Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 20.12.2012


BPatG 20.12.2012 - 10 W (pat) 28/10

Patentbeschwerdeverfahren – „Haltemodul für Rollkugeln“ – zum Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Beantwortung des Prüfungsbescheids


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
20.12.2012
Aktenzeichen:
10 W (pat) 28/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 103 56 169.2

wegen Wiedereinsetzung

hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20. Dezember 2012 unter Mitwirkung der Richterin Püschel als Vorsitzende, des Richters Eisenrauch und der Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Anmelderin reichte am 2. Dezember 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Haltemodul für Rollkugeln" ein. Auf den ersten Prüfungsbescheid der Prüfungsstelle für Klasse F 16 C vom 9. Juli 2004, in dem der Anmelderin mitgeteilt wurde, dass eine Patenterteilung nicht in Aussicht gestellt werden könne, da der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, hat die Anmelderin neue Patentansprüche 1 bis 6 eingereicht, die gegen die bisherigen Ansprüche 1 bis 8 ausgetauscht werden sollten. In einem zweiten Prüfungsbescheid vom 11. Juli 2008 hat die Prüfungsstelle für Klasse F 16 C festgestellt, dass die Erteilung des angemeldeten Patents nunmehr grundsätzlich in Aussicht gestellt werden könne. Voraussetzung sei jedoch, dass die Anmelderin die Mängel in der Beschreibung des Patents innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang des Bescheids beseitige. Den Prüfungsbescheid hat das Patentamt der zu diesem Zeitpunkt im Patentregister als Inlandsvertreter der Anmelderin eingetragenen Kanzlei V… & Partner (im Folgenden: V…) übermittelt. Da hierauf kein Eingang zu verzeichnen war, hat die Prüfungsstelle mit Schreiben vom 21. Oktober 2008 zur Beseitigung der Mängel erneut eine Frist von einem weiteren Monat gewährt und für den Fall eines ergebnislosen Fristablaufs die Zurückweisung der Anmeldung angekündigt. Nachdem auch hierauf beim Patentamt keine Stellungnahme einging, hat die Prüfungsstelle die Patentanmeldung mit Beschluss vom 9. Januar 2009 aus den Gründen des Prüfungsbescheids vom 11. Juli 2008 zurückgewiesen. Das Patentamt hat den Beschluss der zu diesem Zeitpunkt immer noch als Inlandsvertreter der Anmelderin im Patentregister eingetragenen Kanzlei V… zugestellt, die den Empfang mit Empfangsbekenntnis vom 23. Januar 2009 bestätigt hat. Mit Schlussverfügung vom 19. März 2009 hat die Prüfungsstelle festgestellt, dass die Zurückweisung der Anmeldung rechtskräftig geworden ist.

2

Mit Schreiben vom 6. April 2009 zeigten die jetzigen Vertreter der Anmelderin an, dass sie nunmehr die Vertretung der streitgegenständlichen Anmeldung übernommen hätten. Auf entsprechende Aufforderung durch das Patentamt legte die Kanzlei V… am 19. Juni 2009 die Vertretung nieder.

3

Mit Schreiben vom 2. Juni 2009 reichte die Anmelderin beim Patentamt eine nach den Vorgaben des Prüfungsbescheids vom 11. Juli 2008 überarbeitete Beschreibung ein und stellte in einem gesonderten Schreiben vom selben Tag Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Beantwortung des zweiten Prüfungsbescheids.

4

Die Prüfungsstelle für Klasse F 16 C hat den Wiedereinsetzungsantrag durch Beschluss vom 30. Juni 2010 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die vom Patentamt nach § 45 Abs. 1 Satz 1 PatG zur Mängelbeseitigung gesetzte Frist keine Frist i. S. d. § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG sei, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge habe. Die Zurückweisung der Anmeldung beruhe nicht auf der Fristversäumung, sondern auf § 48 PatG. Eine Auslegung des Schreibens der Anmelderin vom 2. Juni 2009 als Antrag auf Weiterbehandlung scheide schon angesichts des eindeutigen Wortlauts des gestellten Antrags aus. Außerdem sei die Monatsfrist des § 123a Abs. 2 Satz 1 PatG nicht eingehalten. Eine Auslegung als Antrag auf die Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss komme nicht in Betracht, da die Einzahlung der Beschwerdegebühr nicht nachgeholt worden sei.

5

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie beantragt,

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den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 C vom 30. Juni 2010 aufzuheben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Beantwortung des zweiten Prüfungsbescheids vom 11. Juli 2008 stattzugeben.

7

Die Anmelderin macht geltend, dass gemäß § 48 PatG eine Zurückweisung der Anmeldung zwangsläufig erfolge, wenn die nach § 45 Abs. 1 PatG gerügten Mängel der Patentanmeldung nicht beseitigt würden. Dies sei ein im Gesetz festgelegter Rechtsnachteil, der an die Fristversäumnis zur Beantwortung des Prüfungsbescheids unmittelbar anknüpfe. § 48 PatG sei demnach eine gesetzliche Vorschrift, die einen Rechtsnachteil zur Folge habe. Durch die Zurückweisung der Anmeldung nach dieser Vorschrift werde der Anmelder gezwungen, Beschwerde einzulegen und die dafür anfallende Gebühr zu zahlen. Nach dem Beschluss des Bundespatentgerichts vom 28. März 1962 (4 W 29/62, BPatGE 1, 15, 20) sei anerkannt, dass auch der Anfall einer zusätzlichen Gebühr bei Fristversäumung einen Rechtsnachteil darstelle. Ferner dürfe nach dem Beschluss des Bundespatentgerichts vom 28. August 1989 (9 W (pat) 200/86, GRUR 1990, 113 = BPatGE 31, 29) prinzipiell kein Unterschied gemacht werden zwischen Fristen, die im Gesetz selbst bestimmt seien und solchen, die vom Patentamt oder Patentgericht festgesetzt würden. Danach dürfe ein unmittelbarer Eintritt eines Rechtsnachteils nicht verlangt werden. Entscheidend sei lediglich, ob die Fristversäumnis selbst der tragende Grund für die nachfolgende negative Entscheidung sei. Zwar sei in jenem Fall eine Wiedereinsetzung nicht für statthaft erachtet worden, weil die versäumte Handlung (Bestellung eines Inlandvertreters) ohne weiteres noch nach Fristablauf hätte nachgeholt werden können. Der Streitfall liege aber insoweit anders und der angefochtene Beschluss berücksichtige dessen Besonderheiten nicht hinreichend.

8

Die Anmelderin habe vor dem 3. April 2009 unverschuldet weder von dem Prüfungsbescheid noch von dem Zurückweisungsbeschluss Kenntnis gehabt. Sie habe der Kanzlei V… mit Schreiben vom 18. Januar 2008 mitgeteilt, dass sie u. a. die Akte der vorliegenden Anmeldung schließen solle ("please close your files …"), was diese mit Schreiben vom 9. Juli 2008 bestätigt habe. Die Anmelderin habe damit aber nicht das Schutzrecht fallen lassen wollen, was schon daraus deutlich werde, dass sie bereits vorher im November 2007 die Kanzlei H…, (im Folgenden: H…) mit der Zahlung der fünften Jahresgebühr und im darauffolgenden Jahr mit der Zahlung der sechsten Jahresgebühr beauftragt habe. Dennoch sei die Kanzlei V… weiterhin als Vertreterin im Patentregister eingetragen gewesen mit der Folge, dass sie gemäß § 25 Abs. 4 i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG nach Maßgabe des Patentgesetzes berechtigt und verpflichtet geblieben sei. Insbesondere habe sich für die Kanzlei V… aus der fortbestehenden Eintragung im Patentregister die Obliegenheit ergeben, bei ihr eingehende Korrespondenz zu dem Schutzrecht an die Anmelderin weiterzuleiten.

9

Im Übrigen sei die Anmelderin der Auffassung gewesen, dass sie mit der Kanzlei H… einen neuen Vertreter beauftragt habe, der verfahrensrelevante Schrift stücke an sie weiterleite. Als Unternehmen mit Sitz in T… habe die Anmelderin nicht wissen können, dass einerseits die Kanzlei H… eine Vertretung nur bei einem expliziten Auftrag und nicht bereits mit der Beauftragung zur Zahlung der Jahresgebühren übernehmen würde und dass andererseits die Kanzlei V… nach deutschem Recht solange zur Vertretung berechtigt und verpflichtet bleibe, bis die Beendigung des bisherigen Mandats und die Bestellung eines neuen Vertreters gegenüber dem Patentamt angezeigt worden sei. Dass die Kanzlei V… letztlich weder den Prüfungsbescheid noch den Zurückweisungsbeschluss an die Anmelderin weitergeleitet habe, könne der Anmelderin nicht angelastet werden. Sie sei unverschuldet gehindert gewesen, sich zu dem Prüfungsbescheid zu äußern. Dass ihr der Prüfungsbescheid nicht zur Kenntnis gelangt sei, sei ursächlich für den Rechtsverlust gewesen. Denn sie habe deswegen keine Möglichkeit gehabt, die negative Entscheidung nach Fristablauf abzuwenden und die versäumte Handlung vor der Zurückweisung der Anmeldung nachzuholen. Dadurch sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Der Zurückweisungsbeschluss sei aus Sicht der Anmelderin wegen der fehlenden Zustellung an sie nicht wirksam. Mangels Kenntnis des Zurückweisungsbeschlusses sei es ihr nicht möglich gewesen, einen Antrag auf Weiterbehandlung zu stellen. Die Zurückweisung der Anmeldung nach § 48 PatG führe unmittelbar zu einem Rechtsnachteil für den Anmelder. Denn nach dieser Bestimmung müsse einerseits der Prüfer eine Anmeldung unter den dort genannten Voraussetzungen automatisch zurückweisen, während andererseits der Anmelder gezwungen werde, Beschwerde einzulegen, wodurch ihm eine Instanz verloren gehe und er überdies auch noch eine Beschwerdegebühr zahlen müsse. Nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts sei anerkannt, dass die Verpflichtung zur Zahlung einer zusätzlichen Gebühr einen Rechtsnachteil bedeute, so wenn wegen Versäumung der Frist für die Zahlung der Jahresgebühren ein Verspätungszuschlag anfalle. Nach alledem sei die Frist zur Beantwortung des Prüfungsbescheids als diejenige Frist anzusehen, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge gehabt habe.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

11

1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt, und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist auch ein Rechtsschutzinteresse nicht zu verneinen. Das Patentamt hat die Patentanmeldung zwar bereits durch Beschluss vom 9. Januar 2009 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Anmelderin keine Beschwerde eingelegt, so dass die Patentanmeldung mit Ablauf der Beschwerdefrist formell rechtskräftig zurückgewiesen und somit nicht mehr anhängig ist. In einem solchen Fall besteht für eine Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in die vom Patentamt nach § 45 PatG gesetzte Frist zur Beantwortung des Prüfungsbescheids an sich kein Rechtsschutzinteresse mehr. Unter den hier gegebenen Umständen kann ein solches jedoch nicht verneint werden. Denn es kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass in dem Schreiben der Anmelderin vom 2. Juni 2009 nicht doch eine Beschwerdeerklärung oder ein Antrag auf Weiterbehandlung zu sehen sein könnte. Erst mit der Entscheidung über die vorliegende Beschwerde steht somit fest, ob die Anmeldung tatsächlich rechtskräftig zurückgewiesen ist (vgl. BPatG, Beschluss vom 20. Mai 2009 – 10 W (pat) 9/08, veröffentlicht in juris).

12

2. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Prüfungsstelle für Klasse F 16 C des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zu Recht zurückgewiesen.

13

a) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die vom Patentamt nach § 45 PatG gesetzte Frist zur Beantwortung des Prüfungsbescheids ist nicht statthaft und damit unzulässig.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG kann Wiedereinsetzung verlangen, wer ohne Verschulden an der Einhaltung einer Frist gehindert war, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Die vom Patentamt nach § 45 Abs. 1 Satz 1 PatG gesetzte Frist zur Beseitigung der Mängel der Patentanmeldung ist keine solche Frist.

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aa) Die Prüfungsstelle hat im Ergebnis zutreffend ausgeführt, dass in diesem Fall nicht die Versäumung der Frist als solche der tragende Grund für die Zurückweisung der Anmeldung ist. Vielmehr ist die Anmeldung nach § 48 Satz 1 PatG zurückgewiesen worden, weil die Beschreibung des Patents weder Angaben zu den Fundstellen des Stands der Technik noch zu der mit der Erfindung zu lösenden Aufgabe enthielt und damit nicht den formellen Anforderungen des § 10 Abs. 2 PatV entsprach und die Anmelderin diese Mängel trotz entsprechender Aufforderung durch das Patentamt nach § 45 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 34 Abs. 7 PatG nicht beseitigt hat. Der Ablauf der nach § 45 Abs. 1 Satz 1 gesetzten Frist hatte somit als solcher noch keinen gesetzlichen Rechtsnachteil zur Folge, sondern hat lediglich die Möglichkeit zur Zurückweisung der Patentanmeldung aus den im Prüfungsbescheid vom 11. Juli 2008 angegebenen Gründen eröffnet (vgl. Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 123 Rn. 7).

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Dass in einem Fall, in dem das Patentamt dem Anmelder eine Frist zur Beseitigung der Mängel seiner Anmeldung setzt, nicht die Versäumung der Frist der eigentliche Zurückweisungsgrund ist, zeigt sich nicht zuletzt auch darin, dass die Prüfungsstelle eine nach Ablauf der gesetzten Frist aber noch vor Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses beim Patentamt eingehende Stellungnahme auf einen Prüfungsbescheid bei der weiteren Prüfung, ob das Patent gewährt werden kann, zu berücksichtigen hätte. Würde in einem solchen Fall die Prüfungsstelle die Zurückweisung der Anmeldung allein auf die Fristversäumung stützen, wäre der Beschluss wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör mit der Beschwerde angreifbar.

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bb) Entgegen der Auffassung der Anmelderin ergibt sich aus der von ihr zitierten Rechtsprechung des Bundespatentgerichts nichts anderes.

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Die Feststellung des Bundespatentgerichts in dem Beschluss vom 28. März 1962 (4 W 29/62, BPatGE 1, 15, 20), dass die Verpflichtung zur Zahlung einer zusätzlichen Gebühr nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern auch einen rechtlichen Nachteil darstellt, bezog sich auf den Fall der Fälligkeit eines Zuschlags bei Versäumung der rechtzeitigen Zahlung einer Jahresgebühr. Mit dem Streitfall ist dieser Sachverhalt nicht vergleichbar, da die Verpflichtung zur Zahlung eines Zuschlags bei Versäumung der Zahlungsfrist unmittelbar kraft Gesetzes eintritt und damit einen Rechtsnachteil im Sinne des § 123 Abs. 1 PatG begründet.

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Ebenso wenig führt der von der Anmelderin in Bezug genommene Beschluss des Bundespatentgerichts vom 28. August 1989 (9 W (pat) 200/86, BPatGE 31, 29) zu einer anderen Beurteilung. Der angefochtene Beschluss steht damit nicht in Widerspruch. Die Anmelderin verweist zwar zutreffend darauf, dass § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG - im Gegensatz zu § 123a PatG - keinen Unterschied macht zwischen Fristen, die im Gesetz selbst bestimmt sind, und solchen, die im Einzelfall vom Patentamt oder Patentgericht festgesetzt werden. Gleichwohl setzt § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG voraus, dass die Versäumung der Frist nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Dies bedeutet zwar nicht, dass eine Wiedereinsetzung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG nur in Betracht kommt, wenn der Rechtsnachteil unmittelbar kraft Gesetzes eintritt. Vielmehr ist § 123 Abs. 1 Satz 1 PatG grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn der Rechtsnachteil erst durch eine der Fristversäumung nachfolgende Entscheidung eintritt. Allerdings ist auch und gerade nach dem zitierten Beschluss bei rechtsnachteiligen Entscheidungen, die der Fristversäumung nachfolgen und auf einer besonderen Entschließung des Patentamts (oder des Patentgerichts) beruhen, darauf abzustellen, ob die Fristversäumung selbst der tragende Grund für die nachfolgende Entscheidung ist. Nur in einem solchen Fall tritt der Rechtsnachteil (noch) nach gesetzlicher Vorschrift ein, so dass hier eine Wiedereinsetzung möglich ist und auch sein muss, weil anders die Fristversäumung nicht aus der Welt zu schaffen wäre. Anders liegt der Fall, wenn die negative Entscheidung nicht mit der Fristversäumung selbst zu begründen ist, sondern sich daraus ergibt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung eine bestimmte Voraussetzung nicht vorgelegen hat. Dann hat die Fristversäumung als solche auch nach gesetzlicher Vorschrift noch keinen Rechtsnachteil zur Folge. So liegt der Fall hier. Denn die Mängel der Patentanmeldung hätten - wie oben dargelegt - auch nach Fristablauf und noch solange beseitigt werden können, wie keine zurückweisende Entscheidung ergangen ist.

20

cc) Der Anmelderin kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie geltend macht, dass die Frist zur Beantwortung des Prüfungsbescheids angesichts der besonderen Umstände des Streitfalls als Frist anzusehen sei, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge habe.

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Zwar trifft es zu, dass der Anmelderin die Möglichkeit, einen Antrag auf Weiterbehandlung nach § 123a PatG zu stellen, verschlossen war, weil die hierfür zu beachtende Monatsfrist (vgl. § 123a Abs. 2 PatG) bereits abgelaufen war, als sie von der Zurückweisung der Patentanmeldung erfuhr, und es auch keine Wiedereinsetzung in diese Frist gibt (§ 123a Abs. 3 PatG).

22

Indessen ist die Frage, ob die Versäumung der Frist einen Rechtsnachteil nach gesetzlicher Vorschrift zur Folge hat, im Interesse der Rechtssicherheit nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Ob jemand bei Versäumung einer gesetzlichen Frist einen Rechtsnachteil erleidet, beurteilt sich allein danach, ob die unmittelbare Folge der Säumnis, gemessen an dem von der Norm zugrunde gelegten regelmäßigen Verlauf der Dinge, im allgemeinen nachteilig ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Rechtsfolge aufgrund besonderer (rechtlicher oder wirtschaftlicher) Umstände oder Verfahrenslagen im konkreten Einzelfall als nachteilig erweist (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 1998 – X ZB 2/98 - GRUR 1999, 574, 575 - Mehrfachsteuersystem). Schließlich geht es bei der Wiedereinsetzung um die Rückgängigmachung von kraft Gesetzes eingetretenen Rechtsfolgen oder um die Durchbrechung der Rechtskraft von Entscheidungen, so dass für Billigkeitserwägungen und die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls grundsätzlich kein Raum ist.

23

Somit spielt es entgegen der Auffassung der Anmelderin auch keine Rolle, ob die Kanzlei VJP Obliegenheiten aus dem früheren Mandatsvertrag mit der Anmelderin nicht beachtet hat. Abgesehen davon, dass hieran angesichts der nicht unmissverständlichen Anweisungen der Anmelderin im Zusammenhang mit dem Entzug des bisherigen und der Erteilung eines neuen Mandats Zweifel wohl nicht ganz ausgeschlossen sein dürften, scheidet eine Wiedereinsetzung allein schon deshalb aus, weil es sich bei der hier versäumten Frist zur Beantwortung des Prüfungsbescheids um eine von vorneherein der Wiedereinsetzung nicht zugängliche Frist handelt. Dementsprechend kann sich die Anmelderin auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen, wonach sich ein Verfahrensbeteiligter Versäumnisse seines früheren Verfahrensbevollmächtigten nicht nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2007 – VIII ZB 44/07, NJW 2008, 234 Rn. 12).

24

b) Die Prüfungsstelle hat zutreffend angenommen, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung angesichts des eindeutigen Wortlauts, der ausdrücklich auf die Frist zur Beantwortung des Prüfungsbescheids vom 11. Juli 2008 nach § 45 Abs. 1 Satz 1 PatG Bezug nimmt, nicht als Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Beschwerde ausgelegt oder in einen solchen umgedeutet werden kann. Einer solchen Auslegung oder Umdeutung stünde überdies auch entgegen, dass die Beschwerde nicht innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses eingelegt (§ 123 Abs. 2 Satz 3 PatG) und insbesondere innerhalb dieser Frist auch keine Beschwerdegebühr entrichtet worden ist (§ 6 Abs. 2 PatKostG; vgl. BPatG, Beschluss vom 20. Mai 2009 – 10 W (pat) 9/08, veröffentlicht in juris).