Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 06.07.2015


BPatG 06.07.2015 - 15 W (pat) 27/12

Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsdatum:
06.07.2015
Aktenzeichen:
15 W (pat) 27/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Modifizierte Epoxidharze

Sind in einem Patentanspruch unterschiedliche Lösungen der gleichen erfinderischen Idee über die eine Verknüpfung oder eine Alternative ausdrückende Konjunktion „und/oder“ verbunden, stellt eine daraus resultierende Breite des Patentanspruchs keine Frage der Klarheit, sondern eine Frage der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit dar (vgl. auch 20 W (pat) 305/02).

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 199 39 738.4

hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 6. Juli 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Feuerlein, der Richter Dr. Egerer, Heimen und Dr. Freudenreich

beschlossen:

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse C 08 G des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. August 2012 wird aufgehoben und das Patent DE 199 39 738 erteilt.

Bezeichnung:

Verfahren zur Herstellung von lagerstabilen modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen und deren Verwendung

Anmeldetag:

21. August 1999

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 und 2 gemäß der diesem Beschluss beiliegenden Anlage 1, Patentansprüche 3 bis 17, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 16. Februar 2008 sowie Beschreibung, Seiten 1 bis 11, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 7. Februar 2008

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 17. August 2012 hat die Prüfungsstelle für Klasse C 08 G des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung 199 39 738 .4 mit der Bezeichnung

2

"Verfahren zur Herstellung von lagerstabilen modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen und deren Verwendung"

3

zurückgewiesen.

4

Der Zurückweisung zugrunde liegt eine 17 Patentansprüche umfassende Anspruchsfassung, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 16. Februar 2008, deren unabhängige auf zwei Verfahren und drei Verwendungen gerichtete Patentansprüche 1, 2 und 14, 16 und 17 den folgenden Wortlaut haben:

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5

Für die Beurteilung der Patentfähigkeit wurden von der Prüfungsstelle für Klasse C 08 G des Deutschen Patent- und Markenamts im Rahmen der Recherche gemäß § 43 PatG die Druckschriften D1 bis D10 sowie im Prüfungsverfahren die Druckschrift D11 ermittelt.

6

D1 DE 38 38 748 C2

7

D2 DE 38 07 571 C3

8

D3 DE 195 08 544 A1

9

D4 DE 37 16 417 A1

10

D5 EP 07 42 805 B1

11

D6 EP 05 89 913 B1

12

D7 EP 03 16 873 B1

13

D8 DE 32 17 653 A1

14

D9 EP 04 21 609 B1

15

D10 EP 02 62 414 B1

16

D11 DE 17 45 035 C2.

17

In der Patentanmeldung selbst sind mit Ausnahme der Druckschriften D16 und D19 Druckschriften zum überwiegenden Teil nur mit Aktenzeichen als Stand der Technik genannt. Soweit diese offengelegt sind, werden sie in der folgenden Liste angeführt.

18

D12 DE 199 01 118 A1

19

D13 DE 199 04 232 A1

20

D14 DE 199 22 032 A1

21

D15 DE 199 30 863 A1

22

D16 DE 196 34 721 A1

23

D17 DE 198 08 857 A1

24

D18 DE 100 00 019 A1 (mit Priorität DE 199 10 206.6)

25

D19 EP 0 728 163 A1 (WO 95/12639 A1).

26

In der Begründung des Zurückweisungsbeschlusses nimmt die Prüfungsstelle Bezug auf ihren Prüfbescheid vom 9. Mai 2012, in welchem der Sachstand der sachlichen Prüfung mitgeteilt worden und auf die Möglichkeit einer Zurückweisung hingewiesen worden sei, und auf den an das Bundespatentgericht gerichteten Schriftsatz des Patentanmelders vom 31. Mai 2012, der in direktem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem letzten Prüfungsbescheid der Prüfungsstelle stehe, jedoch keine inhaltliche Stellungnahme treffe und auch nicht erkennen lasse, die mit dem letzten Prüfungsbescheid gerügten Mängel beseitigen zu wollen. Im Wesentlichen ist die Zurückweisung damit begründet, dass es an der erforderlichen Klarheit des chemischen Herstellungsverfahrens gemäß den Patentansprüchen 1 und 2 fehle, weil offen sei, ob Formulierungen wie "und/oder" ausschließlich alternativ (entweder-oder) oder kumulativ (im Sinne von beiden Möglichkeiten gemeinsam) gemeint seien. Auch würden allein im Hauptanspruch die Formulierungen "und/oder" und "beziehungsweise" 15-mal verwendet, was zu einer völlig unüberschaubaren Anzahl an denkbaren Varianten führe. Wegen des Rückbezugs auf Anspruch 1 bzw. 2 gelte für die mit den Patentansprüchen 14 und 17 beanspruchten Verwendungen der Einwand fehlender Klarheit ebenfalls. Der Patentanmelder habe ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu äußern und konstruktive Änderungsvorschläge einzureichen, was nicht im erforderlichen Umfang erfolgt sei, und die Prüfungsstelle sei wegen der fehlenden Mitwirkung des Patentanmelders gehindert, die aufgezeigten Unklarheiten selbst zu beheben. Daher sei eine Erteilung nicht möglich. Auch eine mündliche Verhandlung sei nicht mehr sachdienlich erschienen, da der Patentanmelder den Prüfungsbescheid vom 9. Mai 2012 für unzulässig ansehe.

27

Der Zurückweisungsbeschluss wurde dem Anmelder am 18. August 2012 formlos übersandt, eine erneute Übersendung mittels eingeschriebenen Briefes erfolgte am 7. September 2012. Mit am 14. September 2012 beim Bundespatentgericht eingegangenen und am 27. September 2012 an das Deutsche Patent- und Markenamt weitergeleiteten Schriftsatz vom 13. September 2012, und mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2012, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 4. Oktober 2012, hat der Anmelder Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss eingelegt.

28

Er hat sein Patentbegehren mit der Anspruchsfassung aus dem Schriftsatz vom 15. Februar 2008 verteidigt und zunächst beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle vom 17. August 2012 aufzuheben und die Erteilung eines Patents aufgrund der Ansprüche 1 bis 17, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 16. Februar 2008, und der Beschreibung vom 6. Februar 2008, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 7. Februar 2008, zu beschließen. In der Sache führt er aus, dass bereits im Bescheid der Prüfungsstelle vom 11. Oktober 2007 bestätigt worden sei, dass die Druckschriften D1 bis D10 dem erfindungsgemäßen Verfahren nicht entgegenstünden und auch kein weiteres entgegenstehendes Material ermittelt worden sei. Den weiteren angemahnten Änderungen redaktioneller Natur sei er umgehend nachgekommen. Eine in einem Folgebescheid der Prüfungsstelle angesprochene unzulässige Erweiterung der Anspruchsfassung sei als zulässig offenbart nachgewiesen worden. Auch biete die mit Bescheid vom 9. Mai 2005 von der Prüfungsstelle in das Verfahren eingeführte Druckschrift D11 dem Fachmann keine Anregung zu dem vorliegend beanspruchten Verfahren. Diese Druckschrift sei zudem nicht in dem auf fehlende Klarheit gestützten Zurückweisungsbeschluss erwähnt worden. Zudem sei dem Patentanmelder hinsichtlich fehlender Kooperationsbereitschaft kein Vorwurf zu machen, da die Prüfungsstelle ohne Angabe plausibler Gründe die in Aussicht gestellte Erteilung verzögert habe.

29

Mit Schriftsatz vom 9. März 2015 hat der Senat dem Patentanmelder zwei unabhängige Patentansprüche 1 und 2 vorgeschlagen, die zusammen mit den geltenden Patentansprüchen 3 bis 17 und der geltenden Beschreibung vor dem ausgewiesenen Stand der Technik als patentfähig beurteilt werden könnten, die der Patentanmelder sich zu Eigen gemacht hat.

30

Der Patentanmelder beantragt mit Schriftsatz vom 11. Mai 2015 nunmehr sinngemäß

31

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse C 08 G des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. August 2012 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

32

Patentansprüche 1 und 2 gemäß der diesem Beschluss beiliegenden Anlage 1, Patentansprüche 3 bis 17, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 16. Februar 2008 sowie Beschreibung, Seiten 1 bis 11, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 7. Februar 2008, im Übrigen wie angemeldet.

33

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der nachgeordneten Patentansprüche 3 bis 13 und 15 wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

34

1. Die Beschwerde ist gemäß § 73 Abs. 1 PatG statthaft und wurde auch form- und fristgerecht eingelegt.

35

Die Beschwerde ist gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG innerhalb eines Monats nach Zustellung einzulegen. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat den Zurückweisungsbeschluss vom 17. August 2012 nach Aktenlage entgegen §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 127 Abs. 1 PatG i. V. m. §§ 3ff. VwZG zunächst nur formlos übersandt. Die Beschwerdefrist wurde mangels ordnungsgemäßer Zustellung damit nicht in Gang gesetzt. Eine ordnungsgemäße Zustellung ist vom Deutschen Patent- und Markenamt erst am 7. September 2012 veranlasst worden, und zwar durch Absendung eines Übergabeeinschreibens (§ 127 Abs. 1 PatG i. V. m. § 4 Abs. 1 VwZG), welches der Anmelder nach eigenen Angaben bereits am 7. September 2012 tatsächlich erhalten hat. Demzufolge ist sowohl durch die – nach Weiterleitung seitens des Bundespatentgerichts – am 27. September 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene erste Beschwerdeschrift als auch durch die am 4. Oktober 2012 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene zweite Beschwerdeschrift vom 1. Oktober 2012 die Beschwerdefrist eingehalten.

36

Die Beschwerdegebühr wurde (mehrfach) innerhalb der Beschwerdefrist gezahlt.

37

2. Die Beschwerde ist auch begründet, da Gründe, die der Erteilung des Patents entgegenstehen, nicht bestehen.

38

a) Gegenstand der Erfindung sind Verfahren zur Herstellung von lagerstabilen modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen sowie die Verwendung der nach diesen Verfahren hergestellten modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharze (Anmeldeunterlagen: Seite 2, 2. Absatz bzw. DE 199 39 738 A1: Spalte 1, Zeilen 8 bis 12). Die geltenden auf das Herstellungsverfahren gerichteten Patentansprüche 1 und 2 gliedern sich in folgende Merkmale:

39

1 Verfahren zur Herstellung

40

1.1 von lagerstabilen, bei Raumtemperatur flüssigen oder halbfesten, modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen (A) oder

41

1.2 von lagerstabilen, schmelzbaren und/oder löslichen und/oder dispergierbaren, bei Raumtemperatur festen, modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen (B),

42

1.3 wobei (A) und (B) mehr als eine Epoxidgruppe pro Durchschnittsmolekulargewicht aufweisen und

43

1.4 mindestens eine sekundäre Hydroxylgruppe pro Durchschnittsmolekulargewicht aufweisen und

44

1.5 mindestens eine Esterbindung pro Durchschnittsmolekulargewicht aufweisen sowie

45

1.6 durch die chemisch eingebauten Modifizierungsmittel mindestens zwei Doppelbindungen aufweisen,

46

dadurch gekennzeichnet, dass umgesetzt werden

47

1.7 bei Raumtemperatur flüssige cycloaliphatische Diepoxidverbindungen und

48

1.8 Halbester aus ungesättigten Dicarbonsäuren und/oder deren Anhydriden und Hydroxyalkylvinylethern und/oder Hydroxycycloalkylvinylethern und/oder

49

1.9 Halbester aus ungesättigten Dicarbonsäuren und/oder deren Anhydriden und Hydroxyalkyl(meth)acrylaten und/oder Hydroxycycloalkyl(meth)acrylaten und/oder Hydroxyalkyl(meth)acrylaten mit Polyoxyalkylen-Einheiten in ihrer Struktur und/oder Umsetzungsprodukten mit einer sekundären Hydroxylgruppe aus der Umsetzung von Versaticsäureglycidylester mit (Meth)Acrylsäure und/oder Umsetzungsprodukten mit einer sekundären Hydroxylgruppe aus der Umsetzung von Caprolacton und Hydroxyalkyl(meth)acrylaten,

50

1.10 bei erhöhter Temperatur

51

1.11 in Abwesenheit oder Gegenwart organischer Lösungsmittel und/oder

52

1.12 inerter Atmosphäre und/oder

53

1.13 Katalysatoren für die Epoxy-/Carboxy-Reaktion und/oder

54

1.14 Polymerisationsinhibitoren,

55

1.15 wobei auf eine Epoxidgruppe 0,02 bis 0,49 Äquivalente der vorstehenden Verbindungen verwendet werden.

56

2 Verfahren zur Herstellung

57

2.1 von lagerstabilen, bei Raumtemperatur flüssigen oder halbfesten, modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen (A) oder

58

2.2 von lagerstabilen, schmelzbaren und/oder löslichen und/oder dispergierbaren, bei Raumtemperatur festen, modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen (B),

59

2.3 wobei (A) und (B) mehr als eine Epoxidgruppe pro Durchschnittsmolekulargewicht aufweisen und

60

2.4 mindestens eine sekundäre Hydroxylgruppe pro Durchschnittsmolekulargewicht aufweisen und

61

2.5 mindestens eine Esterbindung pro Durchschnittsmolekulargewicht aufweisen sowie

62

2.6 mindestens eine olefinische Doppelbindung pro Durchschnittsmolekulargewicht, dadurch gekennzeichnet, dass umgesetzt werden,

63

2.7 bei Raumtemperatur flüssige cycloaliphatische Diepoxidverbindungen und

64

2.8 Halbester aus gesättigten Dicarbonsäuren und/oder deren Anhydriden und Hydroxyalkylvinylethern und/oder Hydroxycycloalkylvinylethern, und/oder

65

2.9 Halbester aus gesättigten Dicarbonsäuren und/oder deren Anhydriden und Hydroxyalkyl(meth)acrylaten und/oder Hydroxycycloalkyl(meth)acrylaten und/oder Hydroxyalkyl(meth)acrylaten mit Polyoxyalkylen-Einheiten in ihrer Struktur und/oder Umsetzungsprodukten mit einer sekundären Hydroxylgruppe aus der Umsetzung von Versaticsäureglycidylester mit (Meth)Acrylsäure und/oder Umsetzungsprodukten mit einer Hydroxylgruppe aus der Umsetzung von Caprolacton und Hydroxyalkyl(meth)acrylaten,

66

2.10 bei erhöhter Temperatur,

67

2.11 in Abwesenheit oder Anwesenheit organischer Lösungsmittel und/oder

68

2.12 inerter Atmosphäre und/oder

69

2.13 Katalysatoren für die Epoxy-/Carboxy-Reaktion und/oder

70

2.14 Polymerisationsinhibitoren,

71

2.15 wobei auf eine Epoxidgruppe 0,02 bis 0,49 Äquivalente der vorstehenden Verbindungen verwendet werden.

72

Die der Zurückweisung zugrunde liegenden Verwendungsansprüche 14, 16 und 17 sind in ihrem Wortlaut unverändert geblieben.

73

b) Als zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Chemiker mit einschlägigen Kenntnissen auf dem Gebiet der Polymerchemie anzusehen, der über mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der Polymerherstellung und -verarbeitung, insbesondere auf dem Gebiet der Epoxidharze, verfügt.

74

c) Die Offenbarung der geltenden Patentansprüche aus den Unterlagen vom Anmeldetag ist anzuerkennen. So gehen die Merkmale 1.1 bis 1.5, 1.7 bis 1.8 und 1.10 bis 1.15 unmittelbar inhaltlich aus dem Patentanspruch 1 vom Anmeldetag hervor. Die beanspruchten Halbester aus ungesättigten Dicarbonsäuren bzw. deren Anhydriden und Hydroxycycloalkyl(meth)acrylaten (Teilmerkmal 1.9) leiten sich aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung her (Anmeldeunterlagen: Seite 2, 2. Absatz, Zeilen 11 bis 9 von unten). Dass die cycloaliphatischen Epoxidharze "durch die chemisch eingebauten Modifizierungsmittel mindestens zwei ungesättigte Doppelbindungen aufweisen" (Merkmal 1.6) ist gleichermaßen der ursprünglich eingereichten Beschreibung zu entnehmen (Anmeldeunterlagen: Seite 6, letzter Absatz, Zeilen 4 bis 5 in Verbindung mit Patentanspruch 1). Im Patentanspruch 1 vom Anmeldetag sind die aus dem Verfahren resultierenden Epoxidharze zwar durch "zusätzlich" mindestens zwei ungesättigte Doppelbindungen gekennzeichnet, die "sowohl durch Esterbindungen als auch durch eine oder mehrere Methylengruppen und/oder Alkyl-, Cycloalkyl-, Alkylaryl-, Aryl- oder Aralkyl- miteinander verbunden sind" (Anmeldeunterlagen: Patentanspruch 1, letzte 4 Zeilen). Die Streichung des Merkmals "zusätzlich" erweitert den beanspruchten Gegenstand jedoch nicht, da die Doppelbindungen bereits "zusätzlich" durch die chemisch eingebauten Modifizierungsmittel (Merkmal 1.6) eingebracht sind. Gleiches gilt für die Streichung der die Verbindung der Doppelbindungen charakterisierenden, strukturellen Merkmale, weil schon am Anmeldetag dem Patentanspruch 1 die Reaktion von Halbestern von Dicarbonsäure(anhydriden) mit Hydroxy(cyclo)alkylvinylethern (Merkmal 1.8), mit Hydroxyalkyl(meth)acrylaten mit Polyoxyalken-Einheiten in ihrer Struktur und mit Umsetzungsprodukten aus der Reaktion von Caprolacton und Hydroxyalkyl(meth)acrylaten (Teilmerkmale 1.9) offenbart war, die zwangsläufig zu Strukturelementen führt, in welchen die Doppelbindungen auch durch Etherbrücken getrennt sind. Die Merkmale 2.1 bis 2.9 lassen sich auf den Patentanspruch 2 vom Anmeldetag zurückführen. Auch der Ersatz des ursprünglich gewählten Ausdrucks "bzw." durch "und/oder" bei den Halbestern aus Dicarbonsäuren bzw. deren Anhydriden in den Patentansprüchen 1 und 2 (Merkmale 1.8, 2.8, 1.9 und 2.9) ist den Anmeldeunterlagen zu entnehmen, denn Dicarbonsäuren, deren Anhydride und Mischungen aus beiden Klassen sind als geeignete Ausgangsmaterialien beschrieben (Anmeldeunterlagen: Seite 2, 2. Absatz, Zeilen 1 bis 6 und 18 bis 22 i. V. m Seite 3, 3. Absatz).

75

Das auf ein spezielles Versaticsäurederivat gerichtete Verfahren nach Unteranspruch 4 ist in der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart (Anmeldeunterlagen: Seite 4, letzter Absatz), wo mit Verweis auf einen optional einstellbaren Fluorgehalt, der ganze oder teilweise Ersatz der vorstehenden - aus Gründen der Logik fluorhaltigen - carboxylhaltigen Verbindungen durch Halbester (R) beschrieben ist (Anmeldeunterlagen: Seite 4, letzter Absatz, Zeilen 1 bis 4). Im Einzelnen sind beim Patentanspruch 4 die Merkmale der Zeilen 1 bis 5 (einschließlich Punkt (a)) auf Seite 4, letzter Absatz, Zeilen 1 bis 5 der ursprünglichen Beschreibung, die der Zeilen 6 bis 9 für die als optional beschriebenen fluorhaltigen Carboxylverbindungen der Patentansprüche 1 und 2 vom Anmeldetag und die der Zeilen 9/10 bis 14 auf Seite 4, Zeilen 15 bis 25 der Anmeldeunterlagen offenbart. Die Gegenstände des Unteranspruchs 7 gehen aus den Patentansprüchen 1 und 2 sowie aus Seite 5, vorletzter Absatz, der Beschreibung vom Anmeldetag hervor. Wegen des Rückbezugs auf den geltenden Patentanspruch 2 ist der Unteranspruch 10 im Vergleich zu seiner ursprünglich offenbarten Fassung im Patentanspruch 9 vom Anmeldetag durch den Wegfall des Merkmals "sekundäre Hydroxylgruppe" nicht erweitert. Die Merkmale des Unteranspruchs 11 gehen bis zur 4. Zeile (erste und/oder-Verknüpfung) aus dem Patentanspruch 5 vom Anmeldetag hervor. Alle weiteren Merkmale betreffend Halbester von Dicarbonsäuren oder Anhydriden mit silylsubstituierten einwertigen Alkoholen, wobei bestimmte Silylgruppen bevorzugt sind, finden sich in den Unterlagen vom Anmeldetag selbst nicht unmittelbar beschrieben. Die Beschreibung vom Anmeldetag (Anmeldeunterlagen: Seite 5, Absätze 1 und 2) verweist diesbezüglich auf siliciumorganische Halbester gemäß einer nicht vorveröffentlichten Patentanmeldung (DE 199 10 206.6: Seite 3, Absatz 4). Die DE 199 10 206.6 ist nicht offengelegt worden, bildet aber den Prioritätsbeleg für die offengelegte Druckschrift DE 100 10 190 A1 und ist damit der Öffentlichkeit zugänglich. Damit gehen die im Patentanspruch 11 ab Zeile 4 beanspruchten Merkmale aus der DE 199 10 206.6 durch direkte Angabe der Fundstelle (Seite 3, Absatz 4) hervor. Die Gegenstände der Patentansprüche 3, 5, 6, 8, 9 und 12 bis 17 gehen inhaltlich auf die Patentansprüche 1 und 2, 3, 4, 7, 8, 6 und 10 bis 14 vom Anmeldetag zurück.

76

d) Im Prüfungsverfahren geltend gemachte Patentierungshindernisse fehlende Klarheit und Ausführbarkeit sind bei den beanspruchten Verfahren nicht festzustellen.

77

Die wegen der Häufung der Ausdrücke "und/oder" und "bzw." von der Prüfungsstelle als unklar gewerteten Patentansprüche 1 und 2 sind auf Verfahren zur Erzeugung modifizierter cycloaliphatischer Epoxidharze gerichtet. Damit bilden cycloaliphatische Diepoxidverbindungen die erste zwingend vorhandene, weil zu modifizierende, Reaktionskomponente, die mit 0,02 bis 0,49 Äquivalenten definierter Halbester bei erhöhter Temperatur zur Reaktion gebracht werden. Die in der Beschreibung nicht weiter ausgeführte Konjunktion "und/oder" kann dabei nichts anderes bedeuten, als dass die Halbester allein oder in beliebiger Kombination mit der ersten Reaktionskomponente umgesetzt werden.

78

Auch die im Prüfungsverfahren bemängelte Ausführbarkeit des Verfahrens ist gegeben, da die den beanspruchten Verfahren zugrunde liegenden Reaktionen übliche und lange bekannte Reaktionen der Polymerchemie darstellen, nämlich die Addition von Carbonsäurederivaten mit freier Carboxylgruppe an Polyepoxide (vgl. DE 17 45 035 C2 (D11) des Patentanmelders). In der Patentanmeldung sind zudem Ausführungsbeispiele angegeben. Somit gibt es keinen Anlass, die Ausführbarkeit in Frage zu stellen. Auch Schwierigkeiten beim Verständnis der Patentansprüche 1 und 2 wegen der sehr komprimierten Darstellung der jedenfalls an sich bekannten Reaktionsvarianten anhand der Eduktkombinationen vermögen daran nichts zu ändern.

79

e) Da die maßgeblichen Merkmale der beiden zueinander in Nebenordnung stehenden Patentansprüche 1 und 2 von der Struktur der zur Umsetzung gebrachten Edukte einschließlich deren Molverhältnisse bestimmt und damit stofflicher Art sind, während die verfahrenstechnischen Merkmale mit Ausnahme der – für den Fachmann üblichen (vergleiche beispielsweise D11: Spalte 2, Zeilen 28 bis 33) – erhöhten Temperatur lediglich optional sind, kann sich die Patentfähigkeit des Anmeldungsgegenstandes nur auf die stoffliche Neuheit und erfinderische Tätigkeit hinsichtlich der Verfahrensprodukte einschließlich deren Verwendung stützen.

80

f) Die mit den Patentansprüchen 1 und 2 beanspruchten Verfahren sind neu, da weder in den von der sachkundigen Prüfungsstelle ermittelten Druckschriften D1 bis D11, noch im Stand der Technik gemäß Patentanmeldung Halbester mit den Merkmalen 1.8, 1.9, 2.8 und 2.9, also mit über Kohlenstoff- bzw. Etherketten (Spacern) verknüpften terminalen Vinylether- oder (Meth)Acrylfunktionen beschrieben sind, die mit cycloaliphatischen flüssigen Diepoxidverbindungen (Merkmale 1.7 und 2.7) zur Umsetzung gebracht werden. Das Herstellungsverfahren unterscheidet sich damit von bekannten Verfahren in den Ausgangsstoffen.

81

Wie oben ausgeführt, sind dem Fachmann Umsetzungen von Epoxidverbindungen mit Halbestern geläufig. Solche Reaktionen sind bereits in der Druckschrift D3 und in den auf den Patentanmelder zurückgehenden Druckschriften D11 und D16 geschildert.

82

So beschreibt die Druckschrift DE 195 08 544 A1 (D3) die Modifikation eines bereits copolymerisierten, Epoxidgruppen aufweisenden Acrylats mit Halbestern aus gesättigten und ungesättigten Dicarbonsäuren oder deren Anhydriden und ungesättigten polycyclischen Alkoholen (D3: Patentansprüche 1 und 10 bis 12). Gemäß Druckschrift DE 196 34 721 A1 (D16) wird ein anderes Polymer, nämlich ein carboxylgruppenhaltiger Polyester modifiziert, wobei Halbester von gesättigten und ungesättigten Polycarbonsäuren oder deren Anhydriden und einwertige Alkohole, Glycolether, Polyglycolether und/oder Fettalkohole zur Modifikation verwendet werden können (D16: Patentanspruch 1 und Spalte 2, Zeile 59 bis Spalte 3, Zeile 49). Die Druckschrift DE 17 45 035 C2 (D11) beschreibt Halbester aus gesättigten cylischen Carbonsäuren oder deren Anhydriden wie Hexahydrophthalsäureanhydrid oder d-Camphersäureanhydrid, bei denen die Carboxylgruppen bis auf eine einzige verbleibende Carboxylgruppe durch Substitution mit gesättigten (Ether-)Alkoholen substituiert und diese Derivate mit Epoxidverbindungen auf der Basis von Bisphenol A, also aromatischen Epoxiden, mit mindestens zwei Epoxidgruppen im Molekül zur Umsetzung gebracht werden (D11: Patentanspruch 1 und Spalte 2, Zeilen 7 bis 27).

83

Mit Halbestern von gesättigten und ungesättigten Dicarbonsäuren modifizierte, bei Raumtemperatur flüssige cycloaliphatische Epoxide sind in den nachveröffentlichten Druckschriften DE 199 01 118 A1 (D12) und in den Zusatzanmeldungen DE 199 04 232 A1 (D13), DE 199 22 032 A1 (D14), und DE 199 30 863 A1 (D15) sowie in der Druckschrift DE 100 00 190 A1 (D18) beschrieben, die auf den Patentanmelder zurückgehen. Nach diesen Druckschriften werden gesättigte und ungesättigte Dicarbonsäuren oder deren Anhydride mit einwertigen Alkoholen, Glycolmonoalkylethern, Polyglycolmonoalkylethern oder Fettalkoholen verestert (D12: Patentanspruch 1, Spalte 9, Zeilen 47 bis 64, Spalte 10, Zeile 66 bis Spalte 11, Zeile 45; D13: Patentanspruch 1, Seite 2, Zeilen 51 bis 59; D14: Patentanspruch 1, Spalte 1, Zeilen 22 bis 39; D15: Patentanspruch 1; D18: Patentanspruch 1 und Spalte 7, Zeilen 25 bis 44).

84

Hinsichtlich der beanspruchten Verfahren als ferner liegend zu bewerten ist der vorliegende Stand der Technik, bei dem weder Halbester noch deren Additionsprodukte an Oxirane/Epoxide beschrieben sind.

85

So sind die Druckschriften DE 38 38 748 C2 (D1), DE 38 08 571 C3 (D2), DE 37 16 417 A1 (D4) auf Copolymere aus Oxiran-enthaltenden Vinylmonomeren und Alkoxysilan-enthaltenden Vinylmonomeren gerichtet, wobei auch über Spacer an Polyepoxide mit einer verbleibenden Epoxidfunktion oder Carbonsäure/amide gebundene (Meth)Acrylsäuren zum Einsatz kommen (D1: Seiten 6 bis 7: Strukturen (IV) bis (XI) und (XIV) bis (XV); D2: Seiten 5 bis 6: Strukturen (III) bis (XII); D4: Seiten 2 bis 3: Strukturen (II) bis (XI)). Allerdings finden sich in diesen Druckschriften keine Hinweise auf den Einsatz von Dicarbonsäurehalbestern als Möglichkeit der Verknüpfung von Olefin- und Epoxidfunktionalität.

86

Die Druckschriften EP 0 742 805 B1 (D5) und die EP 0 728 163 A1 (D19) haben die Vernetzung von Polymeren mit Vernetzern auf Basis von aliphatischen Epoxiden und mit Vernetzern auf Basis von Polycarbonsäuren zum Ziel (D5: Patentanspruch 1 und Absätze [0068] bis [0079]; D19: Patentanspruch 1). Sie tragen zu vorliegend verfahrensgemäß gebildeten Verbindungen nichts bei. Dies gilt gleichermaßen für die Druckschriften EP 0 589 913 B1 (D6) und die EP 0 316 873 B1 (D7), die Überzugsmittel aus miteinander reagierenden carboxyl- und epoxidfunktionellen Polymeren beschreiben (D6, D7: jeweils Patentanspruch 1), für die auf die Herstellung von Caprolacton-modifizierten Hydroxyalkylacrylaten gemäß den Teilmerkmalen 1.9 und 2.9 gerichtete Druckschrift DE 32 17 653 A1 (D8: Patentanspruch 1), die wasserbasierende Beschichtungsmittel auf Acrylat/Urethanbasis beschreibende Druckschrift EP 0 421 609 B1 (D9) sowie die EP 0 262 414 B1 (D10), in welcher lichthärtbare Zusammensetzungen auf Basis von Tetrahydropyran und cycloaliphatischen Epoxiden beansprucht sind.

87

Desgleichen kann die auf den Patentanmelder zurückgehende, ein Verfahren zur Beseitigung von Restlösungsmitteln aus epoxidhaltigen Acrylpolymerisation beschreibende DE 198 08 857 A1 (D17) den vorliegend beanspruchten Verfahren die Neuheit nicht nehmen, denn sie macht keinerlei strukturelle Angaben.

88

Somit werden in keinem der im Verfahren befindlichen Dokumente sämtliche Merkmale der geltenden Patentansprüche 1 und 2 beschrieben.

89

g) Die Gegenstände der als Analogieverfahren zu bewertenden Verfahrensansprüche 1 und 2 beruhen auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn sie führen zu Endprodukten mit neuen und wertvollen Eigenschaften.

90

Wenngleich der Patentanmeldung keine explizite Aufgabe zu entnehmen ist, findet sich in der Beschreibung ausgeführt, dass die erfindungsgemäßen Verfahren zu lagerstabilen (DE 199 39 738 A1: Spalte 1, Zeilen 8 bis 12) und nicht vorbeschriebenen (DE 199 39 738 A1: Spalte 1, Zeilen 24 bis 32) modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen führen, deren Verwendung mit besonderen auf den zusätzlich eingeführten Doppelbindungen basierenden Vorteilen verbunden ist. So führt die Verwendung der erfindungsgemäß hergestellten modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharze neben anderen als vorteilhaft geschilderten Einsatzmöglichkeiten bei der Herstellung von kationisch und radikalisch strahlenhärtbaren Beschichtungsmitteln zu einer höheren Vernetzungsdichte und/oder verbesserten Elastizität und Haftung, so dass im allgemeinen auf zur Flexibilisierung sonst übliche Zusätze, z. B. Caprolactonpolyole, epoxidiertes Polybutadien, verzichtet werden kann (DE 199 39 738 A1: Spalte 5, Zeilen 56 bis 66). Auch bei einer Verwendung der erfindungsgemäß hergestellten modifizierten Epoxidharze zur Herstellung von fettsäuremodifizierten Epoxidharzen bzw. Epoxidharzestern oder zur Modifizierung von Polyestern, vorzugsweise ungesättigten Polyestern, werden in die Epoxidharzester oder Polyester ungesättigte Doppelbindungen "eingeführt", was zu verbesserter Trocknung und/oder Härtung führt (DE 199 39 738 A1: Spalte 6, Zeilen 29 bis 36). Weiter wird ausgeführt, dass bei ihrer Verwendung gegebenenfalls auf den Einsatz von Glycidylmethacrylat, und/oder Fluor enthaltenden Vinyl- bzw. Acrylmonomeren und/oder Silicium enthaltenden Acryl- oder Vinylmonomeren ganz oder teilweise, vorzugsweise gänzlich, verzichtet werden kann und dass die erfindungsgemäß hergestellten modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharze bei der Reaktion mit carboxylgruppenhaltigen Acrylpolymerisaten zu epoxidgruppen- und hydroxylgruppenhaltigen Acrylpolymerisaten führt, die sich als Pulverlacke eignen (Anmeldeunterlagen: DE 199 39 738 A1: Spalte 7, Zeilen 14 bis 21 und 38 bis 55).

91

Wie bereits dargelegt wurde, sind die mit den Merkmalen 1.8, 2.8, 1.9 und 2.9 beanspruchten Halbester dadurch gekennzeichnet, dass sie eine über Spacer an eine der beiden Dicarbonsäuregruppen gebundene, endständige α, α-unsubstituierte Doppelbindung (Vinylether und (Meth)Acrylate) aufweisen. Bei Enolethern und Acrylsäurederivaten handelt es sich um äußerst reaktive Olefinderivate, deren Reaktivität wegen der Bindung über den Spacer nicht signifikant eingeschränkt ist. Steht der Fachmann vor der Aufgabe, Verbindungen mit Olefin- und Epoxidfunktionalität zu gewinnen, die sich lagern lassen, kann er nicht davon ausgehen, vergleichsweise niedermolekulare und gleichzeitig lagerstabile Verbindungen wie vorliegend beansprucht zu erhalten, wenn man Halbester mit reaktiver Olefinfunktionalität an reaktive cycloaliphatische Diepoxide unter Erhalt einer der beiden Epoxidfunktionen addiert (DE 199 39 738 A1: Spalte 1, Zeilen 8 bis 12). Denn gerade das in der Patentanmeldung genannte Glycidylmethacrylat (DE 199 39 738 A1: Spalte 7, Zeile 44), eine zur spontanen Polymerisation neigende, cancerogene Verbindung, für die die erfindungsgemäßen Addukte einen Ersatz darstellen können, hält den Fachmann davon ab, beide Funktionalitäten in hochreaktiver Form zu kombinieren. Er wird als Ausgangspunkt seiner präparativen Tätigkeit zunächst einen Stand der Technik in Betracht ziehen, der bereits Addukte von Halbestern an Polyepoxide beschreibt. In den Druckschriften D3, D16 und D11 findet er allenfalls Hinweise, polycyclische ungesättigte Verbindungen (D3: Seite 10, Zeile 12) oder Fettalkohole, bei welchen sich ihm auch ungesättigte Fettalkohole aufgrund seines Fachwissens mitoffenbaren (D11: Spalte 2, Zeile 16; D16: Spalte 3, Zeile 49), als Dicarbonsäurehalbester zum Einsatz zu bringen. Bei im Stand der Technik gelehrten und nahe gelegten Verbindungen handelt es sich jedoch um in α- und β-Position einfach alkylsubstituierte und damit weniger reaktive Olefinderivate.

92

Soweit der Stand der Technik reaktive, über Spacer an Polyepoxide mit Epoxidfunktion oder Carbonsäuren gebundene (Meth)Acrylsäuren beschreibt (Druckschriften D1, D2 und D4), können auch diese dem Fachmann keine Hinweise in die entscheidende Richtung geben, da die dort beschriebenen Oxiran-enthaltenden Vinylmonomere zu Copolymeren umgesetzt werden, weshalb der Fachmann von einer beschränkten Lagerfähigkeit wie beim Glycidylmethacrylat ausgehen musste. Anderweitige Hinweise fehlen. Die Berücksichtigung der weiteren Druckschriften wie der die Herstellung von Caprolacton-modifizierten Hydroxyalkylacrylaten beschreibenden Druckschrift D8 führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts, da auch dort keinerlei Hinweis auf die erfindungsgemäß herstellbaren niedermolekularen und hochfunktionalisierten Verbindungen in lagerstabiler Form zu finden ist. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 2 und die auf den stofflichen Merkmalen der Verfahrensprodukte fußenden Verwendungen nach den Patentansprüchen 14, 16 und 17 sind somit aus dem Stand der Technik nicht nahe gelegt.

93

h) Die geltenden Patentansprüche 1, 2, 14, 16 und 17 erfüllen damit alle Kriterien der Patentfähigkeit und sind gewährbar. Die Patentansprüche 3 bis 13 und 15 betreffen besondere Ausgestaltungen der Gegenstände nach den Patentansprüchen 1, 2 und 14 und sind mit diesen gewährbar.

94

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse C 08 G des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 17. August 2012 wird somit aufgehoben und das Patent DE 199 39 738 erteilt.

95

i) Dem Erteilungsbeschluss liegt mit beigefügter Anlage 1 die vom Patentanmelder beantragte Fassung der Patentansprüche 1 und 2 zugrunde. Diese ist im Teilstrich (i) des Patentanspruchs 1 redaktionell dahingehend korrigiert, dass Halbester aus "Hydroxyalkyl(meth)acrylaten und/oder Hydroxycycloalkyl(meth)acrylaten" statt Halbester aus Hydroxyalkyl(meth)acrylaten oder Hydroxycycloalkyl(meth)acrylaten" beansprucht sind, was sich aus den Anmeldeunterlagen ohne Weiteres herleiten lässt (Anmeldeunterlagen: Seite 2, Zeilen 10 bis 9 von unten: "Äquivalente darstellende Hydroxycycloalkyl(meth)acrylate").

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ANLAGE 1 zum Beschluss 15 W (pat) 27/12 des BPatG

97

1. Verfahren zur Herstellung von lagerstabilen, bei Raumtemperatur flüssigen oder halbfesten, modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen (A) oder von lagerstabilen, schmelzbaren und/oder löslichen und/oder dispergierbaren, bei Raumtemperatur festen, modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen (B), wobei (A) und (B) mehr als eine Epoxidgruppe pro Durchschnittsmolekulargewicht, mindestens eine sekundäre Hydroxylgruppe und mindestens eine Esterbindung pro Durchschnittsmolekulargewicht sowie durch die chemisch eingebauten Modifizierungsmittel mindestens zwei Doppelbindungen aufweisen, dadurch gekennzeichnet,

98

dass bei Raumtemperatur flüssige cycloaliphatische Diepoxidverbindungen und

99

(II) Halbester aus ungesättigten Dicarbonsäuren und/oder deren Anhydriden und Hydroxyalkylvinylethern und/oder Hydroxycycloalkylvinylethern und/oder

100

(III) Halbester aus ungesättigten Dicarbonsäuren und/oder deren Anhydriden und

101

(i) Hydroxyalkyl(meth)acrylaten und/oder Hydroxycycloalkyl(meth)acrylaten und/oder

102

(ii) Hydroxyalkyl(meth)acrylaten mit Polyoxyalkylen-Einheiten in ihrer Struktur und/oder

103

(iii) Umsetzungsprodukten mit einer sekundären Hydroxylgruppe aus der Umsetzung von Versaticsäureglycidylester mit  (Meth)Acrylsäure und/oder

104

(iv) Umsetzungsprodukten mit einer Hydroxylgruppe aus der Umsetzung von Caprolacton und Hydroxyalkyl (meth)acrylaten,

105

bei erhöhter Temperatur in Abwesenheit oder Gegenwart organischer Lösungsmittel und/oder inerter Atmosphäre und/oder Katalysatoren für die Epoxy-/Carboxy-Reaktion und/oder Polymerisationsinhibitoren, umgesetzt werden, wobei auf eine Epoxidgruppe 0,02 bis 0,49 Äquivalente der vorstehenden Verbindungen verwendet werden.

106

2. Verfahren zur Herstellung von lagerstabilen, bei Raumtemperatur flüssigen oder halbfesten, modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen (A) oder von lagerstabilen, schmelzbaren und/oder löslichen und/oder dispergierbaren, bei Raumtemperatur festen, modifizierten cycloaliphatischen Epoxidharzen (B), wobei (A) und (B) mehr als eine Epoxidgruppe pro Durchschnittsmolekulargewicht, mindestens eine sekundäre Hydroxylgruppe und mindestens eine Esterbindung pro Durchschnittsmolekulargewicht sowie mindestens eine olefinisch ungesättigte Doppelbindung pro Durchschnittsmolekulargewicht aufweisen, dadurch gekennzeichnet,

107

dass bei Raumtemperatur flüssige cycloaliphatische Diepoxidverbindungen und

108

(IV) Halbester aus gesättigten Dicarbonsäuren und/oder deren Anhydriden und Hydroxyalkylvinylethern und/oder Hydroxycycloalkylvinylethern, und/oder

109

(V) Halbester aus gesättigten Dicarbonsäuren und/oder deren Anhydriden und

110

(i) Hydroxyalkyl(meth)acrylaten und/oder Hydroxycycloalkyl(meth)acrylaten und/oder

111

(ii) Hydroxyalkyl(meth)acrylaten mit Polyoxyalkylen-Einheiten in ihrer Struktur und/oder

112

(iii) Umsetzungsprodukten mit einer sekundären Hydroxylgruppe aus der Umsetzung von Versaticsäureglycidylester mit (Meth)Acrylsäure und/oder

113

(iv) Umsetzungsprodukten mit einer Hydroxylgruppe aus der Umsetzung von Caprolacton und Hydroxyalkyl(meth)acrylaten,

114

bei erhöhter Temperatur, in Abwesenheit oder Gegenwart organischer Lösungsmittel und/oder inerter Atmosphäre und/oder Katalysatoren für die Epoxy-/Carboxy-Reaktion und/oder Polymerisationsinhibitoren, umgesetzt werden, wobei auf eine Epoxidgruppe 0,02 bis 0,49 Äquivalente der vorstehenden Verbindungen verwendet werden.