Entscheidungsdatum: 22.11.2012
1. Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. März 2011 - 5 Sa 376/10 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Beklagten zu 1. gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 9. März 2010 - 2 Ca 1681/08 - zurückgewiesen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist. Der mit der ursprünglichen Beklagten zu 2. wegen eines Rückkehranspruchs geführte Rechtsstreit ist rechtskräftig zulasten des Klägers abgeschlossen.
Der 1960 geborene Kläger war bei der Beklagten zu 1. (im Folgenden: Beklagte) und deren Rechtsvorgängerinnen seit 1999 unter Anrechnung der Zeit eines seit 1974 bestehenden Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Er war zuletzt als Disponent tätig. Sein Einsatz erfolgte am Standort T.
Die Beklagte gehört einem Konzern an. Bei den ihm zugehörigen Unternehmen waren im Jahr 2008 über 2.000 Arbeitnehmer beschäftigt, davon ca. 720 - unter ihnen der Kläger - im Bereich „Technical Operations/Netzinfrastruktur“. 45 % der in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer waren - wie der Kläger - tariflich nicht mehr ordentlich kündbar. Der Konzern ist in sechs Regionen aufgeteilt. Auf der Grundlage eines zwischen der Gewerkschaft ver.di auf der einen und drei Konzernunternehmen - darunter die Rechtsvorgängerin der Beklagten - auf der anderen Seite geschlossenen Zuordnungstarifvertrags ist in jeder Region ein einheitlicher, unternehmensübergreifender Betriebsrat gebildet.
Im Jahr 2008 beschloss die Beklagte, die Aufgaben der Servicetechniker zweier Tätigkeitsbereiche weitgehend an ein Drittunternehmen zu vergeben und ab dem 1. Juli 2009 nicht mehr durch eigene Mitarbeiter ausführen zu lassen. Dies führte zum Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze, so auch sämtlicher Disponentenstellen am Standort T. Dazu vereinbarten die drei Gesellschaften am 12. November 2008 mit dem Konzernbetriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 kündigte die Beklagte nach Anhörung des zuständigen Betriebsrats das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Juli 2009.
Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem wichtigen Grund. Die Beklagte habe die Arbeiten nicht an Dritte vergeben dürfen, weil hierdurch die Beschäftigungsmöglichkeiten für eine große Zahl ordentlich unkündbarer Mitarbeiter weggefallen seien. Er sei überdies ohne längere Einarbeitungszeit im Bereich „Planung“ und als Serviceteam-Manager einsetzbar. Im Übrigen habe die Beklagte die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten und den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört.
Der Kläger hat, soweit noch von Belang, beantragt
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1. |
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 9. Dezember 2008 zum 31. Juli 2009 nicht beendet worden ist; |
2. |
für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Disponent weiterzubeschäftigen. |
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen. Ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an ein Drittunternehmen zu vergeben, sei zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlich gewesen. Mit den betreffenden Dienstleistungen externe Anbieter zu betrauen, sei um 50 % günstiger als sie mit eigenen Arbeitnehmern auszuführen. Ihre Maßnahme sei auch mit Blick auf den hohen Anteil davon betroffener ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer nicht willkürlich. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten habe es nicht gegeben. Der Kläger könne nicht als Planer eingesetzt werden. Die damit verbundenen Aufgaben könne er auch nach mehr als einem Jahr Einarbeitungszeit nicht erfüllen. Bei den Stellen der Serviceteam-Manager handele es sich um Beförderungsstellen.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.
Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam ansehen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).
I. Die außerordentliche Kündigung vom 9. Dezember 2008 erweist sich aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht als unwirksam.
1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).
b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - Rn. 25 mwN, BAGE 122, 264). Allerdings ist der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - aaO; 10. Mai 2007 - 2 AZR 626/05 - aaO). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber in diesem Fall zwingend eine der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18 mwN).
c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen ergeben.
aa) Die einer solchen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung als solche ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 23. Februar 2012 - 2 AZR 548/10 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 189 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 166).
bb) Dies gilt auch in den Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist (BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 362/04 - zu B V 3 a der Gründe, AP BAT § 53 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 14; Kiel NZA Beil. 1/2005, 18, 22). Die Gestaltung des Betriebs, die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, ist Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31; 17. Juni 1999 - 2 AZR 522/98 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 92, 61; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird (HaKo-Gallner/Mestwerdt 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 749; KR-Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 158; APS/Kiel 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 318d; ders., NZA Beil. 1/2005, 18, 22; aA - Outsourcing nur bei ansonsten unvermeidbarer Betriebsschließung - KDZ/Däubler 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 163; Däubler FS Heinze S. 121, 127).
cc) Der durch Art. 12 Abs. 1 GG gleichermaßen gewährleistete Schutz der betroffenen Arbeitnehmer steht dem nicht entgegen. Die Berufswahlfreiheit iSv. Art. 12 Abs. 1 GG bietet keinen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Allerdings strahlt das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Bestandsschutz auf die Auslegung und Anwendung der kündigungsrechtlichen Vorschriften aus. Daher haben die Gerichte von Verfassungs wegen zu prüfen, ob von deren Anwendung im Einzelfall Grundrechte des Arbeitnehmers berührt sind. Trifft das zu, haben sie die einfachgesetzlichen Vorschriften, soweit möglich, im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (BVerfG 19. März 1998 - 1 BvR 10/97 - NZA 1998, 587; 8. Juli 1997 - 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95, 1 BvR 2189/95 - BVerfGE 96, 171; BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 103, 31; Rost JbArbR Bd. 39 S. 83, 86). Dem entspricht es, dass die Darlegung der Kündigungsgründe umso detaillierter sein muss, je näher die fragliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss heranrückt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 22, EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 167; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 186 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 165).
2. In Anwendung dieser Grundsätze durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, es liege bereits deshalb kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor, weil die Beklagte wegen des hohen Anteils ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer die Fremdvergabe der Tätigkeiten hätte unterlassen müssen. Die von ihr getroffene Organisationsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Beklagte hat geltend gemacht, ihre Entscheidung, einen Teil der Arbeiten an Dritte zu vergeben, sei erforderlich gewesen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der „Einkauf“ der betreffenden Dienstleistungen bei externen Anbietern sei um 50 % günstiger als die Durchführung der Arbeiten mit eigenen Arbeitnehmern.
b) Diese Erwägungen sind weder sachfremd noch willkürlich. Ihre Umsetzung ist vom Grundrecht des Arbeitgebers nach Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, diesem eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in seine Kostenkalkulation einzugreifen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 636/01 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31).
c) Die Entscheidung der Beklagten verstößt nicht gegen die Regelung des besonderen Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer in § 24 MTV Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG vom 8. August 2002.
aa) Nach dem Vorbringen beider Parteien findet diese Bestimmung auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung. Zwar hat das Landesarbeitsgericht insoweit keine bindenden Feststellungen getroffen. Ihre Anwendbarkeit - oder die einer gleichlautenden tariflichen Regelung - kann aber zugunsten des Klägers unterstellt werden.
bb) Die Vorschrift beschränkt die Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers gegenüber den geschützten Arbeitnehmern zwar auf Fälle, in denen ein „wichtiger Grund“ gegeben ist. Darin liegt aber kein Verbot der Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der besondere tarifliche Kündigungsschutz schränkt nicht die Freiheit des Unternehmers ein, Umstrukturierungen vorzunehmen, mit denen der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden ist, sondern erhöht die Anforderungen an seine Bemühungen, gleichwohl die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn von der unternehmerischen Maßnahme ein hoher Prozentsatz ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist. Auch in diesem Fall ist nicht schon die unternehmerische Maßnahme als solche (tariflich) ausgeschlossen.
cc) Die entgegenstehende Ansicht des Landesarbeitsgerichts entbehrt der verfassungsrechtlichen und tariflichen Grundlage. Art. 12 Abs. 1 GG verlangt den Ausschluss der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Wird er tariflich vereinbart, lassen sich seine Rechtsfolgen deshalb nicht anhand von Art. 12 Abs. 1 GG bestimmen. Die Regelung in § 24 MTV selbst unterscheidet nicht danach, ob einem einzelnen, einigen wenigen oder einer Vielzahl von sondergeschützten Arbeitnehmern gekündigt werden soll. In allen Fällen ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich, in keinem Fall ist schon die sie auslösende unternehmerisch-organisatorische Maßnahme als solche tariflich ausgeschlossen.
d) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dieses Ergebnis nicht im Widerspruch zu den Anforderungen an eine Änderungskündigung zum Zwecke der Entgeltreduzierung. Der vom Landesarbeitsgericht angesprochene vermeintliche Widerspruch ist dabei nicht auf die Fälle außerordentlicher betriebsbedingter Beendigungskündigungen aus Anlass von Restrukturierungsmaßnahmen beschränkt. Er wäre auch dann nicht aufgehoben, wenn nur ordentliche Beendigungskündigungen „leichter“ möglich wären als funktional äquivalente Änderungskündigungen zur Entgeltabsenkung (für die unterschiedlichen rechtlichen Konsequenzen, die daraus gezogen werden vgl. einerseits Kühling AuR 2003, 92; Stein AuR 2003, 99, andererseits Reuter RdA 2004, 161). Der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse ist auch eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung möglich (BAG 10. September 2009 - 2 AZR 822/07 - Rn. 34, BAGE 132, 78). Diese Erfordernisse sind vom Arbeitgeber freilich schlüssig und substantiiert darzulegen. Sie sind etwa mit der bloßen Behauptung, eine wirtschaftliche Analyse habe ergeben, eine Entgeltabsenkung sei unabweisbar, nicht hinreichend dargetan. Einem solchen - unzureichenden - Vortrag entspräche bei der Beendigungskündigung das Vorbringen, der Arbeitgeber habe sich, da unabweisbar nötig, entschlossen, bestehende Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Ein solcher Vortrag wäre gleichermaßen unzureichend. Sowohl Änderungs- als auch Beendigungskündigungen bedürfen der Rechtfertigung durch „betriebliche“ Erfordernisse, dh. durch Erfordernisse außerhalb ihrer selbst. Dass die substantiierte Darlegung des Wegfalls von Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund des Entschlusses zur Betriebs(teil)schließung eine weniger komplexe Erläuterung erfordern mag als die Darlegung eines betrieblichen Erfordernisses zur Lohnabsenkung bei Fortbestand des Beschäftigungsbedürfnisses und gleicher Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, ist den objektiven Umständen und Unterschieden und nicht prinzipiell anderen Anforderungen an das Arbeitgebervorbringen geschuldet.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
1. Die Kündigung ist nicht wegen Nichteinhaltens der zweiwöchigen Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die - von der Beklagten behauptete - Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers ist ein „Dauertatbestand“. Die Frist beginnt deshalb stets von Neuem (vgl. BAG 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10).
2. Die Kündigung ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 Satz 1, 2 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den zuständigen Betriebsrat angehört und ihm die Gründe für die Kündigung mitgeteilt.
a) An die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung der Kündigungsgründe im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die die Kündigung aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). Erst eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung führt zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20).
b) Im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG gilt eine abgestufte Darlegungslast (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 104/09 - Rn. 28; 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12). Zunächst hat der Arbeitgeber auf einen entsprechenden Einwand des Arbeitnehmers hin im Einzelnen und nachvollziehbar darzulegen, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Sodann obliegt es dem Arbeitnehmer vorzutragen, in welchen Punkten er die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft hält.
c) Danach ist die Betriebsratsanhörung im Streitfall wirksam erfolgt. Die Beklagte hat unter Vorlage des Anhörungsschreibens schlüssig vorgetragen, den zuständigen Betriebsrat Anfang Dezember 2008 zur beabsichtigten Kündigung angehört zu haben. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, im Einzelnen darzulegen, inwieweit die Betriebsratsanhörung gleichwohl unvollständig und damit fehlerhaft gewesen sein soll. Einen solchen Vortrag hat er nicht gehalten.
III. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegeben war, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers auch nach Umsetzung ihrer Organisationsentscheidung noch möglich und zumutbar war. Dies wird es unter Beachtung der nachstehenden Erwägungen nachzuholen haben.
1. Die Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung eines vom Wegfall seines bisherigen Arbeitsplatzes betroffenen ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers sind hoch. Es muss sichergestellt sein, dass eine Kündigung unumgänglich ist.
a) Bei der Prüfung, ob eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer zulässig ist, ist zunächst die tarifliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsschutzes als solche zu berücksichtigen. Stellt schon die tarifliche Regelung selbst dem Arbeitgeber bestimmte Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich bei dringenden betrieblichen Gründen aus einem unzumutbar gewordenen vertraglichen Zustand zu lösen, so hat er zunächst von diesen Gebrauch zu machen. Erst wenn feststeht, dass auch sie versagen, kann eine außerordentliche Kündigung - mit Auslauffrist - gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in Betracht kommen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2).
aa) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass sich der besondere Kündigungsschutz des Klägers aus § 24 des zwischen der Kabel Rheinland-Pfalz/Saarland GmbH & Co. KG und ver.di am 8. August 2002 abgeschlossenen Manteltarifvertrags ergibt. Allerdings ist nicht erkennbar, ob dessen Anwendbarkeit und die möglicher, die persönlichen Voraussetzungen des tariflichen Kündigungsschutzes modifizierender Sonderregelungen auf beiderseitiger Tarifgebundenheit oder einzelvertraglicher Inbezugnahme beruht. Eine beiderseitige Tarifgebundenheit ist nicht festgestellt. Eine vertragliche Bezugnahme ist zwar in § 2 des Arbeitsvertrags vom 16./25. September 1999 enthalten. Danach unterliegt das Arbeitsverhältnis „den für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung“. Es steht bislang aber nicht fest, dass dazu der genannte Tarifvertrag zählt. Das Landesarbeitsgericht wird den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben und entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
bb) Sollte auf das Arbeitsverhältnis die von den Parteien für anwendbar gehaltene tarifliche Bestimmung oder doch eine ihr entsprechende Regelung anzuwenden sein, wäre darin beim Wegfall der Möglichkeit einer Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen die Möglichkeit einer ordentlichen Änderungskündigung vorgesehen. Dies hätte zur Folge, dass eine außerordentliche Beendigungskündigung gegenüber dem Kläger nur in Betracht kommt, wenn selbst eine ordentliche, nicht an das Vorliegen eines wichtigen Grundes gebundene Änderungskündigung ausscheidet, um das Arbeitsverhältnis als solches zu beiderseits zumutbaren anderen Bedingungen aufrechterhalten zu können.
b) Das Landesarbeitsgericht wird bei der Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen haben, die zwar nicht bei der Beklagten selbst, wohl aber bei einem derjenigen Konzernunternehmen bestehen, die - oder deren Rechtsvorgänger - ebenfalls Parteien des am 12. November 2008 vereinbarten Interessenausgleichs waren.
aa) Das Kündigungsschutzgesetz ist zwar nicht konzernbezogen. Der Arbeitgeber ist vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem Betrieb eines anderen Unternehmens unterzubringen. Ausnahmsweise kann eine solche Pflicht jedoch bestehen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27 mwN, ZIP 2013, 330; grundlegend: 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 - BAGE 41, 72). Dies gilt etwa dann, wenn sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder wenn sich eine solche Verpflichtung aus einer vertraglichen Absprache oder einer in der Vergangenheit geübten Praxis ergibt (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - Rn. 27, aaO). Weitere Voraussetzung ist, dass der Vertragsarbeitgeber auf die „Versetzung“ einen bestimmenden Einfluss hat. Die Entscheidung über sie darf grundsätzlich nicht dem zur Übernahme bereiten Unternehmen vorbehalten bleiben. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Möglichkeit der Einflussnahme aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen oder nur faktisch besteht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 62/11 - aaO; 26. Juni 2008 - 2 AZR 1109/06 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 180).
bb) Im Streitfall erstreckt sich die Pflicht der Beklagten, Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch außerhalb ihres Unternehmens zu suchen, jedenfalls auf diejenigen Konzernunternehmen, welche - ggf. in Person eines Rechtsvorgängers - Parteien des Interessenausgleichs vom 12. November 2008 sind. Dort haben sich die beteiligten Unternehmen verpflichtet, in jedem Einzelfall vor Ausspruch einer Beendigungskündigung zu überprüfen, „ob unter Berücksichtigung der Anforderungsprofile vorhandener, freier Arbeitsplätze sowie zumutbarer Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen bestehen …“. Als „das Unternehmen“ sind nach der Bezeichnung der Parteien im Interessenausgleich die beteiligten Unternehmen in ihrer Gesamtheit anzusehen.
2. Den hohen materiellrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen eines aus betrieblichen Erfordernissen resultierenden wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB entsprechen die prozessualen Anforderungen an den Umfang der Darlegungen des Arbeitgebers (BAG 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 228 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2). Der Arbeitgeber hat von sich aus darzutun, dass keinerlei Möglichkeit besteht, das Arbeitsverhältnis - ggf. zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung - sinnvoll fortzusetzen. Anders als bei der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung reicht es nicht aus, dass er zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls seines Arbeitsplatzes nicht möglich, um sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abzuwarten. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - aaO). Dass dies - wie die Beklagte meint - für einen „großen“ Arbeitgeber mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, vermag daran nichts zu ändern. Die höhere Darlegungslast ist lediglich die Folge des höheren tariflichen Bestandsschutzes.
IV. Die Zurückverweisung umfasst auch den Weiterbeschäftigungsantrag.
V. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
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