Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 11.12.2012


BPatG 11.12.2012 - 14 W (pat) 12/09

Patentbeschwerdeverfahren – "Besserung der Dupuytren-Krankheit" - Stoffanspruch zur Behandlung einer Krankheit – zur Frage der Heranziehung eines Merkmals zur Beurteilung der Patentfähigkeit


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsdatum:
11.12.2012
Aktenzeichen:
14 W (pat) 12/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 25. Februar 2014, Az: X ZB 5/13, Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 198 13 748.6-41

hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Maksymiw, der Richterin Dr. Proksch-Ledig und der Richter Dr. Gerster und Schell

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. Januar 2009 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 61 K des Deutschen Patent- und Markenamtes die Patentanmeldung 198 13 748.6-41 mit der Bezeichnung

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"Besserung der Dupuytren-Krankheit"

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zurückgewiesen.

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Die Zurückweisung ist im Wesentlichen damit begründet, dass die seinerzeit beanspruchte Verwendung gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 gegenüber dem aus den Druckschriften

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D1 US 5 589 171 A

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D2 Starkweather, K. D. et al., J. Hand Surg., 1996, 21, S. 490 bis 495

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D3 US-PS 3 821 364

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D4 Badalamente, M. A. und Hurst, L. C., Drug Delivery, 1996, 3, S. 35 bis 40

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bekannten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Insbesondere sei es in Kenntnis dieser Dokumente nahe liegend gewesen, im Rahmen einer üblichen Optimierung von Wirkstoffmenge und Wirkstoffkonzentration anstelle der in D1 konkret genannten Konzentrationen die in den Patentansprüchen 1 der jeweiligen Anträge angegebenen einzusetzen. Ferner könne das im Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 angegebene, die Ruhigstellung der Hand sofort nach der Injektion betreffende Merkmal die erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Denn dieses stelle kein technisches Merkmal dar, das die unmittelbare Beschaffenheit der Kollagenase-Zubereitung an sich kennzeichne. Vielmehr stelle dieses als Aufdruck auf dem Beipackzettel eine Information dar, die erst dann ihre Wirkung entfalte, wenn sie der Arzt als ein therapeutisches Verfahren am Patienten umsetze. Daher umschreibe es ein von der Patentierbarkeit ausgeschlossenes Verfahren zu therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers.

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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Patentbegehren mit den Patentansprüchen 1 bis 11 gemäß Hauptantrag und den Patentansprüchen 1 und 10 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2, jeweils eingereicht mit Schriftsatz vom 14. Juli 2011, weiterverfolgt.

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Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

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"Kollagenase zur Anwendung bei der Behandlung der Dupuytren-Krankheit, wobei die Kollagenase hergerichtet ist zur Injektion in einen fibrösen Dupuytren-Strang einer Hand in einer Gesamtmenge von wenigstens 8000 ABC-Einheiten Kollagenase in einer Konzentration von etwa 15 000 bis etwa 75 000 ABC-Einheiten pro ml Träger, und zur Ruhigstellung der Hand sofort nach der Injektion für mehrere Stunden."

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Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag insofern, als der Zeitraum zur Ruhigstellung der Hand auf etwa 4 bis etwa 10 Stunden beschränkt ist.

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Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag darin, als die Indikation auf die Behandlung der Dupuytren-Krankheit im Residualstadium gerichtet ist.

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Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Anmelderin im Wesentlichen vorgetragen, dass das die Ruhigstellung der Hand betreffende Merkmal eine Therapieanweisung darstelle und selbständig zur Patentfähigkeit beitrage. Zu berücksichtigen sei dieses Merkmal, weil gemäß der BGH-Entscheidung "Carvedilol II" die Patentierung eines Dosierungsschemas, im Sinne einer zweiten, weiteren medizinischen Indikation grundsätzlich für zulässig erachtet worden sei, wenn dieses nicht als solches beansprucht werde, wie im der BPatG-Entscheidung "Knochenzellpräparat" zugrunde liegenden Fall, sondern für diese Verwendung hergerichtet sei. Damit werde der Schutz nämlich auf das begrenzt, was zur augenfälligen, sinnfälligen Herrichtung notwendig sei. Im vorliegenden Fall stelle den Unterschied, der sich zur herkömmlichen Anwendung nach außen ergebe, der Beipackzettel dar. Denn dieser enthalte die Anweisung, die Hand, die mit einem hochkonzentrierten Präparat behandelt worden sei, ruhig zu stellen. Sie vertritt ferner die Auffassung, dass der in § 3 Abs. 4 PatG, der die Patentfähigkeit von Stoffen zur spezifischen Anwendung in einem therapeutischen Verfahren betreffe, verwendete Begriff "spezifische Anwendung" nicht restriktiv auszulegen sei. Vielmehr sei unter diesen sowohl die Behandlung einer anderen Krankheit, als auch eine neue Dosierung bzw. Verabreichung eines Wirkstoffes, d. h. somit ein neuer Therapieplan zu subsumieren. Diese Schlussfolgerung ergebe sich auch aus dem § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG, gemäß dem ausdrücklich nur Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren von der Patentierbarkeit ausgenommen seien, nicht aber die Anwendung von Arzneimittel, in diesen Verfahren. In ihrer Sichtweise bestätigt sieht sich die Anmelderin auch durch die insbesondere in der Entscheidung der großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes G 2/08 dargelegten Rechtsauffassung, nach der dieser Begriff auch andere neue und erfinderische therapeutische Behandlungen erfasse.

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Die erfinderische Tätigkeit sei gegenüber dem druckschriftlich genannten Stand der Technik gegeben, der nur in vitro-Versuche oder Tierversuche betreffe. Für die Behandlung von Menschen ließen diese daher keine Rückschlüsse zu. So hätten erst klinische Versuche gezeigt, dass nur mit einer Fixierung der Hand gute Ergebnisse zu erzielen seien. Insbesondere vermittle die Druckschrift D1, die zwar Mengenangaben enthalte, keine sinnvolle Lehre, nachdem diese Angaben dort gleichzeitig relativiert würden. Ferner würden im gesamten vorliegenden Stand der Technik Konzentrationen als wirksam angesehen, die deutlich außerhalb des beanspruchten Bereiches lägen.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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den Beschluss der Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Januar 2009 aufzuheben und das Patent auf Grundlage des Hauptantrags gemäß Schriftsatz vom 14. Juli 2011,

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hilfsweise das Patent mit der Maßgabe zu erteilen, dass es die Fassung eines der Hilfsanträge 1 oder 2 gemäß Schriftsatz vom 14. Juli 2011 erhält.

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Zudem regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde über folgende Rechtsfrage an:

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"Ist bei einem Stoffanspruch nach § 3 IV PatG als ein Merkmal der "spezifischen Anwendung" auch ein Therapieplan-Merkmal, wie z. B. "Ruhigstellung der Hand sofort nach einer Injektion für mehrere Stunden" als ein Merkmal zu akzeptieren, das zur Beurteilung der Patentierbarkeit (Neuheit, erfinderische Tätigkeit) heranzuziehen ist, sofern der Anspruch im Sinne der BGH-Entscheidung "Carvedilol II" in der Form "Stoff X zur Anwendung bei der Behandlung der Krankheit Y, wobei der Stoff hergerichtet ist zur Verabreichung Z mit den Stoffmerkmalen a, b, c ....." und "zur Ruhigstellung der Hand sofort nach einer Injektion für mehrere Stunden (Therapieplan-Merkmal)" formuliert wurde?"

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Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der jeweils rückbezogenen Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig (§ 73 PatG); sie ist jedoch nicht begründet.

24

1. Die ursprüngliche Offenbarung der Gegenstände gemäß den jeweils geltenden Patentansprüchen nach Hauptantrag und 1. und 2. Hilfsantrag ist nicht zu beanstanden. Die gemäß den jeweiligen Patentansprüchen 1 nach Hauptantrag und 1. und 2. Hilfsantrag beanspruchte Kollagenase zur Anwendung bei der Behandlung der Dupuytren-Krankheit ist auch neu; sie erweist sich aber als nicht patentfähig.

25

2. Inwiefern die Zulässigkeit des Patentanspruches 1 gemäß Hauptantrag im Sinne der BGH-Entscheidung "Carvedilol II" (vgl. BGH GRUR 2007, 404 Ls. 1 und 2) überhaupt gegeben ist, kann schlussendlich dahingestellt bleiben, weil die Bereitstellung des Gegenstandes des Patentanspruches 1 - wie unter II.3. ausgeführt wird - kein erfinderisches Zutun erforderte. Ungeachtet dessen aber enthält der Patentanspruch 1 mit der Maßgabe "zur Ruhigstellung der Hand sofort nach der Injektion für mehrere Stunden" ein Merkmal, das nach Ansicht des Senates eine therapeutische Behandlung des menschlichen Körpers beschreibt und das daher bei der Beurteilung der Patentfähigkeit nicht beachtlich ist.

26

Auch wenn dieses Merkmal den Vorgaben der BGH-Entscheidung "Carvedilol II" entsprechend formuliert ist (vgl. a. a. O. S. 409 Tz. 51), so dass das in Rede stehende Merkmal den dort vorgegebenen formalen Anforderungen entspricht, stellt es nach Auffassung des Senates dennoch kein Element der Herrichtung eines Stoffes zur Verwendung bei der Behandlung einer Krankheit dar.

27

Geltender Rechtsprechung folgend, ist unter dem Begriff "Herrichtung" alles das zu subsumieren, was im gewerblichen Bereich hergerichtet wird. Dies kann sich in Informationen auf der Verpackung oder dem Beipackzettel niederschlagen, betrifft aber auch in diesen Fällen nur jene Handlungen, die im Zusammenhang mit dem Wirkstoff bzw. der Formulierung stehen (vgl. BGH GRUR 1983, 729, 730, 3e - Hydropyridin; BGH GRUR 2007, 404 Ls. 405, Tz. 16 – Carvedilol II; Schulte PatG 8. Aufl. § 1 Rdn. 261, Benkard PatG. 10. Aufl. § 3 Rdn. 91 b, § 5 Rdn. 33 sowie Benkard EPÜ 2. Aufl. Art. 53 Rdn. 100, 123 und Art. 54 Rdn. 208, 212). Dieser Zusammenhang ist für das in Rede stehende Merkmal vorliegend jedoch weder direkt noch indirekt gegeben. Denn dieses dient weder dazu, die beanspruchte Kollagenase noch die zur Verabreichung vorgesehene Formulierung chemisch oder physikalisch zu charakterisieren. Dabei erfolgt letzteres auch in dem Fall, ein Wirkstoff wird zur Ausführung eines näher definierten Dosierungsplanes bzw. Therapieplanes hergerichtet. Bei der Maßgabe, die Hand sofort nach der Injektion für mehrere Stunden ruhig zu stellen, handelt es sich dagegen vielmehr um eine von der Herrichtung gelöste Anweisung an den behandelnden Arzt, mit dem Ziel, auf diese Weise ein Abdiffundieren des hochdosierten Wirkstoffes in den Körper des Patienten zu verhindern. Somit aber handelt es sich bei diesem Merkmal um einen Teil der Tätigkeit des behandelnden Arztes, d. h. um ein therapeutisches Verfahren, das vom Patentschutz ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2007, 404, Tz. [16] – Carvedilol II, Schulte PatG 8. Aufl. § 2a Rdn. 60 bis 62, 64, 75 und 76; Benkard PatG 10. Aufl. § 5 Rdn. 29 und 30, Benkard EPÜ 2. Aufl. Art. 53. Rdn. 100a und b, 111, 112, 114, 115 und 122 sowie Meier-Beck, P., GRUR 2009, 300 "I. Einführung", 304 "IV. Das neue Recht").

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Eine andere Auffassung - und damit die Subsumierung eines vom Arzt ausgeführten therapeutischen Verfahrens unter den Begriff "spezifische Anwendung" - ist auch nicht aus der Entscheidung G 2/08 der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes ableitbar. Denn sowohl bei dem dieser Entscheidung ebenso wie bei dem von der Anmelderin in diesem Zusammenhang schriftsätzlich zitierten Urteil des englischen Court of Appeal (vom 21. Mai 2008/ EWCA Civ 444) zugrunde liegenden Fall handelt es sich um solche, die eine Dosierungsanleitung, somit eine in der Herstellung begründete, direkte Anwendung eines Wirkstoffes, betrafen, während vorliegend eine der Verabreichung folgende Tätigkeit des Arztes Gegenstand des diskutierten Merkmales ist. Ein vergleichbarer Sachverhalt wie er der BGH-Entscheidung "Walzenformgebungsmaschine" (vgl. BGH GRUR 2010, 950) zugrunde lag und gemäß der deutsche Gerichte Entscheidungen, die durch die Instanzen des EPA oder durch Gerichte anderer Vertragsstaaten des europäischen Patentübereinkommens ergangen seien und eine im Wesentlichen gleiche Fragestellung beträfen, zu beachten hätten und sich gegebenenfalls mit den Gründen auseinander zusetzen hätten, die bei der vorangegangenen Entscheidung zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätten, ist daher vorliegend nicht gegeben. Darüber hinaus wird - entsprechend der vorstehend dargelegten Argumentation - auch in der Entscheidung G 2/08 der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes ausgeführt, dass sehr wohl zwischen der Anwendung eines Stoffes in einem therapeutischen Verfahren und einem solchen Verfahren selbst zu unterscheiden ist und Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers vom Patentschutz ausgeschlossen sind, was zur Folge habe, dass ein Verfahrensanspruch nicht gewährbar sei, wenn er auch nur einen einzigen diesbezüglichen Verfahrensschritt enthalte (vgl. Amtsblatt EPA 10/2010, 456, 476 Punkt. 5.6, 477 Punkt 5.7).

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3. Die Bereitstellung der Kollagenase zur Anwendung bei der Behandlung der Dupuytren-Krankheit gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beruht im Übrigen aber auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

30

Der Anmeldung liegt - gemäß dem Vortrag der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung - die Aufgabe zugrunde, eine wirksame Behandlung der Dupuytren-Krankheit bereitzustellen, ohne Gefahr zu laufen, durch zu hohe Dosen Kollagenase die Gesundheit zu beeinträchtigen.

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Zur Lösung dieser Aufgabe Kollagenase zur Anwendung gemäß Patentanspruch 1, vorzuschlagen, wobei diese

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1. zur Injektion in einen fibrösen Dupuytren-Strang einer Hand

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2. in einer Gesamtmenge von wenigstens 8000 ABC Einheiten Kollagenase,

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3. in einer Konzentration von etwa 15.000 bis etwa 75.000 ABC Einheiten pro ml Träger und

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4. zur Ruhigstellung der Hand sofort nach der Injektion für mehrere Stunden

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hergerichtet ist,

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bedurfte im Hinblick auf die US-Patentschrift D1 keine Überlegungen erfinderischer Art.

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Das Dokument D1 betrifft ebenfalls die Behandlung der Dupuytren-Krankheit mit Kollagenase, wobei der Wirkstoff in den fibrösen Strang der Hand injiziert wird (vgl. Patentansprüche 1 und 7 sowie Sp. 1 Z. 5 bis 32). Hinsichtlich der zu verabreichenden Gesamtdosis wird dort ausgeführt, dass diese in einem Bereich von ungefähr 100 ABC-Einheiten oder wenigstens ungefähr 7500 ABC-Einheiten oder mehr Kollagenase liegen könne. Gleichzeitig wird in diesem Zusammenhang darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die Dosierung von der Beurteilung des Arztes und dem Ausmaß der Erkrankung abhänge (vgl. Sp. 1 Z. 54 bis 67). Gemäß dem Beispiel 1 kommt sodann in einem in vitro-Versuch an exzidierten fibrösen Strängen von an der Dupuytren-Krankheit erkrankten Patienten eine Gesamtkonzentration von 3600 Einheiten Kollagenase zur Anwendung (vgl. Sp. 2 Z. 40 bis 46). Die Ergebnisse dieses Beispieles führen dazu, dass die Kollagenase gemäß diesem Dokument als sehr effektiv bei der Behandlung der infolge der Dupuytren-Krankheit zu beobachtenden pathologischen Verdickung der Bindegewebes Stränge beschrieben wird (vgl. Sp. 3 Z. 1 bis 4).

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Angesichts dieser mit dem Dokument D1 vermittelten Lehre nicht nur Kollagenase als geeignet zur Behandlung der Dupuytren-Erkrankung in Betracht zu ziehen, sondern ausgehend von den dort genannten Dosierungen auch jene zu verabreichende Menge an Kollagenase zu ermitteln, mit der die erwünschten Ergebnisse erzielt werden können, erforderte kein erfinderisches Zutun. Denn diese Druckschrift gibt dem Fachmann - vorliegend ein Team, dem jedenfalls ein in der Forschung tätiger Mediziner, der sich auf das Gebiet der Handchirurgie spezialisiert hat, sowie ein auf dem Fachgebiet der pharmazeutischen Technologie spezialisierter Pharmazeut angehören - nicht nur den Hinweis, dass es sich bei Kollagenase um einen zur Behandlung der Dupuytren-Krankheit aussichtsreichen Wirkstoff handelt, bei dessen Anwendung er von vornherein mit dem gewünschten Erfolg rechnen konnte. Es war für den Fachmann ausgehend von dem in dieser Druckschrift genannten Bereich, in dem sich die zu injizierende Gesamtdosis gemäß den dortigen Ausführungen bewegen kann, darüber hinaus auch nahe liegend, in Dosisfindungsstudien, die seiner Routinetätigkeit zuzurechnen sind und deren Anlegung kein erfinderisches Zutun erfordern, jenen Dosierungsbereich zu ermitteln, mit dem die gewünschten Ergebnisse erzielbar sind. Dabei wird der Fachmann bei der Planung und Ausführung dieser Versuche die im Dokument D1 genannten Dosierungen nicht limitierend, sondern lediglich als Ausgangspunkte ansehen, denn diese Druckschrift vermittelt ihm zugleich auch die Anregung gegebenenfalls höhere Dosen in Betracht zu ziehen. Dies trifft nicht nur deshalb zu, weil zum einen im Zusammenhang mit der Nennung des exakten Dosisbereiches zugleich darauf hingewiesen wird, dass sich die für eine Injizierung infrage kommende Menge ebenso darüber bewegen könne und es zum anderen seinem fachmännischen Wissen zuzuordnen ist, dass Dosierungen, die sich in in vitro-Versuchen als wirksam erwiesen haben, nicht direkt auf Patienten übertragbar sind, sondern diesen angepasst werden müssen. Es trifft insbesondere aber auch deshalb zu, weil bereits einleitend in dem die in Betracht zu ziehenden Dosisbereiche betreffenden Absatz ausgeführt wird, dass die Dosierung der Beurteilung des Arztes unterliegt sowie vom Ausmaß der Erkrankung abhängt (vgl. Sp. 1 Z. 54 bis 62).

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Das Merkmal, dass die Kollagenase in einer Konzentration von etwa 15.000 bis etwa 75.000 ABC Einheiten pro ml Träger hergerichtet ist, kann im Zusammenhang mit der zu injizierenden Gesamtmenge gleichfalls keinen Beitrag zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit leisten. Die im Patentanspruch 1 genannte Konzentration der zu injizierenden Kollagenaselösung ergibt sich nämlich als zwingende Folge der für eine wirksame Behandlung als geeignet erachteten Gesamtmenge des Wirkstoffes und des als praktikabel erachteten, zu injizierenden Volumens. Denn dieses ist dadurch begrenzt, dass der zu behandelnde Bindegewebsstrang in der Hand einen nur geringen Durchmesser aufweist und daher Injektionen von mehreren Millilitern Trägerlösung nicht praktikabel sind. Diese Sichtweise bestätigend werden auch gemäß dem Beispiel 1 der Druckschrift D1 nur 0,5 ml in den exzidierten Strang injiziert (vgl. Sp. 2 Z. 43 bis 46). Die Begrenzung des injizierbaren Volumens aber hat bei der vorgegebenen Gesamtdosierung zur Folge, dass die Trägerlösung eine der Dosierung entsprechend angepasste Konzentration aufweisen muss.

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Auch das Merkmal, dass die Kollagenase zur Ruhigstellung der Hand sofort nach der Injektion für mehrere Stunden hergerichtet ist, könnte - für den Fall, es wird als beachtlich angesehen - die erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Die vorliegend angewendeten hohen Dosierungen führen nämlich zwangsläufig zur Ruhigstellung der Hand, alleine schon, um zu verhindern, dass die Kollagenase abströmt und an anderen Stellen des Körpers ebenfalls ihre Wirkung entfaltet (vgl. auch D4 S. 39 li. Sp. Abs. 3 Satz 4 und 5). Daher handelt es sich bei dieser Vorgehensweise um eine reine Vorsichtsmaßnahme, die der behandelnde Arzt - dem das Ergreifen dieser Maßnahme im Übrigen aus der alltäglichen Praxis bekannt ist - auch im vorliegenden Fall ohne Überlegungen erfinderischer Art von vornherein anwenden wird, alleine schon, um unerwünschte Nebenwirkungen zu verhindern.

42

Das Argument der Anmelderin, der Fachmann habe aufgrund der Hinweise im Stand der Technik, insbesondere aufgrund der Ausführungen im Dokument D2, eine Dosis von 3600 Einheiten Kollagenase läge weit über dem, was zum Zerreißen der Stränge erforderlich sei, keine Veranlassung gehabt, die Dosierungen gemäß Patentanspruch 1 in Betracht zu ziehen, kann zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen. Zum einen vermittelt das Dokument D1 dem Fachmann - wie vorstehend bereits ausgeführt - bereits die Anregung auch höhere Dosierungen als sie dort expressis verbis angegeben sind, d. h. über 7500 ABC-Einheiten, in Betracht zu ziehen. Zum anderen handelt es sich auch bei den dort beschriebenen Untersuchungen um in vitro-Versuche, von denen der Fachmann - wie ebenfalls vorstehend dargelegt - weiß, dass die solchermaßen ermittelten Dosen nicht unmittelbar auf Patienten übertragbar sind, sondern erst angepasst werden müssen. Dass die Fachwelt zum selben Zeitpunkt auch höhere Dosierungen zur Behandlung der Dupuytren-Krankheit in Betracht zog, erweist sich über dies anhand des wissenschaftlichen Artikels D4, in dem im Zusammenhang mit der Behandlung der Peyronie-Erkrankung, die die gleichen Ursachen und den gleichen Krankheitsverlauf aufweist wie die Dupuytren-Krankheit, Dosierungen in einem Bereich von 1759 bis 4550 Einheiten Kollagenase als sicher und wirksam beschrieben werden (vgl. S. 39 re. Sp. Abs. 2).

43

Auch der Vortrag der Anmelderin, der Fachmann sei aufgrund von zu erwartenden Nebenwirkungen davon abgehalten gewesen, höhere Konzentrationen von Kollagenase zur Behandlung der Dupuytren-Krankheit in Betracht zu ziehen, kann nicht überzeugen. Zum einen handelt es sich bei den von der Anmelderin diskutierten Nebenwirkungen nicht um solche, die i. V. m. der Handinnenfläche eines Menschen beobachtet worden sind, sondern um Nebenwirkungen, die nach Injektionen in Kaninchenohren (vgl. D4 S. 39 li. Sp. Abs. 2 und 3) beobachtet worden sind. Zum anderen werden unabhängig davon auch anmeldungsgemäß deutliche Schwellungen, somit Nebenwirkungen, beobachtet (vgl. DE 198 13 748 A1 Sp. 5 Z. 35 bis 41). Geltender Rechtsprechung folgend werden aber technische Fehlvorstellungen nicht überwunden, wenn gegenüber der vorgeschlagenen Lösung zu Recht bestehende Bedenken lediglich ignoriert und mit ihr tatsächlich oder vorhersehbar verbundenen Nachteile einfach in Kauf genommen werden (BGH GRUR 1996, 857 Ls. 2, 860 III.2.c – "Rauchgasklappe").

44

Die Bereitstellung von Kollagenase zur Anwendung bei der Behandlung der Dupuytren-Krankheit gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag beruht nach alledem nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Patentanspruch 1 ist daher nicht gewährbar.

45

4. Die Patentansprüche 1 nach erstem und zweitem Hilfsantrag bilden ebenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit keine geeignete Grundlage für eine Patenterteilung.

46

Der Patentanspruch 1 gemäß erstem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag insofern, als der Zeitraum, in dem die Hand sofort nach der Injektion ruhig zu stellen ist, 4 bis etwa 10 Stunden beträgt. Damit mag der Patentanspruch 1 gemäß erstem Hilfsantrag gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beschränkt worden seien, es hat sich mit dieser Formulierung aber kein anderer Sachverhalt ergeben. Die in Verbindung mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag genannten Gründe gelten in diesem Fall daher gleichermaßen.

47

Der Patentanspruch 1 gemäß zweitem Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag bezüglich der Indikation, denn er ist nunmehr auf eine Kollagenase zur Anwendung bei der Behandlung der Dupuytren-Krankheit im Residualstadium gerichtet. Jedoch vermag auch diese Beschränkung der Indikation nichts zur Begründung der erfinderischen Tätigkeit beizutragen. Denn in der Dokument D1 wird ausgeführt, dass die dort beschriebene Injektion der Kollagenase sowohl in die fibrösen Stränge als auch in die die frühen Stadien darstellenden fibrösen Vorläuferknoten im Bindegewebe erfolgen kann (vgl. Sp. 1 Z. 23 bis 32). Die Existenz von fibrösen Strängen aber zeigt das fortgeschrittene Stadium dieser Krankheit, somit das Residualstadium der Dupuytren-Krankheit, an (vgl. D4 S. 35 li. Sp. Abs. 1), weshalb auch die im Patentanspruch 1 gemäß zweitem Hilfsantrag genannte Indikation in der Druckschrift D1 bereits beschriebenen wird. Daher führt auch diese gegenüber dem Gegenstand des Patentanspruches 1 nach Hauptantrag erfolgte Beschränkung zu keinem anderen Sachverhalt als er vorstehend unter II.2. und II.3. diskutiert worden ist, weshalb die dort dargelegten Gründe hier gleichermaßen zutreffen.

48

Der jeweilige Patentanspruch 1 nach erstem und zweitem Hilfsantrag bildet daher ebenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit keine geeignete Grundlage für eine Patenterteilung.

49

5. Da über den Antrag der Anmelderin nur insgesamt entschieden werden kann, teilen die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 11 gemäß Hauptantrag bzw. die nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 10 gemäß 1. und 2. Hilfsantrag das Schicksal des jeweiligen Patentanspruches 1 (vgl. BGH GRUR 1997, 120 - "Elektrisches Speicherheizgerät").

50

6. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.

51

7. Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da vorliegend die u. a. entscheidungserhebliche Frage höchstrichterlicher Klärung bedarf (§ 100 Abs. 2 PatG), inwiefern bei einem Stoffanspruch der zweiten medizinischen Indikation, der den formalen Erfordernissen der BGH-Entscheidung "Carvedilol II" (GRUR 2007, 404) entspricht, als ein Merkmal der "spezifischen Anwendung" auch ein Therapieplan-Merkmal, das nicht die unmittelbare, herrichtungsbegründete Anwendung eines Wirkstoffes betrifft, sondern eine - ebenfalls formal herrichtungsbegründete - der unmittelbaren Anwendung nachgeschaltete, vom Arzt selbst durchgeführte Behandlung am Menschen darstellt, zur Beurteilung der Patentfähigkeit heranzuziehen ist.