Entscheidungsdatum: 18.05.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 598 06 896 (EP 1 104 538)
wegen Wiedereinsetzung
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 18. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter Schülke, die Richterin Püschel und den Richter Eisenrauch
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Auf die am 31. Oktober 1998 eingereichte Anmeldung wurde der Patentinhaberin mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland das europäische Patent 1 104 538 mit der Bezeichnung "Feuerzeug" erteilt, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 598 06 896 geführt wird.
Das Patentamt wies die Patentinhaberin mit Bescheid vom 7. März 2005, der an den benannten Vertreter, Patentanwalt P…, gerichtet war, auf den Ablauf der Frist zur Zahlung der 7. Jahresgebühr (180 €) mit Verspätungszuschlag (50 €) am 2. Mai 2005 hin. Da keine Zahlung erfolgte, vermerkte das Patentamt in der Akte, dass das Patent am 3. Mai 2005 wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen ist.
Mit am 5. November 2005 eingegangenem Schriftsatz hat die Patentinhaberin Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der 7. Jahresgebühr einschließlich Zuschlag gestellt und die Gebühr zugleich gezahlt. Zur Begründung wird vorgetragen, Patentanwalt P… habe bereits mit Schreiben vom 22. Januar 2004 an die Patentinhaberin die Vertretung niedergelegt, wobei er in diesem Schreiben das vorliegende Patent ausdrücklich erwähnt habe. Aus diesem Grunde sei die Patentinhaberin an die fällige Gebühr nicht mehr erinnert worden, und die Gebührenmitteilung des Patentamts sei nur formlos an die Patentinhaberin weitergeleitet worden.
Unter Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen wird weiter vorgetragen, die Verwertung des Patents sollte durch die Firma I… GmbH erfolgen. In diese Firma sei am 29. Juli 2003 Rechtsanwalt Y… eingetreten. Diesen habe die Patentinhaberin seit etwa diesem Zeitpunkt mit der Überwachung und ggfs. Einzahlung der Jahresgebühren für das Patent beauftragt. Als weitere Mitgesellschafterin sei am 8. Juni 2005 Frau F… in diese Firma eingetreten, etwa zu diesem Zeitpunkt sei deren Mann als Geschäftsführer eingesetzt worden, und Rechtsanwalt Y… habe Herrn F… die Akten des Patents übergeben. Nach Durchsicht der Akte habe sich Herr F… Anfang August 2005 telefonisch beim Patentamt nach dem Stand des Patents erkundigt und die Auskunft erhalten, dass es wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr erloschen sei. Herr F… habe daraufhin den ehemaligen (und nunmehr wieder tätigen) Vertreter, Patentanwalt P…, um eine Besprechung gebeten, die urlaubsbedingt erst am 8. September 2005 habe stattfinden können. Erst danach habe Herr F… die Patentinhaberin über den Wegfall des Schutzrechts informiert. Die Zweimonatsfrist sei also gewahrt.
Die Patentinhaberin treffe kein Verschulden an der Fristversäumnis. Sie habe davon ausgehen können, dass mit ihrer Erteilung des Auftrags an Rechtsanwalt Y… zur Überwachung der Jahresgebühren die entsprechenden Fristen ermittelt und sie an den Ablauf rechtzeitig erinnert werde, was nicht geschehen sei. Nach Entgegennahme des Auftrags habe Rechtsanwalt Y… die Fälligkeit der Zahlung der Jahresgebühr, nämlich den 31. Oktober 2004 errechnet und seiner Mitarbeiterin Frau H… die Anweisung erteilt, diesen Termin in sein EDV gestütztes Fristüberwachungssystem aufzunehmen. Hierbei sei durch ein Versehen nicht der 31. Oktober 2004, sondern der 31. Oktober 2005 eingegeben worden. Aus diesem Grunde sei es nicht zur Wiedervorlage der Akte und damit zur Erinnerung der Patentinhaberin gekommen. Frau H…, seit Juli 1994 bei Rechtsanwalt Y… tätig, sei eine qualifizierte Hilfskraft, die zweifellos zur Führung des Fristenkalenders in der Lage sei, insbesondere wenn sie wie im vorliegenden Fall, einen konkreten Auftrag erhalten habe. Rechtsanwalt Y… habe sie in die Führung eines Fristenkalenders unterwiesen, zudem habe er sie durch Stichproben überwacht. Hierbei sei es bislang noch nie zu Unregelmäßigkeiten gekommen.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Patentabteilung 1.23 - hat durch Beschluss vom 13. Januar 2006 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, im Wiedereinsetzungsantrag sei nicht schlüssig dargelegt, warum keine klare Vertretungsregelung und keine Mitteilung dazu an das Patentamt erfolgt sei, insbesondere auf den Bescheid des Patentamts vom 7. März 2005. Der in der eidesstattlichen Versicherung von Rechtsanwalt Y… vorgetragene Sachverhalt habe demgegenüber die Ursächlichkeit des Versäumnisses nicht begründen können. Im Hinblick auf Schulte, Patentgesetz, 7. Auflage, § 123 Rdn. 29 (Kenntnis des Vertreters steht der Kenntnis der Partei gleich, § 85 Abs. 2 ZPO) sei deshalb der Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.
Hiergegen wendet sich die Patentinhaberin mit der Beschwerde, mit der sie sinngemäß beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und Wiedereinsetzung zu gewähren.
Die Patentinhaberin trägt ergänzend vor, dass das Schreiben von Patentanwalt P… vom 22. Januar 2004, in dem die Vertretung niedergelegt worden sei, per Einschreiben/Rückschein an sie geschickt worden sei. Grundsätzlich wäre ihr auch der patentamtliche Bescheid vom 7. März 2005 auf diese Weise übermittelt worden, nachdem aber die Vertretung niedergelegt worden sei, sei ihr der Bescheid mit einfachem Schreiben weitergeleitet worden. Dieses Schreiben sei ausweislich des Postausgangsbuches auch zur Post gegeben worden, es sei aber der Patentinhaberin nicht zugegangen. In rechtlicher Hinsicht sei darauf hinzuweisen, dass es auch bei bestehendem Mandatsverhältnis kein Erfordernis der Überwachung des Eingangs von Post beim Empfänger gebe, es bedürfe auch keinerlei Nachfrage des Anwalts, was hier umso mehr gelte, als das Mandat schon seit mehr als einem Jahr niedergelegt gewesen sei. Es sei noch einmal betont, dass das Versehen, auf dem die Fristversäumnis beruhe, seine Ursache darin habe, dass beim Notieren der Frist ein Fehler unterlaufen sei, wobei die Frist aber nicht von der Angestellten, sondern durch den Anwalt ermittelt worden sei, der daraufhin die konkrete Anweisung erteilt habe, die ermittelte Frist (mit entsprechender Vorfrist) zu notieren.
Der gerichtliche Hinweis im Oktober 2010, wonach die Beschwerde nach vorläufiger Prüfung keinen Erfolg haben dürfte, ist ohne Stellungnahme geblieben.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Patentamt hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Zahlung der 7. Jahresgebühr im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
1. Die Patentinhaberin hat die Frist zur Zahlung der 7. Jahresgebühr mit Zuschlag versäumt. Die nach Art. II § 7 IntPatÜG i. V. m. § 17 Abs. 1 PatG zu zahlende 7. Jahresgebühr ist gemäß § 3 Abs. 2 PatKostG am 31. Oktober 2004 fällig gewesen und konnte gemäß § 7 Abs. 1 PatKostG bis zum 31. Dezember 2004 zuschlagfrei, bis zum 2. Mai 2005 mit Verspätungszuschlag gezahlt werden (der 30. April 2005 war ein Sonntag, 1. Mai gesetzlicher Feiertag). Die Zahlung erfolgte erst mit Stellung des Wiedereinsetzungsantrags am 5. November 2005. Aufgrund der verspäteten Zahlung ist das Patent erloschen, § 20 Abs. 1 Nr. 3 PatG.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist unzulässig, weil er nicht innerhalb der in § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG festgelegten Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden ist.
Der Wegfall des Hindernisses - hier die Unkenntnis vom Fristablauf der 7. Jahresgebühr - tritt nicht erst mit positiver Kenntnis, sondern bereits dann ein, wenn das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 123 Rdn. 27), wobei der Patentinhaberin Verschulden und Kenntnis ihrer Vertreter zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO). Auf Patentanwalt P…, auf den das Patentamt abgestellt hat, kommt es hierbei allerdings nicht an. Denn dieser war nicht nur schon seit Sommer 2003 nicht mehr mit der Überwachung der Jahresgebühren für das Patent betraut, sondern hatte die Vertretung der Patentinhaberin schon vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit der 7. Jahresgebühr durch Schreiben an seine Mandantin vom 22. Januar 2004 niedergelegt. Bereits bei Niederlegung der Vertretung im Innenverhältnis scheidet eine Zurechnung von Kenntnissen nach § 85 Abs. 2 ZPO aus (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 85 Rdn. 14; Senatsbeschluss vom 21. Februar 2006, 10 W (pat) 62/05). Es ist jedoch abzustellen auf Rechtsanwalt Y…, der nach dem eidesstattlich versicherten Vortrag seit Sommer 2003 mit der Überwachung der Jahresgebühren für das Patent betraut war.
Wenn der Verfahrensbevollmächtigte des Anmelders wie hier nicht mit der Einzahlung der Jahresgebühren beauftragt ist, kommt es für den Beginn der Zweimonatsfrist darauf an, wann der Anmelder oder ein von ihm mit der Zahlung Beauftragter Kenntnis von dem Ablauf der Zahlungsfrist erlangt haben oder bei Anwendung der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt hätten erlangen müssen (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl. § 123 Rdn. 54 unter Hinweis auf BPatGE 13, 87; Senatsbeschluss vom 22. Februar 2007, 10 W (pat) 47/05). Die Patentinhaberin selbst hatte zwar positive Kenntnis erst nach dem 8. September 2005, als sie von Herrn F…, nachdem dieser den Termin bei Patentanwalt P… wahrgenommen hatte, über den Verfall des Schutzrechts informiert wurde. Zu dem mit der Überwachung der Jahresgebühren Beauftragten, Rechtsanwalt Y…, fehlen aber im Wiedereinsetzungsantrag in Bezug auf die Einhaltung der Antragsfrist jegliche Darlegungen. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass die Antragsfrist eingehalten ist.
3. Auch im Falle seiner Zulässigkeit wäre der Wiedereinsetzungsantrag nicht begründet. Es liegt ein der Patentinhaberin zurechenbares Verschulden (§ 85 Abs. 2 ZPO) ihres mit der Überwachung der Jahresgebühren beauftragten Vertreters vor.
Nach dem eidesstattlich versicherten Vortrag beruht die Fristversäumnis auf der fehlerhaften Fristeneintragung einer Angestellten von Rechtsanwalt Y… Ein Fehler von hinreichend unterwiesenen und überwachten Hilfskräften wird einem Vertreter zwar grundsätzlich nicht zugerechnet, es sei denn, ihn trifft insoweit ein eigenes Verschulden. Ein solches kann hier nicht ausgeschlossen werden.
Auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen und Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei kommt es nach der Rechtsprechung des BGH zwar dann nicht an, wenn der Anwalt einer Kanzleikraft, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, welche bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte (z.B. BGH, Beschl. v. 8. Februar 2010, II ZB 10/09, Rz. 9, juris). Betrifft die Anweisung aber einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist und wird sie nur mündlich erteilt, genügt der Anwalt seiner Sorgfaltspflicht nur dann, wenn in seiner Kanzlei ausreichende organisatorische Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass eine korrekte Fristeneintragung erfolgt (vgl. BGH VersR 1992, 764; VersR 2005, 94; VersR 2009, 281; BGH, Beschl. v. 8. Februar 2010, II ZB 10/09, Rz. 9, juris). Die Frist zur Zahlung einer Jahresgebühr ist in ihrer Bedeutung der einer Rechtsmittelfrist gleichzustellen, da ihre Versäumung unmittelbar zum Rechtsverlust führt. Hier wird ohne genauere Angaben zu den näheren Umständen der Weisung lediglich vorgetragen, Rechtsanwalt Y… habe, nachdem er selbst die Fälligkeit berechnet habe, Frau H… dementsprechend beauftragt, den 31. Oktober 2004 in den Fristenkalender aufzunehmen. Es fehlt jeder Vortrag dazu, ob die Weisung schriftlich oder mündlich erteilt wurde und die im Falle nur mündlicher Weisung erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen in der Kanzlei getroffen waren. Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Eintragung einer Zahlungsfrist für die Jahresgebühr nur mündlich vermittelt wird, bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel.