Entscheidungsdatum: 14.10.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 102 19 566 |
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Ing. Kleinschmidt, der Richterin Kirschneck sowie der Richter Dipl.-Ing. J. Müller und Dipl.-Phys. Dipl.-Wirtsch.-Phys. Arnoldi
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Oktober 2014 aufgehoben und das Patent 102 19 566 widerrufen.
I
Auf die am 1. Mai 2002 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung ist die Erteilung des nachgesuchten Patents mit der Nummer 102 19 566 am 30. Juli 2009 veröffentlicht worden.
Es trägt die Bezeichnung
„Elektrischer Winkelstecker“.
Gegen das Patent haben
1. die E… GmbH & Co. KG in O… (Einsprechende I), am 20. Oktober 2009 und
2. die H… AG in D… (Einsprechende II), am 26. Oktober 2009
beim Patentamt Einspruch eingelegt.
Die Einsprechende I hat geltend gemacht, die Anmeldung sei unzulässig erweitert worden (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). Im Übrigen beruhe der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).
Die Einsprechende II hat geltend gemacht, die Anmeldung sei unzulässig erweitert worden (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). Im Übrigen sei der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht neu (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 3 PatG).
Die beiden Einsprechenden haben in den Einspruchsschriftsätzen folgende Druckschriften genannt:
D1 DE 37 44 088 C2
D2 DE 28 40 728 C2
D3 EP 0 818 854 A1
D4 DE 84 15 489 U1
D5 DE 43 01 504 C2
D6 DE 195 20 544 A1
D7 DE 34 03 774 A1
D8 FR 1 457 357
D9 US 2 967 722
Durch einen am Ende einer Anhörung vor der Patentabteilung 34 am 30. März 2011 verkündeten Beschluss ist das Patent beschränkt aufrechterhalten worden.
Gegen diesen Beschluss hatte die Einsprechende II mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2011, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 14. Oktober 2011, Beschwerde eingelegt.
In dem Beschwerdeschriftsatz hatte sie auf eine weitere Druckschrift Bezug genommen:
D10 DE-PS 1 130 882
Durch Beschluss vom 19. Februar 2014 hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts den Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 30. März 2011 aufgehoben und die Sache gemäß § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG zur Fortsetzung des Verfahrens an das Patentamt zurückverwiesen, da das Verfahren an wesentlichen Mängeln gelitten hat.
Zu den Einzelheiten dieses Verfahrensabschnitts wird auf die betreffende Gerichtsakte 19 W (pat) 16/12 verwiesen.
Die Patentabteilung 34 hat daraufhin in der Sitzung vom 8. Oktober 2014 erneut die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents beschlossen.
Der von allen dreien an dem Beschluss mitwirkenden Mitgliedern der Patentabteilung am 20. Oktober 2014 elektronisch signierten elektronischen Beschluss-Urschrift ist zu entnehmen, dass das Patent mit nachstehend genannten Unterlagen beschränkt aufrechterhalten worden ist:
„Beschreibung Seite 1, eingegangen am 30.03.2011,
Beschreibung Seite 1 (letzter Absatz) bis S. 5, eingegangen am 18.11.2008,
Patentansprüche Nummer 1 - 7 nach Hauptantrag, eingegangen am 30.03.2011,
Zeichnungen Figuren 1, 2, eingegangen am 18.11.2008“.
Gegen diesen Beschluss hat die Einsprechende II mit Schreiben vom 21. November 2014, eingegangen am selben Tag, erneut Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, die Anmeldung sei unzulässig erweitert worden (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG). Im Übrigen beruhe der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).
Die Einsprechende I hat keine Beschwerde eingelegt.
Die Einsprechende II beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung 34 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Oktober 2014 aufzuheben und das Patent 102 19 566 in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt,
die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
Der ursprünglich eingereichte Patentanspruch 1 lautet (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
Elektrischer Winkelstecker, bestehend aus einem
a1 an einem Aggregat oder dergl.
a2 feststehend und drehsicher befestigbaren,
b1 im allgemeinen rohrförmigen
b2 Sockel- oder Gegensteckerteil und
c einem mit diesem über formschlüssig wirkende Mittel verbundenen winkelförmigen TrägerteiI
d1 für die Aufnahme eines die Steckkontakte halternden Isolierkörpers,
d2ur wobei der Isolierkörper innerhalb des einen Schenkels des winkelförmigen Trägerteiles
d3 in axialer Richtung unbeweglich festgelegt ist und
e wobei das TrägerteiI einen im allgemeinen rohrförmigen Profilquerschnitt aufweist,
x sowie im Bereich seiner Abwinkelung mit einem durch einen Deckel verschließbaren Ausschnitt versehen ist, welcher eine Montageöffnung bildet,
dadurch gekennzeichnet, daß
f1 das Sockel- oder Gegensteckerteil (1) und das winkelförmige Trägerteil (4)
f2ur vermittels einer Überwurfmutter (6) miteinander verbindbar sind und
g1 der den Isolierkörper tragende Schenkel (5) des winkelförmigen Trägerteiles (4) zugleich über formschlüssig zusammenwirkende Mittel
g2 zwischen dem anderen Schenkel (8) des winkelförmigen Trägerteiles (4) und dem Sockel- oder Gegensteckerteil (1)
g3 gegenüber in einer gewollten Drehlage festlegbar ist.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet gemäß Patentschrift (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
Elektrischer Winkelstecker, bestehend aus einem
a1 an einem Aggregat oder dergl.
a2 feststehend und drehsicher befestigbaren,
b1 im allgemeinen rohrförmigen
b2 Sockel- oder Gegensteckerteil (1) und
c einem mit diesem über formschlüssig wirkende Mittel verbundenen, winkelförmigen TrägerteiI (4)
d1 für die Aufnahme eines die Steckkontakte halternden Isolierkörpers,
d2 der innerhalb des einen Schenkels (8) des winkelförmigen Trägerteiles (4)
d3 in axialer Richtung unbeweglich festgelegt ist und
e wobei das TrägerteiI (4) einen im allgemeinen rohrförmigen Profilquerschnitt aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
f1 das Sockel- oder Gegensteckerteil (1) und das winkelförmige Trägerteil (4)
f2 mittels einer Überwurfmutter (6) miteinander verbindbar sind und
g1 der den Isolierkörper tragende Schenkel (5) des winkelförmigen Trägerteiles (4) zugleich über formschlüssig zusammenwirkende Mittel
g2 zwischen dem anderen Schenkel (8) des winkelförmigen Trägerteiles (4) und dem Sockel- oder Gegensteckerteil (1)
g3 gegenüber diesem in einer gewollten Drehlage festlegbar ist.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 30. März 2011 lautet (Merkmalsgliederung hinzugefügt):
Elektrischer Winkelstecker, bestehend aus einem
a1 an einem Aggregat oder dergl.
a2 feststehend und drehsicher befestigbaren,
b1 im allgemeinen rohrförmigen
b2 Sockel- oder Gegensteckerteil (1) und
c einem mit diesem über formschlüssig wirkende Mittel verbundenen, winkelförmigen TrägerteiI (4)
d1 für die Aufnahme eines die Steckkontakte halternden Isolierkörpers,
d2 der innerhalb des einen Schenkels (8) des winkelförmigen Trägerteiles (4)
d3 in axialer Richtung unbeweglich festgelegt ist und
e wobei das TrägerteiI (4) einen im allgemeinen rohrförmigen Profilquerschnitt aufweist, und
f1 das Sockel- oder Gegensteckerteil (1) und das winkelförmige Trägerteil (4)
f2 mittels einer Überwurfmutter (6) miteinander verbindbar sind und
g1 der den Isolierkörper tragende Schenkel (5) des winkelförmigen Trägerteiles (4) zugleich über formschlüssig zusammenwirkende Mittel
g2 zwischen dem anderen Schenkel (8) des winkelförmigen Trägerteiles (4) und dem Sockel- oder Gegensteckerteil (1)
g3 gegenüber diesem in einer gewollten Drehlage festlegbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
h1 die formschlüssig zusammenwirkenden Mittel zur Festlegung des winkelförmigen Trägerteils (4) am Sockel- oder Gegensteckerteil (1)
h2 durch an beiden Teilen wechselweise vorgesehene, zueinander komplementäre Ausnehmungen und Vorsprünge
h3 in Form einer Stirnverzahnung (14, 15) gebildet sind.
In der Patentschrift (Absatz 0005) ist übereinstimmend mit der ursprünglich eingereichten Fassung angegeben, ausgehend von einem elektrischen Winkelstecker, wie er aus der Druckschrift DE 195 20 544 A1 bekannt sei, liege der Erfindung die Aufgabe zugrunde einen elektrischen Winkelstecker der bezeichneten Bauart dahingehend zu verbessern, dass das winkelförmige Trägerteil mit einem geringstmöglichen Aufwand sowie insbesondere kleinbauend herstellbar und hinsichtlich seiner Drehwinkelstellung zum Sockel- oder Gegensteckerteil ohne Zuhilfenahme von Werkzeugen oder dergl. in einem Schwenkwinkelbereich von weniger als 360° in jede beliebige Schwenkwinkelstellung ausrichtbar, dabei aber zugleich gegen ein unbeabsichtigtes Verstellen einer eingestellten Schwenkwinkellage gesichert sei.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere bezüglich des Wortlauts der abhängigen Patentansprüche sowie des in der Anhörung am 30. März 2011 vor der Patentabtabteilung gestellten Hilfsantrags, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Einsprechenden ist statthaft und auch sonst zulässig (§ 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG, § 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG).
Insbesondere liegt ein beschwerdefähiger Beschluss i. S. d. § 73 Abs. 1 PatG vor, obwohl dem Sitzungsprotokoll der Patentabteilung vom 8. Oktober 2014 nicht zu entnehmen ist, in welcher Fassung das Patent beschränkt aufrechterhalten worden ist. Der Senat hat jedoch keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die ordnungsgemäß signierte Urschrift des Beschlusses über die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents den in der Sitzung vom 8. Oktober 2014 gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 DPMAV i. V. m. § 28 PatG gefassten Beschluss unverfälscht wiedergibt.
2. Als Fachmann legt der Senat einen Diplomingenieur (FH) oder Techniker der Fachrichtung Feinwerktechnik zu Grunde, der mechanische Komponenten elektrischer Steckverbinder entwickelt.
3. Die Beschwerde der Einsprechenden hat Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag vom 30. März 2011 über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht, in der diese ursprünglich beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden ist (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG).
Aus den Merkmalen ursprünglicher Fassung
d2ur wobei der Isolierkörper innerhalb des einen Schenkels des winkelförmigen Trägerteiles,
sowie
g1 der den Isolierkörper tragende Schenkel (5) des winkelförmigen Trägerteiles (4) zugleich über formschlüssig zusammenwirkende Mittel
g2 zwischen dem anderen Schenkel (8) des winkelförmigen Trägerteiles (4) und dem Sockel- oder Gegensteckerteil (1)
g3 gegenüber [diesem] in einer gewollten Drehlage festlegbar ist,
geht nach Überzeugung des Senats eindeutig und abschließend hervor, dass mit dem in Merkmal d2ur ohne Bezugszeichen genannten „einen Schenkel“ des winkelförmigen Trägerteiles, der Schenkel gemeint ist, der in Merkmal g1 mit der Bezugsziffer 5 versehen ist. Davon wird in der ursprünglichen Fassung der „andere Schenkel (8)“ des winkelförmigen Trägerteiles unterschieden, wobei die formschlüssigen Mittel, die in Merkmal g1 genannt sind, zwischen diesem „anderen Schenkel (8)“ und dem Sockel- oder Gegensteckerteil (1) wirken müssen. Eine Lesart dahingehend, auch der „andere Schenkel (8)“ müsse mit einem Isolierkörper zur Aufnahme von Steckkontakten versehen sein oder die formschlüssigen Mittel könnten auch zwischen dem „einen Schenkel (5)“ und dem Sockel- oder Gegensteckerteil (1) wirken, lässt der ursprüngliche Wortlaut nicht zu.
Auch die übrigen Unterlagen deuten nicht darauf hin, dass der „andere Schenkel (8)“ mit einem Steckkontakte halternden Isolierkörper versehen sein soll. Der in diesem Zusammenhang von der Patentinhaberin für beachtlich angesehene Begriff „Gegensteckerteil“ kennzeichnet keineswegs unmittelbar und eindeutig ein elektrisches Kupplungsteil. Im Rahmen der Offenbarung versteht der Fachmann diesen Begriff lediglich im Sinne einer rein mechanischen Kupplung. Auch in den beiden Figuren ist kein Isolierkörper dargestellt, sondern eine rein mechanische Verbindung zwischen dem anderen Schenkel (8) und dem Sockel- oder Gegensteckerteil (1) mittels einer Überwurfmutter (6), so dass der Fachmann an dieser Stelle lediglich eine mechanische Steckverbindung in Verbindung mit einer Kabeldurchführung vermuten musste. Die zugehörige Beschreibung stimmt mit dem Wortlaut des ursprünglichen Patentanspruchs 1 überein und gibt daher ebenfalls keinen Anlass etwas von diesem Abweichendes zu vermuten.
Selbst wenn der Fachmann die von der Patentinhaberin zum Beleg des Standes der Technik genannte Druckschrift DE 195 20 544 A1 (D6) in seine Betrachtungen einbeziehen sollte, entnimmt er auch dieser, übereinstimmend mit dem Wortlaut des ursprünglichen Patentanspruchs 1, dass der mit dem Sockelteil (1) zusammenwirkende Schenkel nicht mit elektrischen Steckkontakten versehen ist, sondern der Kabeldurchführung dient, während in dem davon abgewandten Schenkel elektrischen Steckkontakte angeordnet sind.
In die geltenden Fassung des Merkmals d2, die mit der erteilten Fassung übereinstimmt, ist – über die ursprüngliche Fassung hinaus – für den „einen Schenkel“ die Bezugsziffer 8 aufgenommen worden. Dies führt zwar zu Widersprüchen zum weiteren Wortlaut des Patentanspruchs 1, dennoch eröffnet sich dem Fachmann durch die Einfügung des Bezugszeichen 8 in das Merkmal d2 die Lesart, dass entweder beide Schenkel mit einem Steckkontakte haltenden Isolierkörper versehen sein könnten oder wahlweise auch nur der „andere Schenkel“, der zur Lösung der Aufgabe mittels formschlüssiger Mittel mit dem Sockel- oder Gegensteckerteil (1) zusammenwirkt.
Aufgrund der Äußerungen der Patentinhaberin in ihrem Schriftsatz vom 14. November 2008 (Seite 2, letzter und vorletzter Absatz) sowie durch den Vortrag vor dem Senat in der Verhandlung am 14. Oktober 2015, ist auszuschließen, dass es sich bei der vorgenommenen Einfügung des Bezugszeichens 8 in den Wortlaut des Merkmals d2 des Patentanspruchs 1 um einen Irrtum handelt, den der Fachmann erkennt und stillschweigend übergeht. Vielmehr handelt es sich um eine willentliche inhaltliche Änderung gegenüber der ursprünglichen Fassung, die der Fachmann den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht entnehmen konnte.
Somit stellt im vorliegenden Fall die Einfügung der Bezugsziffer 8 in den Obergriff des Patentanspruchs 1 eine unzulässige Änderung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG dar, wobei der Senat nicht verkennt, dass Bezugszeichen in der Regel lediglich als Lesehilfe dienen, der Schutzbereich eines Patent jedoch durch den Wortlaut der Patentansprüche bestimmt ist.
Daher war schon aus diesem Grund der Beschluss der Patentabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
4. Der Wegfall des Merkmals x, wonach das winkelförmige Trägerteil im Bereich seiner Abwinkelung mit einem durch einen Deckel verschließbaren Ausschnitt versehen ist, welcher eine Montageöffnung bildet, den die Einsprechende beanstandet hat, stellt dagegen nach Überzeugung Senats keine unzulässige Änderung dar. Zum einen sind die Patentansprüche, die mit der ursprünglichen Anmeldung eingereicht werden, lediglich als ein erster Versuch zu werten, welcher Schutzanspruch möglicherweise gewährbar sein könnte. Zum anderen erkennt der Fachmann anhand der ursprünglichen Unterlagen ohne weiteres, dass es hinsichtlich der Drehwinkelstellung zwischen dem winkelförmigen Trägerteil und dem Sockel- oder Gegensteckerteil auf die Montageöffnung im Bereich der Abwinkelung nicht ankommt.
Somit handelt es sich bei Streichung des Merkmals x um eine Verallgemeinerung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung, die jedoch in diesem Fall nach Erkenntnis des Senats nicht zur Unzulässigkeit des geltenden Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag führen würde.
Nachdem das Patent schon ohne dieses Merkmal erteilt worden ist, stellt sich hier zudem nicht die Frage einer unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs i. S. d. § 22 Abs. 1 PatG.
5. Im Übrigen ist durch die Aufnahme der Bezugsziffer 8 in das Merkmal d2 die Diskrepanz zwischen der zeichnerischen Darstellung, einschließlich der zugehörenden Beschreibung, und dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 gemäß geltendem Hauptantrag nicht aufgelöst und nach Überzeugung des Senats die mit dem geänderten geltenden Patentanspruch 1 beanspruchte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG). Da der Wortlaut des Patentanspruchs besagt, dass die formschlüssigen Mittel zwischen dem „anderen Schenkel (8)“ und dem Sockel-und dem Gegensteckerteil (1) wirken sollen (Merkmale g1, g2), wäre zu erwarten, dass die zueinander komplementären Ausnehmungen und Vorsprünge (Merkmal h2) in Form einer Stirnverzahnung (Merkmal h3) zum einen am oberen Ende (20) des Sockel- oder Gegensteckerteils (1) und zum anderen am unteren Ende des „anderen Schenkels (8)“ oder allenfalls auf der unteren Seite des radial ausladenden Bundes 13 der in der Zeichnung dargestellten Hülse (11) ausgebildet sind.
In der – nachstehend eingeblendeten, mit Erläuterungen versehenen – Figur 1 dargestellt, und damit übereinstimmend beschrieben, ist zwar eine axiale Stirnverzahnung (14) am unteren Ende des „anderen Schenkels (8)“, die jedoch mit einer dazu komplementären Stirnverzahnung (15) an besagter Hülse (11) zusammenwirkt. Entgegen dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 ist aber weder am oberen Ende des Sockel- oder Gegensteckerteils (1) eine Stirnverzahnung ausgebildet, noch ist eine Ausführungsform erkennbar, bei der die Hülse (11) Bestandteil des Sockel- oder Gegensteckerteils wäre. Somit ist nach Überzeugung des Senats das einzige von der Patentschrift umfasste Ausführungsbeispiel nicht dazu geeignet dem Fachmann hinreichend vollständig und deutlich zu offenbaren, wie er den Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ausführen soll (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG).
Die auf entsprechenden Vorhalt durch den Senat von dem Vertreter der Patentinhaberin vorgebrachte ergänzende Erläuterung führt zu keiner anderen Einschätzung. So mag unbestritten zutreffen, dass sich die erwünschte Wirkung erzielen lässt, wenn zum einen in den Innenraum des Sockel- oder Gegensteckerteils (1) ein elektrisches Kupplungsteil sowohl axial als auch radial unverschiebbar eingepasst wird und zum anderen ein damit korrespondierendes Kupplungsteil in den Innenraum der Hülse (11). Abgesehen davon, dass sich diese Informationen nicht aus der Patentschrift erschließen lassen, ohne dass der Fachmann selbst erfinderisch tätig wird, stünde diese Ausgestaltung nach wie vor nicht in Einklang mit der Angabe im Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, wonach eine der beiden zueinander komplementären Stirnverzahnungen am Sockel- oder Gegensteckerteil 1 gebildet sein soll.
6. Abgesehen davon beruht der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wie ihn die Patentinhaberin verstanden haben will, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist damit nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG i. V. m. § 4 PatG).
Aus der Druckschrift DE 37 44 088 C2 (D1), die nach Bekunden des Vertreters der Patentinhaberin den nächstkommenden Stand der Technik wiedergibt, ist unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin gewünschten Lesart Folgendes bekannt (die Ergänzungen gegenüber dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 sind durch Unterstreichung markiert): ein
Elektrischer Winkelstecker, bestehend aus einem
a1 an einem Aggregat oder dergl. (vgl. Figur 2, i. V. m. Spalte 2, Zeilen 15-19)
a2 feststehend und drehsicher befestigbaren,
b1 im allgemeinen rohrförmigen
b2 Sockel- oder Gegensteckerteil 1 und
c einem mit diesem über formschlüssig wirkende Mittel 92, 93; 3, 17; 7, 20 verbundenen, winkelförmigen TrägerteiI 2
d1 für die Aufnahme eines die Steckkontakte halternden Isolierkörpers 17,
d2 der innerhalb des einen, in der Zeichnung waagrechten Schenkels des winkelförmigen Trägerteiles 2
d3 in axialer Richtung (durch Aufschrauben der Überwurfmutter 72, vgl. Spalte 2, Zeile 66 bis Spalte 3, Zeile 1) unbeweglich festgelegt ist und
e wobei das TrägerteiI 2 einen im allgemeinen rohrförmigen Profilquerschnitt 24, 79 aufweist, und
f1 das Sockel- oder Gegensteckerteil 1 und das winkelförmige Trägerteil 2
f2 mittels einer Überwurfmutter 92, 93 miteinander verbindbar sind (Spalte 2, Zeilen 17-19) und
g1 der in der Zeichnung senkrechte Schenkel des winkelförmigen Trägerteiles 2 zugleich über formschlüssig zusammenwirkende Mittel 26, 50; 78, 51
g2 zwischen dem in der Zeichnung waagrechten Schenkel des winkelförmigen Trägerteiles 2 und dem Sockel- oder Gegensteckerteil 1
g3 gegenüber diesem in einer gewollten Drehlage festlegbar ist (vgl. Figuren 4, 5 i. V. m. Spalte 3, Zeilen 9-24).
wobei
h1 die formschlüssig zusammenwirkenden Mittel zur Festlegung des winkelförmigen Trägerteils 2 am Sockel- oder Gegensteckerteil 1
h2 durch wechselweise vorgesehene, zueinander komplementäre Ausnehmungen 50 und Vorsprünge 51
h3 in Form einer radial ausgerichteten Verzahnung gebildet sind.
Somit verbleibt als einziger Unterschied des Gegenstandes des Patentanspruchs gemäß Hauptantrag in der Lesart der Patentinhaberin, der auch von der Patentabteilung in ihrer Beschlussbegründung als wesentlich bezeichnet wurde, dass die miteinander korrespondierenden Verzahnungen als Stirnverzahnung (= axial) ausgerichtet sein sollen, während die Verzahnungen gemäß der Druckschrift (1) DE 37 44 088 C2 radial ausgerichtet sind.
In der von der Beschwerde führenden Einsprechenden im Beschwerdeschriftsatz genannten Druckschrift DE-PS 1 130 882 (D10) ist es aber bereits als üblich bezeichnet, auf den einander berührenden Stirnflächen zweier Kontaktteile Zähne oder Kerben, also zueinander komplementäre Stirnverzahnungen anzuordnen (Spalte 1, Zeilen 14 bis 18). Darüber hinaus werden gemäß dieser Druckschrift solche zu einander komplementären Stirnverzahnungen 9, 10 die zum einen an einem Schenkel 1 eines elektrischen Winkelsteckers und zum andern damit korrespondierend an einem Sockel- oder Gegensteckverbinder 2 ausgebildet sind, wie beim Gegenstand des Streitpatents, mittels einer Überwurfmutter 7 miteinander verbunden.
Somit hatte der Fachmann eine deutliche Anregung, die aus vielen Einzelteilen bestehende Anordnung zur Festlegung und Sicherung der relativen Winkellage der aus der Druckschrift D1 bekannten Steckverbindung durch die einfache zueinander komplementäre Stirnverzahnung zu ersetzen, wie sie in der Druckschrift D10 als bekannt vorausgesetzt und weiter ausgestaltet wird.
Somit gelangt der Fachmann in Kenntnis des Standes der Technik in nahe liegender Weise zu einem elektrischen Winkelstecker, wie ihn die Patentinhaberin erfunden haben möchte.