Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 30.05.2017


BVerwG 30.05.2017 - 10 BN 4/16

Keine Eigentumsgarantie einer Hinterbliebenenrente


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
30.05.2017
Aktenzeichen:
10 BN 4/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2017:300517B10BN4.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OVG Lüneburg, 24. Juni 2016, Az: 8 KN 128/15, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Der Normenkontrollantrag richtet sich gegen Art. 1 Nr. 7 der Satzung zur Änderung der Alterssicherungsordnung der Antragsgegnerin vom 24. September 2014. Durch die Regelung wurde der sogenannte Ledigenzuschlag bei der Altersrente von 20% auf 10% gesenkt; diesen Zuschlag erhalten versorgungsberechtigte Mitglieder der Antragsgegnerin, wenn nach verbindlicher Erklärung bei Beginn der Altersrente keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden sind (§ 15 Abs. 9 Satz 1 der Alterssicherungsordnung). Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.

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Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

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Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt und erläutert werden, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung der aufgeworfenen, bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage(n) des Bundesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) oder einer der in § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO genannten Vorschriften führen kann (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>, vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 und vom 29. Juni 2015 - 10 B 66.14 - juris Rn. 9). Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.

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a) Die Antragstellerin wirft der Sache nach zunächst die Rechtsfrage auf,

ob der Ledigenzuschlag dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt.

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Hierzu macht sie im Wesentlichen geltend, das Normenkontrollgericht habe verkannt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Anwartschaften auf die Altersrente und auf den Ledigenzuschlag eine Einheit bildeten und deswegen insgesamt Schutzobjekt der Eigentumsgarantie seien.

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Dieses Vorbringen rechtfertigt die Zulassung der Grundsatzrevision nicht, weil die aufgeworfene Frage eine Vorschrift des irrevisiblen untergesetzlichen Landesrechts betrifft, die nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein kann (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

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Daran ändert auch nichts, dass die Antragstellerin eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG geltend macht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung und Anwendung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2008 - 6 B 7.08 - Buchholz 451.20 § 12 GewO Nr. 1 Rn. 9, vom 8. Mai 2008 - 6 B 64.07 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 132 Rn. 5 und vom 29. Juni 2015 - 10 B 66.14 - juris Rn. 13). Das leistet die Beschwerdebegründung nicht. Sie zeigt auch nicht auf, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundes(verfassungs)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (vgl. dazu u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 21. September 2001 - 9 B 51.01 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44, vom 19. August 2013 - 9 BN 1.13 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 4 und vom 29. Juni 2015 - 10 B 66.14 - juris Rn. 15).

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Das Normenkontrollurteil knüpft an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 18. Februar 1998 - 1 BvR 1318, 1484/86 - BVerfGE 97, 271 <285>) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 CN 1.09 - BVerwGE 134, 99 Rn. 27) zum grundrechtlichen Schutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen an. Deren Zuordnung zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie setzt danach unter anderem eine dem einzelnen Versicherten zurechenbare Eigenleistung voraus. Im Hinblick darauf unterfällt eine Hinterbliebenenrente nicht dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG, weil sie eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung ist, die ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird, und es ihr deswegen an einem hinreichenden personalen Bezug zwischen der Beitragsleistung des Versicherten und der später an seine Hinterbliebenen geleisteten Versorgung bzw. Rente mangelt.

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Diese bundesverfassungsrechtlichen Grundsätze, hinsichtlich derer die Beschwerde keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf aufzeigt, hat das Normenkontrollgericht auf den Ledigenzuschlag übertragen und ist zu der Auffassung gelangt, dass dieser ebenfalls nicht auf Eigenleistungen des Mitglieds beruhe. Der Zuschlag werde vielmehr zur pauschalen Kompensation von Nachteilen gegenüber den Mitgliedern mit sonstigen rentenbezugsberechtigten Angehörigen gewährt; einer individuellen Zurechnung geleisteter Beiträge zu einem zu gewährenden Ledigenzuschlag stehe im Übrigen entgegen, dass sich das Entstehen dieses Anspruchs in zeitlicher Hinsicht allein danach richte, ob seine Voraussetzungen im Zeitpunkt des Renteneintritts vorlägen. Ob diese Auffassung zutrifft, ist eine Frage der Auslegung des nicht revisiblen Landesrechts; die gegen sie gerichtete Kritik der Beschwerde erfüllt nicht die Voraussetzungen einer erfolgreichen Grundsatzrüge.

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b) Entsprechendes gilt für die weitere Frage,

ob der Erlass einer Übergangsregelung im Rahmen der Absenkung des Ledigenzuschlags für rentennahe Jahrgänge zur Schaffung einer sonst nicht gegebenen Verhältnismäßigkeit deswegen nicht nötig ist, weil es an einer besonderen Schutzbedürftigkeit der rentennahen Jahrgänge bezüglich des Ledigenzuschlags fehlt.

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Sie ist ausschließlich auf die Vereinbarkeit der angegriffenen Satzungsbestimmung mit einer bundesverfassungsrechtlichen Vorgabe - hier dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - gerichtet, ohne dass der Beschwerde im Hinblick auf dieses Verfassungsprinzip ein grundsätzlicher Klärungsbedarf zu entnehmen wäre.

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2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Eine Divergenz ist nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung eines Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt und die entscheidungstragende Abweichung muss hierauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht oder der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte oder das Bundesverfassungsgericht aufgestellt haben, genügt den Darlegungsanforderungen einer Divergenzrüge nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. April 2012 - 8 B 86.11 - Buchholz 430.4 Berufsständisches Versorgungsrecht Nr. 54 Rn. 12 und vom 26. Juli 2016 - 10 B 15.15 - juris Rn. 5, je m.w.N.). So aber liegt der Fall hier.

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Die Beschwerde benennt zwar einen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz. Danach ist Gegenstand des Schutzes des Art. 14 Abs. 1 GG die Anwartschaft, wie sie sich insgesamt aus der jeweiligen Gesetzeslage ergibt. Rentenanwartschaften beruhen auf verschiedenen Elementen, die erst in ihrem funktionalen Zusammenwirken zu einem Gesamtergebnis führen. Die Einzelelemente können nicht losgelöst voneinander behandelt werden, als seien sie selbständige Ansprüche. Im Hinblick auf Art. 14 GG ist die rentenversicherungsrechtliche Position insgesamt Schutzobjekt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 1981 - 1 BvR 874/77 u.a. - BVerfGE 58, 81 <109> und vom 27. Februar 2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272 <293>; BVerwG, Beschluss vom 13. April 2012 - 8 B 86.11 - Buchholz 430.4 Berufsständisches Versorgungsrecht Nr. 54 Rn. 6).

15

Die Beschwerde bezeichnet jedoch keinen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz des Normenkontrollgerichts, das einen solchen auch nicht aufgestellt hat. Vielmehr hat das Normenkontrollgericht den Ledigenzuschlag deswegen nicht als Element der eigentumsgrundrechtlich geschützten Rentenanwartschaft der Antragstellerin angesehen, weil er nicht auf Eigenleistungen der Mitglieder beruhe. Die Beschwerde wendet sich gegen diese ihrer Auffassung nach zu Unrecht unterbliebene Anwendung des erwähnten Rechtssatzes, die aber keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründet.

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Die erforderliche Gegenüberstellung divergierender Rechtssätze lässt die Beschwerde ebenfalls vermissen, soweit sie sich gegen die Ausführungen des Normenkontrollgerichts zum verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz und der Erforderlichkeit von Übergangsbestimmungen zugunsten rentennaher Jahrgänge wendet. Das Normenkontrollgericht hat in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls eine besondere Schutzbedürftigkeit von Betroffenen der angegriffenen Satzungsbestimmung auch insoweit abgelehnt, als diese rentennahen Jahrgängen angehören. Die Beschwerde kritisiert diese rechtliche und tatsächliche Würdigung des Sachverhalts, vermag aber keine im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO divergierenden Rechtssätze aufzuzeigen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.