Entscheidungsdatum: 15.12.2014
Gargerät
Die Feststellung der Prüfungsstelle, Patentanspruch 1 sei nicht so klar und deutlich formuliert, dass sich aus ihm ein zweifelsfreies Schutzbegehren ableiten lasse, stellt keinen Mangel dar, der zur Zurückweisung der Anmeldung berechtigt.
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 10 2008 051 265.6
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 15. Dezember 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter v. Zglinitzki, Dr.-Ing. Fritze und Dipl.-Ing. (Univ.) Fetterroll
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F24C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Mai 2013 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Patentamt zurückverwiesen.
2. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 10. Oktober 2008 die Patentanmeldung mit der Bezeichnung
"Steuerungs-, Regelungs- und Bedienvorrichtung für ein Gargerät"
nebst Rechercheantrag eingereicht worden.
Im Recherchebericht vom 10. August 2009 werden acht Druckschriften genannt.
Die Anmelderin hat mit Schriftsatz vom 9. Mai 2011 geänderte Patentansprüche eingereicht und Prüfungsantrag gestellt.
Die Prüfungsstelle für Klasse F24C des Patentamts hat die Anmeldung durch Beschluss vom 14. Mai 2013 mit der – bereits im Prüfungsbescheid vom 30. Juli 2012 ausgeführten – Begründung zurückgewiesen, der Patentanspruch 1 sei nicht so klar und deutlich formuliert, dass sich aus ihm ein zweifelsfreies Schutzbegehren ableiten lasse. Der Patentanspruch 1 setze sich aus insgesamt neun Aufzählungsmerkmalen zusammen, von denen die ersten acht auf Teile der beanspruchten Vorrichtung gerichtet seien. Das letzte, aus dem Rahmen fallende Merkmal
"wobei die Steuerungs-, Regelungs- und Bedienvorrichtung (1) derart ausgebildet ist, dass sie eine voreingestellte Restgarzeit mittels Restgarzeitkorrektur[faktor]en entsprechend der RGT-Regel anpasst."
lasse jedoch nicht erkennen, welche konstruktive Ausgestaltung der beanspruchten Vorrichtung damit konkret unter Schutz gestellt werden solle. Der Begriff "voreingestellt" sei dahingehend zu interpretieren, dass die Restgarzeit vor Beginn des Garprozesses eingestellt worden sei. Offen blieben jedoch die Grundlagen, auf der die Voreinstellung und wann die Anpassung der Restgarzeit erfolgen solle. Der Hinweis auf die RGT-Regel ergebe keinen Zusammenhang mit der voreingestellten Restgarzeit. Da die Gartemperatur zu Beginn des Garprozesses bereits feststehe, also ebenfalls voreingestellt sei, sei es für den Fachmann völlig unklar, wie eine voreingestellte Restgarzeit "entsprechend der RGT-Regel" angepasst werden könne. Über den Mangel einer ausreichend klaren und deutlichen Formulierung hinaus erfülle der Patentanspruch 1 übrigens auch nicht das Erfordernis des § 9 Abs. 4 PatV, nach dem im Hauptanspruch nur die wesentlichen Merkmale anzugeben seien. Es reiche "keineswegs aus, wenn diese Merkmale grundsätzlich geeignet wären, bei der im letzten Merkmal genannten Restgarzeitkorrektur eingesetzt zu werden, was aber z. B. bei der Kopplungseinrichtung oder dem Energiespeicher ohnehin nicht der Fall sein dürfte". Vielmehr müsse in jedem einzelnen Merkmal konkret angegeben sein, was es zur Lösung der Aufgabe beitrage bzw. in welchem Zusammenhang es mit den anderen Merkmalen im Sinne einer technischen Lehre des Anspruchs stehe.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.
Sie ist der Auffassung, der Anspruchssatz sei klar formuliert und der Schutzbereich sicher vorhersehbar. Die angegebenen Merkmale seien zur Garzeit-Berechnung wesentlich. Die Anwendung der RGT-Regel sei anhand eines Ausführungsbeispiels detailliert beschrieben. Der zurückgewiesene Anspruchssatz sei zudem neu und basiere auf erfinderischer Tätigkeit.
Sie beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent mit den geltenden Unterlagen zu erteilen.
Wegen der Fassung der geltenden Patentansprüche, der sonstigen Anmeldeunterlagen sowie der weiteren Einzelheiten wird auf die Amts- und Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt.
Die durch den angefochtenen Beschluss der Prüfungsstelle ausgesprochene Zurückweisung der Patentanmeldung ist ohne hinreichende Rechtsgrundlage und somit rechtswidrig erfolgt. Der Beschluss besagt zwar, auf § 48 PatG zu beruhen, es liegen aber keine nach § 45 Abs. 1 PatG gerügten Mängel der Anmeldung vor, und die Patentfähigkeit ist nicht geprüft worden.
Mängel, die zu einer Zurückweisung führen können, dürfen nur insofern in Betracht kommen, als die Anmeldung den Anforderungen der §§ 34, 37, 38 oder 36 PatG nicht genügt, § 45 Abs. 1 PatG.
Die Prüfungsstelle hat als Zurückweisungsgrund lediglich den Mangel genannt, der Patentanspruch 1 sei nicht so klar und deutlich formuliert, dass sich aus ihm ein zweifelsfreies Schutzbegehren ableiten lasse. Eine Subsumption unter eine gesetzliche Bestimmung hat sie jedoch nicht vorgenommen. Eine Vorschrift, die beinhaltet, Patentansprüche oder Hauptansprüche müssten klar und deutlich formuliert sein – oder klar/deutlich (clear) und knapp/prägnant (concise) gefasst sein, wie es Art. 84 Satz 2 EPÜ verlangt, - gibt es im deutschen Patentrecht auch nicht.
Zur Abfassung der Patentansprüche einer Anmeldung sind die Bestimmungen des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG und des § 9 PatV maßgeblich, die der Anmelder normalerweise im eigenen Interesse zur späteren Geltendmachung seines Patents gemäß § 9 PatG und im Hinblick auf den nach § 14 PatG zu bestimmenden Schutzbereich erfüllt. Hierbei hat die Prüfungsstelle erforderlichenfalls unterstützend mitzuwirken, insbesondere durch die Aufforderung, Mängel zu beseitigen (§ 45 Abs. 1 PatG), durch Amtsermittlung oder Anhörung (§ 46 PatG), zumal das Patentgesetz keinen Anwaltszwang vorsieht und somit Patentanmeldungen auch Anmeldern ohne besondere Fach- oder Rechtskunde offenstehen sollen. Auch die richterlichen Hinweis- und Aufklärungspflichten gemäß § 139 ZPO sollten regelmäßig analog herangezogen und beachtet werden.
Der Senat hält es nicht für gerechtfertigt, die Bestimmungen über die Fassung von Patentansprüchen, die sich in der verwaltungs- und verfahrensrechtlichen Praxis als zufriedenstellend und gut handhabbar erwiesen haben, zu Lasten des Anmelders mit weiteren, aus dem europäischen Patentrecht übernommenen Anforderungen zu erweitern, um Prüfungsstellen möglichst ihre Aufgaben zu erleichtern.
Aus dem Wortlaut der Vorschriften des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG und des § 9 PatV lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass Patentansprüche klar und deutlich formuliert sein müssen.
Die Anmeldung muss nach § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG einen oder mehrere Patentansprüche enthalten, in denen angegeben ist, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Diese stellen zunächst rein subjektive Angaben des Anmelders dar. Zwar wird es immer wünschenswert sein, dass der Anmelder seine Ansprüche so klar und deutlich formuliert, dass sich daraus ein zweifelsfreies Schutzbegehren ergibt. Fehlende Klarheit und Deutlichkeit sind jedoch keine zulässigen Kriterien, auf welche die Zurückweisung der Anmeldung gestützt werden kann.
Auch in dem § 9 Abs. 4 PatV, wonach im ersten Patentanspruch (Hauptanspruch) die wesentlichen Merkmale der Erfindung anzugeben sind, ist selbst mittelbar von Klarheit oder Deutlichkeit keine Rede. Diese Vorschrift besagt, dass all die Merkmale angegeben werden müssen, die nach Ansicht des Anmelders zur Definition des beanspruchten Gegenstandes erforderlich sind, um einerseits festzustellen, ob im Stand der Technik entsprechende Gegenstände beschrieben oder benutzt worden sind, und andererseits - nach Erteilung - den Schutzbereich zu ermitteln. Sie besagt jedoch nicht, dass nur die wesentlichen Merkmale der Erfindung anzugeben seien. Sie besagt auch nicht, wie die Prüfungsstelle meint, dass in jedem einzelnen Merkmal konkret angegeben sein müsse, was es zur Lösung der Aufgabe beitrage und in welchem Zusammenhang es mit anderen Merkmalen im Sinne einer technischen Lehre des Anspruchs stehe.
Da der Schutzumfang nach § 14 PatG durch den Inhalt der Patentansprüche festgelegt wird, obliegt es dem Anmelder, den Gegenstand, für den er Schutz begehrt, soweit oder so eng zu definieren, wie er es für erforderlich erachtet, sofern kein Stand der Technik der Patentfähigkeit entgegensteht.
Als Zurückweisungsgrund in Fällen wie dem vorliegenden, in dem ein Mangel der Anmeldung gerügt werden soll und die Patentfähigkeit nicht geprüft worden ist, kommt in der Regel nur die Rechtsgrundlage nach § 34 Abs. 4 PatG i. V. m. §§ 45 Abs. 1 Satz 1; 48 PatG in Betracht. Dies setzt voraus, dass die Erfindung in der Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Obwohl die Begründung des angefochtenen Beschlusses teilweise auf eine derartige Ansicht der Prüfungsstelle hindeutet, hat der Prüfer aber mangelnde Ausführbarkeit offenbar doch nicht feststellen wollen.
Der Senat sieht jedenfalls keinen Grund, mangelnde Ausführbarkeit im Sinne des § 34 Abs. 4 PatG anzunehmen.
Die geltende Fassung der Anmeldung enthält zwölf Patentansprüche, in denen angegeben ist, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll. Die beanspruchten Gegenstände sind in der Anmeldung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann – hier ein Mess- und Regelungstechniker, der seit mehreren Jahren mit der Auslegung und Implementierung von Steuerungen und Regelungen für Gargeräte betraut ist, und ggf. einen Lebensmitteltechnologen zu Rate zieht – sie ausführen kann.
Die Gründe im angefochtenen Beschluss beziehen sich ausschließlich auf Patentanspruch 1 und namentlich auf das nach dem letzten Spiegelstrich angegebene Merkmal "wobei die Steuerungs-, Regelungs- und Bedienvorrichtung (1) derart ausgebildet ist, dass sie eine voreingestellte Restgarzeit mittels Restgarzeitkorrektur[faktor]en entsprechend der RGT-Regel anpasst".
Nach Auffassung der Prüfungsstelle lasse dieses Merkmal nicht erkennen, welche konstruktive Ausgestaltung der beanspruchten Vorrichtung konkret unter Schutz gestellt werde solle. Dem kann so nicht gefolgt werden. Zunächst ist festzustellen, dass die beanspruchte Vorrichtung durch eine Reihe konkret genannter Bauteile wie Sensoreinrichtung, Mikrokontroller, Datenspeicher, Energiespeicher usw. definiert ist. Das gerügte Merkmal definiert die Vorrichtung durch eine von ihr ausgeführte Funktion und stellt somit eine Zusammenfassung all der Mittel dar, die die gleiche Funktion erfüllen, ob konkret genannt oder nicht. Das Merkmal erschöpft sich auch nicht in der Angabe eines technischen Problems, sondern nennt explizit das Anpassen mittels Restgarzeitkorrekturfaktoren entsprechend der RGT-Regel.
Ab Seite 5 der Anmeldung, letzte Zeile, ist angegeben, dass die Werte für die Parameter Temperatur, Druck, Zeit und Gargut mit Hilfe eines Tastenblocks als Eingabeeinrichtung eingestellt werden. Die Anpassung der zunächst voreingestellten Restgarzeit erfolgt nach Erreichen der Arbeitstemperatur in Abhängigkeit von der tatsächlich vorhandenen Temperatur entsprechend der RGT-Regel und ist anhand der Figuren 5 und 6 beginnend ab Seite 10 der Anmeldung, unterer Absatz, ausführlich beschrieben. Die Ausführungen im angefochtenen Beschluss, es bleibe offen, auf welcher Grundlage - also in Abhängigkeit welcher Gargutparameter - die Einstellung der Restgarzeit (Voreinstellung) erfolge, es sei unklar, wann die Anpassung – also, ob die Anpassung bereits vor dem Garprozess oder während des Garprozesses - der Restgarzeit erfolgen solle, sowie der Hinweis auf die RGT-Regel ergebe noch keinen Zusammenhang mit der Korrektur der voreingestellten Restgarzeit, halten einer Überprüfung daher ebenfalls nicht Stand.
Die Anmeldung wird daher zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche- Patent und Markenamt zurückverwiesen. Die Prüfungsstelle wird unter Anderem noch zu berücksichtigen haben, dass ein Gargerät auch etwas anderes als ein Schnellkochtopf sein kann.
III.
Der Senat hält es für angebracht, wegen der rechtsfehlerhaften Zurückweisung der Anmeldung die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.