störung bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freizuhalten.
(1) Angesichts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung ist fraglich, ob dem Arbeitgeber bei rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei befristeter Einstellung läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient diese üblicherweise nicht dem Zweck, haftbedingte Ausfälle zu überbrücken. Auch mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu kalkulieren sein als die einer Untersuchungshaft von unabsehbarer Dauer. Dennoch besteht die Unsicherheit, ob nicht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslockerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon nicht rechtzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl von der Ersatzkraft als auch von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspruch genommen wird (Franzen Anm. zu Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).
(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen.
Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für die Fälle, in denen er es für erforderlich erachtet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönlicher Leistungsverhinderung mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen (Schutz von Ehe und Familie; Erfüllung staatsbürgerschaftlicher Pflichten) zu sichern, ausdrückliche, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 PflegeZG; § 1 ArbPlSchG) getroffen hat. Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung rechtfertigen sich daraus, dass eine Krankheit - anders als Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war.
(3) Damit wird nicht, wie der Kläger meint, der Anerkennung eines „absoluten Kündigungsgrunds“ Vorschub geleistet. Die Frage, ob dem Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen zumutbar waren oder nicht, betrifft lediglich ein Element des Kündigungsgrundes. Ihre Beantwortung ist das Ergebnis einer die Interessen des Arbeitnehmers einbeziehenden Gesamtwürdigung.
cc) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald einen Freigängerstatus erlangen würde, waren bei Kündigungsausspruch nicht ersichtlich. Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger in einem solchen Bemühen zu unterstützen. Eine dahingehende, aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ist nur gegeben, wenn die Beschäftigung eines „Freigängers“ für ihn nicht risikobehaftet ist (vgl. Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Dies sachgerecht zu beurteilen war der Beklagten nicht möglich. Der Kläger war nicht bereit gewesen, ihr auf Anfrage Einsicht in das Strafurteil zu gewähren. Hier bestand eine Obliegenheit zur Offenlegung der Gründe seiner Verurteilung jedenfalls deshalb, weil er gerade im Betrieb vorläufig festgenommen und sein Spind durchsucht worden war. Einen anderen Weg, wie sich die Beklagte in geeigneter Weise der Risikofreiheit einer Beschäftigung hätte vergewissern können, hat der Kläger nicht aufgezeigt.
4. Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu dessen Gunsten seine 18 Jahre lange, beanstandungsfrei gebliebene Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst verschuldet und es kommt hinzu, dass er die Beklagte sogar nach Erhalt der Ladung zum Haftantritt nicht unverzüglich unterrichtet, sondern damit bis zum Antritt seines Erholungsurlaubs zugewartet hat. Seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) hätte stattdessen geboten, der Beklagten spätestens bei der Ladung zum Haftantritt die Chance zu geben, sich auf die künftigen Gegebenheiten einzustellen.
II. Ein anderer Unwirksamkeitsgrund liegt nicht vor. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen, nachdem die Beklagte dazu erstinstanzlich im Einzelnen vorgetragen hatte.
III. Die Einhaltung der für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Kündigungsfrist steht zwischen den Parteien außer Streit. Sie ist ersichtlich auch gewahrt.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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