Entscheidungsdatum: 17.10.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 195 48 840
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter v. Zglinitzki, Dr.-Ing. Fritze und Dipl.-Ing. (Univ.) Rothe
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Auf die am 27. Dezember 1995 beim Deutschen Patentamt (jetzt: Deutsches Patent- und Markenamt) eingereichte Patentanmeldung ist die Erteilung des Patents 195 48 840 mit der Bezeichnung
„Strecke zum Doublieren und Verstrecken von Faserbändern“
am 3. April 2008 veröffentlicht worden.
Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden, worauf die Patentabteilung 26 des Deutschen Patent- und Markenamts den Einspruch durch Beschluss vom 25. Mai 2009 wegen nicht ausreichender Substantiierung als unzulässig verworfen hat.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, der Einspruch sei zulässig und der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Zur Stützung ihres Vortrags verweist sie auf folgende Druckschriften:
D1 DE 1 098 862 Auslegeschrift
D2 EP 0 359 914 A1
D3 DE 489 811.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das angegriffene Patent zu widerrufen,
anderenfalls die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Einspruch unzulässig sei, jedenfalls aber die Gegenstände der erteilten Patentansprüche neu seien sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
Der geltende Anspruch 1 nach Hauptantrag (erteiltes Patent) lautet in gegliederter Fassung:
1.1 |
Strecke (1) zum Doublieren und Verstrecken von Faserbändern (3) mit einem Streckwerk (2) mit in Stanzen (20) gehaltenen Unterwalzen (210, 220, 230) und mit den Unterwalzen (210, 220, 230) zugeordneten Oberwalzen (211, 221, 231), mit Druckmitteln (5) zum Belasten der Oberwalzen (211, 221, 231), |
1.2 |
mit schwenkbar angeordneten Druckarmen (4) zum Zustellen der Druckmittel (5) zu den Oberwalzen (211, 221, 231), |
1.3 |
wobei pro Oberwalze (211, 221, 231) zwei Druckmittel (5) vorgesehen sind und |
1.4 |
wobei die Druckmittel (5) der einen Seite der Oberwalzen (211, 221, 231) von einem besagten Druckarm (4) und die Druckmittel (5) der anderen Seite der Oberwalzen (211, 221, 231) von einem anderen besagten Druckarm (4) aufgenommen sind, dadurch gekennzeichnet, dass |
1.5 |
die Schwenkachse (41) der Druckarme (4) in Laufrichtung des Faserbandes (3) gesehen derart nach dem Streckwerk (2) angeordnet ist, dass nach dem Wegschwenken der Druckarme (4) der gesamte Bereich des Streckwerkes (2) sowie der Bereich vor dem Streckwerk (2) frei zugänglich ist. |
Zu den dem Anspruch 1 nachgeordneten Unteransprüchen wird auf die Patentschrift und wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten auf die Akten verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig, aber unbegründet.
Die Patentabteilung des Patentamts hat den Einspruch zu Recht als unzulässig verworfen.
Der Einspruch ist unzulässig, weil er innerhalb der Einspruchsfrist nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise substantiiert und mit Gründen versehen worden ist.
Nach § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG müssen die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen innerhalb der Einspruchsfrist im Einzelnen angegeben werden. Die Begründung eines Einspruchs genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nach ausreichender Substantiierung nur dann, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrunds maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, dass der technische Zusammenhang zwischen dem Gegenstand des Patents und dem diesem entgegengehaltenen Stand der Technik ersichtlich ist, so dass Patentinhaber und das Patentamt (hier: das Patentgericht) daraus zweckdienliche und abschließende Folgerungen in Bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrunds ziehen können (vgl. BGH BlPMZ 1972, 173 - Sortiergerät; BlPMZ 1993, 439 - Tetraploide Kamille). Insbesondere genügt eine Einspruchsbegründung den gesetzlichen Anforderungen dann nicht, wenn sie sich nur mit Teilaspekten der patentierten Lehre befasst (vgl. BGH BlPMZ 1988, 250 – Epoxidation). Werden die Textstellen der Vorveröffentlichungen, aus denen sich die einzelnen Merkmale des Anspruchs ergeben sollen, nicht angegeben, so hat die Einsprechende nicht ausreichend dargetan, dass die Voraussetzungen eines der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe vorliegen (vgl. BGH BlPMZ 1988, 289 - Messdatenregistrierung).
Die Einsprechende macht in ihrem Einspruchsschriftsatz ersichtlich den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie gibt an, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei mangels Neuheit, zumindest mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Sie nennt die Veröffentlichungsnummer der Druckschrift D2 und führt aus, die Druckschrift D2 beschreibe eine Strecke mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Anspruchs 1. Aus dieser Druckschrift sei es bekannt, dass die Druckarme um eine zu den Unterwalzen parallele Schwenkachse verschwenkbar seien. Bei dieser Strecke sei ein großzügiges Freilegen des Streckwerkes durch Abschwenken der Druckarme verwirklicht.
Der Patentanspruch 1 des strittigen Patentes unterscheide sich von dem, was in D2 beschrieben sei dadurch, dass die Schwenkachse der Druckarme nach dem Streckwerk angeordnet sei. Der oben aufgeführte Unterschied ergebe sich zwangsläufig aus der Aufgabe, dass der gesamte Bereich des Streckwerkes frei zugänglich sei. In der Strecke nach der D2 sei das großzügige Freilegen des Streckwerks schon berücksichtigt.
Im Weiteren befasst sich die Einsprechende mit dem genannten Unterschied, für welchen sie eine Anregung in der Druckschrift D3 sieht und kommt zu dem Ergebnis, der Fachmann gelange durch eine Zusammenschau der Druckschriften D2 und D3 zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents, ohne erfinderisch tätig zu werden.
Hinsichtlich ihrer Behauptung, wonach der Anspruchsgegenstand nicht mehr neu sei, fehlt jeglicher Vortrag; der Vortrag zur angeblich fehlenden erfinderischen Tätigkeit ist unzureichend.
Die den Oberbegriff bildenden Merkmale 1.1 bis 1.4 hat die Einsprechende lediglich pauschal abgehandelt und sich weder mit den einzelnen Merkmalen auseinandergesetzt, noch Textstellen genannt, die sich auf die einzelnen Merkmale beziehen. Insoweit erfüllt das Vorbringen der Einsprechenden nicht die Voraussetzung dafür, dass es ohne weitere eigene Ermittlungen nachprüfbar sein muss, denn es bleibt letztlich dem Patentamt und dem Patentinhaber überlassen, sich den technischen Zusammenhang zwischen der genannten Entgegenhaltung und dem Gegenstand des angegriffenen Patents selbst zu erschließen (vgl. z. B. BPatGE 35, 263 ff. = BPatGE 36, 53, 55 ff.; BPatGE 49, 202, 205 f. - Türantrieb). Eine Ausnahme gilt nur bei ganz einfachen technischen Sachverhalten, die den technischen Zusammenhang zwischen der genannten Entgegenhaltung und dem Gegenstand des Streitpatents sofort auf den ersten Blick erkennen lassen (vgl. BPatGE a. a. O. – Türantrieb). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, da die oberbegrifflichen Merkmale des Streitpatents die Konstruktion der Strecke sehr ausführlich und detailliert beschreiben. Auch sind die Merkmale 1.1 bis 1.4 der Entgegenhaltung nicht ohne Weiteres entnehmbar, beispielsweise aus der Zeichnung oder aus einer kurzen Textpassage. Auf den ersten Blick offenbart die Druckschrift D2 allenfalls die Merkmale 1.1 und 1.2 gemäß Anspruch 1 des angegriffenen Patents.
Ebenso ist das Merkmal 1.5, das die Einsprechende der Entgegenhaltung zu entnehmen glaubt, nicht vollständig abgehandelt. Dieses Merkmal kennzeichnet das Streckwerk nämlich nicht nur dadurch, dass die Schwenkachse der Druckarme in Laufrichtung des Faserbandes gesehen nach dem Streckwerk angeordnet ist, sondern dadurch, dass die Schwenkachse der Druckarme in Laufrichtung des Faserbandes gesehen derart nach dem Streckwerk angeordnet ist, dass nach dem Wegschwenken der Druckarme der gesamte Bereich des Streckwerkes sowie der Bereich vor dem Streckwerk frei zugänglich ist.
Somit fehlt es an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden, hinreichend substantiierten Darstellung des Widerrufsgrundes. Eine Überprüfung, ob der von der Einsprechenden behauptete Widerrufsgrund vorliegt oder nicht, ist auf Grund der Angaben in dem Einspruchsschriftsatz nicht möglich, sondern bedarf weitergehender Ermittlungen.
Auch die von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen enthalten keine anderen Beurteilungsgrundsätze. Die Entscheidung des 17. Senats (17 W (pat) 303/05) bezieht sich ausdrücklich auf eine Ausnahme, bei der der technische Zusammenhang zwischen der genannten Entgegenhaltung und dem Gegenstand des Streitpatents sofort zu erkennen waren, nämlich bereits auf der Titelseite der Druckschrift. Bei der Entscheidung des 6. Senats (6 W (pat) 313/09) wurde bereits in der Patentschrift ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Entgegenhaltung zur Abgrenzung herangezogen wurde, wie auch in der Entscheidung des 34. Senats (34 W (pat) 308/04). Bei der weiterhin genannten Entscheidung 6 W (pat) 334/07 geht der 6. Senat davon aus, dass auf jedes Merkmal der Lehre nach dem erteilten Patentanspruch 1 eingegangen wurde und auch Bezug auf Belegstellen genommen wurde. Letztlich geht auch der 7. Senat (7 W (pat) 17/11) davon aus, dass das Erfordernis, die Tatsachen „im Einzelnen“ anzugeben, nicht nur vom geltend gemachten Widerrufsgrund, sondern vor allem von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt. Folglich ist auch aus der sonstigen Rechtsprechung nicht abzuleiten, zur Substantiierung des Einspruchs reiche es aus, pauschal anzugeben, eine Druckschrift beschreibe die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 gemäß dem Streitpatent.
III.
Eine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegt nicht vor. Insbesondere war weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Die Beurteilungsgrundsätze hinsichtlich der Art und Weise sowie des Umfangs der notwendigen Substantiierung des patentrechtlichen Einspruchs sind in der bekannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes längst geklärt. In der Rechtsprechung der Technischen Beschwerdesenate des Patentgerichts lässt sich – entgegen der Ansicht der Einsprechenden - eine prinzipiell unterschiedliche Handhabung der Anforderungen an eine hinreichende Substantiierung des Einspruchs nicht feststellen.