Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 11.01.2017


BPatG 11.01.2017 - 18 W (pat) 180/14

Patentbeschwerdeverfahren – "Aufzeichnungs-Wiedergabegerät" – zur Zuständigkeit für die Prüfung einer im Beschwerdeverfahren entstandenen Teilanmeldung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsdatum:
11.01.2017
Aktenzeichen:
18 W (pat) 180/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Teilanmeldung 199 84 045.8

hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 11. Januar 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn und die Richter Kruppa, Dipl.-Phys. Dr. Schwengelbeck und Dipl.-Ing. Altvater

beschlossen:

1. Das Bundespatentgericht ist für die Prüfung der aufgrund der Teilungserklärung vom 6. März 2013 aus der Stammanmeldung 199 80 892.9 entstandenen Patentanmeldung 199 84 045.8 nicht zuständig.

2. Das aufgrund der Teilung durchzuführende Anmeldeverfahren wird zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patent- und Markenamt verwiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Anmelderin hat am 16. April 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt Antrag auf Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung

2

„Aufzeichnungs-Wiedergabegerät“

3

gestellt.

4

Mit in der Anhörung vom 21. September 2012 verkündeten Beschluss, erstellt am 2. Oktober 2012, hat die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung 199 80 892.9 (Stammanmeldung) mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung des Hauptantrags und des Hilfsantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

5

Gegen diesen ihr am 8. Oktober 2012 zugestellten Beschluss hat die Anmelderin mit am 6. November 2012 eingegangenen Schriftsatz vom 6. November 2012 Beschwerde eingelegt.

6

Mit am 7. März 2013 beim Bundespatentgericht eingegangenem Schriftsatz vom 6. März 2013 hat die Anmelderin die Teilung der Anmeldung 199 80 892.9 erklärt. Die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts hat dem Bundespatentgericht mit Schreiben vom 17. Juni 2013 mitgeteilt, die Wirksamkeit der am 6. März 2013 abgegebenen Teilungserklärung sei mit Schreiben vom 16. April 2013 bestätigt worden. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat unter dem Aktenzeichen 199 84 045.8 die Teilungsakte angelegt.

7

Bezüglich der Stammanmeldung 199 80 892.9 fand am 14. Dezember 2016 eine mündliche Verhandlung statt (18 W (pat) 113/14), in der der Bevollmächtigte der Anmelderin darauf hingewiesen wurde, dass der Senat nach vorläufiger Auffassung eine Zurückverweisung der Teilanmeldung an das Deutsche Patent- und Markenamt beabsichtige, da in der Teilanmeldung Merkmale beansprucht werden, die in der Stammanmeldung bisher noch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Prüfungsverfahrens waren. Auf die mündliche Verhandlung wurde bezüglich der Stammanmeldung der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. September 2012 aufgehoben und die Sache zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

II.

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1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über die Teilanmeldung nicht zuständig. Die Zuständigkeit für die Teilanmeldung liegt beim Deutschen Patent- und Markenamt, sodass die Teilanmeldung zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patent- und Markenamt zu verweisen ist.

9

Die gemäß § 39 PatG wirksame Teilanmeldung ist zwar beim Bundespatentgericht anhängig geworden, da die mit Schriftsatz vom 6. März 2013 erklärte Teilung während des Beschwerdeverfahrens zur Stammanmeldung beim Bundespatentgericht eingegangen ist. Dies führt jedoch nicht zwingend dazu, dass das Gericht für die Prüfung der Teilanmeldung zuständig ist (ebenso BPatG 12 W (pat) 42/14 – Beschluss vom 13. Mai 2014; 7 W (pat) 44/11 – Beschluss vom 22. November 2013; 7 W (pat) 108/11 – Beschluss vom 30. März 2012; 21 W (pat) 1/09 – Beschluss vom 21. Dezember 2010; a. M. BGH GRUR 1999, 574 ff. – Mehrfachsteuersystem; BGH GRUR 1998, 458 ff.  – Textdatenwiedergabe; BPatG 17 W (pat) 6/13 – Beschluss vom 22. Oktober 2013).

10

Die gegenteilige Auffassung beruht auf der Annahme, dass es sich bei der Teilung nach § 39 Abs. 1 PatG um einen der Prozesstrennung nach § 145 ZPO vergleichbaren Vorgang handelt (vgl. BGH, a. a. O.. – Mehrfachsteuersystem; a. a. O – Textdatenwiedergabe). Wie der 21. Senat des Bundespatentgerichts in seiner Entscheidung vom 7. Dezember 2010 (21 W (pat) 10/09, GRUR 2011, 949 – Teilung einer Patentanmeldung im Beschwerdeverfahren) im einzelnen dargelegt hat, ist dies jedoch nicht der Fall. Danach entsteht bei einer Teilung nach § 39 PatG vielmehr ein neuer Verfahrensgegenstand, der im bisherigen Erteilungsverfahren bis zur Erklärung der Teilung keine Rolle gespielt hat. Dementsprechend fällt der Gegenstand der Teilanmeldung auch nicht in der Beschwerde an. Denn der Beurteilung durch das Beschwerdegericht unterliegt ein Rechtschutzbegehren nur insoweit, als darüber in der Vorinstanz entschieden wurde. Nur in diesem Umfang kommt einer Beschwerde der Devolutionseffekt zu (sog. Anfallwirkung). Sie ist das Mittel, um angegriffene Entscheidungen in der höhren gerichtlichen Instanz nachprüfen zu lassen. Entscheidend ist, dass das Rechtsmittelgericht alleine über das prozessuale Schicksal des erstinstanzlichen Streitgegenstandes entscheidet (vgl. Bay. VGH NVwZ 2000, 210 f. m. w. N.). Demgegenüber ist die erstmalige Prüfung von Patentanmeldungen – wozu auch die Prüfung einer Teilanmeldung gehört – grundsätzlich die Sache des Deutschen Patent- und Markenamts. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den o. g. Beschluss des 21. Senats Bezug genommen, dem sich der erkennende Senat im vollem Umfang anschließt.

11

Der Senat hält eine Verweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt insbesondere auch deshalb für sachgemäß, damit der Anmelderin für die abgetrennte Teilanmeldung zwei Instanzen zur Verfügung stehen (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 39 Rn. 27). Die mit den Teilungsunterlagen eingereichten neuen Ansprüche waren in dieser Form nicht Gegenstand im Prüfungsverfahren der Stammanmeldung. Über den Anspruchsgegenstand der Teilanmeldung wurde daher inhaltlich bisher noch nicht entschieden.

12

Zwar hätte die Anmelderin auch im Beschwerdeverfahren die gemäß Teilungserklärung geltenden Ansprüche hilfsweise einreichen können. Da sie aber die Anmeldung „jederzeit“ bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Stammanmeldung teilen darf, dürfte sie auch ein berechtigtes Interesse daran haben, zur Prüfung „neuer“ Aspekte in einer solchen Teilanmeldung alle Instanzen des Prüfungsverfahrens nutzen zu können.

13

Ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis wegen Verfahrensverschleppung (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 9. Aufl., § 39 Rn. 17) liegt nicht vor, weil die Teilungserklärung keinen Einfluss auf das Beschwerdeverfahren der Stammanmeldung hatte.

14

Da es somit an einer sachlichen Zuständigkeit des Bundespatentgerichts zur Entscheidung über die Teilanmeldung mangelt, ist diese durch Beschluss gemäß § 17 a Abs. 2 i. V. m. § 13 GVG, § 39 Abs. 1 Satz 3 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zu verweisen.

15

2. Die Rechtbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG zuzulassen, da der Senat zwar mit der Rechtsprechung des 21. Senats des Bundespatentgerichts übereinstimmt, hiermit aber von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer Senate des Bundespatentgerichts abweicht.