Entscheidungsdatum: 31.01.2014
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und auf Aufklärungsrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die von der Beschwerde behauptete rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Die Beschwerde wendet sich gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe im asylrechtlichen Folgeverfahren keine hinreichend guten Gründe dafür vorgebracht, dass seine erst nach der Ablehnung des ersten Asylantrags aufgenommenen exilpolitischen Aktivitäten auf einer anderen Triebfeder als der Schaffung von Nachfluchtgründen beruhten und seinem Anerkennungsbegehren daher die Regelung des § 28 Abs. 2 AsylVfG entgegenstehe.
Sie hält die Frage für klärungsbedürftig,
welche Kriterien für die Bewertung der vom Bundesverwaltungsgericht geforderten "guten Gründe" des Asylbewerbers im Rahmen von § 28 Abs. 2 AsylVfG bei nach der Ausreise vorgenommenen exilpolitischen Aktivitäten zu berücksichtigen sind und welche Gewichtung den einzelnen Kriterien beizulegen ist (Beschwerdebegründung S. 6).
Diese Frage kann schon deshalb nicht zur Zulassung einer Grundsatzrevision führen, weil es sich hierbei nicht um eine fallübergreifend zu beantwortende rechtsgrundsätzliche Frage handelt. Die Beantwortung der Frage hängt nämlich wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab, die sich einer abstrakten, generalisierenden Bewertung durch das Revisionsgericht entziehen.
Nach der auch vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht wird durch die Vorschrift des § 28 Abs. 2 AsylVfG die risikolose Verfolgungsprovokation durch Nachfluchtgründe, die der Betreffende nach Abschluss des ersten Asylverfahrens selbst geschaffen hat, regelhaft unter Missbrauchsverdacht gestellt (vgl. Urteile vom 18. Dezember 2008 - BVerwG 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31 = Buchholz 402.25 § 28 AsylVfG Nr. 24 jeweils Rn. 14 und vom 24. September 2009 - BVerwG 10 C 25.08 - BVerwGE 135, 49 = Buchholz 402.25 § 28 AsylVfG Nr. 25 jeweils Rn. 21). Die Maßstäbe für die Abgrenzung des Regelausschlusses von einem Ausnahmefall, in dem nach Abschluss des Erstverfahrens geschaffene Nachfluchtgründe zur Flüchtlingsanerkennung führen, sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem vom Gesetzgeber gewählten Regelungsmodell sowie dem Zweck der Vorschrift zu entwickeln. Die gesetzliche Missbrauchsvermutung ist dann widerlegt, wenn der Asylbewerber den Verdacht ausräumen kann, er habe Nachfluchtaktivitäten nach Ablehnung des Erstantrags nur oder aber hauptsächlich mit Blick auf die erstrebte Flüchtlingsanerkennung entwickelt oder intensiviert. Bleibt das Betätigungsprofil des Betroffenen nach Abschluss des Erstverfahrens unverändert, liegt die Annahme einer missbräuchlichen Verknüpfung von Nachfluchtaktivitäten und begehrtem Status eher fern. Wird der Asylbewerber jedoch nach einem erfolglosen Asylverfahren erstmals exilpolitisch aktiv oder intensiviert er seine bisherigen Aktivitäten, muss er dafür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, dies geschehe in erster Linie, um die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen (vgl. Urteile vom 18. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 16 und vom 24. September 2009 a.a.O. Rn. 26).
Die Beurteilung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage, wann ein Asylbewerber "gute Gründe" im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung zu § 28 Abs. 2 AsylVfG vorgebracht hat, ist eine den Tatsachengerichten vorbehaltene Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung im Einzelfall. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat, hat der Tatrichter hierzu die Persönlichkeit des Asylbewerbers und dessen Motive für seine erstmalig aufgenommenen oder intensivierten Aktivitäten vor dem Hintergrund seines bisherigen Vorbringens und seines Vorfluchtschicksals einer Gesamtwürdigung zu unterziehen. Die Frage lässt sich hingegen nicht verallgemeinerungsfähig beantworten und ist damit einer rechtsgrundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich. Das Gleiche gilt für die weitere Frage, ob in jedem Einzelfall eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden muss und worauf sich diese ggf. zu erstrecken hätte.
2. Die Beschwerde rügt weiter, dass das Berufungsgericht seiner Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nicht nachgekommen sei. Allerdings fehlt es für die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz an der Entscheidungserheblichkeit des aus Sicht der Beschwerde näher aufzuklärenden Sachverhalts mit der Folge, dass auch diese Rügen ohne Erfolg bleiben.
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Klage zunächst tragend darauf gestützt, dass ihrer Berücksichtigung § 28 Abs. 2 AsylVfG entgegensteht. Nur als zusätzliche Begründung hat es ausgeführt, dass auch ohne Berücksichtigung der Ausschlusswirkung des § 28 Abs. 2 AsylVfG kein Anspruch auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehe (UA S. 13 unten). Auf die nähere Aufklärung des Sachverhalts zum Anerkennungsanspruch, auf den sich die beiden Aufklärungsrügen beziehen, kommt es damit nicht entscheidungserheblich an, nachdem gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu § 28 Abs. 2 AsylVfG keine durchgreifenden Revisionsrügen erhoben worden sind (siehe Ziffer 1 dieses Beschlusses).
Auch im Hinblick auf die Feststellung von Abschiebungsverboten zeigt die Beschwerde keine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO auf. Denn ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat und die sich dem Gericht auch nicht aufdrängen musste (Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265). Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 10 C 11.07 - BVerwGE 131, 186 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 21 jeweils Rn. 13 m.w.N.); lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen den genannten Anforderungen nicht (Beschluss vom 3. Juli 1998 - BVerwG 6 B 67.98 - juris Rn. 2). Der anwaltlich vertretene Kläger hat in der Berufungsverhandlung vom 2. Juli 2013 keine Beweisanträge gestellt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich dem Berufungsgericht, nachdem es zahlreiche Erkenntnisquellen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat und von dem Kläger durch die Befragung in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck gewinnen konnte, zu den von der Beschwerde genannten Beweisthemen weitere Ermittlungen von Amts wegen hätten aufdrängen müssen. Damit kann die Aufklärungsrüge keinen Erfolg haben.