Entscheidungsdatum: 18.10.2018
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 1. Februar 2018 - 7 Sa 557/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Parteien streiten über die Änderung von Arbeitsvertragsbedingungen durch die Beklagte.
Der Kläger war bei der Beklagten im Betrieb „Direktvertrieb und Beratung“ (DTDB) beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis fanden kraft vertraglicher Bezugnahme die für den Betrieb einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Am 21. Juni 2011 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di den „TV Bereichsausnahme DTDB“. Er sah für Arbeitnehmer, die dem Betrieb DTDB „angehören“, vor, dass auf sie - mit Ausnahme von drei hier nicht interessierenden Regelwerken - nicht die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge Anwendung fänden, sondern die der T Deutschland GmbH (TDG) in der jeweils aktuellen Fassung. Lediglich die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit (BQE) sollte diejenige im Sinne des TV Ratio der Beklagten sein.
Die Beklagte legte den Betrieb DTDB zum 31. Juli 2013 still. Aus diesem Anlass kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers unter dem 8. Juli 2013 und bot ihm eine Tätigkeit als Arbeitnehmer in der BQE „V“ zu den im TV Ratio TDG geregelten Bedingungen an. Mit Urteil vom 22. September 2016 (- 2 AZR 239/15 -) stellte der Senat die Unwirksamkeit dieser Kündigung fest, weil zum Zeitpunkt ihres Zugangs der TV Ratio TDG noch nicht wirksam zustande gekommen war.
Nach § 3 Abs. 2 TV Ratio TDG sind, wenn eine Gesamtheit gleicher Arbeitsplätze wegfällt, alle bislang auf diesen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer in die BQE zu versetzen. Gemäß § 5 Abs. 1 TV Ratio TDG erhalten sie ein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Änderungsvertrags. Alternativ können sie einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen (§ 5 Abs. 2 TV Ratio TDG). Lehnt ein Arbeitnehmer beide Angebote ab, erfolgt nach § 5 Abs. 3 Satz 1 TV Ratio TDG eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Angebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu entsprechend geänderten Bedingungen in der BQE. Abweichend von § 25 MTV TDG gelte dafür eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG). Nach § 25 Abs. 3 MTV TDG beträgt die Kündigungsfrist für beide Teile nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens drei Jahren zwei Monate und für eine arbeitgeberseitige Kündigung nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zwölf Jahren sieben Monate jeweils zum Ende eines Kalendermonats. § 26 MTV TDG bestimmt einen besonderen Kündigungsschutz für ältere und länger beschäftigte Arbeitnehmer. Nach seinem Abs. 3 bleibt bei diesen eine ordentliche Kündigung zum Zwecke der Änderung des Arbeitsvertrags möglich, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dringenden betrieblichen Gründen nicht mehr möglich ist.
Mit Schreiben vom 18. August 2016 kündigte die Beklagte - nach erneutem erfolglosen Durchlaufen des „Angebotsverfahrens“ gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 TV Ratio TDG und Anhörung des Betriebsrats - das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Beachtung der Kündigungsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG zum Ablauf des 15. September 2016, hilfsweise unter Beachtung der Kündigungsfrist des § 25 Abs. 3 MTV TDG zum Ablauf des 31. März 2017 und äußerst hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Zugleich bot sie dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 16. September 2016, hilfsweise ab dem 1. April 2017 und hilfsweise ab dem nächstzulässigen Termin „als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 TV Ratio TDG in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit TPS der [Beklagten] zu den in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG (nebst Anlagen) genannten Bedingungen“ an. Im Übrigen sollten die Vertragsbedingungen unverändert bleiben. Dem Schreiben waren eine Ablichtung des Textes des TV Ratio TDG ohne Anlagen sowie ein Merkblatt über die wesentlichen Regelungen dieses Tarifvertrags beigefügt. Das vollständige Tarifwerk einschließlich der Anlagen ist im Intranet der Beklagten abrufbar.
Der Kläger hat rechtzeitig den Vorbehalt nach § 2 KSchG erklärt und fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Sein Arbeitsverhältnis könne nicht ordentlich gekündigt werden. Jedenfalls fehle es an einem hinreichend bestimmten Vertragsangebot. Der TV Ratio TDG sei nach der Stilllegung des Betriebs DTDB auf sein Arbeitsverhältnis nicht mehr anzuwenden. Schließlich habe die Beklagte wegen der Regelung in § 622 Abs. 6 BGB nicht wirksam mit der kurzen Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG kündigen können.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
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festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 18. August 2016 unwirksam ist. |
Das Arbeitsgericht ist dem Klageabweisungsantrag der Beklagten teilweise gefolgt und hat eine wirksame Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen erst zum 31. März 2017 angenommen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren vollumfänglich weiter.
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Änderungsschutzantrag gegen die Kündigung zum 15. September 2016 zu Recht abgewiesen. Die weiteren Änderungsschutzanträge fallen dem Senat nicht zur Entscheidung an.
I. Die Klage umfasst drei Anträge nach § 4 Satz 2 KSchG.
1. Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 18. August 2016 eine unbedingte Kündigung zum 15. September 2016 ausgesprochen. Zudem hat sie erklärt, das Arbeitsverhältnis „hilfsweise“ zum 31. März 2017 und „äußerst hilfsweise“ zum nächstmöglichen Termin zu kündigen. Diese beiden Kündigungen standen unter einer - zulässigen - auflösenden Rechtsbedingung (§ 158 Abs. 2 BGB). Die Beklagte hat sie nur für den Fall ausgesprochen, dass die Arbeitsvertragsbedingungen nicht aufgrund einer vorrangigen Kündigung geändert worden sein sollten (für das Verhältnis von mehreren Beendigungskündigungen zueinander vgl. BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 15, BAGE 152, 47). Andernfalls soll auch das mit der bedingten Kündigung verbundene Vertragsangebot hinfällig sein.
2. Der Kläger konnte in Bezug auf jede der Kündigungen entscheiden, ob er das mit ihr verbundene Vertragsangebot ablehnen oder mit bzw. ohne Vorbehalt annehmen wollte. Er hat alle drei Offerten unter dem Vorbehalt nach § 2 KSchG angenommen.
3. Sein Klagebegehren ist dahin auszulegen, dass der Kläger sämtliche Kündigungen angreift, die beiden hilfsweise erklärten allerdings nur dann, wenn nicht schon die jeweils „vorgehende“ die Arbeitsvertragsbedingungen geändert haben sollte. Die weiteren Änderungsschutzanträge sind deshalb als unechte Hilfsanträge zu verstehen. Sie sind zwar mit Klageerhebung rechtshängig geworden und würden damit die Frist des § 4 Satz 1 KSchG wahren. Ihre Rechtshängigkeit ist aber auflösend bedingt durch den Misserfolg des jeweiligen „Vor-antrags“ (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 598/12 - Rn. 17 ff., BAGE 146, 353).
4. Alle Änderungsschutzanträge sind in die Revisionsinstanz gelangt. Hat das Berufungsgericht den Hauptantrag abgewiesen und dementsprechend nicht über einen unechten Hilfsantrag entschieden, fällt letzter dem Revisionsgericht an, wenn der Kläger ihn in seinen Revisionsantrag einbezieht (vgl. BAG 16. November 2010 - 9 AZR 573/09 - Rn. 46 f., BAGE 136, 156). So liegt es hier. Das Berufungsgericht hat den gegen die Kündigung zum 15. September 2016 gerichteten Hauptantrag abgewiesen und daher nicht über die unechten Hilfsanträge gegen die hilfsweise erklärten Kündigungen entschieden. Dem Revisionsantrag lässt sich jedenfalls unter Heranziehung der Revisionsbegründung entnehmen, dass der Kläger sich weiterhin ggf. auch gegen diese beiden Kündigungen wehren möchte.
II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass bereits der gegen die Kündigung zum 15. September 2016 gerichtete Änderungsschutzantrag der Abweisung unterliegt. Die zu diesem Termin erklärte Kündigung hat den Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf dieses Tages wirksam geändert.
1. Die ordentliche Änderungskündigung war nach § 26 Abs. 3 MTV TDG zulässig und zugleich sozial gerechtfertigt iSv. § 2 Satz 1, § 1 Abs. 2 KSchG, weil eine Beschäftigung des Klägers zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dringenden betrieblichen Gründen nicht mehr möglich war, und die Beklagte sich darauf beschränkt hat, eine hinreichend bestimmte Änderung vorzuschlagen, die der Kläger billigerweise hinnehmen musste (zu diesen Anforderungen BAG 18. Mai 2017 - 2 AZR 606/16 - Rn. 11). Das Vertragsangebot genügte auch dem sich nicht nur auf die Kündigungserklärung erstreckenden Schriftformerfordernis des § 623 BGB (dazu BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 22 f.).
a) Der Kläger konnte nicht mehr zu den bisherigen Vertragsbedingungen beschäftigt werden. Der Betrieb DTDB ist zum 31. Juli 2013 stillgelegt worden. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte den Kläger unmittelbar in einen anderen „echten“ Betrieb hätte versetzen dürfen (vgl. BAG 18. Oktober 2012 - 6 AZR 86/11 - Rn. 28 und Rn. 38 ff., BAGE 143, 217 für den inhaltsgleichen TV Ratio DTKS ). Nach den revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts bestand keine Möglichkeit, ihn auf einem geeigneten freien Arbeitsplatz in einem solchen Betrieb weiterzubeschäftigen. Deshalb kam allein ein Wechsel in eine BQE in Betracht. Dieser musste entsprechend den sich aus § 5 Abs. 1 und Abs. 3 TV Ratio TDG ergebenden Vorgaben entweder durch einen Änderungsvertrag oder den Ausspruch einer Änderungskündigung bewirkt werden. Entgegen der Auffassung des Klägers fand der TV Ratio TDG im Kündigungszeitpunkt aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme noch auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung. Der TV Bereichsausnahme DTDB war von der Verweisungsklausel erfasst. Der Kläger „gehörte“ noch dem Betrieb DTDB iSv. § 1 Abs. 1 TV Bereichsausnahme DTDB „an“. Daran hatte dessen Stilllegung zum 31. Juli 2013 nichts geändert. Zweck des TV Bereichsausnahme DTDB war es ausweislich seines § 4 gerade, den TV Ratio TDG zur Anwendung zu bringen. Ein „Ratio-Fall“, der eintrat, während ein Arbeitnehmer dem Betrieb DTDB zugeordnet war, sollte vollständig nach den Regelungen des TV Ratio TDG abgewickelt werden, weshalb bis zum Abschluss der entsprechenden personellen Maßnahme die Zuordnung des Arbeitnehmers zum Betrieb DTDB fingiert wird. Mit den Kündigungen vom 18. August 2016 ging es gerade - erst - darum, den Kläger angesichts der Stilllegung des Betriebs DTDB - nunmehr wirksam - der BQE zuzuweisen.
b) Die Beklagte hat dem Kläger mit der Kündigung zum 15. September 2016 formgerecht eine hinreichend bestimmte Vertragsänderung vorgeschlagen, die dieser billigerweise hinnehmen musste.
aa) Dem Angebot lässt sich eindeutig entnehmen, dass der Kläger als Arbeitnehmer der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit TPS der Beklagten beschäftigt werden und sich das Arbeitsverhältnis insoweit nach den einschlägigen Bestimmungen in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG nebst Anlagen richten sollte.
bb) Entgegen seiner Ansicht konnte für den Kläger nicht unklar sein, ob er in die BQE nach dem TV Ratio TDG in seiner Modifikation durch § 4 TV Bereichsausnahme DTDB, also in die BQE der Beklagten, oder in deren Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit TPS wechseln sollte. Eine solche Alternativität bestand nicht. „BQE“ ist ein abstrakter tariflicher Arbeitstitel. Die BQE ist zu bilden und konkret zu bezeichnen. TPS (vormals V) ist die BQE der Beklagten. Es handelt sich nicht um zwei verschiedene, sondern um ein und dieselbe betriebliche Einheit.
cc) Der mit der Kündigung zum 15. September 2016 angestrebte Arbeitsvertrag sollte ab dem 16. September 2016 gelten. Auf die Frage, ob die mit den weiteren Kündigungen avisierten Vertragsschlüsse auf diesen Zeitpunkt zurückwirken sollten, kommt es nicht an. Die anderen Angebote sind dem Kläger nicht alternativ, sondern hilfs- bzw. äußerst hilfsweise, also jeweils nachrangig unterbreitet worden.
dd) Welche genauen tariflichen Regelungen seine Tätigkeit als Arbeitnehmer in der BQE „TPS“ ab dem 16. September 2016 bestimmen sollten, konnte der Kläger durch Einsicht in den TV Ratio TDG feststellen (vgl. BAG 21. März 2018 - 7 AZR 428/16 - Rn. 32; 14. Juni 2017 - 7 AZR 390/15 - Rn. 22). Bei seiner Behauptung, er habe den Tarifvertrag nicht mehr im Intranet einsehen können bzw. die Beklagte habe gegen ihre Pflicht aus § 8 TVG verstoßen, eine vollständige Fassung des TV Ratio TDG im Betrieb bekanntzumachen, handelt es sich um neuen, in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO unbeachtlichen Sachvortrag. Im Übrigen führte ein Bekanntmachungsmangel nicht zur Unbestimmtheit des Änderungsangebots in der Kündigung vom 18. August 2016.
ee) Durch die Bezugnahme auf den TV Ratio TDG hat der Inhalt des Änderungsangebots ausreichenden Anklang im Kündigungsschreiben gefunden. Die wörtliche Wiedergabe des Tarifvertrags war auch zur Wahrung des Formerfordernisses nach § 623 BGB nicht erforderlich.
ff) Soweit der Kläger einwendet, es sei für ihn nicht ersichtlich gewesen, welche konkreten Einsätze die Beklagte ihm zuweisen werde, betrifft dies eine Frage der Vertragsdurchführung nach § 106 GewO iVm. den Bestimmungen des TV Ratio TDG und nicht den hier allein maßgeblichen Vertragsinhalt.
gg) Der Kläger musste die ihm vorgeschlagene Vertragsänderung billigerweise hinnehmen. Der Einsatz als Arbeitnehmer in der BQE war alternativlos. Die dafür geltenden Vertragsbedingungen ergeben sich aus dem TV Ratio TDG, der „an sich“ - vorbehaltlich seiner „Aktualisierung“ durch das Eintreten eines „Ratio-Falls“ - schon vorher Anwendung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fand.
2. Sonstige Unwirksamkeitsgründe bestehen nicht.
a) Die Kündigung unterlag entgegen der Ansicht des Klägers nicht der Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Diese Frist gilt nur für außerordentliche Kündigungen. Dem Kläger ist - in nach § 26 Abs. 3 MTV TDG zulässiger Weise - eine ordentliche Änderungskündigung ausgesprochen worden. Im Übrigen hat die Beklagte die Kündigung auf einen Dauertatbestand, nämlich die Unmöglichkeit, den Kläger zu den bisherigen Vertragsbedingungen zu beschäftigen, gestützt.
b) Die Beklagte hat dem Kläger nicht - wie er meint - eine zu kurze Frist zur Annahme des Vertragsangebots gesetzt. Allerdings hätte dies auch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung geführt. Vielmehr wäre (nur) die gesetzliche Frist des § 2 Satz 2 KSchG ausgelöst worden (BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 230/05 - Rn. 20, BAGE 118, 190).
c) Fehler in der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 2. August 2016 Angaben zu allen erforderlichen Kategorien von Personaldaten gemacht. Der Kläger hat nicht vorgetragen, welches Datum sie dabei - zumal bewusst - unzutreffend angegeben habe. Dem Betriebsrat musste eine Abschrift des TV Ratio TDG nebst Anlagen nicht vorgelegt werden. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war dem Gremium das gesamte Tarifwerk ohnehin bekannt. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die Beklagte den im Restmandat nach § 21b BetrVG zuständigen Betriebsrat des Betriebs DTDB beteiligt hat.
d) Die Beklagte musste keine Massenentlassungsanzeige erstatten. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts waren die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG nicht erreicht.
3. Die Beklagte hat die Kündigung wirksam zum 15. September 2016 erklärt.
a) Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG gilt für die in § 5 Abs. 3 Satz 1 TV Ratio TDG vorgesehene Änderungskündigung abweichend von § 25 MTV TDG eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Das betrifft auch ordentliche Änderungskündigungen von Arbeitsverhältnissen älterer und länger Beschäftigter, die gemäß § 26 Abs. 3 MTV TDG zulässig sind, und für die die Fristen sich „normalerweise“ nach § 25 MTV TDG richten. § 26 MTV TDG musste in § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG nicht erwähnt werden, um auch diese Kündigungen der kurzen Frist zu unterstellen. Von § 26 MTV TDG wird - anders als von § 25 MTV TDG - im TV Ratio TDG nicht abgewichen.
b) Auf die Tarifbindung des Klägers kommt es für die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG nicht an. Nach § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB sind im Geltungsbereich eines Tarifvertrags die dort vereinbarten, von § 622 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB abweichenden Bestimmungen auch maßgebend, wenn dies zwischen den Parteien vereinbart ist.
c) Die Bestimmung in § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG ist von der den Tarifvertragsparteien durch § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB eingeräumten Regelungsbefugnis gedeckt.
aa) Gemäß § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB sind tarifvertragliche Regelungen grundsätzlich zulässig, die zusätzliche Kündigungstermine (hier: zum 15. eines Kalendermonats) und einheitliche Kündigungsfristen ohne Staffelung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit (hier: durchweg Kündigungsfrist von drei Wochen) vorsehen. Die Tarifvertragsparteien müssen sich selbst bei der Schaffung allgemeiner Kündigungsfristenregelungen nicht an dem „Modell“ des § 622 Abs. 2 BGB orientieren (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 21/07 - Rn. 13 ff., BAGE 126, 309).
bb) Die Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
(1) Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist mit Blick auf die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie und die den Tarifvertragsparteien dementsprechend zukommenden Einschätzungsprärogativen, Beurteilungs- sowie Ermessensspielräume erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (BAG 27. Juni 2018 - 10 AZR 290/17 - Rn. 36 f.).
(2) Hiernach liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht darin, dass § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG sämtliche erfassten Arbeitsverhältnisse ungeachtet ihrer Beschäftigungsdauer hinsichtlich der Kündigungsfrist gleich behandelt. Die „Einheitsfrist“ gilt ausschließlich für die in § 5 Abs. 3 Satz 1 TV Ratio TDG vorgesehene Änderungskündigung. Deren Ausspruchs bedarf es nur, wenn der Arbeitnehmer die Vertragsangebote nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 TV Ratio TDG abgelehnt hat. Dadurch hat er zum einen die Möglichkeit ungenutzt gelassen, mit der nach § 25 MTV TDG von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängigen, „normalen“ Frist für eine Arbeitgeberkündigung gegen Zahlung einer Abfindung einvernehmlich aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Zum anderen hat er erkennen lassen, dass er - obgleich eine Versetzung in die BQE droht - unbedingt am Arbeitsverhältnis festhalten will. Deshalb durften die Tarifvertragsparteien annehmen, er werde das mit der Änderungskündigung verbundene, von ihnen als sachgerecht, ja alternativlos bewertete Vertragsangebot entsprechend § 5 Abs. 1 Satz 2 TV Ratio TDG mit der Folge unter dem Vorbehalt nach § 2 KSchG annehmen, dass er allenfalls in die BQE wechseln muss, nicht aber sein Arbeitsverhältnis verlieren wird. Bezogen auf eine solche Versetzung im Wege der Änderungskündigung kommt es nicht wesentlich auf die Beschäftigungsdauer an. Eine entsprechende Differenzierung wäre sogar sinnwidrig gewesen. Sie hätte ggf. dazu geführt, dass lange beschäftigte Mitarbeiter erst später Qualifizierungs-, Vermittlungs- und ggf. Ausgleichsleistungen nach §§ 8, 10 TV Ratio TDG hätten beanspruchen können.
d) Die Beklagte musste nicht deshalb mit einer längeren Kündigungsfrist kündigen, weil die Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG gegen § 622 Abs. 6 BGB verstößt.
aa) Nach § 622 Abs. 6 BGB darf für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Die Vorschrift ist nicht nur bei einer einzelvertraglich, sondern auch bei einer tarifvertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zu beachten. Sie gilt grundsätzlich sowohl für Beendigungs- als auch für Änderungskündigungen und soll sicherstellen, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis - mindestens - genauso schnell einseitig beenden oder seinen Inhalt durch Kündigung ändern kann wie der Arbeitgeber. Einen zusätzlichen Bestandsschutz gewährt § 622 Abs. 6 BGB dem Arbeitnehmer hingegen nicht.
bb) Ein Konflikt mit § 622 Abs. 6 BGB wird vorliegend nicht schon dadurch vermieden, dass die kurze Kündigungsfrist und die zusätzlichen Kündigungstermine in § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG für beide Vertragsparteien bestimmt wären. Für eine solche Gleichstellung haben die Tarifvertragsparteien keine Veranlassung gesehen, weil der Arbeitnehmer, bevor eine Änderungskündigung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 TV Ratio TDG in Betracht kommt, durch die Ablehnung der ihm nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 TV Ratio TDG alternativ zu unterbreitenden Angebote gezeigt hat, dass er nicht von sich aus einen Wechsel in die BQE ermöglichen und noch nicht einmal gegen Zahlung einer Abfindung das Arbeitsverhältnis beenden möchte. Eine Erstreckung der kurzen Kündigungsfrist auf eine entsprechende Änderungs- oder eine Beendigungskündigung des Arbeitnehmers in der gegebenen Situation musste den Tarifvertragsparteien überflüssig erscheinen.
cc) Die Auslegung von § 622 Abs. 6 BGB ergibt zum einen, dass eine derartige Förmelei nicht erforderlich war.
(1) § 622 Abs. 6 BGB stellt „die“ (nicht: „eine“) Kündigung durch den Arbeitnehmer und „die“ (nicht: „eine“) Kündigung durch den Arbeitgeber gegenüber. Durch die Verwendung des bestimmten Artikels hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nicht eine jede Kündigung durch den Arbeitnehmer mit einer jeden Kündigung durch den Arbeitgeber hinsichtlich der Kündigungsfrist gleichgestellt werden muss. So ist es nicht erforderlich, aus Anlass einer Sonderregelung in einem Rationalisierungstarifvertrag - wie der in § 5 TV Ratio TDG - die Regelung in einem Manteltarifvertrag - wie die in § 25 MTV TDG - dergestalt zu ändern, dass für jede erdenkliche Arbeitnehmerkündigung eine ebenso kurze Frist gilt. Vielmehr genügt es, dass die kurze Frist auf eine „entsprechende“ Arbeitnehmerkündigung erstreckt wird. Und selbst eine solche Erstreckung ist nicht geboten, wenn es keine „entsprechende“ Arbeitnehmerkündigung gibt. § 622 Abs. 6 BGB findet keine Anwendung auf Kündigungen des Arbeitgebers, die in einer Situation erklärt werden, in der der Arbeitnehmer kein Mobilitätsinteresse (Beendigungs- oder Änderungsinteresse), sondern im Gegenteil bloß ein Bestandsinteresse hat. Dem Arbeitnehmer muss nicht eine - kurze - Frist für eine Kündigung eingeräumt werden, die er nicht erklären will („keine Kündigungsfrist ohne Kündigung“).
(2) Danach verstößt die einseitige Regelung in § 5 Abs. 3 Satz 2 TV Ratio TDG nicht gegen § 622 Abs. 6 BGB. Die kurze Kündigungsfrist gilt ausschließlich für die in § 5 Abs. 3 Satz 1 TV Ratio TDG angeordnete Änderungskündigung. Bei deren Ausspruch steht fest, dass der Arbeitnehmer kein „Mobilitätsinteresse“ hat, das geringer geschützt würde als das des Arbeitgebers. Durch die Ablehnung der ihm vorrangig zu unterbreitenden Angebote nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 TV Ratio TDG hat der Arbeitnehmer gezeigt, dass er nicht „von sich aus“ in die BQE wechseln möchte und an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses noch nicht einmal gegen Zahlung einer Abfindung interessiert ist. Er wird - ungeachtet ihrer Erforderlichkeit - auch keine Änderungskündigung dergestalt erklären, dass das Arbeitsverhältnis unmittelbar in einem anderen „echten“ Betrieb anstatt - zunächst - in der BQE fortgesetzt werden soll. In diesem Fall würde sein Arbeitsverhältnis - ggf. mit der kurzen Frist - enden, wenn die Beklagte das Fortsetzungsangebot ablehnen sollte.
dd) Zum anderen hat ein Verstoß gegen § 622 Abs. 6 BGB nicht zur Folge, dass sich die Frist für die Kündigung durch den Arbeitgeber verlängert.
(1) Nach § 622 Abs. 6 BGB ist es unzulässig, für die Kündigung durch den Arbeitnehmer eine längere Frist zu vereinbaren als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Eine Vereinbarung, die für die Arbeitnehmerkündigung eine längere Frist vorsieht als für die Arbeitgeberkündigung und ggf. auch die Kündigungstermine weiter gehend beschränkt, ist insoweit nach §§ 134, 139 BGB nichtig. Für die Kündigung durch den Arbeitnehmer gelten damit, ohne dass dies in § 622 Abs. 6 BGB gesondert hätte bestimmt werden müssen, ebenfalls die kurze Frist und die zusätzlichen Kündigungstermine. Dadurch wird dem von § 622 Abs. 6 BGB - allein - geschützten Interesse des Arbeitnehmers an gleicher „Mobilität“ am besten entsprochen (insoweit zutreffend HaKo/Spengler 6. Aufl. BGB § 622 Rn. 46). Für den Streitfall bedeutet dies, dass § 25 Abs. 3 MTV TDG nichtig wäre, soweit dort für eine Kündigung des Arbeitnehmers in der gegebenen Situation eine längere Frist als drei Wochen und ein „Ausschluss“ der Kündigung zum 15. eines Kalendermonats bestimmt ist.
(2) Eine zusätzliche „Heraufsetzung“ der Frist für die Kündigung durch den Arbeitgeber scheidet aus. Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung davon ausgegangen ist, § 89 Abs. 2 HGB sei insoweit entsprechend anzuwenden (BAG 2. Juni 2005 - 2 AZR 296/04 - Rn. 14 ff., BAGE 115, 88; bloß referierend BAG 16. Januar 2018 - 7 AZR 312/16 - Rn. 41), hält er daran nicht fest. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 89 Abs. 2 HGB liegen nicht vor. Es fehlt sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage.
(a) Bei einem Verstoß gegen das Verbot längerer Fristen für die Kündigung durch den Arbeitnehmer nach § 622 Abs. 6 BGB schaffen schon die §§ 134, 139 BGB einen sachgerechten Ausgleich. Dem von der Vorschrift allein geschützten Mobilitätsinteresse des Arbeitnehmers wird durch die (Teil-)Nichtigkeit der Vereinbarung über die Kündigungsfristen für eine Eigenkündigung nicht nur am besten, sondern zugleich in ausreichender Weise entsprochen. Durch eine „Heraufsetzung“ der Frist für eine Arbeitgeberkündigung würde ein Mindestbestandsschutz bewirkt, den § 622 Abs. 6 BGB nicht gewährleistet. Im Übrigen ginge die „Heraufsetzung“ angesichts der (Teil-)Nichtigkeit der Vereinbarung über die Kündigungsfrist(en) für arbeitnehmerseitige Kündigungen ins Leere. Von Rechts wegen gilt für Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkündigungen (bereits) eine gleich kurze Kündigungsfrist. Dies trägt dem Normzweck des § 622 Abs. 6 BGB vollständig Rechnung.
(b) Ganz anders liegt es bei § 89 Abs. 2 HGB. Nach § 89 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 HGB können die Kündigungsfristen des § 89 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 HGB durch Vereinbarung verlängert werden. Dabei darf nach § 89 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 HGB die Frist für den Unternehmer nicht kürzer sein als für den Handelsvertreter. Bei Vereinbarung einer kürzeren Frist für den Unternehmer gilt nach § 89 Abs. 2 Satz 2 HGB die für den Handelsvertreter vereinbarte Frist. Damit schützen § 622 Abs. 6 BGB und § 89 Abs. 2 HGB jeweils unterschiedliche Interessen der vermeintlich „schwächeren“ Vertragspartei. Während § 622 Abs. 6 BGB eine relative „Mindestmobilität“ des Arbeitnehmers garantiert, gewährleistet § 89 Abs. 2 HGB einen relativen Mindestbestandsschutz für den Handelsvertreter. Anders als bei § 622 Abs. 6 BGB bedarf es in § 89 Abs. 2 HGB einer eigenständigen Rechtsfolgenanordnung. Mit der bloßen Nichtigkeit der kürzeren Kündigungsfrist für den Unternehmer würde der Normzweck verfehlt. Für den Unternehmer würden sogar nur die gesetzlichen Mindestfristen gelten.
(c) Gemein ist § 622 Abs. 6 BGB und § 89 Abs. 2 HGB damit nur eines: Sie gewährleisten - mindestens - einen Gleichlauf der Kündigungsfristen für beide Vertragsparteien am Maßstab der jeweils wirksamen Vereinbarung. Das ist bei § 622 Abs. 6 BGB diejenige zur Kündigungsfrist für den Arbeitgeber und bei § 89 Abs. 2 HGB die zur - verlängerten - Kündigungsfrist für den Handelsvertreter.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Koch |
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K. Schierle |
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Söller |