Entscheidungsdatum: 30.09.2013
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Patentanmeldung 10 2008 002 755.3-54
wegen Erteilungsbeschluss
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 30. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richterin Püschel und den Richter Prof. Dr. Dr. Ensthaler
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G01B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Februar 2012 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Die Anmelderin reichte am 24. Januar 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Verfahren zur Bestimmung eines Korrekturwerts für die Vermessung von Positionen von Strukturen auf einem Substrat“ ein.
Im Prüfungsverfahren reichte die Anmelderin – als Reaktion auf einen Bescheid der Prüfungsstelle - mit Schreiben vom 3. November 2009 (beim Patentamt eingegangen am 4. November 2009) neue Ansprüche 1 bis 15 ein. Außerdem übersandte sie mit Schreiben vom 9. Juli 2010 (Eingang am 10. Juli 2010) eine überarbeitete Fassung der Beschreibung mit den Seitenbezeichnungen 1, 1a, 1b, 2, 2a, 3, 3a, 4, 4a, 5, 5a, 6, 6a, 7, 7a, 8, 8a, 9, 9a, 10 sowie überarbeitete Figurenzeichnungen 6, 8 und 9.
Am 29. Februar 2012 erlies die Prüfungsstelle einen Erteilungsbeschluss. In diesem wird zum Inhalt des erteilten Patents auf die beigefügte Zusammenstellung der Publikationsunterlagen verwiesen, wobei die dort unter der Spalte „Änderungen“ angegebenen Unterlagen als Beschlussbestandteil beigefügt seien.
In der in Bezug genommenen Anlage ist unter dem Dokumententitel „Beschreibung“ als Eingangsdatum der 9. November 2010 vermerkt. In der Spalte „Seite/Nummer“ ist „Seite 1-10“ angegeben. Ferner ist in der Spalte „Änderungen“ vermerkt: „Eingang vom 10. 07. 10; S. 1, 1a“. Auch für die übrigen Patentbestandteile (Beschreibung, Zeichnungen) ist als Eingangsdatum der 9. November 2010 angegeben. In einem ergänzenden Hinweis wird hierzu erläutert, dass bei Erteilungsunterlagen, die vor dem 1. Juni 2011 beim DPMA eingegangen seien, aus technischen Gründen das interne Scandatum angegeben werde. Gültig sei jedoch das unter „Änderungsdatum“ aufgeführte tatsächliche Eingangsdatum dieser Unterlagen.
In einer weiteren Anlage zum Erteilungsbeschluss, die mit „Redaktionelle Änderungen in den Publikationsunterlagen“ bezeichnet ist, sind die Seiten 1 und 1a der Beschreibung mit insgesamt vier redaktionellen Änderungen wiedergegeben.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Anmelderin machte in einem Telefonat mit der Prüfungsstelle am 26. März 2012 geltend, dass der Erteilungsbeschluss hinsichtlich der Publikationsunterlagen Unstimmigkeiten aufweise. Die Prüfungsstelle bemerkte hierzu u. a., dass alle Beschreibungsseiten mit Eingang vom 10. Juli 2011 in die Publikationsunterlagen aufgenommen würden und dass in der Spalte „Änderungen“ nur die von Änderungen betroffenen Seiten 1 und 1a aufgeführt seien.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Anmelderin gegen den Erteilungsbeschluss. Sie stellt den Antrag,
- den Erteilungsbeschluss vom 29. Februar 2012 aufzuheben,
- das Patent auf der Grundlage der von ihr tabellarisch aufgeführten Dokumente zu erteilen und
- die Beschwerdegebühr zurück zu erstatten.
Die Dokumentenauflistung der Anmelderin unterscheidet sich von derjenigen im Erteilungsbeschluss zum einen darin, dass als Beschreibung nicht nur „Seiten 1 – 10“, sondern „Seite 1, 1a, 1b, 2, 2a, 3, 3a, 4, 4a, 5, 5a, 6, 6a, 7, 7a, 8, 8a, 9, 9a, 10“ angegeben ist; zum anderen in der genauen Angabe des Eingangsdatums der jeweiligen Dokumente, d. h. „10. 7. 2010“ für die genannten Beschreibungsseiten und für die Figurenzeichnungen 6, 8 und 9, „24. 1. 2008“ für die übrigen Zeichnungen und „4. 11. 2009“ für die Ansprüche 1 bis 15.
Die Anmelderin steht auf dem Standpunkt, dass auf Grund des fehlenden Hinweises auf die mit Schreiben vom 9. Juli 2010 eingereichten Beschreibungsseiten nicht ersichtlich sei, dass das Schutzrecht ordnungsgemäß mit diesen Unterlagen erteilt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als der Erteilungsbeschluss ohne Sachentscheidung aufzuheben und die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen ist (§ 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG).
1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat die Anmelderin unter Hinweis darauf, dass in der dem Erteilungsbeschluss als Bestandteil beigefügten Anlage „Publikationsunterlagen für die Patentschrift“ das tatsächliche Eingangsdatum der Erteilungsunterlagen nicht angegeben ist und dass dort als Beschreibung lediglich „Seiten 1 – 10“, und nicht die am 10. Juli 2010 eingereichten Beschreibungsseiten 1, 1a, 1b, 2, 2a, 3, 3a, 4, 4a, 5, 5a, 6, 6a, 7, 7a, 8, 8a, 9, 9a, 10 genannt sind, Unstimmigkeiten des Erteilungsbeschlusses dargelegt und damit auch schlüssig eine Beschwer geltend gemacht. Zwar spricht der Verfahrensablauf dafür, dass die Prüfungsstelle mit dem angefochtenen Beschluss ein Patent unter Zugrundelegung der von der Anmelderin vorgelegten Unterlagen erteilen wollte. Wird den Anträgen eines Anmelders mit dem Erteilungsbeschluss in vollem Umfang entsprochen, fehlt es in der Regel an einer Beschwer (BPatG, Beschluss vom 15. Juli 1982 – 4 W (pat) 39/82, BPatGE 25, 7). Im Streitfall ist jedoch aufgrund des Vortrags der Anmelderin nicht ausgeschlossen, dass der Erteilungsbeschluss nicht klar und eindeutig erkennen lässt, welche Unterlagen der Erteilung und der Publikation des Patents zugrunde gelegt worden sind, und daher inhaltliche Mängel aufweist. Diese Darlegung reicht im Hinblick darauf, dass der Inhalt eines Patents ausschließlich durch den Erteilungsbeschluss bestimmt wird (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 49 Rn. 44; Busse/Brandt, PatG, 7. Aufl., § 49 Rn. 18; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 49 Rn. 3) für die Bejahung der Zulässigkeit der Beschwerde aus. Ob der Erteilungsbeschluss tatsächlich Unrichtigkeiten aufweist, die seine Aufhebung gebieten, ist dagegen eine Frage der Begründetheit der Beschwerde und daher erst dort zu prüfen (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 50).
2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt.
Der Inhalt eines Patents wird ausschließlich durch den Erteilungsbeschluss bestimmt. Bei Divergenzen zwischen der Patentschrift und dem Erteilungsbeschluss geht der Erteilungsbeschluss vor (Schulte, a. a. O., § 49 Rn. 44; Busse/Brandt, PatG, 7. Aufl., § 49 Rn. 18; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 49 Rn. 3). Daher müssen die Unterlagen, die der Erteilung zugrunde liegen, in dem Erteilungsbeschluss genau bezeichnet werden (vgl. BPatG, Beschluss vom 20. August 1975 – 4 W (pat) 3/75, BPatGE 18, 27, 29 f. zum Bekanntmachungsbeschluss gemäß § 30 PatG a. F., der hinsichtlich der Wirkung mit dem Erteilungsbeschluss nach § 49 Abs. 1 PatG vergleichbar ist).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Erteilungsbeschluss nicht durchgängig gerecht.
Aus der dem Erteilungsbeschluss beigefügten Anlage „Redaktionelle Änderungen in den Publikationsunterlagen“, in der die Seiten 1 und 1a der Patentbeschreibung mit eingetragenen redaktionellen Änderungen wiedergeben sind, ist zwar ersichtlich, dass die Prüfungsstelle lediglich an diesen beiden Seiten redaktionelle Änderungen vorgenommen und im Übrigen die von der Anmelderin eingereichten Unterlagen unverändert zu Grunde gelegt hat.
Der angefochtene Erteilungsbeschluss wird indessen den Anforderungen an eine eindeutige Bezeichnung der zugrunde gelegten Unterlagen insoweit nicht gerecht, als dort lediglich Beschreibungsseiten „1 – 10“ aufgeführt sind und für diese Seiten der 9. November 2010 als Eingangsdatum angegeben ist. Aus dem ergänzenden Hinweis ergibt sich zwar, dass es sich bei diesem Datum nicht um das eigentliche Eingangsdatum, sondern um das interne Scandatum gehandelt hat. Das Scandatum ist aber nicht geeignet, die maßgeblichen, in Bezug genommenen Beschreibungsseiten zu identifizieren. Die Anmelderin konnte somit nicht erkennen, dass ihr ein Patent mit allen am 10. Juli 2010 eingereichten Beschreibungsseiten erteilt werden sollte.
Auch aus der weiteren Angabe in der Spalte „Änderungen“, wo auf einen Eingang vom 10. Juli 2010 verwiesen wird, ist nicht erkennbar, dass sich diese Datumsangabe auf alle Beschreibungsseiten beziehen soll, zumal lediglich die Seiten 1 und 1a ausdrücklich genannt werden.
Da bzgl. der übrigen Erteilungsunterlagen als Eingangsdatum ebenfalls jeweils das Scandatum 9. November 2010 angegeben ist, sind auch diese Unterlagen für die Anmelderin nicht mit der gebotenen Sicherheit zu identifizieren.
Im Hinblick darauf, dass der Schutzbereich eines Patents durch die Patentansprüche bestimmt wird (§ 14 Satz 1 PatG), ist insoweit erforderlich, dass aus dem Erteilungsbeschluss klar und eindeutig hervorgeht, welche Anspruchsfassung der Erteilung zugrunde gelegt worden ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Nachdem der angefochtene Erteilungsbeschluss insoweit inhaltliche Unklarheiten aufweist, ist er aufzuheben, ohne dass der Senat in der Sache selbst entscheidet, § 79 Abs. 3 Nr. 2 PatG. Die Prüfungsstelle wird nunmehr einen neuen Erteilungsbeschluss zu erlassen haben, in dem die der Publikation zugrunde gelegten Unterlagen in eindeutiger Weise zu bezeichnen sind.
III.
Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 80 Abs. 3 PatG. Danach ist die Rückzahlung anzuordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht.
So liegt der Fall hier. Die Erhebung der Beschwerde und die Entrichtung der Beschwerdegebühr hätten bei angemessener, verfahrensökonomischer Sachbehandlung vermieden werden können (vgl. Schulte, a. a. O., § 73 Rn. 124 ff.). Auf die telefonische Beanstandung der im Erteilungsbeschluss verzeichneten Publikationsunterlagen seitens der Anmelderin hat das DPMA ausgeführt, dass die Publikationsunterlagen dem Erteilungsantrag der Anmelderin entsprächen. In diesem Fall hätte daher die Möglichkeit bestanden, die Unstimmigkeiten im Erteilungsbeschluss in verfahrensökonomischer Weise im Wege einer Berichtigung analog § 95 Abs. 1 PatG zu korrigieren. Die Erhebung einer gebührenpflichtigen Beschwerde hätte sich dadurch erübrigt.