Entscheidungsdatum: 07.02.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Patent 10 2007 015 455
hat der 10. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2017 unter Mitwirkung des Richters Dipl.-Ing. Hildebrandt als Vorsitzenden sowie der Richter Eisenrauch, Dipl.-Ing. Küest und Dr.-Ing. Großmann
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Juli 2014 insoweit aufgehoben, als der Widerruf des Patents ausgesprochen wurde, und das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
- Patentansprüche 1 bis 8 gemäß dem Hilfsantrag 3 aus dem Schriftsatz vom 28. Dezember 2016,
- übrige Unterlagen gemäß Patentschrift.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Gegen das am 30. März 2007 angemeldete Patent 10 2007 015 455 (Streitpatent), dessen Erteilung am 2. April 2009 veröffentlicht worden war, hat die weitere Verfahrensbeteiligte am 1. Juli 2009 Einspruch erhoben. Sie hält den Gegenstand des Streitpatents für nicht patentfähig (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) und hat ihren Einspruch auf folgende Druckschriften gestützt:
E1: DE 10 2006 002 241 A1 (nachveröffentlicht),
E2: DE 613 210 A,
E3: JP 2001 146738 A,
E4: GB 2 071 188 A,
E8: DUBBEL: Taschenbuch für den Maschinenbau, 17. Aufl. 1990,
Springer-Verlag, Seiten 79, 80
Danach ist das Streitpatent auf die C… AG mit Sitz in R… (S…) umgeschrieben worden; das Verfahren wurde aber mit der P… als Patentinhaberin weitergeführt, da die Einsprechende einem Eintritt der C… AG in das Einspruchsverfahren nicht zugestimmt hat. Die Patentabteilung 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) hat das Streitpatent nach Durchführung einer Einspruchsverhandlung vom 23. Juli 2014 in vollem Umfang widerrufen. In dem Beschluss wird ferner eine Aussetzung des Einspruchsverfahrens abgelehnt und die Erstattung jener Kosten durch die vorliegende Patentinhaberin (P… LLC) zu Gunsten der Einsprechenden angeordnet, die der Einsprechenden wegen einer früheren, am 24. Juni 2010 vor der Patentabteilung durchgeführten Einspruchsverhandlung entstanden waren.
In der Sache hat die Patentabteilung ihre Entscheidung auf die Druckschrift E2: DE 613 210 A sowie auf die von ihr neu herangezogene Druckschrift
D5: WO 2007/082619 A1 (nachveröffentlicht)
gestützt.
Hinsichtlich der getroffenen Kostenentscheidung wird im Beschluss sinngemäß ausgeführt, die Patentinhaberin habe den Abbruch der Einspruchsverhandlung vom 24. Juni 2010 zu vertreten gehabt, da sie es versäumt habe, dem DPMA frühzeitig mitzuteilen, ob die Vertretungsvollmacht für den damals aufgetretenen Vertreter noch wirksam gewesen sei. Der Patentabteilung sei es damals nicht möglich gewesen festzustellen, wer der tatsächlich bevollmächtigte Vertreter der Patentinhaberin gewesen sei.
Gegen diesen Beschluss hat die Patentinhaberin am 9. Dezember 2014 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Streitpatents im Wesentlichen patentfähig sei. In der am 7. Februar 2017 vom Senat durchgeführten mündlichen Verhandlung hat sie ihren Hauptantrag und alle ihre Hilfsanträge aus ihrem Schriftsatz vom 28. Dezember 2016 wiederholt und somit (sinngemäß) beantragt,
a) den Beschluss der Patentabteilung 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Juli 2014, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 14 vom 15. Januar 2010, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten,
b) hilfsweise den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Patentabteilung zurückzuverweisen,
c) hilfsweise eine Zwischenentscheidung zu dem vorstehenden Antrag auf Zurückverweisung zu erlassen,
d) hilfsweise eine Zwischenentscheidung zur Kostenerstattungspflicht der PilePro LLC zu erlassen,
e) hilfsweise eine Frist zur weiteren Stellungnahme in Bezug auf die lückenhaften materiellen Teile des angefochtenen Beschlusses zu erlassen,
f) hilfsweise (1. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 10, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten,
g) hilfsweise (2. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 12, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten,
h) hilfsweise (3. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 8, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten,
i) hilfsweise (4. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 10, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten,
j) hilfsweise (5. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 7, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten,
k) hilfsweise (6. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 9, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten,
l) hilfsweise (7. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten,
m) hilfsweise (8. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 8, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten,
n) hilfsweise (9. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 5, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten,
o) hilfsweise (10. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 7, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten und
p) hilfsweise (11. Hilfsantrag) den angefochtenen Beschluss, einschließlich der darin getroffenen Kostenentscheidung, aufzuheben und das Patent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4, übrige Unterlagen wie erteilt, beschränkt aufrechtzuerhalten.
Hinsichtlich der getroffenen Kostenentscheidung bemängelt die Patentinhaberin, die Patentabteilung habe ihre Entscheidung zu Unrecht darauf gestützt, dass die Patentinhaberin etwas versäumt habe. Aus dem Protokoll der abgebrochenen Einspruchsverhandlung vom 24. Juni 2010 ergebe sich vielmehr, dass die Vertagung deshalb erfolgt sei, weil ein Umschreibungsantrag vorgelegen habe und die Patentabteilung fälschlich davon ausgegangen sei, dass unter diesen Umständen eine abschließende Beschlussfassung nicht möglich gewesen sei. Diese Tatsachen rechtfertigten es aber nicht, der Patentinhaberin die Kosten für die am 24. Juni 2010 abgebrochene Einspruchsverhandlung aufzuerlegen.
Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass das Streitpatent in keiner der verteidigten Fassungen patentfähig sei. Die Kostenauferlegung hält sie im angefochtenen Beschluss für gerechtfertigt. Die Einsprechende verweist hierzu auf die Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 14. Juli 2010.
Vorab sei auf die unzutreffende, auf einen offensichtlichen Fehler beim Drucken der Patentschrift zurückzuführende Nummerierung der erteilten Patentansprüche hingewiesen. Dabei sind die Unteransprüche 2 und 3 fälschlicherweise zu einem einzigen Anspruch 2 zusammengefasst worden. Entsprechend sind dann die folgenden Patentansprüche jeweils eine Nummer zu niedrig angegeben. Der Senat nimmt im Folgenden auf die im Anspruchssatz nach Hauptantrag richtiggestellte Nummerierung Bezug.
Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 11 nach dem Hauptantrag lauten:
1. Verfahren zur Herstellung einer Spundwandkomponente, wie einer Spundbohle, einem Verbindungsprofil oder einem Träger, die mindestens ein sich über die gesamte Länge der Spundwandkomponente erstreckendes Schloss gleichbleibenden Querschnitts zum Einhängen des Schlosses einer weiteren Spundwandkomponente aufweist, und bei dem Verfahren:
ein Vorprodukt durch Umformen gefertigt wird, wobei während des Formens des Vorproduktes an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt eine Materialanhäufung ausgeformt wird,
das Schloss im Querschnitt gesehen zumindest abschnittsweise durch spanende Bearbeitung an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt des Vorproduktes gefertigt wird, wobei der Abschnitt, in dem das Schloss durch spanende Bearbeitung ausgeformt wird, derart ausgebildet und im Querschnitt so ausreichend bemessen und dimensioniert ist, dass durch das Umformen am Vorprodukt entstehende Maßabweichungen bei der spanenden Bearbeitung des Schlosses berücksichtigt sind, damit das Schloss ordnungsgemäß ausgebildet werden kann.
11. Spundwandkomponente, wie eine Spundbohle, ein Verbindungsprofil oder ein Träger, hergestellt nach einem Verfahren gemäß einem der vorhergehenden Ansprüche 1 bis 10, wobei die Spundwandkomponente (20; 30) mindestens ein sich über die gesamte Länge der Spundwandkomponente (20; 30) erstreckendes Schloss (22; 32) gleichbleibenden Querschnitts zum Einhängen des Schlosses einer weiteren Spundwandkomponente aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Spundwandkomponente (20; 30) durch Umformen hergestellt worden ist und dass das mindestens eine Schloss (22; 32) zumindest abschnittsweise durch spanende Bearbeiten hergestellt worden ist, wobei an dem mit dem Schloss (22; 32) versehenen Abschnitt der Spundwandkomponente durch das Umformen eine Materialanhäufung (24; 34) ausgebildet ist, in welche das Schloss (22; 32) durch spanende Bearbeitung eingebracht worden ist.
Der 1. Hilfsantrag zeichnet sich dadurch aus, dass die Vorrichtungsansprüche 11 bis 14 des Hauptantrags lediglich weggelassen wurden.
Die unabhängigen Patentansprüche 1 und 9 nach dem 2. Hilfsantrag lauten:
1. Verfahren zur Herstellung einer Spundwandkomponente, wie einer Spundbohle, einem Verbindungsprofil oder einem Träger, die mindestens ein sich über die gesamte Länge der Spundwandkomponente erstreckendes Schloss gleichbleibenden Querschnitts zum Einhängen des Schlosses einerweiteren Spundwandkomponente aufweist, und bei dem Verfahren:
ein Vorprodukt durch Umformen gefertigt wird, wobei während des Formens des Vorproduktes an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt eine Materialanhäufung ausgeformt wird,
das Schloss im Querschnitt gesehen zumindest abschnittsweise durch spanende Bearbeitung an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt des Vorproduktes gefertigt wird, wobei der Abschnitt, in dem das Schloss durch spanende Bearbeitung ausgeformt wird, derart ausgebildet und im Querschnitt so ausreichend bemessen und dimensioniert ist, dass durch das Umformen am Vorprodukt entstehende Maßabweichungen bei der spanenden Bearbeitung des Schlosses berücksichtigt sind, damit das Schloss ordnungsgemäß ausgebildet werden kann, dadurch gekennzeichnet, dass das Vorprodukt mit seiner Materialanhäufung zur spanenden Bearbeitung an einer stationären Bearbeitungsstation vorbeigeführt wird.
9. Spundwandkomponente, wie eine Spundbohle, ein Verbindungsprofil oder ein Träger, die mindestens ein sich über die gesamte Länge der Spundwandkomponente (20; 30) erstreckendes Schloss (22; 32) gleichbleibenden Querschnitts zum Einhängen des Schlosses einer weiteren Spundwandkomponente aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Spundwandkomponente (20; 30) durch Umformen hergestellt worden ist und dass das mindestens eine Schloss (22; 32) zumindest abschnittsweise durch spanende Bearbeiten hergestellt worden ist, wobei an dem mit dem Schloss (22; 32) versehenen Abschnitt der Spundwandkomponente durch das Umformen eine Materialanhäufung (24; 34) ausgebildet ist, in welche das Schloss (22; 32) durch spanende Bearbeitung eingebracht worden ist, wobei das Vorprodukt mit seiner Materialanhäufung zur spanenden Bearbeitung an einer stationären Bearbeitungsstation vorbeigeführt wird.
Der 3. Hilfsantrag zeichnet sich dadurch aus, dass die Vorrichtungsansprüche 9 bis 12 des 2. Hilfsantrags lediglich weggelassen wurden.
Die geltenden Patentansprüche nach dem 3. Hilfsantrag lauten (vollständig):
1. Verfahren zur Herstellung einer Spundwandkomponente, wie einer Spundbohle, einem Verbindungsprofil oder einem Träger, die mindestens ein sich über die gesamte Länge der Spundwandkomponente erstreckendes Schloss gleichbleibenden Querschnitts zum Einhängen des Schlosses einerweiteren Spundwandkomponente aufweist, und bei dem Verfahren:
ein Vorprodukt durch Umformen gefertigt wird, wobei während des Formens des Vorproduktes an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt eine Materialanhäufung ausgeformt wird,
das Schloss im Querschnitt gesehen zumindest abschnittsweise durch spanende Bearbeitung an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt des Vorproduktes gefertigt wird, wobei der Abschnitt, in dem das Schloss durch spanende Bearbeitung ausgeformt wird, derart ausgebildet und im Querschnitt so ausreichend bemessen und dimensioniert ist, dass durch das Umformen am Vorprodukt entstehende Maßabweichungen bei der spanenden Bearbeitung des Schlosses berücksichtigt sind, damit das Schloss ordnungsgemäß ausgebildet werden kann, dadurch gekennzeichnet, dass das Vorprodukt mit seiner Materialanhäufung zur spanenden Bearbeitung an einer stationären Bearbeitungsstation vorbeigeführt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, bei dem die Materialanhäufung beim Formen des Vorproduktes so ausgeformt wird, dass die Materialanhäufung im Querschnitt betrachtet an die Form des zu fertigenden Schlosses bereits angepasst ist.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, bei dem der mit dem Schloss zu versehende Abschnitt des Vorproduktes oder die am Vorprodukt ausgebildete Materialanhäufung nach der spanenden Bearbeitung im Querschnitt betrachtet zumindest abschnittsweise zur endgültigen Schlossform um geformt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, bei dem zumindest der nach der spanenden Bearbeitung zur Ausbildung der endgültigen Schlossform noch umzuformende Bereich des Abschnittes oder der Materialanhäufung auf eine Warmumformtemperatur erwärmt wird.
5.Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem die spanende Bearbeitung des Schlosses durch mehrere spanabhebende Werkzeuge, vorzugsweise in mehreren aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten, erfolgt.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem die spanende Bearbeitung durch mindestens ein Werkzeug mit geometrisch bestimmter Schneide und/oder durch mindestens ein Werkzeug mit geometrisch unbestimmter Schneide durchgeführt wird.
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem die spanende Bearbeitung durch Formfräsen und/oder Formschleifen erfolgt.
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, bei dem die spanende Bearbeitung unmittelbar nach dem Formen des Vorproduktes erfolgt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien sowie hinsichtlich der Anspruchsfassungen der weiteren Hilfsanträge der Patentinhaberin (4. bis 11. Hilfsantrag) wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Beschlusstenor war im Wege einer Berichtigung um den Ausspruch zu ergänzen, dass die weitergehende Beschwerde der Einsprechenden zurückgewiesen wird. Hierbei handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne § 95 Abs. 1 PatG, da mit der getroffenen Entscheidung der Beschwerde der Einsprechenden offensichtlich nicht in vollem Umfang stattgegeben wurde. Eines selbständigen Berichtigungsbeschlusses bedurfte es nicht; die Berichtigung der Beschlussformel in der zur Zustellung vorgesehenen vollständigen Fassung des Beschlusses ist ausreichend (vgl. Busse/Schuster, PatG, 8. Aufl., § 95 Rn. 6 - m. w. N.).
III.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig.
2. Hilfsweise gestellte Anträge der Patentinhaberin gemäß b) bis e)
Bei den hilfsweise gestellten Anträgen b) bis e) handelt es sich um keine Sachanträge. Diese sind allesamt, was offenkundig ist, zurückzuweisen und werden zwecks Übersichtlichkeit der Darstellung vor den Sachanträgen a) sowie f) bis h) behandelt.
Die Anträge der Patentinhaberin, eine Zwischenentscheidung zur Aufhebung und Zurückverweisung oder eine Zwischenentscheidung zur Kostenerstattungspflicht der Patentinhaberin zu erlassen, sind in gleicher Weise als obsolet anzusehen, wie der Antrag, eine Frist zum weiteren Vortrag zum behaupteten Begründungsmangel zu gewähren. Diese Anträge sind durch die Terminierung des erkennenden Senats zur mündlichen Verhandlung überholt worden und hätten nicht mehr gestellt werden dürfen.
Der Patentinhaberin kann ferner nicht gefolgt werden, soweit sie geltend macht, der angefochtene Beschluss der Patentabteilung sei teilweise ohne ausreichende Begründung ergangen, und die Sache sei deswegen an die erkennende Patentabteilung zurückzuverweisen. So sind, was die Frage der Vollständigkeit der im Einspruchsverfahren gestellten Anträge betrifft, diese in dem angefochtenen Beschluss offensichtlich vollständig aufgeführt, wobei die gegebenenfalls zugrunde zu legenden Unterlagen eindeutig angegeben sind (vgl. dort Seite 2, Teil A der Gründe, mit der Auflistung aller Anträge beider Parteien). Auf den Seiten 3 und 4 des Beschlusses ist zum Hauptantrag und den Hilfsanträgen jeweils derjenige Anspruch im Wortlaut zitiert, auf den sich dann die im folgenden Teil B der Begründung getroffenen Ausführungen zur fehlenden Patentfähigkeit beziehen. Auch bezüglich des bemängelten Umfangs der abgehandelten Ansprüche bzw. Anträge und deren Reihenfolge (Teil B der Gründe) vermag der Senat dem Vortrag der Patentinhaberin nicht zu folgen. So wurde auf Seite 5 des Beschlusses unter Angabe konkreter Gründe explizit auf die beiden ersten Anträge (Aussetzung und Kostenerstattung) eingegangen. Die im Folgenden von der Patentabteilung getroffene Reihenfolge bei der Abhandlung der sachlichen Anträge (Hilfsantrag 2 – Hilfsantrag 1 - Hauptantrag – Hilfsantrag 3) - ebenso wie die der hierzu jeweils herausgegriffenen Ansprüche 9, 11 bzw. 1 - mag auf den ersten Blick willkürlich und unvollständig erscheinen. Die Logik dieser Reihenfolge erschließt sich jedoch zum einen aus dem Umstand, dass hierbei auf die jeweilige Merkmalskombination der Ansprüche hinsichtlich ihrer stufenweisen Abdeckung durch den entgegengehaltenen Stand der Technik abgestellt wurde. Zum anderen genügt es dabei, innerhalb jeweils eines Antrags gegebenenfalls einen von mehreren nebengeordneten Ansprüchen als nicht bestandsfähig bzw. gewährbar nachzuweisen, um den gesamten Antrag zu Fall zu bringen. Dies entspricht einschlägiger und gefestigter Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH GRUR 2017, 57 ff. - „Datengenerator“; GRUR 2007, 862 ff. - „Informationsübermittlungsverfahren II“; GRUR 1997, 120 ff. - „Elektrisches Speicherheizgerät“).
3. In der Sache hat die Beschwerde der Patentinhaberin letztlich im Umfang des 3. Hilfsantrags (siehe oben unter Punkt h) Erfolg.
3.1. Der Einspruch ist gemäß § 59 Abs. 1 Satz 4 PatG form- und fristgerecht erhoben, er ist auch ausreichend substantiiert und somit zulässig.
3.2. Der Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und der Entgegenhaltungen ankommt, ist hier ein Maschinenbau-Ingenieur (FH oder Bachelor) mit einschlägiger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion und Fertigung von Spundwandkomponenten.
3.3. Zum Hauptantrag
3.3.1 Der dem Hauptantrag zugrunde liegende Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lässt sich in folgende Merkmale gliedern:
1.1 Verfahren zur Herstellung einer Spundwandkomponente, wie einer Spundbohle, einem Verbindungsprofil oder einem Träger,
1.2 die mindestens ein sich über die gesamte Länge der Spundwandkomponente erstreckendes Schloss gleichbleibenden Querschnitts zum Einhängen des Schlosses einer weiteren Spundwandkomponente aufweist, und bei dem Verfahren:
1.3 ein Vorprodukt durch Umformen gefertigt wird,
1.4 wobei während des Formens des Vorproduktes an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt eine Materialanhäufung ausgeformt wird,
1.5 das Schloss im Querschnitt gesehen zumindest abschnittsweise durch spanende Bearbeitung an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt des Vorproduktes gefertigt wird,
1.6 wobei der Abschnitt, in dem das Schloss durch spanende Bearbeitung aus- geformt wird, derart ausgebildet und im Querschnitt so ausreichend bemessen und dimensioniert ist, dass durch das Umformen am Vorprodukt entstehende Maßabweichungen bei der spanenden Bearbeitung des Schlosses berücksichtigt sind, damit das Schloss ordnungsgemäß ausgebildet werden kann.
Nach Überzeugung des Senats ist das Verfahren nach dem erteilten Patentanspruch 1 durch den Inhalt der Entgegenhaltung E1 (DE 10 2006 002 241 A1) neuheitsschädlich vorweggenommen. Diese Druckschrift zählt als Patentanmeldung mit älterem Zeitrang i. S. § 3 Abs. 2 PatG hinsichtlich der Frage der Neuheit zum Stand der Technik.
Dabei kommt der Auslegung des Anspruchswortlauts, insbesondere hinsichtlich der Begriffe „Spundwandkomponente“ und „Schloss“ nach den Merkmalen 1.1 und 1.2 eine entscheidende Bedeutung zu, nämlich in der Frage, welche der E1 entnehmbare Komponente dort mit den beanspruchten Verfahrensschritten hergestellt ist. Laut Merkmal 1.1 kann die das Schloss aufweisende Spundwandkomponente eine Spundbohle, ein Verbindungsprofil oder ein Träger sein. Dabei soll das gemäß Merkmal 1.2 sich über deren jeweilige gesamte Länge erstreckende Schloss zum Einhängen des Schlosses einer weiteren Spundwandkomponente ausgebildet sein.
Dieser Terminologie entsprechend offenbart die Druckschrift E1 eine Spundbohle (hier als Doppel-T-Profil), welche an ihren Flanschenenden (20, 20‘) jeweils ein Schloss in Form einer Nut (24) zum Einhängen des Schlosses einer weiteren Spundwandkomponente (30) aufweist (vgl. dort Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 und 2). Somit sind bei der aus E1 bekannten Spundwandkomponente die gegenständlichen Merkmale 1.1 und 1.2 verwirklicht.
Auch kann der Fachmann dieser Druckschrift eindeutig ein Verfahren zur Herstellung einer derartigen Spundwandkomponente entnehmen. Entsprechende Angaben finden sich beispielsweise im dortigen Abs. [0011] („Warmwalzen der Spundbohle“) und Anspruch 18 („warmgewalztes Profil“). Dass damit i. S. des Merkmals 1.3 ein Vorprodukt durch Umformen gefertigt wird, ergibt sich u. a. aus der dort in Anspruch 17 beanspruchten und in Abs. [0011] näher beschriebenen Ausführungsvariante, wonach „die Nut auch noch nachträglich in den Flansch eines fertigen Doppel-T-Profils eingebracht werden kann“. Damit ist zugleich auch das Merkmal 1.5 einer Fertigung des Schlosses durch spanende Bearbeitung an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt des Vorproduktes mit realisiert.
Ferner kann nach den Angaben in Anspruch 13 sowie Abs. [0014] der E1 die Spundwandbohle alternativ zu einer durchgehend konstanten Dicke „auch ein oder mehrere verdickte Flanschenden aufweisen“. Dies entspricht in der Terminologie des Streitpatents einer Materialanhäufung, welche aus den oben zu Merkmal 1.3 angeführten Gründen i. S. des Merkmals 1.4 während des Formens des Vorproduktes an dem mit dem Schloss zu versehenden Abschnitt erfolgt (vgl. auch die Darstellung des Flanschendes (60) in Fig. 4).
Dass gemäß dem Merkmal 1.6 schließlich „der Abschnitt, in dem das Schloss durch spanende Bearbeitung ausgeformt wird, derart ausgebildet und im Querschnitt so ausreichend bemessen und dimensioniert ist, dass durch das Umformen am Vorprodukt entstehende Maßabweichungen bei der spanenden Bearbeitung des Schlosses berücksichtigt sind, damit das Schloss ordnungsgemäß ausgebildet werden kann“, stellt nach Überzeugung des Senats eine für den Fachmann selbstverständliche Bedingung dar, welche zwangsläufig auch bei dem Verfahren nach der E1 erfüllt sein muss. Auch dort muss der Fachmann durch ausreichende Dimensionierung der verdickten Flanschenden dafür sorgen, dass beim nachträglichen spanenden Bearbeiten unter Berücksichtigung von durch das Umformen am Vorprodukt entstehenden Maßabweichungen das Schloss ordnungsgemäß ausgebildet werden kann.
Damit ist ein Verfahren mit allen Merkmalen des angegriffenen Patentanspruchs 1 aus der Entgegenhaltung E1 bekannt.
Dem Einwand der Patentinhaberin, bei diesem Merkmalsvergleich seien der Druckschrift E1 in unzulässiger Weise einzelne Merkmale aus unterschiedlichen Ausführungsformen entnommen und miteinander zu dem streitpatentgemäßen Verfahren kombiniert worden, welches so dort nicht offenbart ist, kann der Senat nicht folgen. Denn zum einen sind die in der E1 in Betracht gezogenen Merkmale (auch) Gegenstand von Ansprüchen, welche aufgrund ihrer jeweiligen Rückbeziehung auch in den entsprechenden Merkmalskombinationen offenbart sind (s. die oben zu den Merkmalen 1.1 bis 1.5 angeführten Ansprüche 1, 13, 17 und 18). Soweit zum anderen dabei auch auf Fundstellen in der Beschreibung der E1 Bezug genommen wird, finden sich diese in dem die dortige Erfindung ausdrücklich allgemein beschreibenden Teil der Druckschrift (s. insbesondere Überschrift vor Abs. [0010] „Allgemeine Beschreibung der Erfindung“) und sind nicht Gegenstand von sich ggf. ausschließenden unterschiedlichen Ausführungsbeispielen.
3.3.2 Der Merkmalsumfang des auf eine Spundwandkomponente gerichteten Patentanspruchs 11 entspricht mit Ausnahme der geänderten Anspruchskategorie vollumfänglich demjenigen des Patentanspruchs 1, so dass hierzu dasselbe gilt wie zu dem oben abgehandelten Hauptanspruch.
Somit ist auch der Gegenstand des Patentanspruchs 11 nicht bestandsfähig.
Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
3.4. Zum 1. Hilfsantrag
Der 1. Hilfsantrag umfasst die Verfahrensansprüche 1 bis 10 in der erteilten Fassung unter Wegfall der Sachansprüche 11 bis 14. Aus den oben unter 3.3.1 ausgeführten Gründen ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Inhalt der Druckschrift E1 nicht neu.
Der 1. Hilfsantrag ist daher nicht gewährbar.
3.5. Zum 2. Hilfsantrag
Nach dem 2. Hilfsantrag ist zu dem Verfahren nach Patentanspruch 1 sowie dem Gegenstand des Patentanspruchs 11 gemäß Hauptantrag jeweils das Merkmal des erteilten Unteranspruchs 7 hinzugenommen, dass „das Vorprodukt mit seiner Materialanhäufung zur spanenden Bearbeitung an einer stationären Bearbeitungsstation vorbeigeführt wird“. Mit dieser Einschränkung ist zwar das Verfahren nach Patentanspruch 1 gegenüber dem Inhalt der Druckschrift E1 als neu anzusehen (s. nachfolgend zum 3. Hilfsantrag); sie ist nach Auffassung des Senats jedoch nicht geeignet, die Neuheit der mit dem nunmehr geltenden Patentanspruch 9 beanspruchten Spundwandkomponente zu begründen. Denn eine rein verfahrensmäßige Maßnahme, wie sie das hinzugenommene Merkmal bedeutet, könnte einen Unterschied zu einem gegenständlichen Stand der Technik nur dann begründen, wenn diese sich in einem konkret erkennbaren gegenständlichen Merkmal des Produkts niederschlägt (vgl. Benkard / Mellulis, PatG, 11. Aufl., § 3 Rn. 226). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.
Unbeschadet der in der mündlichen Verhandlung hierzu diskutierten Frage, was unter einer stationären Bearbeitungsstation zu verstehen ist, an welcher das Vorprodukt vorbeigeführt wird, kommt es hier entscheidend darauf an, ob sich die fertige Spundwandkomponente aufgrund dieses Fertigungsschritts gegenständlich, d. h. eindeutig wahrnehmbar von einer Komponente unterscheidet, bei welcher die erforderliche Relativbewegung zwischen Bearbeitungsstation und Vorprodukt auf andere Weise zustande gekommen ist. Soweit die Patentinhaberin hierzu ausführt, es würden beim Vorbeiführen des Vorprodukts an der Bearbeitungsstation aufgrund der hierzu erforderlichen großen Kräfte die entsprechenden Transportmittel sehr wohl wahrnehmbare Spuren an der fertigen Komponente hinterlassen, kann dem nicht gefolgt werden. Denn derartige Spuren, so sie denn tatsächlich in relevanter Form an der Spundwandkomponente zu erkennen sein sollten, können in ihrer Ursache nicht, zumindest nicht eindeutig einem derartigen Verfahrensschritt zugeordnet werden. Vielmehr können jegliche anderweitigen Transportschritte innerhalb der Fertigung grundsätzlich ebenso entsprechende Spuren hinterlassen.
Aus denselben Gründen wie oben unter 3.3.2 zum im Übrigen gleichlautenden Patentanspruch 11 ausgeführt, ist daher auch der Gegenstand des Patentanspruchs 9 nach Hilfsantrag 2 nicht neu gegenüber dem Inhalt der Druckschrift E1.
Der 2. Hilfsantrag ist daher nicht gewährbar.
3.6. Zum 3. Hilfsantrag
Der Gegenstand des Streitpatents ist in der Fassung des 3. Hilfsantrags patentfähig (§§ 1 bis 5 PatG), weshalb der angegriffene Beschluss insoweit aufzuheben und das Streitpatent auf die Beschwerde entsprechend beschränkt aufrechtzuerhalten ist (§ 61 Abs. 1 PatG).
3.6.1 Neuheit
Das Verfahren nach dem gemäß 3. Hilfsantrag geltenden Patentanspruch 1 ist neu.
Gemäß dem 3. Hilfsantrag sind die gegenständlichen Ansprüche 9 bis 11 nach Hilfsantrag 2 gestrichen, so dass hier nur mehr über die Patentfähigkeit der gleichlautenden Verfahrensansprüche 1 bis 8 zu befinden ist. Nach Überzeugung des Senats unterscheidet sich das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 von dem in E1 aufgezeigten Verfahren durch das aus dem erteilten Anspruch 7 hinzugenommene, vorstehend zum Hilfsantrag 2 bereits diskutierte Merkmal des Vorbeiführens des Vorprodukts mit seiner Materialanhäufung zur spanenden Bearbeitung an einer stationären Bearbeitungsstation. Letzterer Begriff wird vom Fachmann hierbei so verstanden, dass die Bearbeitungsstation, beispielsweise ein Fräser, relativ zur Arbeitsumgebung feststeht, während das zu bearbeitende Werkstück (hier Vorprodukt) an dieser in einer bestimmten, die angestrebte Bearbeitungsform und -weise bestimmenden Ausrichtung vorbeigeführt wird. Hierbei ist es unerheblich, ob die Bearbeitungsstation - etwa zur Bearbeitung eines anderen Werkstücks oder zur Überführung in eine Warteposition - grundsätzlich bewegbar ist.
Da dieses Merkmal beim Gegenstand der Entgegenhaltung E1 nicht offenbart ist, kommt damit dem Verfahren nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 die erforderliche Neuheit zu.
Dem diesbezüglichen Einwand der Einsprechenden, dieser Verfahrensschritt stelle lediglich eine von zwei dem Fachmann geläufigen Alternativen zum Bewerkstelligen einer Relativbewegung zwischen Werkstück und Werkzeug dar und sei deshalb im Offenbarungsgehalt der E1 implizit mit enthalten, kann der Senat nicht folgen. Es mag dahingestellt sein, ob und ggf. welche weiteren Möglichkeiten der Bewegung von Werkstück und Werkzeug zueinander sonst noch denkbar sind; jedenfalls hat das Streitpatent mit der Lehre des Patentanspruchs 1 gemäß dem 3. Hilfsantrag eine bestimmte Vorgehensweise ausgewählt, während eine solche konkrete Auswahl bei dem aus E1 bekannten Verfahren gerade nicht getroffen ist. Weitergehende Überlegungen des Fachmanns, aufgrund derer er möglicherweise aus der E1 eine Anregung zu einer solchen Auswahl erfahren haben könnte, betreffen die Frage der erfinderischen Tätigkeit, welche bei dieser Entgegenhaltung als nachveröffentlichte Anmeldung mit älterem Zeitrang außer Betracht zu bleiben hat.
3.6.2 Erfinderische Tätigkeit
Das Verfahren nach dem gemäß 3. Hilfsantrag geltenden Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Einsprechende macht hiergegen geltend, die Entgegenhaltungen E2 bzw. E3 hätten dieses Verfahren für den Fachmann, jedenfalls in Verbindung mit seinem - etwa aus der Literaturstelle E8 belegten - Fachwissen nahegelegt.
Die Druckschrift E2 offenbart eine vergleichbar aufgebaute Spundwandkomponente mit Verbindungsprofilen, wobei die Flanschenden eine Materialanhäufung i.S. des Streitpatents aufweisen. Zu deren Herstellung lehrt die E2 ausdrücklich, hierzu in vorteilhafter Weise Breitflanschträger zu verwenden, „welche im üblichen Walzverfahren [...] in ihrer endgültigen Form und ohne jede Nachbearbeitung der Flanschenkanten hergestellt sind“ (s. dort Seite 2, linke Spalte, Zeilen 20 bis 25). Damit weist diese Druckschrift aber gerade von dem zentralen Erfindungsgedanken des Streitpatents weg, nämlich ein durch Umformen gefertigtes Vorprodukt nachträglich einer spanenden Bearbeitung zu unterziehen.
Auch die Einbeziehung der Entgegenhaltung E3 kann nach Überzeugung des Senats dem Fachmann keine Anregung in diese Richtung vermitteln. Denn dort wird gerade nicht, wie beim Gegenstand des Streitpatents, eine vorher gezielt erzeugte Materialanhäufung nachträglich bearbeitet; vielmehr geht es bei der Lehre der E3 um ein nachträgliches Beseitigen von durch ein vorangegangenes Verformen aufgetretenen unerwünschten Oberflächenverfaltungen. Auch erfolgt diese Nachbearbeitung am fertigen Werkstück und nicht wie bei dem streitpatentgemäßen Verfahren an einem Vorprodukt, in welches gezielt eine bestimmte Ausfräsung eingebracht wird.
Die schließlich noch angeführte Stelle E8 aus der Fachliteratur soll das Fachwissen des Fachmanns hinsichtlich des Merkmals des Vorbeiführens des Vorprodukts an einer stationären Bearbeitungsstation belegen. Dies ist hier deswegen irrelevant, da, wie vorstehend begründet, bereits das Verfahren mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 durch den angeführten Stand der Technik nicht nahegelegt ist, und es somit auf dieses zusätzliche Merkmal nicht ankommt.
3.6.3 Mit dem somit gewährbaren Patentanspruch 1 sind auch die von diesem getragenen Unteransprüche 2 bis 8 gewährbar.
Der 3. Hilfsantrag ist daher gewährbar und führt in diesem Umfang zur beschränkten Aufrechterhaltung des Streitpatents.
4. Angefochtene Kostenentscheidung
Die Auferlegung der Kosten für die am 24. Juni 2010 durchgeführte Einspruchsverhandlung zu Lasten der Patentinhaberin ist nicht zu beanstanden, weshalb der angefochtene Beschluss insoweit Bestand haben muss. Die Kostenentscheidung entspricht der Billigkeit und hat ihre Rechtsgrundlage in § 62 Abs. 1 Satz 1 PatG.
Grundsätzlich trägt im Einspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt jede Beteiligte ihre Kosten selbst. Von diesem Grundsatz ist dann abzuweichen, wenn Billigkeitsgründe dies erfordern. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Patentinhaberin trägt den Sachverhalt unvollständig vor, indem sie behauptet, der Abbruch der Einspruchsverhandlung sei nur deshalb erfolgt, weil ein Umschreibungsantrag vorgelegen habe. Richtig ist vielmehr, dass einen Tag vor der Einspruchsverhandlung ein neuer anwaltlicher Vertreter der Patentinhaberin die Patentabteilung per E-Mail darüber informiert hatte, dass er zur Durchführung des Einspruchsverfahrens bevollmächtigt worden sei und dass der in der Einspruchsverhandlung erschienene bisherige anwaltliche Vertreter hierzu keine schlüssige Erklärung abzugeben vermochte. Bei der Frage der Bevollmächtigung oblag es der Patentinhaberin, frühzeitig in prozessfördernder Weise für Klarheit zu sorgen. Indem ihre Vertreter dies nicht taten oder nicht konnten, lag eine Nachlässigkeit vor, die ihr zuzurechnen war. Die Patentabteilung durfte deshalb, da am Tag der ersten Einspruchsverhandlung ernstzunehmende Zweifel an der Bevollmächtigung des erschienenen anwaltlichen Vertreters entstanden waren, die Verhandlung abbrechen (vgl. z. B. auch: BGH Mitt. 2009, 30, 31 [Rz. 14] - „Multiplexsystem“). Damit ist es interessengerecht, wenn die Patentinhaberin insoweit der Einsprechenden deren außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Im Zivilprozessrecht ist diese Billigkeitserwägung ausdrücklich in § 95 ZPO festgeschrieben.