Entscheidungsdatum: 16.09.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 11 2009 003 809.3-53
wegen Einleitung der nationalen Phase
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 16. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und die Richterin Dr. Kober-Dehm
beschlossen:
1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
I.
Die Anmelderin reichte am 25. Dezember 2009 unter Inanspruchnahme der Priorität einer japanischen Anmeldung vom 26. Dezember 2008 die internationale Anmeldung PCT/JP2009/007220 ein und gab dabei u. a. Deutschland als Bestimmungsstaat an. Die internationale Anmeldung umfasste zwölf Patentansprüche.
Am 27. Juni 2011 reichte die Anmelderin beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Unterlagen für die Einleitung der nationalen Phase der PCT-Anmeldung für die Erteilung eines Patents mit der Bezeichnung „Gewichtsmessvorrichtung“ mit einem gegenüber der ursprünglichen internationalen Anmeldung geänderten Anspruchssatz mit zehn Ansprüchen ein. Am selben Tag entrichtete sie unter Angabe des Gebührencodes 311 100 mittels Einzugsermächtigung die Gebühr für eine zehn Ansprüche umfassende Anmeldung in Höhe von 60,-- €.
Nach Übersendung der Empfangsbescheinigung vom 11. Juli 2011 teilte das DPMA der Anmelderin mit Bescheid vom 16. September 2011 mit, dass die nationale Phase eingeleitet worden sei und die nationale Anmeldung unter dem Aktenzeichen 11 2009 003 809.3 geführt werde.
Mit Bescheid vom 30. April 2012 wies das DPMA die Anmelderin darauf hin, dass das Verfahren vor dem DPMA beendet sei, da sie die Anmeldegebühr innerhalb der hierfür maßgeblichen Frist des Art. 22 Abs. 1 /39 Abs. 1 PCT nicht vollständig gezahlt habe. Ferner kündigte das DPMA die Rückerstattung der bisher gezahlten Gebühr an und wies auf die Möglichkeit der Wiedereinsetzung hin. Dieser Bescheid ist – wie die Mitteilung vom 16. September 2011 über die Einleitung der nationalen Phase - mit der Angabe „Prüfungsstelle 53“ gezeichnet. Darunter ist das Dienstsiegel angebracht, gefolgt von dem Hinweis: „Dieses Dokument wurde elektronisch erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.“
Hiergegen hat die Anmelderin am 25. Mai 2012 – bei gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr und der Anmeldegebühr in der vom DPMA für erforderlich gehaltenen Höhe von 120,- € - Beschwerde eingelegt und beantragt,
festzustellen, dass die nationale Phase vor dem DPMA wirksam eingeleitet wurde,
ihr hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Frist zur Zahlung der Gebühr nach Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG zu gewähren und
die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.
Die Anmelderin ist der Auffassung, dass es sich bei dem Amtsbescheid vom 30. April 2012 um einen beschwerdefähigen Beschluss handele. Hierfür genüge der äußere Anschein eines dem DPMA zurechenbaren Aktes, durch den eine abschließende Regelung getroffen werden solle. Es komme auch nicht darauf an, ob ein Bescheid bei Fehlen oder Fehlerhaftigkeit einer elektronischen Signatur einen gültigen Beschluss darstelle. Da der Bescheid laut ausdrücklicher Angabe ohne Unterschrift gültig sei, könne es hinsichtlich der Beschwerdefähigkeit nicht auf den Zusatz „elektronisch signiert“ ankommen.
Der Amtsbescheid sei sachlich unrichtig, weil sich die Gebühr nach der Anzahl der Ansprüche zum Zeitpunkt der Einleitung der nationalen Phase richte. Werde die zu entrichtende Anmeldegebühr nach der Zahl der ursprünglichen PCT-Anmeldung bemessen, werde das mit der Änderung des Patentkostengesetzes durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts angestrebte Ziel, mit der Einführung einer von der Zahl der Ansprüche abhängigen Anmeldegebühr für den Patentanmelder einen Anreiz für eine Begrenzung der Patentansprüche zu schaffen, im Fall einer internationalen Patentanmeldung nicht erreicht. Gerade im Fall internationaler Patentanmeldungen, die insbesondere aufgrund verschiedener Anforderungen in den einzelnen PCT-Mitgliedstaaten häufig mit einer sehr großen Zahl von Ansprüchen eingereicht würden, werde die durch den Gesetzgeber angestrebte Wirkung nur dann erreicht, wenn der Berechnung der Anmeldegebühr bei Eintritt in die nationale Phase vor dem DPMA die Zahl der Ansprüche zugrunde gelegt werde, mit denen der Anmelder tatsächlich in die nationale Phase eintrete. Diese Zahl der Ansprüche definiere auch den Arbeitsaufwand und die Arbeitsbelastung beim DPMA. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass beim EPA für die Anmeldegebühren nicht die Zahl der Patentansprüche der ursprünglichen internationalen Patentanmeldung maßgeblich sei, sondern die Zahl der Ansprüche zum Zeitpunkt der Einleitung der regionalen Phase vor dem EPA.
Die von der Prüfungsstelle des DPMA vertretene Rechtsauffassung widerspreche auch dem Wortlaut des Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG. Die Gebühr sei erst mit Einleitung der nationalen Phase und nicht bereits bei Einreichung der internationalen Patentanmeldung zu zahlen. Daher könne sich die Gebühr für das Anmeldeverfahren nur auf diejenigen Ansprüche beziehen, die tatsächlich Gegenstand des Verfahrens vor dem DPMA würden. Dies folge auch aus dem Patentkostengesetz, das ebenfalls von einer Gebühr für das Anmeldeverfahren spreche.
Schließlich widerspräche das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des DPMA dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. 3 TRIPS, wenn man die nationale Gebühr entsprechend der Auffassung des DPMA nach der Zahl der Ansprüche der ursprünglichen Anmeldung berechnete. Anmelder, die zur Einreichung internationaler Anmeldungen beim DPMA berechtigt seien, müssten bei Nutzung des DPMA als Anmeldeamt wegen Art. III § 4 Abs. 2 Satz 2 IntPatÜG für Anmeldungen mit mehr als zehn Patentansprüchen weder bei Einreichung der internationalen Patentanmeldung noch bei Eintritt in die nationale Phase vor dem DPMA eine erhöhte Anmeldegebühr entrichten. Dagegen würden Anmelder, die sich gemäß Regel 19.1 PCT nicht des DPMA als Anmeldeamt bedienen könnten, unzulässigerweise benachteiligt, da abhängig von der Zahl der Patentansprüche gegebenenfalls eine erheblich höhere Anspruchsgebühr entrichtet werden müsste, sofern sie nicht die Zahl bereits bei der internationalen Anmeldung auf 10 Ansprüche begrenzten. Eine solche Begrenzung sei den Anmeldern bei internationalen Anmeldungen jedoch angesichts der unterschiedlichen Rechtslage in den einzelnen PCT-Vertragsstaaten nicht zuzumuten.
Weil eine Übermittlungsgebühr nicht nur vom DPMA, sondern von fast allen Patentämtern weltweit (sofern diese als internationales Anmeldeamt fungieren) erhoben werde, und weil somit die Übermittlungsgebühr grundsätzlich von allen Anmeldern zu entrichten sei (d. h. von PCT-Inländern und PCT- Ausländern), sei es unzulässig, die Übermittlungsgebühr mit einer Anmeldegebühr zu vergleichen. Vielmehr begünstige Art. III § 4 Abs. 2 Satz 2 IntPatÜG die PCT-Inländer unabhängig von der Anspruchszahl. Da die internationale Anmeldung im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Einreichung beim japanischen Patentamt zwölf Ansprüche umfasst habe, liege in jedem Fall – verglichen mit einer beim DPMA eingereichten internationalen Anmeldung – eine Benachteiligung i. S. v. Art. 3 Abs. 1 TRIPS vor. Diese Benachteiligung könne auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 TRIPS gerechtfertigt werden, weil die zusätzliche Anmeldegebühr, die von PCT-Ausländern bei Eintritt in die nationale Phase in Deutschland verlangt werde, nicht notwendig sei, um die Einhaltung von Gesetzen und sonstigen Vorschriften sicherzustellen. Eine Diskriminierung von PCT-Ausländern gegenüber PCT-Inländern ergebe sich auch daraus, dass letztere ohne Gebührennachteil beim DPMA eine hohe Zahl von Ansprüchen einreichen und ihre Anmeldung dann optimal auf die verschiedenen Rechtsordnungen in anderen PCT-Vertragsstaaten zuschneiden könnten, während umgekehrt PCT-Ausländer entweder hohe Anmeldegebühren in Kauf nehmen oder ihre Anmeldung von vornherein auf das DPMA zuschneiden müssten.
Sollte die Rechtsauffassung des DPMA dennoch zutreffend sein, könne diese aus Gründen des Vertrauensschutzes zumindest nicht auf die Fälle Anwendung finden, bei denen die Einleitung der nationalen Phase vor dem 27. April 2012 und damit an dem Tag beantragt worden sei, an dem das DPMA seine Rechtsauffassung auf seiner Homepage erstmals veröffentlicht habe. Zudem sei die Anwendung des § 13 Abs. 3 PatKostG in Betracht zu ziehen.
Die hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung begründet die Anmelderin unter Hinweis darauf, dass die versäumte Handlung innerhalb der Zweimonatsfrist nach § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG und vor Ablauf der Jahresausschlussfrist nach § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG nachgeholt worden sei. Die der Wiedereinsetzung zu Grunde liegenden Tatsachen seien zum Zeitpunkt der Nachholung der versäumten Handlung sowohl öffentlich als auch beim DPMA bekannt gewesen, was etwa aus einer Mitteilung des Bayerischen Patentanwaltsvereins vom 7. Mai 2012 ersichtlich sei. Zudem sei in der Einlegung der vorliegenden Beschwerde implizit auch ein Wiedereinsetzungsantrag zu sehen. Vorsorglich stellt die Anmelderin mit Eingabe vom 5. September 2013 einen ausdrücklichen Antrag auf Wiedereinsetzung und verweist darauf, dass sie erst anlässlich einer vom Senat am 25. Juli 2013 in einem Parallelverfahren durchgeführten mündlichen Verhandlung zur Kenntnis genommen habe, dass der Senat – was nicht zu erwarten gewesen sei – der Auffassung des DPMA folgen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde gegen die Mitteilung der Prüfungsstelle 53 des DPMA vom 30. April 2012 ist nicht statthaft und daher unzulässig. Denn es liegt kein mit der Beschwerde anfechtbarer Beschluss vor.
1. Gemäß § 73 Abs. 1 PatG findet die Beschwerde an das Patentgericht gegen die Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteilungen des Patentamts statt. Ob ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist nicht nach der äußeren Form oder Bezeichnung der Entscheidung zu beurteilen, sondern nach ihrem materiellen Gehalt. Ein Beschluss im Sinne dieser Vorschrift ist danach eine Entscheidung, durch die eine abschließende Regelung erfolgt, die die Rechte eines Beteiligten berühren kann (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 73 Rn. 23). Allerdings muss das betreffende Schreiben in formeller Hinsicht den in § 47 Abs. 1 PatG genannten Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Beschluss zumindest insoweit entsprechen, dass es den Entscheidungsträger erkennen lässt. Bei der Aktenführung in Papierform wird insoweit verlangt, dass das betreffende Schriftstück die Unterschrift des Prüfers trägt, der die Entscheidung getroffen hat, weil anderenfalls nicht auszuschließen ist, dass es sich lediglich um einen unverbindlichen Entwurf oder um eine rein formularmäßige Mitteilung handelt (BPatG, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 10 W (pat) 19/02, BPatGE 47, 10, 11 – Formularmäßige Mitteilung; Beschluss vom 14. August 2008 – 11 W (pat) 16/08, BlPMZ 2009, 130 - Unterschriftsmangel; Beschluss vom 10. August 2006 – 10 W (pat) 61/05, BlPMZ 2006, 415 – Paraphe; Schulte, a. a. O., § 47 Rn. 8). Ist – wie im Streitfall – die Mitteilung im Rahmen der elektronischen Aktenführung elektronisch erstellt worden, ist dementsprechend anstelle der eigenhändigen Unterschrift des Entscheidungsträgers eine elektronische Signatur nach § 5 Abs. 2 EAPatV erforderlich, damit einem Dokument die Qualität eines Beschlusses zuerkannt werden kann.
Die Mitteilung vom 30. April 2012 erfüllt diese Voraussetzung nicht. Sie nennt lediglich die zuständige Organisationseinheit und erwähnt nicht einmal in Maschinenschrift den Namen eines Bearbeiters, der für die Mitteilung verantwortlich zeichnen soll.
Auch von ihrem Inhalt her geht die Mitteilung vom 30. April 2012 nicht über einen bloßen formularmäßigen Hinweis hinaus. Zwar wird der Anmelderin darin mitgeteilt, dass ihr Verfahren vor dem DPMA beendet sei. Dies geschieht allerdings unter Verwendung eines standardisierten Textes, in dem unter Bezugnahme auf die einschlägigen Bestimmungen des PCT darauf hingewiesen wird, dass die Wirkung der internationalen Anmeldung beendet sei, da die Anmelderin innerhalb der hierfür maßgeblichen Frist die Anmeldegebühr nicht vollständig entrichtet habe. Damit erfasst die Mitteilung zwar den dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem die Anmelderin innerhalb der Frist zwar eine Gebühr, jedoch – jedenfalls nach Auffassung des DPMA - nicht in ausreichender Höhe bezahlt hat. Allerdings fehlen nähere Ausführungen zum konkreten Fall gänzlich. Insbesondere setzt sich die Mitteilung nicht mit der die Besonderheit des Streitfalls ausmachenden und zwischen der Anmelderin und dem DPMA strittigen Frage nach der Bemessungsgrundlage für die nationale Gebühr einer internationalen Anmeldung gemäß Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG auseinander. Damit weist die Mitteilung vom 30. April 2012 nicht den Charakter einer Entscheidung in der Sache auf und entspricht damit auch nicht den Anforderungen, die in materieller Hinsicht für eine Einordnung einer amtlichen Mitteilung als beschwerdefähigen Beschluss gelten.
2. Da die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen ist, weil kein mit der Beschwerde anfechtbarer Beschluss ergangen ist, kann nicht geprüft werden, ob die Beschwerde unter Zugrundelegung des Hauptantrags der Anmelderin begründet ist. Wenn die Anmelderin an einer gerichtlichen Entscheidung über die Frage, wonach sich die nationale Gebühr gemäß Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG bemisst, interessiert ist, wird sie zunächst das DPMA zum Erlass eines beschwerdefähigen Beschlusses veranlassen müssen. Insoweit weist der Senat jedoch darauf hin, dass er mit Beschluss vom 25. Juli 2013 - 10 W (pat) 2/13, dem ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, entschieden hat, dass sich die Höhe der nationalen Gebühr, die der Anmelder eines Patents nach Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG i. V. m. den Vorschriften des Patentkostengesetzes zu zahlen hat, nach der Anzahl der Patentansprüche in der ursprünglich eingereichten Fassung der internationalen Anmeldung richtet.
3. Dem auf Feststellung der wirksamen Einleitung der nationalen Phase gerichteten Hauptantrag der Anmelderin wird dennoch stattzugeben sein. Da die Anmelderin am 25. Mai 2012 für die Anmeldegebühr einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 120,- € nachentrichtet hat, ist nämlich vorliegend – worauf die Anmelderin zutreffend hingewiesen hat – die Anwendung des § 13 Abs. 3 PatKostG in Betracht zu ziehen. Die anspruchsabhängige Anmeldegebühr ist durch das am 1. Oktober 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (BGBl. 2009 I, S. 2521) eingeführt worden. Da die Anmeldegebühr im vorliegenden Fall mit Einreichung der internationalen Anmeldung am 25. Dezember 2009 und somit innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten des geänderten Gebührensatzes fällig geworden ist, hat für die Anmelderin nach § 13 Abs. 3 PatKostG die Möglichkeit bestanden, den Unterschiedsbetrag bis zum Ablauf einer vom DPMA zu setzenden Frist nachzuzahlen mit der Folge, dass die Gebühr als rechtzeitig gezahlt anzusehen ist. Dasselbe muss gelten, wenn der Unterschiedsbetrag – wie im vorliegenden Fall – ohne Fristsetzung durch das Amt nachentrichtet wird.
4. Somit dürfte es nicht auf den hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Gebühr nach Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG ankommen. Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 123 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 PatG eine Wiedereinsetzung auch ohne ausdrücklich gestellten Antrag in Betracht kommt, wenn die versäumte Handlung innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt worden ist und innerhalb dieser Frist beim Patentamt die den Antrag rechtfertigenden Umstände bekannt geworden sind. Diese Voraussetzungen dürften vorliegend erfüllt sein.
a) Die Wiedereinsetzung wäre statthaft, falls die Anmelderin eine Frist versäumt und dadurch – entgegen den Ausführungen oben 3. - nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil erlitten hätte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 PatG). Wegen der nicht rechtzeitigen Zahlung der vollständigen Gebühr hätte die internationale Anmeldung dann gemäß Art. 24 Abs. 1 Buchst. iii PCT die Wirkung als nationale Anmeldung beim DPMA verloren.
b) Die zweimonatige Frist des § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG wäre eingehalten. Diese Frist beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, d. h. in dem Zeitpunkt, in dem der Säumige bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht mehr gehindert ist, die versäumte Handlung vorzunehmen oder wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 27). Die Anmelderin hat von der unzureichenden Gebührenzahlung durch den Bescheid vom 30. April 2012 Kenntnis erlangt, so dass die versäumte Handlung durch die am 25. Mai 2012 bewirkte Zahlung der Anmeldegebühr in Höhe von 120,-€ rechtzeitig nachgeholt worden ist.
c) Beim DPMA sind vor Ablauf der genannten Zweimonatsfrist auch Tatsachen bekannt gewesen, die die Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten. Danach wäre anzunehmen, dass die Anmelderin die Frist zur Zahlung der nationalen Gebühr ohne Verschulden versäumt hat.
Eine falsche Gesetzesauslegung ist zwar grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund. Jeder Verfahrensbeteiligte ist grundsätzlich verpflichtet, sich die Kenntnis über das geltende Recht zu verschaffen, das für das ihn betreffende Verfahren gilt. Insbesondere ein Anwalt muss das jeweils geltende Recht vollinhaltlich kennen (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 136).
Nach der Rechtsprechung kann jedoch ausnahmsweise Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Rechtsirrtum auch bei zumutbarer Sorgfalt nicht zu vermeiden war (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 137). Dies kann dann anzunehmen sein, wenn durch eine Rechtsänderung die Rechtslage unübersichtlich geworden ist, so dass eine irrtümliche Auslegung entschuldbar erscheint (vgl. BPatG, Beschl. v. 4. Oktober 1990 – 18 W (pat) 40/90, BPatGE 31, 266, 269).
So liegt der Fall hier. Durch Art. 4 des Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (BGBl. 2009 I, S. 2521) wurde die Bemessung der Höhe der Anspruchsgebühr nach der Zahl der Ansprüche eingeführt. Dabei wurde durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes das Gebührenverzeichnis in der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG dahingehend geändert, dass sich für eine Anmeldung mit elf und mehr Ansprüchen die Anmeldegebühr bei einer elektronischen Anmeldung um 20 Euro und bei einer Anmeldung in Papierform um jeweils 30 Euro pro Anspruch erhöht. Die Überschrift zu den insoweit einschlägigen Gebührennummern 311 000, 311 050 und 311 100 lautet: „Anmeldeverfahren (§ 34 PatG, Artikel III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜbkG)“. Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG wurde durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts dagegen nicht geändert. Aus der Auflistung im Gebührenverzeichnis lässt sich nicht ohne weiteres entnehmen, dass sich die Gebühr im Falle einer internationalen Anmeldung, deren Überleitung in die nationale Phase ansteht, nach der Zahl der Ansprüche der internationalen Anmeldung richtet. Die gleichrangige Nennung von § 34 PatG und Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG unter der Überschrift „Anmeldeverfahren“ im Gebührenverzeichnis lässt es auch denkbar erscheinen, dass für die Höhe der Gebühr nach Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG die Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt des Eintritts in die nationale Phase maßgeblich sein solle. Vor diesem Hintergrund ist es auch einem Anwalt nicht vorzuwerfen, wenn er die gesetzlichen Vorschriften in diesem Sinne interpretiert hat, dass die Zahlung einer Gebühr entsprechend der Zahl der bei Einleitung der nationalen Phase noch verfolgten Ansprüche den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dass die Rechtslage als unübersichtlich gelten kann, lässt sich auch daraus entnehmen, dass sich der Gesetzgeber veranlasst gesehen hat, durch eine abermalige Änderung des Gebührenverzeichnisses des § 2 Abs. 1 PatKostG und durch eine Änderung des Art. III § 4 IntPatÜG klarzustellen, dass sich die nationale Gebühr im Fall einer internationalen Anmeldung nach der Zahl der Ansprüche der internationalen Anmeldung richtet (vgl. Art. 4 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes, BT-Drucks. 17/10308).
5. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist nicht begründet.
Bei einer unzulässigen Beschwerde fehlt es nicht per se an einem Rechtsgrund, da auch eine unzulässige Beschwerde eine existente Beschwerde ist (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 122).
Zwar kann nach § 80 Abs. 3 PatG die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Davon ist nach ständiger Rechtsprechung dann auszugehen, wenn bei ordnungsgemäßer und angemessener Sachbehandlung ein Beschluss nicht ergangen wäre und damit die Beschwerde sowie die Einzahlung der Beschwerdegebühr hätten vermieden werden können (Schulte, a. a. O., § 80 Rn. 111 f., § 73 PatG Rn. 124). Das ist hier indessen nicht der Fall. Das DPMA hat der Anmelderin zwar am 16. September 2011 noch mitgeteilt, dass die nationale Phase eingeleitet worden sei, und die Anmelderin erst in der nunmehr angefochtenen Mitteilung vom 30. April 2012 darauf hingewiesen, dass das Verfahren mangels ausreichender Gebührenzahlung beendet sei. Eine verfahrensfehlerhafte Sachbehandlung durch das DPMA, die die Rückzahlung der Beschwerdegebühr geboten erscheinen ließe, kann darin jedoch nicht gesehen werden. Wie im Beschluss vom 25. Juli 2013 - 10 W (pat) 2/13 ausgeführt, ist die Mitteilung vom 16. September 2011 im Zusammenhang mit der Mitteilung des Aktenzeichens lediglich als formularmäßiger Hinweis darauf zu verstehen, dass nunmehr die Prüfung der Anmeldung durch das DPMA beginne; dies gilt auch dann, wenn die Mitteilung – wie im vorliegenden Fall von der Anmelderin behauptet – auf ausdrückliche Nachfrage versandt wird. Eine verbindliche und abschließende Entscheidung darüber, dass die Voraussetzungen für die Einleitung der nationalen Phase vorlägen und insbesondere der von der Anmelderin eingezahlte Betrag als vollständige Gebührenzahlung anzusehen sei, ist damit nicht verbunden. Diese Mitteilung konnte daher weder bei der Anmelderin einen Vertrauenstatbestand in dem Sinne begründen, dass sie von einer ordnungsgemäßen Einleitung der nationalen Phase und insbesondere einer ausreichenden Gebührenzahlung ausgehen durfte, noch hat sie das DPMA in der Weise gebunden, dass dieses seine Auffassung zur Bemessungsgrundlage der nationalen Gebühr im Laufe des Verfahrens nicht hätte noch ändern können. Dass die Prüfungsstelle des DPMA für die Mitteilung über die Verfahrensbeendigung nicht sogleich die Form eines beschwerdefähigen Beschlusses gewählt hat, ist nicht zu beanstanden, hätte sie sich doch anderenfalls dem Vorwurf ausgesetzt, die Anmelderin zur Einlegung einer Beschwerde zu zwingen, ohne ihr vorher Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben. Es wäre vielmehr an der Anmelderin gewesen, sich zunächst formlos gegen die Mitteilung vom 30. April 2012 zu wenden und so die Prüfungsstelle zum Erlass eines beschwerdefähigen Beschlusses zu veranlassen. Dazu hat vorliegend umso mehr Anlass bestanden, als die Anmelderin nach Erlass der Mitteilung den Unterschiedsbetrag nachentrichtet und dadurch die Rechtsfolge des § 13 Abs. 3 PatKostG herbeigeführt hat.
6. Da die Beschwerde wegen fehlender Statthaftigkeit als unzulässig zu verwerfen war, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 79 Abs. 2 Satz 2 PatG).