Entscheidungsdatum: 09.01.2018
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
I.
Gegen den Verurteilten wurde durch das Amtsgericht München - Jugendschöffengericht - mit Urteil vom 6. Dezember 2012 eine Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt, wobei die Entscheidung über deren Aussetzung zur Bewährung zunächst vorbehalten wurde. Mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 22. April 2014 wurde eine zwischenzeitlich gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.
Nach deren teilweiser Verbüßung in der Jugendanstalt Hameln setzte der für diese zuständige Vollstreckungsleiter beim Amtsgericht Hameln den verbliebenen Rest dieser sowie einer weiteren Jugendstrafe durch Beschluss vom 21. November 2016 zur Bewährung aus. Die weitere Strafvollstreckung und die in Folge der Entlassung zur Bewährung erforderlich werdenden Entscheidungen gab er gemäß § 85 Abs. 5 und § 88 Abs. 6 i.V.m. § 58 Abs. 3 JGG an das Amtsgericht Goslar ab, in dessen Bezirk der Verurteilte nach der Entlassung seinen Wohnsitz genommen hatte. Nachdem das Amtsgericht Goslar mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 die Bewährungsaufsicht übernommen hatte, gab es nach einer neuerlichen Wohnsitzverlegung des Verurteilten die weiteren im Rahmen der Bewährungsüberwachung zu treffenden Entscheidungen unter Berufung auf § 462a Abs. 2 Satz 2 StPO mit Beschluss vom 7. März 2017 an das Amtsgericht München als das erkennende Gericht zur Weitergabe an das zuständige Gericht zurück. Dieses nahm mit Beschluss vom 21. März 2017 die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Beschluss des Amtsgerichts München vom 22. April 2014 beziehen sowie die weitere Vollstreckung aus diesem Beschluss zurück und übertrug diese unter Berufung auf § 42 Abs. 3, § 58 Abs. 3, § 85 Abs. 5 JGG dem für den neuen Wohnsitz des Verurteilten zuständigen Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld, das die Bewährungsaufsicht mit Verfügung vom 8. Mai 2017 übernahm. Nachdem der Verurteilte zwischenzeitlich ohne festen Wohnsitz war, ist er mittlerweile im Bezirk des Amtsgerichts Traunstein gemeldet. Aus diesem Grund hat das Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld die Rückübernahme durch das Amtsgericht München angeregt. Das Amtsgericht München hat die Rückübernahme verweigert, da der Verurteilte am Ort des Wohnsitzgerichts derzeit unauffindbar sei und die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 14 StPO dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
II.
Der Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung ist abzulehnen. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Zuständigkeitsstreits durch den Bundesgerichtshof liegen nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat zwar in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 58 Abs. 3 Satz 3 JGG, hier darüber hinaus i.V.m. § 88 Abs. 6 Satz 3 JGG, als übergeordnetes Gericht auch dann zu entscheiden, wenn zwischen zwei Gerichten Streit darüber besteht, ob das ursprünglich abgebende Gericht aufgrund einer Änderung der maßgebenden Verhältnisse die Übertragung rückgängig machen, also die Sache wieder übernehmen muss, um sie entweder selbst zu erledigen oder gegebenenfalls einem anderen Gericht zu übertragen (Senat, Beschluss vom 1. Oktober 1986 - 2 ARs 239/86, NStZ 1987, 87; Brunner/Dölling, JGG, 13. Aufl., § 58 Rn. 9). Dies gilt aber nur, wenn das Gericht, das die Sache abgegeben hat, dafür zuständig ist, die Übertragungsentscheidung zu ändern.
Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Mit der Aufnahme des Verurteilten in den Jugendstrafvollzug in der Jugendanstalt Hameln ging gemäß § 85 Abs. 2 JGG die Zuständigkeit für alle die Vollstreckung der Jugendstrafe betreffenden Entscheidungen auf den als Vollstreckungsleiter amtierenden Jugendrichter beim Amtsgericht Hameln über. Dementsprechend hat dieser mit Beschluss vom 21. November 2016 gemäß § 88 Abs. 1 JGG über die Aussetzung der Reststrafe entschieden und gleichzeitig gemäß § 85 Abs. 5, § 88 Abs. 6 i.V.m. § 58 Abs. 3 Satz 2 JGG die Zuständigkeit für die Vollstreckung und die weitere Entscheidung dem Jugendrichter beim Amtsgericht Goslar übertragen.
Der Beschluss des Amtsgerichts Goslar vom 7. März 2017, durch den der dortige Jugendrichter die im Rahmen der Bewährungsüberwachung zu treffenden Entscheidungen „gemäß § 462a Abs. 2 Satz 2 StPO“ an das Amtsgericht München zurückgab, war jedoch nicht von seiner Zuständigkeit gedeckt (vgl. Senat, Beschluss vom 19. April 1972 - 2 ARs 79/72, BGHSt 24, 332, 334; Beschluss vom 19. November 1970 - 2 ARs 270/70, BGHSt 24, 26, 28). Der zunächst übernehmende Richter kann nämlich nur beim abgebenden Gericht eine Änderung anregen. Dagegen ist er nicht befugt, die Sache selbst an ein drittes Gericht zu übertragen (BGH, Beschluss vom 19. November 1970 - 2 ARs 270/70, aaO; Eisenberg, JGG, 19. Aufl., § 58 Rn. 44). Insoweit ist durch die Abgabe vom 21. November 2016 die Sache nicht endgültig aus dem Verantwortungsbereich des Amtsgerichts Hameln ausgeschieden. Dieses hat deshalb die Pflicht, seine Entscheidung bei einer Änderung der Verhältnisse zu überprüfen, wenn erforderlich rückgängig zu machen (Senat, Beschluss vom 15. Dezember 1972 - 2 ARs 340/72, BGHSt 25, 85, 88; Beschluss vom 16. März 1979 - 2 ARs 70/79, BGHSt 28, 351, 353) und gegebenenfalls ein anderes Gericht mit den Aufgaben zu betrauen (Brunner/Dölling, aaO, § 58 Rn. 9). Hierdurch wird dem Grundsatz der Einheitlichkeit der erzieherischen Entscheidung entsprochen (Eisenberg, JGG, 19. Aufl., § 58 Rn. 44).
Allerdings wird dadurch die Rechtswirksamkeit der Übertragung und der auf sie gründenden weiteren Entscheidungen nicht in Frage gestellt. Jedoch bleibt für die Änderung der Übertragungsentscheidung die gesetzliche Zuständigkeitsregelung weiterhin maßgebend (Senat, Beschluss vom 1. Oktober 1986 - 2 ARs 239/86, NStZ 1987, 87). Dies bedeutet, dass über eine Abänderung der Zuständigkeit das Amtsgericht Hameln zu befinden hat. Dieses ist jedoch an dem vorliegenden Zuständigkeitsstreit nicht beteiligt und kann daher auch nicht vom übergeordneten Gericht für zuständig erklärt werden.
Dem Amtsgericht Clausthal-Zellerfeld bleibt die Möglichkeit, bei dem Amtsgericht Hameln eine Änderung der Übertragungsentscheidung anzuregen (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Oktober 1986 - 2 ARs 239/86, aaO). Erst wenn das Amtsgericht Hameln es ablehnt, einer solchen Anregung zu folgen, ist - auf entsprechende Vorlage - Raum für eine Zuständigkeitsbestimmung durch den Bundesgerichtshof.
Krehl |
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Eschelbach |
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Bartel |
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Grube |
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Schmidt |
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