Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 31.05.2012


BVerwG 31.05.2012 - 10 C 7/12

Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
31.05.2012
Aktenzeichen:
10 C 7/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 28. April 2009, Az: 2 B 24.07, Urteil

Tatbestand

1

Die Kläger sind polnische Staatsangehörige. Sie begehren die Ausstellung von Bescheinigungen nach § 5 Abs. 6 Satz 1 FreizügG/EU über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts.

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Die 1960 geborene Klägerin zu 1 reiste 1988 nach Berlin (West) ein. Nach einem erfolglosen Asylverfahren war ihr Aufenthalt von Mai 1990 bis Oktober 2005 aus humanitären Gründen erlaubt. Die Kläger zu 2 und 3 wurden 1996 bzw. 1994 nichtehelich in Berlin geboren und besaßen Aufenthaltstitel, die demjenigen ihrer Mutter, der Klägerin zu 1, angepasst waren. Ihr Vater, ein türkischer Staatsangehöriger, lebt getrennt von den Klägern, übt das Sorgerecht aber gemeinsam mit der Klägerin zu 1 aus. Die Klägerin zu 1 bezieht seit Jahren für sich und ihre Kinder Sozialleistungen.

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Im August 2005 beantragten die Kläger die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnisse bzw. die Erteilung befristeter Aufenthaltserlaubnisse-EU. Mit Bescheiden vom 26. Oktober 2005 lehnte das beklagte Land die Anträge ab und drohte den Klägern die Abschiebung nach Polen an. Der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse stehe der nicht gesicherte Lebensunterhalt der Kläger entgegen. Aufenthaltsansprüche nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU könnten sie nicht geltend machen, da die Klägerin zu 1 weder Arbeitnehmerin sei noch einen gesicherten Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nachweisen könne. Die hiergegen eingelegten Widersprüche hatten keinen Erfolg. Im Zuge eines beim Berliner Abgeordnetenhaus durchgeführten Petitionsverfahrens wurden den Klägern im November 2006 befristete Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG erteilt, die für jeweils sechs Monate verlängert wurden.

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Im Klageverfahren beriefen sich die Kläger auf ein Recht auf Daueraufenthalt nach der Richtlinie 2004/38/EG und begehrten nur noch die Ausstellung entsprechender Bescheinigungen. Das Verwaltungsgericht gab den Klagen im Januar 2007 statt. Dabei ging es davon aus, dass Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG jedem Unionsbürger, der sich fünf Jahre rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten habe, ein Daueraufenthaltsrecht gewähre, ohne dass es darauf ankomme, ob er über ausreichende Existenzmittel verfüge.

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Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 28. April 2009 die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger erfüllten nicht die Anforderungen für das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU. Sie hielten sich zwar seit mehr als fünf Jahren im Bundesgebiet auf. Rechtmäßig im Sinne dieser Vorschrift sei aber nur ein Aufenthalt, der nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU auf einem Freizügigkeitsrecht beruhe. Berücksichtigungsfähig seien zudem nur Zeiten, in denen der Herkunftsstaat Mitglied der Europäischen Union gewesen sei. Nach dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 seien die Kläger nicht freizügigkeitsberechtigt gewesen, da sie als nicht erwerbstätige Unionsbürger nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt hätten (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 FreizügG/EU). Anders als bei Arbeitnehmern und selbstständig Erwerbstätigen seien in diesem Fall Zeiten des Sozialleistungsbezugs nicht als Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts zu berücksichtigen. Dies stehe im Einklang mit Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG. Danach müsse ein Unionsbürger für ein Daueraufenthaltsrecht fünf Jahre die Voraussetzungen des Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllen. Bei Nichterwerbstätigen verlange auch Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG, dass sie über ausreichende Existenzmittel verfügten, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssten.

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Die Kläger erstreben mit ihren Revisionen die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Sie sind der Auffassung, für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt genüge ein nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats rechtmäßiger Aufenthalt von fünf Jahren.

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Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt. Er hält die Revisionen ebenfalls für unbegründet, ist aber der Auffassung, dass § 4a FreizügG/EU nur verlangt, dass der Aufenthalt jedenfalls zuletzt nach Freizügigkeitsrecht rechtmäßig war. Insofern gehe die Vorschrift über die Richtlinie 2004/38/EG hinaus.

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Mit Beschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 15.09 - hat der seinerzeit zuständige 1. Senat das Verfahren ausgesetzt und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung der Voraussetzungen für den Erwerb eines Rechts auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG eingeholt. Der EuGH hat die Vorlagefragen mit Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-424/10 u.a. - beantwortet.

Entscheidungsgründe

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Die Revisionen, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sind zulässig und begründet. Das Berufungsgericht hat die Klagen mit einer Begründung abgewiesen, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Denn es ist davon ausgegangen, dass sich ein Daueraufenthaltsrecht nur aus Aufenthaltszeiten der Kläger im Bundesgebiet nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union ergeben kann. Nach der zwischenzeitlichen Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) können aber auch Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen vor dem Beitritt seines Herkunftslands zur Europäischen Union ein Recht auf Daueraufenthalt begründen. Da das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine tatrichterlichen Feststellungen zum Aufenthalt der Kläger im Bundesgebiet vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 getroffen hat, kann der Senat in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden. Der Rechtsstreit ist daher zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

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1. Gegenstand des Verfahrens ist nur das Begehren der Kläger auf Ausstellung von Bescheinigungen nach § 5 Abs. 6 Satz 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) über das Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts. Dieses Begehren zielt auf ein schlicht hoheitliches Handeln, das mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist. Soweit die Kläger ursprünglich die Verlängerung bzw. Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen beantragt haben, haben sie diese Anträge im Klageverfahren nicht weiterverfolgt. Mit der nachträglichen Erteilung befristeter Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen haben sich die in den ablehnenden Bescheiden des Beklagten mitverfügten Abschiebungsandrohungen erledigt.

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2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Verpflichtungsklagen, die auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gerichtet sind, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz abzustellen (stRspr, vgl. Urteile vom 16. Juni 2004 - BVerwG 1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 <88> m.w.N. und vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 37 ff.). Nichts anderes gilt, wenn im Wege der allgemeinen Leistungsklage die Ausstellung einer Bescheinigung über das Bestehen eines unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts begehrt wird. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens - hier etwa das Inkrafttreten des Reformvertrags von Lissabon zum 1. Dezember 2009 - sind allerdings zu beachten, da das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>).

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3. Das Berufungsurteil verstößt insoweit gegen Bundesrecht, als das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass sich ein Daueraufenthaltsrecht der Kläger nur aus Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 ergeben kann. Nach § 5 Abs. 6 Satz 1 FreizügG/EU wird Unionsbürgern auf Antrag unverzüglich ihr Daueraufenthalt bescheinigt. Nach der hier allein in Betracht kommenden Grundnorm des § 4a Abs. 1 FreizügG/EU haben Unionsbürger, ihre Familienangehörigen und Lebenspartner, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). In § 2 Abs. 2 FreizügG/EU sind die nach Unionsrecht freizügigkeitsberechtigten Personengruppen aufgezählt. Der Formulierung in § 4a FreizügG/EU "unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2" ist zu entnehmen, dass nicht jeder nach nationalem Recht rechtmäßige Aufenthalt ausreicht, sondern das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU anknüpft und nur ein einmal entstandenes Daueraufenthaltsrecht durch einen späteren Wegfall dieser Voraussetzungen nicht mehr berührt wird (vgl. Vorlagebeschlüsse vom 13. Juli 2010 - BVerwG 1 C 14.09 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 41 Rn. 14 und - BVerwG 1 C 15.09 - Rn. 13).

14

Mit dem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 eingefügten § 4a FreizügG/EU hat der Gesetzgeber das schon zuvor auf nationaler Ebene bestehende - und über das bisherige Unionsrecht hinausgehende - Daueraufenthaltsrecht für freizügigkeitsberechtigte Personen und die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 - sog. Unionsbürgerrichtlinie - zusammengefasst (BTDrucks 16/5065 S. 210). Nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten. Dieses Recht ist nicht an die Voraussetzungen des Kapitel III der Richtlinie 2004/38/EG geknüpft.

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Zur Auslegung dieser Bestimmung hat der EuGH in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-424/10 u.a., Ziolkowski u.a. - (NVwZ-RR 2012, 121) darauf hingewiesen, dass ein Unionsbürger, der im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eine Aufenthaltszeit von über fünf Jahren nur aufgrund des nationalen Rechts dieses Staates zurückgelegt hat, nicht so betrachtet werden kann, als habe er das Recht auf Daueraufenthalt nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erworben, wenn er während dieser Aufenthaltszeit die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG nicht erfüllt hat (LS 1 und Rn. 51). Zur Begründung hat der Gerichtshof darauf abgestellt, dass es sich bei dem Begriff des "rechtmäßigen Aufenthalts" in Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/EG um einen autonomen Begriff des Unionsrechts handelt, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist (Rn. 33). Rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts ist daher nur ein Aufenthalt, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen, insbesondere mit den in Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht (Rn. 46). Hergeleitet hat der Gerichtshof diese Auslegung zum einen aus dem Ziel der Richtlinie, die bereichsspezifischen und fragmentarischen Ansätze des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts zu überwinden und in einer Kodifikation zusammenzufassen (Rn. 35 ff.). Zum anderen hat er darauf abgestellt, dass sich aus der Systematik der Richtlinie ein gestuftes System von Aufenthaltsrechten ergibt, das im Recht auf Daueraufenthalt mündet (Rn. 38 ff.). Damit richtet sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch in Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG nicht nach dem im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat geltenden - möglicherweise günstigeren - nationalen Aufenthaltsrecht. Vielmehr setzt das Entstehen eines Rechts auf Daueraufenthalt unionsrechtlich voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt hat.

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Nach der zwischenzeitlichen Klärung durch den EuGH kann sich ein Recht auf Daueraufenthalt allerdings auch aus Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat ergeben, bevor der Drittstaat der Europäischen Union beigetreten ist. Diese Aufenthaltszeiten sind in Ermangelung spezifischer Bestimmungen in den Beitrittsakten für die Zwecke des Erwerbs des Rechts auf Daueraufenthalt gemäß Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG aber nur berücksichtigungsfähig, sofern der Betroffene nachweisen kann, dass sie im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG zurückgelegt wurden (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 a.a.O. LS 2 und Rn. 62 f.). Diese Vorwirkung der Richtlinie gilt bei der gebotenen unionskonformen Auslegung auch für die nationale Regelung in § 4a FreizügG/EU, die die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG umsetzt.

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4. Der Senat kann weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend in der Sache selbst entscheiden. Da nach dem Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2011 (a.a.O.) auch Aufenthaltszeiten eines Drittstaatsangehörigen vor dem Beitritt seines Herkunftsstaats zur Europäischen Union für ein Daueraufenthaltsrecht berücksichtigungsfähig sein können, wenn sie im Einklang mit den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG zurückgelegt wurden, das Berufungsgericht zum Aufenthalt der Kläger vor dem Beitritt Polens am 1. Mai 2004 aber keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, ist der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

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5. In dem erneuten Berufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht zu prüfen haben, ob die Kläger über einen ununterbrochenen Zeitraum von fünf Jahren die Voraussetzungen des Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG erfüllt haben und ihr Aufenthalt deshalb für die Prüfung des Erwerbs eines Rechts auf Daueraufenthalt dem Aufenthalt eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers gleichzustellen ist (zum Erfordernis eines ununterbrochen die Voraussetzungen eines Freizügigkeitsrechts erfüllenden Voraufenthalts vgl. Urteil vom heutigen Tag - BVerwG 10 C 8.12 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen Rn. 20). Nach Aktenlage spricht zwar nichts dafür, dass die Klägerin zu 1 jemals die Eigenschaft einer Arbeitnehmerin oder selbstständig Erwerbstätigen im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FreizügG/EU bzw. des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG erworben hat, so dass sich ein Daueraufenthaltsrecht hier wohl nur aus Aufenthaltszeiten ergeben kann, in denen die Kläger die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 4 Satz 1 FreizügG/EU bzw. des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG erfüllten. Danach müssen nicht erwerbstätige Personen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht vor allem dem Umstand nachzugehen haben, dass den Akten erst ab 1995/1996 Hinweise für den Bezug von Sozialleistungen zu entnehmen sind und die Klägerin zu 1 zuvor offensichtlich über einen längeren Zeitraum von Freunden finanziell unterstützt wurde.

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Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht hingegen davon ausgegangen, dass die Kläger - im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - allein aus ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 kein Recht auf Daueraufenthalt herleiten können. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bezogen die nichterwerbstätigen Kläger nach dem Beitritt Polens durchgängig staatliche Leistungen. Diese beruhten zunächst auf dem Bundessozialhilfegesetz und seit dem 1. Januar 2005 auf dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz sind in jedem Fall Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38/EG. Es spricht viel dafür, dass es sich auch bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. SGB II um Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie handelt (vgl. Urteil vom heutigen Tag a.a.O. Rn. 25).