Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 25.03.2013


BPatG 25.03.2013 - 10 W (pat) 34/12

Patentbeschwerdeverfahren – „Verfahren zur Wärmebehandlung des Radkranzes von Schienenfahrzeugrädern“ - zur Zulässigkeit der Beschwerde bei geltend gemachten Unrichtigkeiten des Erteilungsbeschlusses – keine eindeutige Bezeichnung der zugrunde gelegten Unterlagen


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
25.03.2013
Aktenzeichen:
10 W (pat) 34/12
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2010 033 473.1-24

wegen Erteilungsbeschluss

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 25. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse C 21 D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. September 2011 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Die Rechtsvorgängerin der Patentinhaber reichte am 5. August 2010 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Verfahren zur Wärmebehandlung des Radkranzes von Schienenfahrzeugrädern“ ein. Am 14. Januar 2011 wurde die Patentanmeldung auf die jetzigen Patentinhaber umgeschrieben.

2

Auf den Prüfungsbescheid der Prüfungsstelle für Klasse C 21 D vom 22. März 2011, in dem das DPMA die nicht eindeutige Fassung des Patentanspruchs 1, die nicht einheitliche Verwendung von Bezugszeichen in den Anmeldeunterlagen sowie Unklarheiten in einem Teil der Zeichnungen beanstandete, reichten die Patentinhaber mit Schreiben vom 4. Juli 2011, beim DPMA eingegangen am 5. Juli 2011, neben teilweise neuen Zeichnungen eine überarbeitete Fassung folgender Seiten der Anmeldeunterlagen ein: Seiten 4 bis 6 und 9 (Beschreibung), Seite 10 (Patentanspruch 1) sowie Seiten 11 und 12 (Zusammenfassung). Das DPMA beanstandete mit einem weiteren Bescheid vom 18. Juli 2011 die Formulierung des Patentanspruchs 1 erneut, worauf die Patentinhaber mit am 5. August 2011 beim DPMA eingegangenem Schreiben eine entsprechend den Vorschlägen der Prüfungsstelle überarbeitete Fassung des Patentanspruchs 1 (Seite 10 der Anmeldeunterlagen) sowie eine entsprechend angepasste Zusammenfassung (Seite 12 der Anmeldeunterlagen) übermittelten.

3

Mit Beschluss vom 28. September 2011 erteilte die Prüfungsstelle für Klasse C 21 D des DPMA das Patent. In der dem Erteilungsbeschluss als Beschlussbestandteil beigefügten Anlage „Publikationsunterlagen für die Patentschrift“ ist im Abschnitt „Beschreibung“ in der Spalte „Dokumententitel“ in den Zeilen 1 und 3 die Bezeichnung „Beschreibung“ vermerkt, während in den Zeilen 2 und 4 die Bezeichnung „Ansprüche“ verwendet wurde. In einer weiteren Anlage zum Erteilungsbeschluss, die mit „Redaktionelle Änderungen in den Publikationsunterlagen“ bezeichnet ist, ist lediglich eine der beiden Seiten der Zusammenfassung (= Seite 11 der Unterlagen) und dies auch ohne ersichtliche redaktionelle Änderungen wiedergegeben.

4

Der Verfahrensbevollmächtigte der Patentinhaber machte in einem Telefonat mit der Prüfungsstelle am 24. Oktober 2011 geltend, dass der Erteilungsbeschluss hinsichtlich der Publikationsunterlagen Unstimmigkeiten aufweise, die die Patentinhaber nicht bereit seien zu akzeptieren. Die Prüfungsstelle bemerkte hierzu, dass die Beschreibungsseiten bei der Eingangsbearbeitung zwar irrtümlich als „Ansprüche“ erfasst worden seien, dass die Publikationsunterlagen aber insgesamt dem Erteilungsantrag der Patentinhaber entsprächen.

5

Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Patentinhaber gegen den Erteilungsbeschluss. Sie sind der Auffassung, dass in der als „Publikationsunterlagen für die Patentschrift“ bezeichneten Anlage zum Erteilungsbeschluss in dem Abschnitt „Beschreibung“ für die am 5. Juli 2011 eingegangenen überarbeiteten Seiten der Beschreibung 4 bis 6 und 9 in der Spalte „Dokumententitel“ in den Zeilen 2 und 4 fälschlicherweise die Bezeichnung „Ansprüche“ anstelle der Bezeichnung „Beschreibung“ verwendet worden sei. Ferner machen die Patentinhaber geltend, dass die mit „Redaktionelle Änderungen in den Publikationsunterlagen“ bezeichneten Anlage zum Erteilungsbeschluss keine redaktionellen Änderungen erkennen lasse und überdies, da sie nur eine der beiden Seiten der Zusammenfassung enthalte, unvollständig sei. Die Patentinhaber haben mit der Beschwerde einen kompletten Satz der Anmeldeunterlagen eingereicht, die ihrer Auffassung nach dem Erteilungsbeschluss zugrundezulegen sind.

6

Die Patentinhaber beantragen,

7

1. den Erteilungsbeschluss der Prüfungsstelle für Klasse C 21 D vom 28. September 2011 aufzuheben und dem Erteilungsbeschluss die der Beschwerde beigefügten Unterlagen zugrundezulegen;

8

2. die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

10

Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als der Erteilungsbeschluss ohne Sachentscheidung aufzuheben und die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen ist (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG).

11

1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere haben die Patentinhaber unter Hinweis darauf, dass in der dem Erteilungsbeschluss als Bestandteil beigefügten Anlage „Publikationsunterlagen für die Patentschrift“ im Abschnitt „Beschreibung“ auch „Ansprüche“ aufgeführt“ sind, und dem Erteilungsbeschluss eine Anlage betreffend redaktionelle Änderungen beigefügt ist, aus der jedoch Änderungen nicht zu entnehmen sind, Unstimmigkeiten des Erteilungsbeschlusses dargelegt und damit auch schlüssig eine Beschwer geltend gemacht. Zwar spricht der Verfahrensablauf dafür, dass die Prüfungsstelle mit dem angefochtenen Beschluss ein Patent unter Zugrundelegung der von den Patentinhabern vorgelegten Unterlagen erteilen wollte. Wird den Anträgen eines Anmelders mit dem Erteilungsbeschluss in vollem Umfang entsprochen, fehlt es in der Regel an einer Beschwer (BPatG, Beschluss vom 15. Juli 1982 – 4 W (pat) 39/82, BPatGE 25, 7). Im Streitfall ist jedoch aufgrund des Vortrags der Patentinhaber nicht ausgeschlossen, dass der Erteilungsbeschluss nicht klar und eindeutig erkennen lässt, welche Unterlagen der Erteilung und der Publikation des Patents zugrunde gelegt worden sind, und daher inhaltliche Mängel aufweist. Diese Darlegung reicht im Hinblick darauf, dass der Inhalt eines Patents ausschließlich durch den Erteilungsbeschluss bestimmt wird (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 49 Rn. 44; Busse/Brandt, PatG, 7. Aufl., § 49 Rn. 18; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 49 Rn. 3) für die Bejahung der Zulässigkeit der Beschwerde aus. Ob der Erteilungsbeschluss tatsächlich Unrichtigkeiten aufweist, die seine Aufhebung gebieten, ist dagegen eine Frage der Begründetheit der Beschwerde und daher erst dort zu prüfen (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 50).

12

2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.

13

Der Inhalt eines Patents wird ausschließlich durch den Erteilungsbeschluss bestimmt. Bei Divergenzen zwischen der Patentschrift und dem Erteilungsbeschluss geht der Erteilungsbeschluss vor (Schulte, a. a. O., § 49 Rn. 44; Busse/Brandt, PatG, 7. Aufl., § 49 Rn. 18; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 49 Rn. 3). Daher müssen die Unterlagen, die der Erteilung zugrunde liegen, in dem Erteilungsbeschluss genau bezeichnet werden (vgl. BPatG, Beschluss vom 20. August 1975 – 4 W (pat) 3/75, BPatGE 18, 27, 29 f. zum Bekanntmachungsbeschluss gemäß § 30 PatG a.F., der hinsichtlich der Wirkung mit dem Erteilungsbeschluss nach § 49 Abs. 1 PatG vergleichbar ist).

14

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Erteilungsbeschluss nicht durchgängig gerecht.

15

a) Zwar rechtfertigt allein der Umstand, dass – wie die Patentinhaber geltend machen - in der Anlage „Redaktionelle Änderungen in den Publikationsunterlagen“ nur eine der beiden Seiten der Zusammenfassung (= Seite 11 der Unterlagen) und dies auch, ohne redaktionelle Änderungen erkennen zu lassen, wiedergegeben ist, nicht die Aufhebung des Erteilungsbeschlusses.

16

Im Regelfall wird die Anlage „Redaktionelle Änderungen in den Publikationsunterlagen“ nur erstellt, wenn die Prüfungsstelle an den vom Anmelder zuletzt eingereichten Anmeldeunterlagen noch redaktionelle Änderungen vornimmt. Ist dies der Fall, werden in dieser Anlage nicht alle Seiten der eingereichten Unterlagen wiedergegeben, sondern nur diejenigen, an denen die Prüfungsstelle tatsächlich noch redaktionelle Änderungen vorgenommen hat.

17

Im Streitfall sind die der Erteilung und der Publikation zugrunde gelegten Seiten der Zusammenfassung in der Anlage „Publikationsunterlagen für die Patentschrift“ in der von den Patentinhabern am 5. Juli 2011 (Seite 11 der Unterlagen) und am 5. August 2011 (Seite 12 der Unterlagen) eingereichten Fassung nach Art und Eingangsdatum zutreffend verzeichnet. Nachdem die Spalte „Änderungen“ hierzu keine Anmerkung enthält, sind diese Unterlagen auch ohne weitere redaktionelle Änderungen seitens der Prüfungsstelle und damit entsprechend dem insoweit zuletzt gestellten Antrag der Patentinhaber zugrunde gelegt worden. Auch in Bezug auf die weiteren von den Patentinhabern zuletzt eingereichten Anmeldeunterlagen sind nach der Anlage „Publikationsunterlagen für die Patentschrift“ keine seitens der Prüfungsstelle noch vorgenommenen Änderungen vermerkt. Vor diesem Hintergrund hätte der Erteilungsbeschluss sogar ganz ohne die – vom neu eingeführten System der elektronischen Aktenverwaltung des DPMA offenbar automatisch generierte Anlage „Redaktionelle Änderungen in den Publikationsunterlagen“, der folgerichtig keine Änderungen zu entnehmen sind, ergehen können. Da die Anlage jedoch keine unzutreffenden Angaben enthält, macht sie den Erteilungsbeschluss nicht fehlerhaft und kann daher auch nicht zu dessen Aufhebung führen.

18

b) Der angefochtene Erteilungsbeschluss wird indessen den Anforderungen an eine eindeutige Bezeichnung der zugrunde gelegten Unterlagen insoweit nicht gerecht, als in der Anlage, in der die Publikationsunterlagen für die Patentschrift aufgelistet sind und die Bestandteil des Beschlusses ist, im Abschnitt „Beschreibung“ in den Zeilen 2 und 4 mit „Ansprüche“ bezeichnete Dokumente aufgeführt sind. Auch wenn die dort angegebenen Seitenzahlen und die Überschrift des Abschnitts darauf hindeuten mögen, dass es sich hierbei nicht um Ansprüche, sondern um Teile der Beschreibung handelt, ist die Bezeichnung der Dokumente als „Ansprüche“ doch geeignet, Zweifel an den der Erteilung und der Publikation zugrunde gelegten Unterlagen aufkommen zu lassen. Denn die Patentinhaber haben unter dem dort genannten Eingangsdatum 5. Juli 2011 nicht nur die überarbeiteten Seiten 4 bis 6 und 9 der Beschreibung, sondern gleichzeitig auch eine überarbeitete Fassung des Patentanspruchs eingereicht. Diese Fassung darf jedoch der Erteilung des Patents nicht mehr zugrunde gelegt werden, nachdem die Patentinhaber für den Patentanspruch im weiteren Verlauf des Verfahrens am 5. August 2011 abermals eine neue Fassung eingereicht haben. Zwar ist diese, für die Erteilung maßgebliche Fassung in der die Publikationsunterlagen auflistenden Anlage im Abschnitt „Patentansprüche“ nach Art und Eingangsdatum zutreffend verzeichnet. Die Angaben zu den mit „Ansprüche“ bezeichneten Dokumenten im Abschnitt „Beschreibung“ stehen jedoch im Widerspruch hierzu. Im Hinblick darauf, dass der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt wird (§ 14 Satz 1 PatG), ist insoweit erforderlich, dass aus dem Erteilungsbeschluss klar und eindeutig hervorgeht, welche Anspruchsfassung der Erteilung zugrunde gelegt worden ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

19

Nachdem der angefochtene Erteilungsbeschluss insoweit inhaltliche Unklarheiten aufweist, ist er aufzuheben, ohne dass der Senat in der Sache selbst entscheidet, § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Die Prüfungsstelle wird nunmehr einen neuen Erteilungsbeschluss zu erlassen haben, in dem die der Publikation zugrunde gelegten Unterlagen in eindeutiger Weise zu bezeichnen sind.

III.

20

Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 80 Abs. 3 PatG. Danach ist die Rückzahlung anzuordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht.

21

So liegt der Fall hier. Die Erhebung der Beschwerde und die Entrichtung der Beschwerdegebühr hätten bei angemessener, verfahrensökonomischer Sachbehandlung vermieden werden können (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 124 ff.). Auf die telefonische Beanstandung der im Erteilungsbeschluss verzeichneten Publikationsunterlagen seitens der Patentinhaber hat das DPMA ausgeführt, dass die Publikationsunterlagen dem Erteilungsantrag der Patentinhaber entsprächen und dass die am 5. Juli 2011 eingereichten Beschreibungsseiten bei der elektronischen Erfassung lediglich irrtümlich als Ansprüche erfasst worden seien. In diesem Fall hätte daher die Möglichkeit bestanden, die Unstimmigkeiten im Erteilungsbeschluss in verfahrensökonomischer Weise im Wege einer Berichtigung analog § 95 Abs. 1 PatG zu korrigieren. Die Erhebung einer gebührenpflichtigen Beschwerde hätte sich dadurch erübrigt.