Entscheidungsdatum: 27.06.2013
1. Auch bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung übt das Gericht selbst die Disziplinarbefugnis aus (§ 60 Abs. 3 BDG).
2. Die Dienstpflicht zur Gesunderhaltung ist verletzt, wenn das Verhalten des Beamten im Krankenstand generell geeignet ist, seine Wiedergenesung zu verzögern oder gar zu beeinträchtigen. Ausreichend ist, dass bei einer Gegenüberstellung von Krankheitsbild und beanstandeter Tätigkeit nach allgemeiner Lebenserfahrung auf der Hand liegt, dass das beanstandete Verhalten der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beamten abträglich ist.
3. Ein Verstoß gegen die allgemeine Wohlverhaltenspflicht kann nach den Umständen des Einzelfalles in dem widersprüchlichen Verhalten liegen, dass ein seit längerer Zeit krank geschriebener Beamter gleichwohl Wahlkampfauftritte bestreitet und als hauptamtlicher Bürgermeister kandidiert.
4. Dass der Beamte mit dieser Kandidatur von seinem passiven Wahlrecht und seinem Recht auf politische Betätigung Gebrauch macht, führt nicht dazu, dass sein Verhalten einer disziplinarrechtlichen Ahndung von vornherein entzogen ist. Vielmehr ist dies im Sinne praktischer Konkordanz widerstreitender Verfassungsgüter (Art. 33 Abs. 5 GG gegenüber der erwähnten Grundrechtsausübung) im Rahmen der Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen.
Der im Jahr 1957 geborene Kläger steht als Regierungshauptsekretär (BesGr A 8 BBesO) im Dienst der Beklagten. Er war zuletzt beim Bundesnachrichtendienst (BND) beschäftigt, hat dort aber seit Februar 2009 krankheitsbedingt keinen Dienst mehr geleistet. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Mit Disziplinarverfügung vom 5. November 2011 verhängte der Präsident des BND gegen den Kläger eine Geldbuße von 500 €, weil dieser während der Zeit seiner krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit zwischen dem 14. Januar und 27. Februar 2011 aus Anlass seiner Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters seines Wohnortes acht Wahlkampfveranstaltungen abgehalten habe. Dadurch habe er gegen seine Pflicht, sich um seine Gesundung zu bemühen, verstoßen. Sein Verhalten sei geeignet, das Ansehen des Berufsbeamtentums zu schädigen, weil der Eindruck entstehe, dass der Kläger die Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit durch dienstfremde Tätigkeiten gefährde und der Dienstherr dies hinnehme, ohne dagegen einzuschreiten.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2012 zurück und führte ergänzend aus: Dass der Kläger mit seiner Kandidatur von seinem passiven Wahlrecht Gebrauch gemacht habe, lasse den Pflichtenverstoß nicht entfallen. Auch dass ihm für die Zeit der zwei letzten Wahlkampfauftritte Erholungsurlaub gewährt worden sei, verleihe seinem Verhalten kein derart anderes Gewicht, dass von der Disziplinarmaßnahme abzusehen sei.
Zur Begründung seiner rechtzeitig erhobenen Klage trägt der Kläger vor: Er habe seine Gesundungspflicht nicht verletzt, denn seine Wiedergenesung sei durch die Teilnahme an der Bürgermeisterwahl nicht beeinträchtigt worden. Außerdem verletze die Disziplinarverfügung sein passives Wahlrecht.
Der Kläger beantragt,
die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 5. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2012 aufzuheben.
Die Beklagte verteidigt die Disziplinarverfügung und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Die Klage, über die der Senat gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz entscheidet, hat teilweise Erfolg. Die Disziplinarverfügung vom 5. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2012 ist aufzuheben, weil die verhängte Geldbuße unangemessen hoch ist. Als angemessene Disziplinarmaßnahme ist dem Kläger eine Geldbuße in geringerer Höhe aufzuerlegen. Zu diesem Ausspruch ist der Senat gemäß § 60 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 BDG befugt.
§ 60 Abs. 3 BDG bestimmt für die Klage gegen eine Disziplinarverfügung, dass das Gericht neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Disziplinarentscheidung zu überprüfen hat. Das Gericht prüft nicht allein, ob das dem Kläger mit der Disziplinarverfügung vorgeworfene Verhalten tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern es hat - bejahendenfalls - unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (vgl. § 88 VwGO) im Interesse der Verfahrensbeschleunigung (§ 4 BDG) auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht danach nicht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es übt in Anwendung der in § 13 Abs. 1 BDG niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze vielmehr selbst die Disziplinarbefugnis aus. Das Gericht kann die angefochtene Disziplinarverfügung zu Gunsten des Klägers abändern und anstelle der verhängten eine mildere Disziplinarmaßnahme aussprechen (vgl. Urteil vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.).
Die angefochtenen Bescheide können insofern keinen Bestand haben, als die verhängte Disziplinarmaßnahme nicht angemessen ist. Der festgestellte Sachverhalt (1.), nämlich die Wahlkampfauftritte des Klägers im Rahmen seiner Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters seines Wohnortes während der Zeit seiner lang andauernden Dienstunfähigkeit, ist disziplinarrechtlich als schuldhafte Verletzung seiner beamtenrechtlichen Pflichten zu würdigen, allerdings nicht - wie in der Disziplinarverfügung vorgeworfen - als Verstoß gegen die aus § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG folgende Pflicht, alles seiner Wiedergenesung Zuwiderlaufende zu unterlassen (2.), sondern unter dem anderen rechtlichen Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG (3.). Als pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme hält der Senat die Auferlegung einer Geldbuße in geringerer Höhe als in der Disziplinarverfügung verhängt für angemessen (4.).
1. Der Senat geht von folgendem Sachverhalt aus:
Der Kläger hat seit dem 23. Februar 2009 aufgrund ärztlicher Bescheinigungen krankheitsbedingt keinen Dienst mehr geleistet. Während seines Krankenstandes gründete er im Juni 2010 in seinem Wohnort mit drei weiteren Personen einen Ortsverband der "Unabhängigen" und übernahm dessen Vorsitz. Am 25. September 2010 wurde er als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters aufgestellt. Im Zeitraum zwischen dem 14. Januar und 27. Februar 2011 führte der Kläger acht Wahlkampfveranstaltungen in verschiedenen Gaststätten in seinem Wohnort durch, die jeweils zwischen zwei und drei bis vier Stunden dauerten und bei denen zwischen zehn und dreißig bis vierzig Teilnehmer anwesend waren. Der Kläger hielt zunächst jeweils einen Vortrag und beantwortete anschließend Fragen. Bei der Bürgermeisterwahl am 13. März 2011 erreichte der Kläger unter fünf Kandidaten mit rund 15 % der Stimmen den 4. Rang.
Zum Krankheitsbild des Klägers im hier interessierenden Zeitraum geht der Senat von folgenden Erkenntnissen aus: In einem amtsärztlich eingeholten psychiatrischen Gutachten vom 11. August 2010 wird dem Kläger eine Persönlichkeitsstruktur attestiert, die eine Beschäftigung beim BND fraglich erscheinen lasse; andererseits heißt es, der Kläger sei voll dienstfähig. In der Folgezeit meldete sich der Kläger durch Vorlage privatärztlicher Gutachten weiterhin krank; diese Krankmeldung dauerte im Zeitraum der erwähnten Wahlkampfauftritte an. Einer Aufforderung der Beklagten vom 9. Februar 2011, binnen zehn Tagen den Dienst wieder anzutreten und zukünftig bereits ab dem ersten Tag einer Dienstunfähigkeit ein amtsärztliches Zeugnis vorzuweisen, kam der Kläger nicht nach. Am 5. April 2011 wurde der Kläger erneut amtsärztlich untersucht; zusätzlich erfolgte eine Begutachtung durch einen Facharzt einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Gutachten vom 26. September 2011). Beide gelangten zu dem Ergebnis, dass der Kläger nur eingeschränkt dienstfähig sei. Er leide an einer mittlerweile chronifizierten Anpassungsstörung, die zu psychopathologischen Veränderungen geführt habe. Das vorliegende Krankheitsbild mache es ihm unmöglich, beim BND Dienst zu tun. Der Facharzt schloss auch die Eignung des Klägers für eine Verwendung in einer anderen Behörde mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. In der Folgezeit eingeholte ärztliche Stellungnahmen relativierten diese Beurteilung wieder: In einer Stellungnahme vom 29. Dezember 2011 führte die Amtsärztin auf der Grundlage eines weiteren psychiatrischen Gutachtens aus, es liege keine psychische Erkrankung vor, die eine Tätigkeit beim BND dauerhaft unmöglich erscheinen lasse. Dies bestätigte sie im Dezember 2012 erneut. Eine Entscheidung der Beklagten, ob der Kläger angesichts der zahlreichen (in der Bewertung nicht einheitlichen) amts- und fachärztlichen Stellungnahmen zu seinem psychischen Krankheitsbild dauerhaft dienstunfähig ist, liegt bislang nicht vor.
Daneben litt der Kläger im hier interessierenden Zeitraum an einer Ende November 2010 diagnostizierten Thrombose im rechten Bein, die mit einem Kompressionsstrumpf und einem Medikament zur Hemmung der Blutgerinnung (Antikoagulation) behandelt wurde (Atteste Dr. H. vom 13. Dezember 2010 und Dr. F. vom 15. Dezember 2010). Ende Januar befand sich das Bein wieder in einem guten Zustand, die Schwellung war rückläufig, der Kläger war beschwerdefrei (Attest Dr. H. vom 28. Januar 2011). Der Kläger hat sich nach eigenen Angaben in dieser Zeit gemäß ärztlichem Rat viel bewegt. Auch gegen die Wahlkampfveranstaltungen habe sein Arzt keine Einwände erhoben. Sie hätten ihm Freude gemacht und gut getan.
Soweit es um die Wahlkampfauftritte des Klägers geht, beruhen die vorstehenden Feststellungen zum einen auf den in den Verwaltungsakten dokumentierten Ermittlungen der Beklagten (durch Auswertung von Presseberichten, der Homepage des Klägers, Befragung der Inhaber der betreffenden Gasthäuser und eines Gründungsmitglieds des Ortsverbandes), zum anderen auf der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, in der er den äußeren Ablauf, Charakter und die Atmosphäre dieser Veranstaltungen anschaulich geschildert hat. Soweit es um das Krankheitsbild des Klägers geht, beruhen die Feststellungen auf den in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen der Beklagten befindlichen ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen, den vom Kläger (zuletzt in der mündlichen Verhandlung) vorgelegten weiteren ärztlichen Unterlagen und seiner Einlassung. Hiernach hat der Senat davon auszugehen, dass der Kläger im hier fraglichen Zeitraum ausweislich ärztlicher Atteste dienstunfähig erkrankt war.
2. Ausgehend von dem hiernach zur Überzeugung des Senats feststehenden Sachverhalt ist das Verhalten des Klägers - entgegen der Annahme in der Disziplinarverfügung - nicht als Verstoß gegen die aus § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG folgende Pflicht des Beamten zur Gesunderhaltung bzw. zur Wiederherstellung seiner Gesundheit und damit seiner Dienstfähigkeit zu würdigen.
a) Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG hat sich der Beamte mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen. Diese Dienstpflicht prägt das Beamtenverhältnis. Sie ist Ausdruck der Hauptberuflichkeit des Dienstes als Beamter und die Rechtfertigung für die Alimentation des Beamten und seiner Familie (BVerfG, Beschluss vom 25. November 1980 - 2 BvL 7, 8, 9/76 - BVerfGE 55, 207 <236 f.>). Ist der Beamte dienstunfähig erkrankt, setzt sich die vorübergehend nicht erfüllbare Pflicht, nach besten Kräften Dienst zu tun, als Pflicht fort, alles Mögliche und Zumutbare für die alsbaldige Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu tun. Diesem Ziel muss der dienstunfähige Beamte Vorrang vor allen anderen Interessen geben. Er muss sich im Krankenstand so verhalten, dass er so bald wie möglich wieder imstande ist, Dienst zu leisten. Er ist im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, die nach den konkreten Umständen der Genesung und damit der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit dienen, und alles zu unterlassen, was diese Wiederherstellung verzögern oder beeinträchtigen könnte (Urteile vom 1. Juni 1999 - BVerwG 1 D 49.97 - BVerwGE 113, 337 <338 f.> und vom 14. November 2001 - BVerwG 1 D 60.00 - juris Rn. 19 f.; Beschluss vom 31. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 33.01 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 21 Rn. 9
Eines konkreten Nachweises, dass das Verhalten den Gesundungsprozess behindert oder verzögert hat, bedarf es für die Annahme einer Pflichtverletzung nicht. Es genügt, wenn das beanstandete Verhalten im Krankenstand generell geeignet ist, die Wiedergenesung zu verzögern oder gar zu beeinträchtigen. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Gegenüberstellung von Krankheitsbild und beanstandeter Tätigkeit nach allgemeiner Lebenserfahrung, d.h. für einen verständigen, medizinisch nicht sachkundigen Betrachter, der sowohl das Krankheitsbild als auch die Umstände der beanstandeten Tätigkeit kennt, auf der Hand liegt, dass Letztere der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beamten abträglich ist. Diese Annahme liegt umso näher, je zeitlich aufwändiger oder körperlich anstrengender das beanstandete Verhalten des Beamten ist (Urteil vom 1. Juni 1999 a.a.O. und vom 14. November 2001 a.a.O. Rn. 21 f.). Allerdings muss der Verstoß gegen die Wiedergesundungspflicht objektiv erheblich sein, d.h. eine Verzögerung des Heilungsprozesses muss ernstlich zu besorgen sein (Urteil vom 20. Mai 1998 - BVerwG 1 D 57.96 - Rn. 25 m.w.N.)
b) Ausgehend von diesem Maßstab kann nicht festgestellt werden, dass die Wahlkampfauftritte des Klägers geeignet waren, die Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu verzögern oder gar zu beeinträchtigen. Dies gilt mit Blick auf beide Aspekte des damaligen Krankheitsbildes des Klägers.
Schwerpunkt des Krankheitsbildes und Hauptgrund für die langjährige Dienstunfähigkeit des Klägers war dessen psychische Erkrankung. Nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen war und ist diese maßgeblich verursacht und gekennzeichnet durch das gestörte Verhältnis des Klägers zu seiner bisherigen Beschäftigungsbehörde (dem BND). Die zeitnah zum streitgegenständlichen Geschehen eingeholte amtsärztliche Begutachtung vom 6./7. April 2011 und die fachärztliche (psychiatrische) Zusatzbegutachtung vom 26. September 2011 attestieren dem Kläger übereinstimmend, dass es ihm mit Blick auf seine konkret und kausal durch seine bisherige Tätigkeit beim BND entstandene psychische Symptomatik unmöglich sei, wieder beim BND Dienst zu tun. Hinreichende sichere Anhaltspunkte dafür, dass dieses psychische Krankheitsbild auch bei sonstigen Tätigkeiten ohne Bezug zum BND auftritt, waren und sind hiernach nicht vorhanden. Dies gilt namentlich für die hier in Rede stehenden Wahlkampfauftritte. Diese waren nach Anzahl, Dauer und Ablauf objektiv nicht derart erheblich, dass mit Blick auf das konkrete Krankheitsbild des Klägers eine Verzögerung oder Beeinträchtigung seiner Wiedergenesung ihretwegen ernstlich zu befürchten gewesen wäre. Es handelte sich um acht Veranstaltungen in Wirtshäusern und Gasthöfen des Wohnorts des Klägers. Sie fanden innerhalb eines Zeitraums von sechs Wochen, ausschließlich am Wochenende bzw. in den Abendstunden vor einem eher kleinen Personenkreis statt und dauerten überwiegend zwischen zwei und drei Stunden. Der Kläger hat in seiner anschaulichen Einlassung in der mündlichen Verhandlung ("Wirtshausauftritte") glaubhaft ausgeführt, dass sie ihn in keiner Weise physisch angestrengt oder psychisch belastet, sondern im Gegenteil ihm sogar gut getan hätten.
Daneben litt der Kläger im fraglichen Zeitraum zusätzlich an einer Ende November 2010 diagnostizierten Venenthrombose im rechten Bein. Ausweislich der vorgelegten ärztlichen Unterlagen war diese aufgrund der verordneten Therapie Ende Januar 2011 aber bereits weitgehend abgeklungen (Attest Dr. H. vom 28. Januar 2011). Nach allgemeiner medizinischer Erkenntnis gilt bei einer Venenthrombose vornehmlich deren erste Phase nach Auftreten der Entzündung als kritisch. Diese hatte der Kläger mithin schon vor Beginn der Wahlkampfauftritte offenbar gut überstanden. Dass die Behandlung gleichwohl noch fortdauerte, entspricht dem regelmäßigen Verlauf einer erfolgreichen Therapie. Der Kläger hat zudem bereits in seiner Stellungnahme im behördlichen Disziplinarverfahren angegeben und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekräftigt, dass er sich seinerzeit auf ärztlichen Rat hin viel bewegt habe. Auch die Wahlkampfauftritte habe sein Arzt gutgeheißen. Hiernach gaben diese mit Blick auf die bereits abgeklungene Thrombose keinen Anlass zu gesundheitlicher Besorgnis. Auch Art, Anzahl und Dauer der Wahlkampfauftritte, wie oben beschrieben, sprechen dagegen, dass sie die Wiedergenesung des Klägers von der Thromboseerkrankung verzögert oder gar beeinträchtigt haben.
3. Das festgestellte Verhalten des Klägers ist aber disziplinarrechtlich dahingehend zu würdigen, dass er durch seine Wahlkampfauftritte gegen seine allgemeine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) verstoßen hat. Auf diesen gegenüber der tragenden Begründung der Disziplinarverfügung anderen rechtlichen Gesichtspunkt hat der Senat die Beteiligten hingewiesen. Im Übrigen ist der Aspekt des ansehensschädigenden Verhaltens der Sache nach, wenn auch im Rahmen der Maßnahmebemessung, bereits in der Disziplinarverfügung angesprochen.
a) Nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG muss das Verhalten des Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. Daraus folgt, das der Beamte außerdienstlich, d.h. in seiner Freizeit, verpflichtet ist, alles zu unterlassen, was dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung schadet. Ein ansehensschädigendes Verhalten stellt zwangsläufig eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht dar.
Ein solcher Pflichtenverstoß liegt nicht bereits dann vor, wenn sich der Beamte außerdienstlich nicht vorbildlich verhält. Von Beamten wird heutzutage kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von anderen Bürgern. Vielmehr setzt eine Verletzung der Wohlverhaltenspflicht regelmäßig ein gravierend rechtswidriges Verhalten voraus. Darüber hinaus kommt ein Pflichtenverstoß nur in Betracht, wenn das außerdienstliche Verhalten geeignet ist, das Vertrauen in die berufliche Integrität des Beamten zu erschüttern. Das Verhalten muss ernstliche Zweifel begründen, dass der Beamte seinem dienstlichen Auftrag als Sachwalter einer an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung gerecht wird. Dies ist aufgrund einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, wobei es auf die Sicht eines verständigen Betrachters ankommt, der alle relevanten Umstände des Einzelfalls kennt (stRspr, vgl. Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18 jeweils Rn. 22.)
In diese Gesamtwürdigung muss auch einfließen, ob und inwieweit das Verhalten des Beamten grundrechtlichen Schutz genießt. Ein grundrechtlich geschütztes Verhalten, etwa eine politische oder gewerkschaftliche Betätigung, kann aufgrund der ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) Beschränkungen und als solche auch einer disziplinarrechtlichen Ahndung unterliegen, soweit dies von Sinn und Zweck des konkreten Dienst- und Treueverhältnisses gefordert wird. Dabei darf die politische Betätigung allerdings nicht einseitig unter dem Blickwinkel der dienstlichen Belange beurteilt werden. Das Ansehen der öffentlichen Verwaltung wird hier regelmäßig nicht durch die Tätigkeit als solche, sondern durch die Begleitumstände und die Art der Wahrnehmung, z.B. durch Stil und Wortwahl, beeinträchtigt sein (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 23. Februar 1994 - BVerwG 1 D 65.91 - BVerwGE 103, 70 <79 f.>; zuletzt Beschluss vom 16. Juli 2012 - BVerwG 2 B 16.12 - juris Rn. 11, jeweils m.w.N.).
b) Nach diesem Maßstab hat der Kläger mit seiner Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters seines Wohnortes und den Wahlkampfauftritten eine Ansehensschädigung bewirkt, die einen Verstoß gegen seine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht darstellt. Zum Zeitpunkt seiner Kandidatur hatte der Kläger bereits rund zwei Jahren keinen Dienst mehr geleistet. Daher musste es aus der Sicht eines verständigen Betrachters als widersprüchlich erscheinen, dass der Kläger einerseits seit geraumer Zeit aufgrund ärztlicher Atteste "krankgeschrieben" war, andererseits gleichwohl die erwähnten Wahlkampfauftritte bestritt und sich zutraute, im Falle eines Wahlerfolgs sogar die Aufgaben eines hauptamtlichen Bürgermeisters erfüllen zu können. Es liegt nahe, dass ein verständiger Betrachter aus diesem widersprüchlichen Verhalten den Eindruck gewinnen konnte, dass der Kläger im Krankenstand mache, was er wolle, ohne sich um die Wiederherstellung seiner Gesundheit zu kümmern, und dass der Dienstherr dieses Verhalten hinnehme, ohne dagegen vorzugehen. Dass ein solcher Eindruck das Ansehen des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen in ihn beeinträchtigt, liegt auf der Hand.
Unerheblich ist, dass die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers nach den oben erwähnten ärztlichen Gutachten ihre Ursache in erster Linie in dem gestörten Verhältnis des Klägers zu seiner bisherigen Beschäftigungsbehörde, dem BND, haben. Dasselbe gilt für den Einwand des Klägers, dass er den Umstand, dass er sich überwiegend zu Hause aufhielt, mit der "Legende" erklärt habe, er arbeite im "home office". Für die hier anzustellende Betrachtung kommt es nicht auf die Kenntnis solcher Details aus ärztlichen Gutachten oder von Personen aus dem Bekanntenkreis des Klägers an. Maßgeblich ist, ob ein verständiger Betrachter, der weiß, dass der Kläger seit Jahren krankheitsbedingt keinen Dienst mehr geleistet hat, angesichts seiner Kandidatur für das Bürgermeisteramt den dargestellten ansehensschädigenden Eindruck gewinnen konnte. Unerheblich ist ferner, ob der Beklagten insoweit Versäumnisse anzulasten sind, weil es ihr nun schon über längere Zeit nicht gelungen ist, die Frage, ob der Kläger wegen der ihm attestierten psychischen Beeinträchtigungen als dauerhaft oder beschränkt dienstunfähig anzusehen ist (vgl. § 44 BBG), einer verbindlichen Entscheidung zuzuführen. Ein Verstoß gegen beamtenrechtliche Dienstpflichten entfällt nicht deshalb, weil der Dienstherr sich bislang - wegen noch nicht abschließend geklärter ärztlicher Fragen - noch nicht in der Lage gesehen hat, die gesetzlich gebotenen Konsequenzen in Bezug auf den Beamten zu ziehen.
c) Dass der Kläger mit seinen Wahlkampfauftritten von seinem durch Art. 38 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG bei sämtlichen Wahlen auf allen Ebenen des Staatsaufbaus gewährleisteten passiven Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, steht nach dem Vorstehenden (sub 3 a, Rn. 25) der disziplinarrechtlichen Ahndung seines Verhaltens nicht grundsätzlich entgegen. Gemäß dieser verfassungsrechtlichen Gewährleistung und der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG dürfen auch Beamte sich politisch betätigen und für Parteien und Wählervereinigungen oder als Einzelbewerber für Parlamente, Vertretungen oder Wahlämter kandidieren. Aber auch die Wohlverhaltenspflicht (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) als Teilaspekt der beamtenrechtlichen Treuepflicht und das Disziplinarrecht, die ihrerseits zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zählen, gründen auf einer verfassungsrechtlichen Gewährleistung (Urteil vom 23. Februar 1994 a.a.O. S. 79). Dieser Widerstreit von Verfassungsgütern kann nicht einseitig - weder vorrangig zugunsten des passiven Wahlrechts noch zugunsten der dienstlichen Belange - gelöst werden (Beschluss vom 16. Juli 2012 - BVerwG 2 B 16.12 - juris Rn. 11), sondern ist im Sinne praktischer Konkordanz zu einem schonenden Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - BVerfGE 128, 1 <41> m.w.N.).
Dass der Kläger hier von seinem passiven Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, ist daher bei der disziplinarrechtlichen Würdigung seines Verhaltens zu berücksichtigen, führt aber nicht dazu, dass sein Verhalten von vornherein einer disziplinarrechtlichen Würdigung entzogen ist und dass bereits der Tatbestand einer Dienstpflichtverletzung entfällt. Insoweit gilt nichts anderes als bei einem Beamten, der im Rahmen einer politischen Betätigung gegen die Pflicht zu Mäßigung und Zurückhaltung verstößt. Hier wie dort geht es nicht um die Untersagung der politischen Betätigung. Dem Kläger wird nicht angelastet, dass er sich um das Bürgermeisteramt beworben und dafür Wahlkampf betrieben hat. Anknüpfungspunkt und Gegenstand des disziplinaren Vorwurfs sind vielmehr seine Aktivitäten im Zusammenhang mit seiner lang andauernden Krankschreibung. Der disziplinare Vorwurf richtet sich nicht gegen die Wahrnehmung der grundrechtlichen Betätigung als solche, sondern gegen die Art und Weise des Wahlkampfs. Pflichtwidrig ist die Ansehensschädigung, die sich aus der Gesamtbetrachtung seines Verhaltens ergibt.
d) Der Kläger hat auch mit bedingtem Vorsatz und damit schuldhaft gehandelt. Er hat mit seinen Wahlkampfauftritten den beschriebenen Ansehensschaden bewusst hingenommen. Dass er glaubte, sein Verhalten sei (schon) aufgrund seines passiven Wahlrechts erlaubt, entlastet ihn nicht. Es musste ihm klar sein, dass sein Verhalten aufgrund des Widerspruchs zwischen seinem langjährigen Krankenstand einerseits und seinen Wahlkampfauftritten und der dadurch offenbarten eigenen Einschätzung, die Aufgaben eines hauptamtlichen Bürgermeisters ungeachtet seiner langjährigen krankheitsbedingten dienstlichen Abwesenheit bewältigen zu können, in der Öffentlichkeit zu dem oben beschriebenen ansehensschädigenden Eindruck führen konnte.
4. Die hiernach gegebene Dienstpflichtverletzung des Klägers stellt ein Dienstvergehen i.S.v. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG dar, das nach Einschätzung des Senats mit einer Geldbuße (§ 7 BDG) angemessen geahndet ist.
Die Bestimmung dieser Maßnahme beruht auf § 13 Abs. 1 BDG. Danach ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit den ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies ist dem auch im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) geschuldet (vgl. Urteile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 Rn. 21 ff. und vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 1 A 4.04 - a.a.O. Rn. 65
Hiernach gilt im Streitfall: Gegenstand und Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG der dargestellte Verstoß gegen die Pflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG. Diese gehört zu den Grund- oder Hauptpflichten eines Beamten. Die (oben näher dargestellten) äußeren Umstände der Tatbegehung lassen den Pflichtenverstoß allerdings als von eher geringem Gewicht erscheinen; die Wirtshauswahlkampfauftritte waren nach Anzahl, Dauer, und Teilnehmerkreis begrenzt. Mit Blick auf das gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG angemessen zu würdigende Persönlichkeitsbild des Beamten sind im Falle des Klägers als mildernde Umstände zu berücksichtigen, dass er disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und - wie ausgeführt - mit seiner Kandidatur von seinem passiven Wahlrecht Gebrauch gemacht. Schließlich ist bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens nur eine geringe Vertrauensbeeinträchtigung i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 4 BDG eingetreten. Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten insgesamt erheblich gestört ist. Dies beruht jedoch in erster Linie auf Vorgängen in der Vergangenheit und darauf, dass es nun bereits über Jahre hinweg nicht gelungen ist, die Frage der Dienstfähigkeit des Klägers einer verlässlichen (zunächst ärztlichen) Klärung zuzuführen und daraus die gebotenen (dienstrechtlichen) Konsequenzen zu ziehen (vgl. § 44 BBG). Der Senat hält es für angezeigt, diese Klärung herbeizuführen, statt über Geschehnisse abseits dieses Kernproblems ihres Verhältnisses zu streiten.
In Abwägung all dessen hält es der Senat für erforderlich, aber auch ausreichend, dem Kläger zur Pflichtenmahnung eine Geldbuße in Höhe von 300 € aufzuerlegen.