Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 09.07.2013


BPatG 09.07.2013 - 17 W (pat) 82/09

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren zum Erzeugen von Bildern mit wirklichkeitsgetreuen Modifikationen – Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens“ – zur Patentfähigkeit – kein Lösung einer technischen (Teil-)Problemstellung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsdatum:
09.07.2013
Aktenzeichen:
17 W (pat) 82/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 103 18 090.7-53

hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung und des Richters Dipl.-Phys. Dr. Forkel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 17. April 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 17. April 2002 eingereicht worden. Sie trägt die Bezeichnung

2

„Verfahren zum Erzeugen von Bildern mit wirklichkeitsgetreuen Modifikationen - Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens“

3

Die Prüfungsstelle für Klasse G06T hat mit Beschluss vom 23. Juni 2009 die Anmeldung zurückgewiesen, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und daher nicht gewährbar sei.

4

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.

5

Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

6

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

7

Patentansprüche 1 bis 23 vom 6. Oktober 2009, eingegangen am 7. Oktober 2009,

8

Beschreibung S. 1 bis 11 vom 20. August 2007,

9

2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2 vom 20. Juni 2005, eingegangen am 20. August 2005.

10

Zudem regt sie gemäß § 73 (4) PatG die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an.

11

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind folgende Druckschriften genannt worden:

12

D1: DE 43 28 908 A1

13

D2: CorelDRAW 7, DAS KOMPENDIUM, Markt&Technik, 1999, ISBN 3-8272-5477-9, Seiten 25, 26, 30, 31, 33, 144 bis 147, 223 bis 227, 429 bis 454, 464 bis 470, 564, 565, 572

14

D3: US 5 729 704 A

15

D4: S. Gießen, H. Nakanishi: Word 97, Das bhv Buch als Taschenbuch, bhv Verlags-GmbH, 1. Auflage 1999, Seiten 340 bis 347, 553 bis 555, 570 bis 579.

16

Der Senat hat zusätzlich die Druckschrift

17

D5: EP 1 085 464 A2

18

in das Verfahren eingeführt.

19

Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

20

Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht und auch sonst zulässig. Sie konnte jedoch keinen Erfolg haben, da das Verfahren des Patentanspruchs 1 gemäß § 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 vom Patentschutz ausgeschlossen ist.

21

1. Die Patentanmeldung betrifft ein Verfahren zum Erzeugen von Bildern mit wirklichkeitsgetreuen Modifikationen sowie eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.

22

Durch die Lehre der Anmeldung soll die Aufgabe gelöst werden, ein Verfahren zum Erzeugen einer Mehrzahl von Bilddateien, basierend auf einem Grundbild zu schaffen, bei dem mit möglichst hoher optischer Attraktivität ein Seriendruck möglich ist. Eine weitere Aufgabe soll darin bestehen, eine Hardware und eine Software zu schaffen, mit der ein solches Verfahren umgesetzt werden kann (Anmeldeunterlagen S. 2 Abs. 3).

23

Der Patentanspruch 1 lautet (mit eingefügten Gliederungszeichen):

24

„Verfahren zum selbsttätigen Erzeugen und Ausdrucken einer Vielzahl von Bildern mit wirklichkeitsgetreuen, individuellen Texteindrucken mittels einer Software auf einem Computer, wobei

25

a) in einem Grundbild, das in einem handelsüblichen Grafikformat vorliegt, zumindest ein Positionsrahmen für den Eindruck des Texteindruckes definiert wird,

26

b) über die Software zumindest ein über eine Schnittstelle oder einen Datenspeicher des Computers zur Verfügung gestellter Roheindruck wirklichkeitsgetreu in den Bildeindruck umgewandelt wird und

27

c) für den Texteindruck innerhalb des Positionsrahmens ein Vektorpfad definiert und der Texteindruck entlang dieses Vektorpfades angeordnet wird,

28

dadurch gekennzeichnet, dass

29

d) der Vektorpfad Buchstaben des Texteindrucks definiert,

30

e) der Texteindruck aus einzelnen Elementen zusammengesetzt wird, wobei

31

e1) die Elemente in Abhängigkeit des Grundbildes gewählt werden und

32

e2) die Größe der Elemente in Abhängigkeit der Komplexität des Vektorpfades gebildet wird, und

33

e3) anschließend die Elemente entlang des Vektorpfades zu Buchstaben des Texteindrucks zusammengesetzt werden, und

34

f) der Text des Texteindrucks von der Software über eine Schnittstelle eingelesen wird.“

35

Der nebengeordnete Patentanspruch 18 ist gerichtet auf ein

36

Computersystem zum Erzeugen und Verarbeiten individueller Bilddateien unter Anwendung eines Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass es eine Vorrichtung zur Datenverarbeitung umfasst, die einen Speicher mit der darauf abgelegten Software, eine mit der Schnittstelle der Software zusammenwirkende Möglichkeit zum Import des Textes in die Software sowie eine Ausgabemöglichkeit aufweist.

37

Der nebengeordnete Patentanspruch 23 betrifft ein

38

Verfahren zum Erzeugen und Verarbeiten individueller Bilddateien mit einem Computersystem nach einem der drei vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass dem Clientrechner ein in der Auflösung reduziertes Abbild des Grundbildes und die Position sowie die Größe der Box übermittelt wird, der Anwender über eine Tastatur des Client den Text eingibt, die Eingabe an den Server übertragen und auf dem Server die hochauflösende Bilddatei erstellt sowie zur Ausgabeeinheit geschickt wird.

39

Die dem Anspruch 1 zugrunde liegende Lehre ermöglicht es, mittels einer Software auf einem Computer Bilder mit Texteindrucken zu erzeugen, die dann ausgedruckt werden können. Der Texteindruck soll in möglichst wirklichkeitsgetreuer Weise an den Bildinhalt angepasst sein.

40

Hierzu wird in einem Grundbild, das in einem handelsüblichen Grafikformat vorliegt, ein Positionsrahmen für den Texteindruck definiert (Merkmal a)). Über eine Schnittstelle des Computers wird der Text des zu erzeugenden Texteindrucks eingelesen (Merkmal f)).

41

Für den Texteindruck wird ein Vektorpfad definiert, entlang dessen der Texteindruck angeordnet wird (Merkmal c)). Die einzelnen Buchstaben des Texteindrucks werden aus Elementen zusammengesetzt, die in Abhängigkeit des Grundbildes gewählt werden (Merkmal e1)); dies können Elemente sein, die im Grundbild vorkommen oder dort natürlicherweise zumindest vorkommen könnten (z. B. Laub auf einer Wiese, Fußspuren im Sand usw., vgl. etwa S. 6 Abs. 1 und le. Abs. bis S. 7 Abs. 2). Die Elemente werden entlang des Vektorpfads zu Buchstaben und diese zu dem gesamten Texteindruck zusammengesetzt (Merkmale d), e), e3)). Je nach Komplexität des Vektorpfades (etwa Anzahl, Form und Anordnung der Buchstaben und der einzelnen Elemente, aus welchen die Buchstaben zusammengesetzt sind) wird die Größe der Elemente und damit der Buchstaben und des gesamten Textes gewählt (Merkmal e2); so wird etwa abhängig von der Länge des Textes und der Größe des Positionsrahmens eine Anpassung und Skalierung vorgenommen (S. 3 Abs. 2).

42

Auf diese Weise wird der aus dem ursprünglich eingelesenen Text gebildete Roheindruck in einen Texteindruck umgewandelt, der evtl. in Verbindung mit zusätzlichen Elementen (z. B. weiteren, den aus Blättern zusammengesetzten Texteindruck umgebenden Blättern, vgl. S. 6 Abs. 1) den endgültigen, dem Grundbild hinzuzufügenden Bildeindruck darstellt (Merkmal b)).

43

Als Fachmann sieht der Senat hier einen Informatiker oder Programmierer mit Erfahrung in der Entwicklung von Software für Bild- und Textmontage zum Drucken an.

44

Einem solchen Fachmann war der in der Anmeldung nicht erläuterte Begriff „Vektorpfad“ etwa aus der im Druckbereich verwendeten Seitenprogrammiersprache PostScript bekannt; dort können alle grafischen Objekte (Linien, Flächen, Buchstaben usw.) bis hin zu komplexen Illustrationen durch Vektorpfade definiert werden.

45

2. Das Verfahren des Patentanspruchs 1 ist vom Patentschutz ausgeschlossen. Bei dem beanspruchten Verfahren handelt es sich nämlich um ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches (§ 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 PatG).

46

Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Prüfung, ob ein Ausschlusstatbestand vorliegt darauf abzustellen, ob ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst wird, vgl. BGH in GRUR 2010, 613 - Dynamische Dokumentengenerierung, BGH in GRUR 2011, 610 - Webseitenanzeige.

47

Ein technisches Mittel zur Lösung eines technischen Problems liegt vor, wenn Gerätekomponenten modifiziert oder grundsätzlich abweichend adressiert werden, wenn der Ablauf eines zur Problemlösung eingesetzten Datenverarbeitungsprogramms durch technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt, vgl. BGH in GRUR 2010, 613 - Dynamische Dokumentengenerierung; BGH in GRUR 2011, 610 - Webseitenanzeige.

48

Welches Problem durch eine Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet (BGH in GRUR 2005, 141 - Anbieten interaktiver Hilfe).

49

Das beanspruchte Verfahren leistet es, Bilddaten und Buchstabenelemente so zu bearbeiten und zu einer Bilddatei zusammenzusetzen, dass beim Betrachten des der Bilddatei entsprechenden (z. B. ausgedruckten oder auf einem Bildschirm dargestellten) Bildes ein natürlicher Bildeindruck entsteht.

50

Die Zielsetzung liegt somit darin, automatisiert eine für einen menschlichen Betrachter möglichst ansprechende Darstellung zu erzeugen. Dies stellt kein technisches Problem dar. In den einzelnen Teilschritten des Verfahrens (etwa der Verwendung eines Vektorpfades und dem Zusammensetzen von Elementen und Buchstaben entlang dieses Pfades) sind lediglich Maßnahmen der reinen Datenverarbeitung zu sehen; sie haben keinerlei Lösung einer technischen (Teil-)Problemstellung zum Gegenstand.

51

Die zur Problemlösung eingesetzten Mittel erschöpfen sich in einem Datenverarbeitungsprogramm, das auf einem Computer mit üblichen Komponenten (einschließlich Schnittstellen zur Lieferung der zu verarbeitenden Daten) ausgeführt wird. Zur Durchführung wird eine übliche Datenverarbeitungsanlage in bestimmungsgemäßer Weise genutzt; darüber hinausgehende technische Mittel werden nicht eingesetzt. Es wird auch in keiner Weise auf besondere technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage oder der Datenverarbeitungsanlage selbst Rücksicht genommen. Weder entfaltet das beanspruchte Verfahren eine Außenwirkung im Sinne einer Steuerung, noch wird in das Verfahren von außen her steuernd eingegriffen. Die beanspruchte Lehre führt zwar zu benutzerfreundlichen Verbesserungen bei der Informationswiedergabe, leistet jedoch keinen Beitrag zur Lösung eines technischen Problems, vgl. BGH in GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen, insbesondere unter III.4.a).

52

3. Der Patentanspruch 1 ist nicht gewährbar. Auch die übrigen Patentansprüche 2 bis 23 sind nicht gewährbar, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH in GRUR 1997, 120 „Elektrisches Speicherheizgerät“).

53

4. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.

54

Wegen der Formulierung „kann“ in § 80 Abs. 3 PatG wird die Beschwerdegebühr zurückgezahlt, wenn dies der Billigkeit entspricht. Maßgebend dafür sind alle Umstände des Falles. Die Billigkeit der Rückzahlung kann sich u. a. aus der Sachbehandlung durch das Deutsche Patent- und Markenamt ergeben (vgl. Benkard, Patentgesetz Gebrauchsmustergesetz, 10. Auflage (2006), PatG § 80 Rdnr. 21; Schulte, Patentgesetz, 8. Auflage (2008), § 80 Rdnr. 111, 112 sowie § 73 Rdn. 124, 132, 147). Dies ist hier der Fall. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Mängel des Erteilungsverfahrens vor der Prüfungsstelle der Grund für die Einlegung der Beschwerde waren.

55

Dass die Prüfungsstelle dem Antrag der Anmelderin auf eine erste Anhörung nicht stattgegeben hat, war nicht sachdienlich. Sachdienlich ist eine Anhörung grundsätzlich in jedem Verfahren einmal (BPatGE 18, 30). Sie ist immer sachdienlich, wenn sie das Verfahren fördern kann, insbesondere wenn sie eine schnellere und bessere Klärung als eine schriftliche Auseinandersetzung verspricht. Die Ablehnung eines Antrags auf Anhörung kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht. Das gilt besonders dann, wenn es sich wie hier um eine erste Anhörung handelt. Für die Ablehnung des Antrages müssen daher triftige Gründe vorliegen, z. B., dass die Anhörung zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung führen würde (Schulte, a. a. O., § 46 Rdnr. 9 f.).

56

Im vorliegenden Fall sind objektive, die Ablehnung des Antrages auf eine erste Anhörung rechtfertigende Gründe nicht ersichtlich. Das Verhalten der Anmelderin gab keinen Anlass für die Vermutung, dass die beantragte Anhörung das Verfahren lediglich verzögern würde. Vielmehr war im Verhalten der Anmelderin (Änderung der Ansprüche und ausführliches Eingehen auf die Argumente der Prüfungsstelle in jeder ihrer beiden Eingaben sowie hilfsweises Beantragen einer Anhörung) deutlich ihre Gesprächsbereitschaft und ihr Interesse an einer zielgerichteten Weiterführung des Verfahrens erkennbar. Gerade im Fall unterschiedlicher Ansichten von Prüfungsstelle und Anmelderin ist eine Anhörung regelmäßig ein schneller und zielführender Weg zur Klärung.

57

Auch war der der Anmeldung zugrunde liegende, relativ komplexe Sachverhalt nicht so klar und unmittelbar einsichtig, dass die Durchführung einer Anhörung nicht sachgerecht gewesen wäre.

58

Bei verständiger Würdigung ist somit nicht auszuschließen, dass im Rahmen einer Anhörung das Verfahren so weit hätte gefördert werden können, dass die Anmelderin auf die Einlegung der Beschwerde verzichtet hätte.

59

Damit war die Sachbehandlung mängelbehaftet und ursächlich für die Beschwerdeerhebung.

60

Es entspricht daher der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.