Entscheidungsdatum: 29.10.2018
In der Beschwerdesache
betreffend die Teilanmeldung 11 2011 106 152.8
…
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. Oktober 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Morawek, der Richterin Eder, des Richters Dipl.-Ing. Baumgardt und der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung
beschlossen:
Die Teilanmeldung 11 2011 106 152.8 wird zur Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
I.
Die vorliegende Patentanmeldung entstand aufgrund einer Teilungserklärung im Beschwerdeverfahren der Stammanmeldung 11 2011 100 329.3. Sie trägt die Bezeichnung:
„Vorrichtungen, Verfahren und Systeme für eine Digitalkonversationsmanagementplattform“.
Die Stammanmeldung ist eine PCT-Anmeldung in nationaler Phase, welche als WO 2011 / 89 450 A2 in englischer Sprache und als DE 11 2011 100 329 T5 in deutscher Übersetzung veröffentlicht wurde. Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 Q des Deutschen Patent- und Markenamts in der Anhörung vom 5. Juli 2016 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag vom Patentschutz ausgeschlossen sei (§ 1 Abs. 3 und 4 PatG), da diese ein Programm als solches beträfen und keine Anweisungen enthielten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienten.
Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg. Auch der Senat stellte im Verfahren 17 W (pat) 46/16 auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2017 fest, dass die Vorrichtung des jeweiligen Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und nach den beiden Hilfsanträgen gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. Abs. 4 PatG vom Patentschutz ausgeschlossen sei.
Die Anmelderin legte daraufhin eine nicht zugelassene Rechtsbeschwerde wegen „Verletzung des Grundrechts der Anmelderin auf Gewährung rechtlichen Gehörs“ beim Bundesgerichtshof ein, welche dieser mit Beschluss X ZB 11/17 vom 27. März 2018 zurückwies. Dieser Beschluss ging laut Empfangsbekenntnis am 17. Mai 2018 beim Vertreter der Anmelderin ein.
In der Zwischenzeit erklärte die Anmelderin mit Telefax an das Deutsche Patent- und Markenamt vom 24. April 2018 die Teilung der zugrundeliegenden Anmeldung. Sie reichte vollständige Unterlagen ein und entrichtete die anfallenden Gebühren. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die Teilungserklärung am 26. April 2018 dem Bundespatentgericht vorgelegt und eine Trennakte mit dem neuen Aktenzeichen 11 2011 106 152.8 angelegt, über die hier zu befinden ist.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß (siehe Eingabe vom 8. Oktober 2018),
die vorliegende Teilanmeldung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Zum Wortlaut der geltenden Patentansprüche 1 bis 15 wird auf die Akte verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde führt zur Zurückverweisung der vorliegenden Teilanmeldung an das Deutsche Patent- und Markenamt (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG).
1. Der Senat ist für die Behandlung der vorliegenden Teilanmeldung zuständig.
Die Anmelderin hat die Teilung der Anmeldung im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens über die Stammanmeldung noch vor der Zustellung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Busse, PatG, 8. Aufl. (2016), § 107 Rdnr. 8) erklärt. Nach Beendigung der Tatsacheninstanzen ist eine Teilung nach den Vorschriften über die Rechtsbeschwerde nicht zu berücksichtigen. Eine Veränderung der maßgeblichen tatsächlichen Entscheidungsgrundlage ist mit Wesen und Funktion des Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht zu vereinbaren (Schulte, PatG, 10. Aufl. (2017), § 39 Rdnr. 24 und Fußnote 32: BGH GRUR 1980, 104 – Kupplungsgewinde; 1993, 655 – Rohrausformer). Das bedeutet aber nicht die Unwirksamkeit der Teilungserklärung. Da die Teilungserklärung als solche keinen gegenständlich bestimmten Teil der Anmeldung mehr definieren muss, der von der Stammanmeldung abgetrennt werden soll, ist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidungskompetenz über die Anmeldung nicht berührt. Die Teilungserklärung ist zu berücksichtigen, sobald die Akten wieder an die Tatsacheninstanz gelangt sind, selbst wenn die Rechtsbeschwerde erfolglos geblieben ist (Busse, a. a. O., § 39 Rdnr. 7; Benkard, PatG, 11. Aufl. (2015), § 39 Rdnr. 9 am Ende, 10). Durch die Teilungserklärung erhält das Bundespatentgericht die Entscheidungskompetenz über die neue Teilanmeldung, weil deren Gegenstand mit der Beschwerde in der Tatsacheninstanz angefallen ist (vgl. 17 W (pat) 44/14, 17 W (pat) 6/13, 17 W (pat) 68/10; BGH GRUR 1999, 148 – Informationsträger; BGH GRUR 1998, 458 – Textdatenwiedergabe; sowie Schulte, a. a. O., § 39 Rdnr. 62; Busse, a. a. O., § 39 Rdnr. 27; a. A. 21 W (pat) 10/09, 7 W (pat) 44/11, 18 W (pat) 17/17, 15 W (pat) 5/18).
2. Die erklärte Teilung ist wirksam.
Die Teilungserklärung vom 24. April 2018 wurde zwar an das – in diesem Fall nicht zuständige – Deutsche Patent- und Markenamt gerichtet, dieses hat sie aber rechtzeitig (d. h. vor Zustellung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Stammanmeldung) dem Bundespatentgericht vorgelegt. Die Anmelderin hat innerhalb der Frist des § 39 PatG die erforderlichen Unterlagen für die Teilanmeldung eingereicht und die Gebühren entrichtet.
3. Da das Patentamt noch nicht in der Sache selbst entschieden hat, war die Teilanmeldung zur Prüfung und Entscheidung dorthin zurückzuverweisen.
Mit der Teilungserklärung wurden neue Patentansprüche 1 bis 15 eingereicht mit einem auf ein „System zur Steuerung von netzbasierten Konversationsagenten mit künstlicher Intelligenz“ gerichteten Hauptanspruch und darauf zurückbezogenen Unteransprüchen 2 bis 15. Dieser Anspruchssatz greift zwar viele Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche auf, unterscheidet sich davon aber trotzdem nicht unerheblich. Mit der Neu-Formulierung der Patentansprüche und der Angabe einer „technischen Problemlösung“ will die Anmelderin den Mangel beheben, der zur Zurückweisung der Stammanmeldung geführt hat.
Zwar bestehen Zweifel an der ursprüngliche Offenbarung (so etwa beim geltenden Patentanspruch 1 bezüglich der Begriffe „Identifikationseinrichtung“, „Erwiderungseinrichtung“ u. a., sowie hinsichtlich der Formulierung „zum automatischen Übergeben des Konversationsagenten (130) an einen anderen der Vielzahl von Konversationsagenten (130) mit einer anderen Entscheidungskette, um dadurch einen erfolgreichen Dialog mit Entscheidungsergebnis zu erzielen“, u. a.). Einige Formulierungen sind unklar, sodass fraglich ist, ob ein Fachmann die beanspruchte Lehre ausführen kann (z. B. im Patentanspruch 1 „zum Glätten des interaktiven Dialogs“; u. a.). Derartige Mängel könnten jedoch in einem Verfahren vor dem Senat ohne weiteres behoben werden.
Entscheidend ist vielmehr, dass das Deutsche Patent- und Markenamt bislang bezüglich der „Verringerung der Netzauslastung“ und „Verbesserung der Kommunikationsqualität“, die nach den Ausführungen der Anmelderin durch die Lehre des nunmehr geltenden Anspruchs 1 erreicht werden sollen, keine Recherche und Prüfung durchführen konnte.