Entscheidungsdatum: 17.08.2010
Die Beschwerde des Klägers, mit der dieser einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde sieht einen Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und zugleich eine Gehörsverletzung darin, dass das Berufungsgericht im Beschlussverfahren gemäß § 130a VwGO entschieden habe, obwohl der Bevollmächtigte des Klägers auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts vom 12. Februar 2010 mit Schriftsätzen vom 23. und 25. Februar 2010 - jeweils mit Anlagen - sowie vom 16. März 2010 u.a. auf die Notwendigkeit der Medikation des Klägers mit Methylphenidat hingewiesen habe. Auf diesen neuen und entscheidungserheblichen Vortrag habe das Berufungsgericht eine konkrete Gefahrenlage lediglich mit Hinweis darauf verneint, dass dieses Medikament im Kosovo für den Kläger erreichbar sei. Das rechtliche Gehör des Klägers sei verletzt worden, weil kein weiterer Hinweis auf das Festhalten an der beabsichtigten Entscheidung nach § 130a VwGO erfolgt sei. Aus dem Vorbringen der Beschwerde ergibt sich der gerügte Verfahrensmangel nicht.
Gemäß § 130a VwGO kann das Oberverwaltungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ob das Gericht den ihm nach § 130a VwGO eröffneten Weg der Entscheidung im Beschlussverfahren beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar ist (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 3. Februar 1999 - BVerwG 4 B 4.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 und vom 8. August 2007 - BVerwG 10 B 74.07 - juris Rn. 3). Anhaltspunkte für derartige Ermessensfehler lassen sich der Beschwerde nicht entnehmen. Sie ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen zur Unterlassung eines Hinweises nach Eingang der Stellungnahme des Klägers.
Die Bezugnahme der Beschwerde auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 6 EMRK führt schon im Ansatz nicht auf den behaupteten Verfahrensmangel. Denn Art. 6 Abs. 1 EMRK stand einer Entscheidung im Beschlussverfahren im vorliegenden Fall nicht entgegen. Diese Vorschrift ist in ausländer- und asylverfahrensrechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich nicht anwendbar, denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist ein Rechtsstreit über die Abschiebung eines Ausländers nicht als Streit über "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK anzusehen (Beschluss vom 20. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 67.04 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 69 m.w.N.).
Nach nationalem Recht gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, die Verfahrensbeteiligten durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 m.w.N.). Derartige, eine erneute Mitteilung des Verwaltungsgerichtshofs erfordernde Umstände trägt die Beschwerde aber nicht vor.
Dass ein Beweisantrag gestellt wurde, behauptet die Beschwerde selbst nicht. Sie beruft sich vielmehr auf wesentliche neue Gesichtspunkte, die sich durch den Hinweis auf die aktuell notwendige Medikation des Klägers mit Methylphenidat ergeben hätten. Denn wäre eine erneute Anhörungsmitteilung erlassen worden, hätte ergänzend vorgetragen werden können, dass und aus welchem Grund eine Versorgung mit dem genannten Medikament für den Kläger gerade nicht erreichbar sei und ihm deshalb Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG hätte gewährt werden müssen. Mit diesem Vorbringen verfehlt die Beschwerde jedoch die Substantiierungsanforderungen, denen ihr Vorbringen auf die Anhörungsmitteilung des Berufungsgerichts vom 12. Februar 2010 hinsichtlich eines Abschiebungsverbots aus gesundheitlichen Gründen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung hätte genügen müssen, um die Pflicht zu einer erneuten Anhörung seitens des Berufungsgerichts zu begründen. Denn nicht allein das Angewiesensein auf ein bestimmtes Medikament, sondern auch dessen mangelnde Erreichbarkeit gehört zu den notwendigen anspruchsbegründenden Tatsachen, die angesichts der vom Berufungsgericht zur Gesundheitsversorgung im Kosovo bereits eingeführten Stellungnahmen hätten substantiiert werden müssen.
Schließlich ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Möglichkeit der Versorgung mit Methylphenidat aus Sicht des Berufungsgerichts einen entscheidungserheblichen Umstand betrifft. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat in der angefochtenen Entscheidung vielmehr ausgeführt, es sei hinsichtlich des ADHS/HKS-Medikaments nicht erkennbar, dass ein durch Nichteinnahme möglicherweise ausgelöstes Unwohlsein des Klägers oder eine Konzentrationsschwierigkeit, wie sie im Bericht der Ergotherapeutin T. vom 25. August 2009 beschrieben werde, als erhebliche konkrete Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gewertet werden könnte (BA S. 10).