Entscheidungsdatum: 29.04.2013
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Abweichung (Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Die vom Kläger behauptete Abweichung des Berufungsurteils von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 2011 - BVerwG 10 C 29.10 - (BVerwGE 141, 161 = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 42) liegt nicht vor.
Eine Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift ist gegeben, wenn das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem Rechtssatz widersprochen hat, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
Das Berufungsgericht hat implizit den Rechtssatz aufgestellt, der mit fehlerhaften Annahmen zur Staatsangehörigkeit einer Person begründete Widerruf einer Asylanerkennung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG könne in eine Rücknahme der Asylanerkennung nach § 73 Abs. 2 AsylVfG infolge unrichtiger Angaben oder infolge des Verschweigens wesentlicher Tatsachen umgedeutet werden. Diesem Rechtssatz stehen die von der Beschwerde herangezogenen Ausführungen in dem Urteil vom 22. November 2011 (a.a.O. Rn. 26) nicht entgegen. Die von der Beschwerde in Bezug genommene Formulierung:
"Eine Umdeutung des Widerrufs in eine Rücknahme der Anerkennungen kommt, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, nicht in Betracht. Dies folgt bereits aus der Rechtskraft des zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung verpflichtenden Urteils vom 6. November 2003, die es verbietet, die Rechtmäßigkeit der Anerkennungen im Nachhinein anders zu beurteilen"
schließt eine derartige Umdeutung nicht generell im Hinblick auf die Rechtskraft eines zur Asylanerkennung verpflichtenden Urteils aus, sondern bezieht sich nach dem Zusammenhang des entschiedenen Falles lediglich auf die Veränderung der asylrelevanten Umstände im Verfolgerstaat. Sie betrifft indes nicht den - hier vorliegenden - Fall einer bewussten Täuschung über das für die Anerkennung wesentliche Merkmal der Staatsangehörigkeit des Asylsuchenden. Denn in einem solchen Fall geht es nicht um eine nachträgliche "andere" Beurteilung der - grundsätzlich unveränderten - Verfolgungssituation, sondern um die Reaktion auf eine Täuschungshandlung durch unrichtige Angaben bzw. das Verschweigen wesentlicher Tatsachen. Für diesen Fall beanspruchen die zitierten Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts keine Geltung. Vielmehr kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Rechtskraft durch behördliche Ermessensentscheidung durchbrochen werden, die sich an den Maßstäben des § 51 VwVfG orientiert (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 1 C 26.08 - BVerwGE 135, 137 = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 54 Rn. 19 ff . ).
2. Die von der Beschwerde erhobenen Grundsatzrügen zu den Anwendungsvoraussetzungen des § 60 Abs. 8 AufenthG bei strafrechtlicher Verurteilung greifen nicht durch, weil sie für die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erheblich sind. Denn das Berufungsgericht hat die Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung wegen strafgerichtlicher Verurteilungen auf der Grundlage des § 60 Abs. 8 AufenthG lediglich zusätzlich zu der die Entscheidung selbständig tragenden, mit der Divergenzrüge erfolglos angegriffenen Umdeutung in eine Rücknahme nach § 73 Abs. 2 AsylVfG geprüft und bejaht (s. UA Rn. 36 "... ungeachtet dessen ..."; UA Rn. 42 "Unabhängig davon ..."). Bei einem - wie hier - in je selbständig tragender Weise mehrfach begründeten Urteil kann die Revision nur dann zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund gegeben ist (stRspr, Beschluss vom 10. Mai 1990 - BVerwG 5 B 31.90 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 284 m.w.N.).
Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 31. Januar 2013 - BVerwG 10 C 17.12 - entschieden hat, dass ein Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung wegen einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer mindestens dreijährigen Freiheitsstrafe (§ 60 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 AufenthG) bei einer Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe (§§ 53 bis 55 StGB) nur in Betracht kommt, wenn eine der in die Gesamtstrafe einbezogenen Einzelstrafen eine mindestens dreijährige Freiheitsstrafe ist, vermag deshalb auch bei Umdeutung der Grundsatzrüge in eine Rüge nachträglicher Divergenz nicht zur Revisionszulassung zu führen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer- den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.