Entscheidungsdatum: 20.12.2010
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung P 43 45 604.9-53
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 20. Dezember 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, der Richterin Eder sowie des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und der Richterin Dipl.-Ing. Wickborn
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G06F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Juni 2010 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Die vorliegende Patentanmeldung entstand durch Teilungserklärung vom 5. September 2005 aus der Patentanmeldung P 43 45 580.8, die im September 2003 durch Teilung aus der Patentanmeldung P 43 90 991.4 entstanden war. Diese Ursprungsanmeldung ist eine PCT-Anmeldung in nationaler Phase, welche die Priorität einer Voranmeldung in den USA vom 6. März 1992 in Anspruch nimmt und als WO 93 / 18 463 A1 in englischer Sprache, später in deutscher Übersetzung als DE 43 90 991 T1 veröffentlicht wurde. Die vorliegende Teilungsanmeldung erhielt die Bezeichnung:
„Vorrichtung zur Kommunikation mit einem DRAM “.
Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. März 2008 zurückgewiesen, weil ihr Patentanspruch 1 mangels Erfindungshöhe seines Gegenstands nicht gewährbar sei.
Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Anmelderin hatte Erfolg. Die Anmeldung wurde vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 12. Januar 2010 (17 W (pat) 75/08), basierend auf neu eingereichten Patentansprüchen, zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen mit der Maßgabe, dass das geltende Patentbegehren zulässig sei.
Daraufhin wurde die Anmeldung nach einem Prüfungsbescheid vom 5. Mai 2010 von derselben Prüfungsstelle durch Beschluss vom 21. Juni 2010 erneut zurückgewiesen mit der Begründung, dass in der Beschreibung kein Weg zum Ausführen der beanspruchten Erfindung im Einzelnen angegeben sei. Nach dieser Feststellung stehe der Prüfungsstelle vor dem Gesetz nach § 34 Abs. 6 PatG in Verbindung mit der PatAnmVO vom 4. Mai 1990, § 4 Abs. 4 kein Ermessensspielraum mehr zu; wenn die gesetzlichen Erfordernisse, die an eine Anmeldung gestellt sind, nicht erfüllt seien, so sei diese zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluss ist die erneute Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie trägt vor, der neue Zurückweisungsbeschluss sei offensichtlich rechtsfehlerhaft, da das Patentamt an die rechtliche Beurteilung des Bundespatentgerichts gebunden sei; dieses habe aber ausgeführt, dass die Lehre der Patentansprüche in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß:
den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit den geltenden Unterlagen gemäß dem Senatsbeschluss 17 W (pat) 75/08 vom 12. Januar 2010 zu erteilen,
hilfsweise eine mündliche Verhandlung, und
die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Der geltende Patentanspruch 1, auf den allein der Zurückweisungsbeschluss sich gründet, lautet:
„ 1. Master-Vorrichtung (102) zur Kommunikation mit einem Speicher mit wahlfreiem Zugriff ( DRAM ) (104, 106, 108, 110), mit
einem Empfänger mit einem ersten Eingangsanschluss zum Empfangen eines Empfangstaktsignals (RCLK 0 ) und einem zweiten Eingangsanschluss, der an einen bidirektionalen externen Datenbus (120) zum Empfangen erster Daten vom Speicher mit wahlfreiem Zugriff ( DRAM ) (104, 106, 108, 110) unter Verwendung des Empfangstaktes (RCLK 0 ) angeschlossen ist, um Datenbits der ersten Daten synchron zum Empfangstaktsignal (RCLK 0 ) an beiden Taktflanken zu registrieren, sodass die Datenbits der ersten Daten mit der doppelten Frequenz des Empfangstaktes (RCLK 0 ) empfangen werden, und wobei das Empfangstaktsignal (RCLK 0 ) von der Master-Vorrichtung (102) empfangen wird, nachdem es sich in einer Richtung von dem Speicher mit wahlfreien Zugriff ( DRAM ) (104, 106, 108, 110) hin zu der Master-Vorrichtung (102) ausgebreitet hat; und
einem Sender mit einem Eingangsanschluss zum Empfangen eines Sendetaktsignals (TCLK 0 ) und einem Ausgangsanschluss, der zum Senden zweiter Daten an den Speicher mit wahlfreiem Zugriff ( DRAM ) (104, 106, 108, 110) unter Verwendung des Sendetaktes (TCLK 0 ) über den bidirektionalen externen Datenbus (120) angeschlossen ist, um die Datenbits der zweiten Daten synchron zum Sendetakt (TCLK 0 ) an beiden Taktflanken auszugeben, sodass die Datenbits der zweiten Daten bei der doppelten Frequenz des Sendetaktes (TCLK 0 ) gesendet werden, wobei die Datenbits der zweiten Daten zum Zeitpunkt, zu dem sie von dem Sender gesendet werden, eine jeweils im Wesentlichen konstante vorbestimmte Phasenbeziehung zu dem Sendetakt (TCLK 0 ) aufweisen, und wobei das Sendetaktsignal (TCLK 0 ) an der Master-Vorrichtung (102) empfangen wird, bevor es sich in einer Richtung von der Master-Vorrichtung (102) zu dem Speicher mit wahlfreiem Zugriff ( DRAM ) (104, 106, 108, 110) ausbreitet,
wobei sich das Empfangstaktsignal (RCLK 0 ) entlang eines ersten Taktleitungssegmentes (136) einer Taktleitung ausbreitet, das sich von einem ersten Ende des bidirektionalen externen Datenbusses (120) zu einem Umkehrelement (137) erstreckt, das in der Nähe eines zweiten Endes des bidirektionalen externen Datenbusses (120) angeordnet ist, und wobei das Sendetaktsignal (TCLK 0 ) sich entlang eines zweiten Taktleitungssegments (138) der Taktleitung ausbreitet, das sich von dem Umkehrelement (137) zum ersten Ende des bidirektionalen externen Datenbusses (120) erstreckt.“
Bezüglich der nebengeordneten Patentansprüche 5 und 8 sowie der Unteransprüche wird auf den vorangehenden Senatsbeschluss 17 W (pat) 75/08 verwiesen.
Diesen Ansprüchen soll unverändert die Aufgabe zugrunde liegen, eine synchrone, integrierte Speicherkomponente für ein synchrones Bussystem, in dem der Takt-Daten-Offset verringert oder beseitigt wird, zur Verfügung zu stellen (siehe Seite 4 Absatz 1 der Beschreibung).
II.
Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 PatG, weil die Begründung des Beschlusses bereits in rechtlicher Hinsicht fehlerhaft ist.
Denn der behauptete Mangel, dass „in der Anmeldung nicht wenigstens ein Weg zum Ausführen der beanspruchten Erfindung im Einzelnen vorhanden“ sei, durfte im Nachgang zum Zurückverweisungsbeschluss des Senats nicht mehr geltend gemacht werden. Er betrifft allein die Frage der Ausführbarkeit der Erfindung (§ 34 Abs. 4 PatG), als Teilfrage der Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche. Hierzu hatte der Senat in der vorangehenden Entscheidung 17 W (pat) 75/08 in Abschnitt 2.3.4 (Seite 17) festgestellt:
„Die Ansprüche geben – zumindest bei Zuhilfenahme der Beschreibung – verständlich an, was unter Schutz gestellt werden soll, und ihre Lehre ist in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.“
Nach der erfolgten Zurückverweisung mit der Maßgabe, dass das geltende Patentbegehren zulässig sei, hatte das Patentamt diese rechtliche Beurteilung auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 79 Abs. 3 Satz 2 PatG) und durfte nicht eine entgegengesetzte Feststellung treffen.
Deshalb war der neuerliche Zurückweisungsbeschluss unzulässig.
III.
Vorsorglich bleibt darüber hinaus festzuhalten, dass die Begründung des Zurückweisungsbeschlusses auch in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft ist.
1. Es steht im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung, wenn die Forderung nach einem „Weg zum Ausführen der beanspruchten Erfindung im Einzelnen“, der in der Beschreibung angegeben sein müsse (jetzt PatV § 10 Abs. 2 Nr. 7), eng ausgelegt wird.
Das PatG verlangt lediglich (§ 34 Abs. 4), dass die Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
Hierzu hat der Bundesgerichtshof festgestellt:
„Eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn die in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen. Es ist nicht erforderlich, dass mindestens eine praktisch brauchbare Ausführungsform als solche unmittelbar und eindeutig offenbart ist.“
(siehe BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - Xa ZR 126/07 „Klammernahtgerät“, m. w. N.).
In Übereinstimmung damit kann nicht verlangt werden, dass in der Beschreibung aus einem Ausführungsbeispiel jedes Detail der beanspruchten Erfindung entnehmbar sein müsste.
Als Fachmann ist hier unverändert ein Entwicklungsingenieur der Nachrichtentechnik mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung anzusehen.
2. Die beanspruchte technische Lehre war für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens erfolgreich ausführbar.
2.1 Die Prüfungsstelle bezieht sich in ihrer Begründung, dass kein Weg zum Ausführen der beanspruchten Erfindung im Einzelnen angegeben sei, auf das Merkmal des Patentanspruchs 1:
„um Datenbits der ersten Daten synchron zum Empfangstaktsignal (RCLK 0 ) an beiden Taktflanken zu registrieren“.
Dazu führt sie unter Bezug auf die Figuren 7A und 7B aus, dass bei einer Abtastung an beiden Flanken diejenige Abtastung, die in der Mitte zwischen den gestrichelten senkrechten Linien 210 und 212 erfolge, im unsicheren Bereich (XXX) der Datenbits (TDATA 1 bzw. TDATA 2 ) stattfinde, so dass ungültige Datenbits detektiert würden.
2.2 Hier ist zuzustimmen, dass bei keiner der Zeichnungen der vorliegenden Anmeldung eine Abtastung an beiden Taktflanken dargestellt ist. Wie der Senat in der vorangehenden Entscheidung 17 W (pat) 75/08 in Abschnitt 2.3.2 (Seite 16) bereits festgestellt hat, arbeiten sämtliche Ausführungsbeispiele der Beschreibung mit Einflankenübertragung; das äußert sich in den Figuren 7A und 7B beispielsweise darin, dass die Gültigkeitsdauer eines Datums (A, B, C) beinahe der Dauer eines Taktsignals (z. B. von einer positiven Flanke bis zur nächsten positiven Flanke des Signals TCLK 0 bzw. RCLK 0 ) entspricht - pro Taktperiode wird also ein Datenbit übertragen. In der Mitte zwischen zwei (im Beispiel) positiven Flanken ist keine sinnvolle Übertragung möglich.
2.3 Das genannte Anspruchsmerkmal hat seinen Ursprung in der Beschreibung Seite 8 Abs. 2 der DE 43 90 991 T1 - demnach soll der Datenbus „vorzugsweise … mit Dualflankenübertragung“ arbeiten. Dies wird beispielhaft dadurch erläutert, dass bei 250 MHz alle zwei Nanosekunden - also zweimal pro Taktperiode - Übertragungen stattfinden können. Auch wenn dies die einzige Fundstelle dafür ist, so kann der Anmelderin deswegen die Aufnahme entsprechender Merkmale in die Patentansprüche nicht verwehrt werden - insbesondere nicht etwa deshalb, weil kein Ausführungsbeispiel dies explizit darstellt.
Die Frage ist vielmehr, ob der Fachmann mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage war, auch ohne konkretes Beispiel eine Dualflankenübertragung erfolgreich auszuführen.
Diese Frage kann ohne jeden Zweifel bejaht werden. Unstrittig war die Dualflankenübertragung an sich vorbekannt (siehe D1 : WO 91 / 16 680 A1, wie im ersten Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle erläutert). Die beanspruchte Lehre der Anmeldung ist ersichtlich auf eine bestimmte Anordnung von Daten- und Taktleitungen in Bezug auf Sender und Empfänger und auf ein Umkehrelement in der Taktleitung gerichtet - jedoch nicht auf eine elektrotechnische Bauanleitungen für einen Einflanken- oder Dualflankenempfänger oder -sender. Diese werden als dem Fachmann geläufig angenommen.
Der Fachmann war daher ohne weiteres in der Lage, für eine Dualflankenübertragung geeignete Sender- und Empfängerbaugruppen anstelle der in den Zeichnungen dargestellten einzusetzen. Dass sich dadurch die Zeitabläufe gegenüber den in den Figuren 7A / 7B gezeigten ändern, ist selbstverständlich. Die dortige Einflanken-Übertragung irritierte den Fachmann keinesfalls, da ihm der Unterschied vertraut war. Es ist kein Hindernis erkennbar, das sich ihm in den Weg gestellt haben könnte, wenn er bei der Ausführung der beanspruchten Lehre statt der in den Zeichnungen dargestellten Einflankenübertragung eine Dualflankenübertragung und dafür geeignete Baugruppen auswählte.
Die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung ist sonach auch ohne ein diesbezügliches Ausführungsbeispiel in Beschreibung und Zeichnungen gegeben.
2.4 Wie bereits im vorangehenden Beschluss ausgeführt, ist allerdings im Weiteren zu berücksichtigen, dass die Dualflankenübertragung in der Anmeldung nur ganz kurz als bevorzugte Ausführungsform angesprochen wird, ohne dass Details dazu vermittelt würden; es gibt also lediglich den Hinweis, dass man das „auch“ machen könne. Nachdem die Dualflankenübertragung an sich unstrittig vorbekannt war, kann diesem Merkmal im Rahmen der offenbarten Erfindung keine besondere, insbesondere keine etwa die Patentfähigkeit tragende Rolle zukommen - vielmehr müssten die selbständigen Patentansprüche auch ohne dieses Merkmal auf erfinderischer Tätigkeit beruhen, um patentierbar zu sein.
IV.
Dem Antrag der Anmelderin auf eine Patenterteilung konnte nicht gefolgt werden, weil das geltende Patentbegehren bisher noch nicht Gegenstand eines vollständigen Prüfungsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt war; denn der Stand der Technik ist noch nicht ermittelt und mit den nunmehr beanspruchten Gegenständen verglichen worden. Dies wird jetzt umgehend nachzuholen sein.
V.
Dem hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung brauchte vorliegend nicht entsprochen werden, weil der Vertreter der Anmelderin erklärt hat, diesen für den Fall einer Zurückverweisung nicht aufrechtzuerhalten.
VI.
Die Beschwerdegebühr war nach § 80 Abs. 3 PatG zurückzuerstatten, weil die Missachtung der gesetzlichen Regelung des § 79 Abs. 3 Satz 2 PatG durch die Prüfungsstelle einen schwerwiegenden Verfahrensfehler darstellt.